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Pfälzer Bote für Stadt und Land (26) — 1891

DOI Kapitel:
Nr. 291 - Nr. 297 (22. Dezember - 31. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44149#1205

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Erjheint täzlı# witt Arränahmea ber Gomu« vud Gretertage
Samftags 2# Unterholtungehelnns, Bratg viertel{ährlich
ME 1.20 ohne Z ire" >5 Poſtaufſchlag. Beſtellungen
hei den Poſtanſtalten 1, bei der Expedition Zwingerfiraße 7,









— *

&O

für Sfadt S






Anaetgesiagtt für die Amräberirte Heibelbera
Vabeontg, Wemgenn, ÄmmeHtrgen, Philippsburg,
eßinch Brnclal. Breiten, Nedargemünd, MosSbach, -
übervad, Budzen, Waldürn, T Biſchofeh. Wertheim 24




















Verantwortlicher Redalteur:
Julius Jeder in Heidelberg.


V Saıg











Ochchchchchcocochlhchcheh hchchchth
Die Poſt⸗Abonnenten

werden dringend gebeten, das Abonnement auf den
Pfaͤlzer Boten ſchleunigſt bei der nächſtgelegenen
Poſtanſtalt — auch Landbriefträger nehmen Be-
ſtellungen an — zu erneuern, damit Unterbrech-
ungen in der Zuſendung beim bevorſtehenden Quar-
talwechſel vermieden werden.

Unſere bisherigen Leſer und Freunde bitten wir,
dem Pfälzer Boten auch fernex treu zu bleiben und
für weitere Verbreitung desſelben durch Em-
pfehlung in den Kreiſen ihrer Bekannten nach
Kräften mitwirken zu wollen. Probenummern ſtehen
zu Dienſten.

Neu hinzutretende Abonnenten erhalten bis Ende
dieſes Monats den Pfälzer Boten unentgeltlich,
wenn ſie der Expedition desſelben die Poſtquittung
für das 1. Quartal zuſenden.

det Umtaufeh det Ouittungstarten zur Ine
validitäts- und Wiersverfieherung-

Nahezu iſt ein Jahr verfloſſen, ſeit das Invali-
ditäts⸗ und Altersvexſicherungsgeſetz in Kraft getreten
iſt. Jetzt iſt die Zeit gekommen, in der viele Quit-
tung3farten umgetaujcht werden müſſen. Zweck
dieſer Zeilen ſoll ſein, die Vorſchriften, welche ſpeziell
den Arbeitgeber bezw. die Behandlung der Quittungs-
karte betreffen, kurz zu ſkizziren:

Die Quittungskarte dient lediglich dazu, die Ver-
ſicherungsmarken aufzunehmen Gleichwie die Spar-
marken auf den hiezu erhältlichen Karton in fort-
laufender Reihenfolge aufgeklebt, um dann, wenn der
Karton voll iſt. an die Sparkaſſe abgeliefert zu
werden, ebenſo ſind in die Quittungskarten die Marken
wöchentlich und ſtreng in der vornummexirten Reihen-
folge einzukleben und wenn ſie voll ſind, der Ge-
meindebehörde behufs Umtauſch und Aufrechnung
vorzulegen.

Ein großer Irrthum, der das Publikum faſt aus-
ſchließlich beherrſcht, iſt die Meinung, daß für ſo
viele Wochen, als der Arbeiter krank dder ohne Arbeit




oder endlich zu einer militäriſchen Dienſtleiſtung ein-

ebenſo viele Felder frei bleiben müſſen, oder wenn
der Arbeiter z. B erſt in der 30. Woche in die Ar-
beit, auch erſt beim 30. Feld das Einkleben beginnen
muß. Das iſt nicht richtig. Es werden Karten, in
denen nicht die 52 Felder vollſtaͤndig beklebt ſind,
nicht um getauſcht.

Ferner herrſcht vorwiegend die irrige Mein-
ung, die Karten müßten am Ende des
Jahres umgetauſcht werden. Das iſt wieder
nicht richtig, ſondern der betreffende Karten Inhaber
darf vom Tage der Ausſtellung der Karte an gerech-
net 4 Jahre zum Bekleben brauchen, d. h. die Quit-
tungskarte darf während vier aufeinanderfolgenden
Kalenderjahren zum Einkleben der Marken benützt
werden. Dieſe Beſtimmung hat natürlich nur für
die nicht regelmäßig ar-
beiten; bei regelmäßiger Beſchäftigung
wird ja die Karteſchon viel früher volı.

