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Pfälzer Bote für Stadt und Land (26) — 1891

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Nr. 21 - Nr. 30 (27. Januar - 7. Februar)
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Erfcheint taglich mit Ansnahme der Somn- und Feiertage.
Samftags mit Unterhaliungsbeilage, Preis vierteljährlich
ME 1.20 ohne Trägerlohn u. Poſtaufſchlag. Beftelungen

75
E 4



del den Boftanfalten u. bei der Erpebition Zwingerſnaße?.

Ar 2

Berantwortlicher Redalteur:
Zulinz Yeder in Heidelberg.

Beſtellungen
auf den „Vfälzer Boten⸗ für die Monate
Februar und März werden jetzt ſchon bei ſämmtlichen
Poſtanſtalten, bei unſeren Traͤgerinnen, ſowie in un-
ſerer Expedition Heidelberg, Zwingerſtraße ? ent-
gegengenommen.

Deutſches Reich.

* Berlin, 24 Jan. Das Abge ordneten-
Hau 8 beräth die Sperrgelder⸗Vorlage. v Caprivi
erklärt, die Regierung bedauere, daß das vorjährige
Geſetz mangels Zuſtimmung des Centrums nicht zu
Stande gekommen wäre. Maͤngels dieſer Zuſtimmung
war der Zweck des Geſetzes, die kath. Bevölkerung
zu beruhigen, nicht zu erreichen. Im November v. J.
richteten die kath. Biſchöfe von Köln aus zwei Ein-
gaben an die Staatsregierung, eine wegen des Volks-
ſchulgeſetzes, die andere wegen der Sperrgelder. Die
erſtern Wünſche konnte die Regierung nicht berück-
ſichtigen, dagegen glaubte die Regierung dem Wunſche,
das Kapital zur Auszahlung zu bringen, ohne Schä-
digung der Staats⸗Intereſſen näher treten zu können,
weil die kath. Kirche dadurch fberiedigt, und die Bi-
ſchöfe ſelbſt das Odium der Entſchädigung der In-
tereſſenten übernehmen wollten. Auch die Evangeli-
ſchen könnten ſich beruhigen; denn von dem Capital
werde nicht viel übrig bleiben. Die Regierung werde
auch die Stolgebührenfrage erledigen, müſſe aber
zuerſt das Votum der Generalſynode einholen. Der
Reichskanzler verwahrt ſchließlich die Regierung gegen
den Vorwurf der Preſſe, als ob ſie ein Haͤndels-
geſchäft mit dem Centrum treibe; die Regierung ver-
handelte mit keinem Abgeordneten wegen der Sperr-
gelderfrage. Die Regierung wollte das Geſetz zuerſt
dem Herrenhauſe vorlegen, aber e& handele ſich um
ein Finanzgeſetz. Eebhafter Beifall im Centrum und
bei den Polen.)

v. Cuny verweigert eine wohlwollende Prüfung
der Vorlage. Die National Liberalen lehnten dieſe
Vorlage ab und hielten an dem vorjährigen Stand-
punkt feſt Sie lehnten auch eine Verweiſung der
Sperrgelder⸗ Vorlage an eine Commiſſion ab.

Der Cultusminiſter v. Goßler tritt den An-
griffen des Vorredners entgegen und behauptet, der
gegenwärtige Standpunkt der Regierung ſei keines-
wegs verſchieden von dem vorjährigen Eachen rechts
und links) Die Aunahme der Rente wäre die größte



Seidelberg, —

Stärkung der kath. Kirche geweſen, während jetzt vom
Capital ſeiner Ueberzeugung nach wenig übrig bleiben
werde. Er ſei perſönlich immer für die Kapital⸗Aus-
zahlung geweſen, weil die Entſchädigung jedes Ein-
zelnen durch den Staat unmöglich geweſen ſei! Die
Nichtberückſichtigten hätten jedes Jahr beim Landtag
petitionirt, wodurch ein neuer zehnjähriger Cultur-
kampf entſtanden wäre. Die Regierung ſei von einer
großen Sorge befreit, indem die Biſchöfe ſich zur
Vertheilung der Gelder anboten; mit dieſen hätten
nun die Geiſtlichen ſich bezüglich ihrer Anſprüche aus-
einanderzuſetzen, während es für den Staat ein ge-
fährliches, legislatoriſches Unternehmen geweſen ſein
würde. Den kath Geiſtlichen Handlungen aufzuerlegen,
welche ſie nicht freiwillig erfüllen wollen, das ſollten
die Nationalliberalen wohl bedenken. Der Kultus-
miniſter ſchließt mit der Zuſage der Regelung der
Stolgebühren⸗Frage in der nächſten Tagung. Er
hofft, daß davon ein verklärender Lichtſtreifen auf ſeine
Miniſterthätigkeit fallen werde. (Schweigen allerſeits.)

Abg. Reichensperger legt kurz die Rechts-
anſprüche der kath. Kirche dar. Er iſt erfreut über
das Beſtreben der Regierung, ein begangenes Unrecht
thatſächlich wieder gut zu machen. Geifall im Centrum.)

v. Eynern wirft dem Kultusminiſter eine wider-
ſpruchsvolle Haltung vor. Von Berückſichtigung der
evangel. Beunruhigung ſei jetzt keine Rede mehr. Der
Sieg des Centrums über den preuß. Staat ſei ent-
ſchieden. (Widerſpruch im Eentrum) Die nat.=1ib.
Partei habe einſtimmig die Ablehnung der Vorlage
beſchloſſen.

Windthorſt begrüßt die Vorlage, welche es
dem Centrum erleichtere, die Regierung auf andern
Gebieten kräftig zu unterſtützen. Das Centrum werde
deswegen aber keine Rechte des Volkes und der Kirche
aufgeben und keinen Grundſatz opfern, namentlich
ſeinen Standpunkt bezüglich der Schulfrage nicht, wenn
deswegen auch die Sperrgelder Vorlage ſcheitern ſollte.
„Die Zukunft unſerer Jugend iſt uns um
Geld nicht feil!“ Gebhafter Beifall im Centrum.)
Redner erklärt ſich dann bereit, Wünſchen der evange-
liſchen Bevölkerung entgegenzukommen, und bezeichnet
das Geſetz als einen eminenten Schritt zum Frieden,
eine großartige Handlung der Regierung welche man
durch ungehörige Erörterungen nicht verkleinern ſolle.
(Lebhafter Beifall im Centrenm.)

v. Zedlitz ſchricht Namens derFrei⸗Conſervativen
ablehnend, weil die dauernde Unzufriedenheit der
Evangeliſchen aus der Annahme der Vorlage folgen
werde und lehnt auch Commiſſionsberathung ab.

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| Druck Berlag u. Expedition von Gebr. Huber
in Heidelberg, Zwingerſtraße 7.

26. Zobrg

Graf Limburg-⸗Stirum (conj.) fann in der
Erledigung der Geldfrage keine Niederlage im großen
Prinicipienſtreit erblicken. Es handelt ſich nur um
die Fragen des Kampfes. Redner theilt mit, die
Conſervaͤtiven ſeien geſpalten; die Mehrheit wolle
aber den Verſuch machen, in der Commiſſion zu einer
Verſtändigung zu gelangen. Er ſei perſönlich bereit,
das Capital herauszuzahlen wünſche aber endgültige
Empfänger und eine Controlle des Staates über die
Vertheilung. Die Biſchöfe hätten zwar bisher die
Vgreinbarung immer gehalten; aber man müſſe doch
vorſichtig ſein. Geiterkeit rechts) Die evangeliſche
Bevölkerung betrachtet den Fonds als