Ein wunder Punkt iſt das Entwerthen der Marken.
Obwohl bei ſehr empfindlicher Geld- ja ſogar Ge-
fängnißſtrafe verboten iſt, in oder an der Quittungs-
karte irgend welche Einträge bez. Vermerke zu machen,
werden die Marken durch alle möglichen Stempel und
handſchriftlichen Zeichen entwerthet.

Es läßt ſich nicht leugnen, daß der Arbeitgeber
einem boshaften Arbeiter gegenüber
trole iſt, aber Erſterer kraͤukelt ſeit Jukraftreten des
Geſetzes an einer ſo übertriebenen Furcht vor Strafe,
ſo daß er — es klingt zwar paradox — eine ſtraf-
bare Handlung begeht, um ſich vor Strafe zu ſchützen.
Ein altes Sprichwort ſagt, wo kein Kläger iſt, iſt
auch kein Richter Klebt der Arbeitgeber ſeine Marken
richtig ein, ſo wird kein Grund zur Klage vorhanden
ſein, abgeſehen davon, daß nicht auf eine Klage hin
der Arbeitgeber ſofort ohne jede Rechtfertigung oder
Gegenbeweis in Strafe genommen wird. Zur Ehre


unter den vielen Markenftreitigkeiten, welche bei hie-
ſigen Gemeindebehörden ausgetragen wurden, nicht ein
Fall ſich auf ein ungerechtfertigtes Verlangen von


Die größte Rolle ſpielt das widerrechtliche Zurück-
behalten der Quittungskarten Seitens der Arbeitgeber
trotz der im Geſetze angedrohten hohen Strafen. Gegen
derartige Zuwiderhandelnde wird von den Behörden
ganz ſtrenge vorgegangen werden. Möchten daher die
Arbeitgeber immer im Auge behalten, daß der Arbeiter
bei ſeinem neuen Dienſtherrn ſofort die Karte ab-
geben muß. Man händige doch dem abgehen-
den Arbeiter ſofort ſeine Karte aus, es



gezogen war, alſo keine Beiträge zu leiſten hatte, auch

Schlechter e tmiumò.
25) Criminal⸗Novelle von Carl Ed. Klopfrer.

Er wußte, daß er in kürzeſter Friſt abermals, dem
Ereisgericht eingeliefert werden würde, daß ein ahnliches
Nichtercollegium über ihn zu Gericht ſitzen und einen Ur-
theilsſpruch fällen würde, der ihn in dieſelben Kerkermauern
verbannen würde die er erſt vor wenig mehr als vier-
undzwanzig Stunden verlaffen hatte — diesmal konnte
es aber keinem Zweifel unterliegen, daß er das Zuchthaus
nicht bald wieder verlaſſen werde; jeßt ſtand er ia unter
der Anklage eines bei Weitem ſchpereren Verbrechens,
unter dem Delicte eines gemeinen Racheactes und mußte
als — Rückfälliger, „als bereits einmal Abgeſtrafter“ eines
min deſtens dreifachen Strafausmaßes gewärtig ſein.

Als er am Morgen in die Amtsſtube zum erſten Ver-
Höre unter Dr. Kamberg gebracht wurde und von dieſem
erſt in deutlichen Worten die furchtbare Anſchuldiaung ver-
nabm, die man gegen ihn erhob da verfiel er anfangs in
einen Anfall rajender Verzweiflung. Er ſprana an die
Thür, warf die Gerichtsdiener mit Fräftiger Fauft zurück
und ſchwor daß er ſich bis zum letzten Blutstropfen zur
Wehre ſetzen werde ehe er ſich unter die Verweſer der
irdiſchen Gerechtiakeit ſtellen wolle, die er als ſeine grau-
Jamen Beiniger beirachte, Er beſchimpfte Ferdinand Weller, }
der ſeine Schmähungen iedoch mit einem gleichoiltigen
hochmüthigen Achſelzucken über ſich ergehen ließ, Endlich
mußte ihm die ZwangsSjade angelegt werden. Ramberg
ſprach ihm ruhis zu, ſtellte ihm daͤs Vergehliche ſeiner
wahnwitzigen Renitenz vor, daß er ſeine Lage dadurch nur
verſchlechtern könne, daß er ſich mit Ergebung in’3 Unver-
meidliche fügen müſſe uſw. Dann legte er ihm die Frage
vor, ob er fidh jchuldig befenne, das Feuer auf dem Grund!
tücke ſeines ehemaligen Brodherrn gelegt zu haben Hlügel ;
befchwor in hHerzbewegenden Wusdrücen ſeine Schuldlofige ;
Feit. KRamberg ſchüttelte mit finjterer Miene den Xopfund :
äid.)ritt zu dem jchwerwiegenden „Indicienbeweis”, wie er
ag



te. ;
_ „greilich, freilich,“ lachte Higel bitter auf, „ein In- ;
dieienbeweis wurde mir damals ja auch entgegengeſetzt,


— — — —

wo i micdh eben fo Ichuldlos wußte wie heute. Aber icd







Die Herren vom Gericht wiſſen ja ſo vortrefflich zu pero-


ſelbſt noch fragen könnte, ob man vielleicht micht wirklich


aber ich möchte doch hHören, untex welchem Vorwand man
mir dieſes neue Verbrechen vindieiren wil, von dem
ich in meinem beſchränkten Unterthanenverſtande gar nicht
beareife, warum ich es begangen haben ſoll.“

Dafür gäbe es allenfalls ein ſehr plauſilhes Motiv,”
entacanete Dr. Ramberg mit kalter Strenge; Sie gedach-
ten ſich an Herrn Sendler zu rächen der allerding3 nicht
die unmittelhare Urſache zu Ihrex hereits verbüßten Strafe
gah. Sie ſehen, wenn auch ſonſt kein ſo gragirendes Be-
weismaterial vorläge, ſo würde ſchon Ihr Leumund ge-
* 7 die wider Sie erhobene Auklage zu recht-
ertigen

Hügel ſchrie grellend auf, dann lachte er wieder mit
der ihm zu eigen gewordenen Verbitterung in ſich hinein;
e& Iag etwas wie Wahnſinn in dieſem gräßlichen
Lachen

„Ja, ja, mein — ſchlechter Leumund. Der wurde ja
auch damals bereits in's Treffen geführt. Weil ich eine


mir ſchon ein Verbrechen zumuthen zu dürfen. Und heute
hat jenez mir impufirtẽ Verbredhen, das. ich gar nicht beaing,
meinen Leumund ſo ſchlecht gemacht, daß man daxauf die
Wahrſche inlichkeit einer noch größeren Miſfethat aufbauen zu
Oh, über Enern famoſen iuriſtiſchen
Spürfiun! Abex — und ſoll, ich Niemanden finden.
der mir alaubt, und wenn ich meine Mutter, die Ihr mir
durch Eure raffmirte Grauſamkeit ermordet habt, mit
einem ſolchen lügenhaften Geſtändnizz in's Leben, zurüc-
zurufen vermöcte — mein Rechtsgefühl bäumt ſic auf
gegen Eure deſpotiſche Willfür, ich kann nicht anders, ich


Seumund ift ungerechtfertiat, alle Eure herrlih aufge-
ſchlichteten Beweije find falſch — und ich bin un

{





iſt dies ſein unantaſtbares Recht und
haben Zuwiderhandelnde für allen ent-
ſtandenen Schaden aufzukommen.

Ferner ſei hier auch auf die bei den Arbeitgehern
von den austretenden Arbeitern ſo häufig liegen ge-
laſſenen Quittungdlarten aufmerkſam gemacht. Aus
dieſen und jenen Eründen holt der Arbeiter ſehr oft
ſeine Karte beim Meiſter nicht ab, löſt ſich vielmehr
eine neue mit der Angabe, die alte verloren zu haben.
Wohlgemeinte Rathſchläge, wie der Verluſt eventuell
zu erſetzen wäre, werden faſt immer mit den Woͤrten?
Ich werde doch nicht 70 Jahre alt“, zurückgewieſen.
Es würde ſich alſo ſehr empfehlen, wenn Arbeitgeber
ſolche liegen gebliehene Larten möglichſt bald in be-
treffenden Bureau des Magiſtrats abgeben würden

Bezüglich des demnächſt ſtattfindenden Umtauſches
der erſten Quittungskarte erſcheinen einige gutgemeinte
Winke am Platze zu ſein. In der Woche vom 20. bis
26. Dezember wird in den Quittungskarten aller jener
Verſicherten, welche das ganze Jahr ununterbroͤchen
in Arbeit ſtanden, das letzte Feld beklebt und daher
die Karten umgetauſcht und aufgerechnet, d. H. die
alte Karte wird eingeliefert, um für den Verſicherten
aufbewahrt zu werden, dagegen erhält er eine Quit-
tung hierüber und die Karte Nr. 2.

Allen Jenen, welche das Arbeitsverhältniß in
dieſem Jahre, ſei e& aus Arbeitsloſigkeit, Krankheit
oder Militärdienſtleiſtung unterbrochen haben, wird
die Karte erſt dann umgetaufcht und aufgerechuet,
wenn ſie voll iſt. Daß dieſelben keinen Schaden haben
als daß ihnen an der Wartezeit eben ſo viele Wochen
fehlen, als ſie ohne Arbeit waren, mithin keine Beiz
träge leiſteten, iſt bei dem Geiſte der Humanität, der
das ganze Geſetz durchweht, ſelbſtverſfaͤndlich, da zu
einem Beitragsjahr auch dieienigen Beitragswochen
gezählt werden, welche in verſchiedene Kalenderjahre
fallen. Unverſchuldete, mit Erwerbsunfähigkeit von
mindeſtens ſieben Tagen verbundene Krankheiten, ſo-
wie Militärdienſtleiſtungen werden als Beitragszeit
gerechnet und beim Umtauſch der Karte beſcheinigt.
Zu dieſem Zwecke iſt zum Nachweiſe einer Krankheit
die Beſcheinigung des Vorſtandes derjenigen Kranken-
beziehungsweiſe freien Hilfskaſſe beizubrinzen, der der
Verſicherte zur Zeit ſeiner Krankheit angehörte. Für
diejenigen Perſonen, welche einer Kranken= oder freien
Hilfskaſſe nicht angehörten, genügt eine Beſcheiniguug
der Gemeindebehörde, auch ein Austrittsbillet aus
einem Ktankenhauſe.

Behufs Beſcheinigung einer militäriſchen Dienſt-
leiſtung ſind die Militärpapiere vorzulegen.

ſchuldis!“

Ramberg ſah ihn ernſt an, dann muſterte er die ganze
Reihe von Zeugen, die ſich Herrn Weller an ihrer —
im — — 246 4

„Sie Fönnen dech nicht euanen, die ganze Nacht in der
unmittelbgrſten Nähe der Sendler'ſchen Villa 4
zu haben ?“ fuhr er dann in ſeiner Amtspflicht, ımit {achs
gemäßer Klarheit und Rube fort. „Man fand Ihr Ränzel
und Ihren Hut im Gebijh, an der Hede, die den Sarten
des Grundſtückes am Waldſaume begrenzt. Daß Sie ſchoͤn
am Ahend Ihren Weg dahin nahmen, fönnen mehrere Zeugen
die Sie um dieſe Zeit in der Sendler'ſchen Vila

rafen.

Das Teuer brach vielleicht früher aus und griff raſcher
um ſic al3 {ie vermuthen und berechnen fonnten‚ff ſo *
Sie Ihee Flucht von dem Thatorte nicht rechtzeitig genug
au beiwerfitelligen vermochten oder vielleicht hHegten Sie die
Ffühne Hoffnung, durch den Anfchein, als wollten Sie bei
den Loſcharbeiten mithelfen, den Berdacht der Thäterfhaft
von Iich felber nblenfen zu konnen vieleiht au erqri{f
ſie bie Reue über die in einer leidenfchaflüchen Auf-
wallung verübte That. Genus an dem — ich war jelbit
Heuge, daß Sie in höchſter Erregung den Schauplaß des
Verbrechens verließen, fehr exſchreckt waren, al3 wir Ihnen
entgegentraten, und einen nicht zu verkennenden Fluchtver-
juch machten. Sie wuüſſen dies doch unbedingt zugeben.
Zas hätten Sie fonit auf dieſe Bemerkungen zu er-
widern 4 *

Hügel {hwieg mit weit geöffneten Augen wie geiſtes-
abwejend ver fih inz Leere blidend. Ein fremder —
ſchien * 44

„Ote füönnen audh nicht behaupten, nicht gewußt zu
hHaben, wer diefe Billa bewohnte,“ fuhr Dr. 7
naddem er eine Weile vergebeus auf eine Antwort jeitens
des Angeklagten gewartet Yatte,

Fortſetzung folgt.)




 
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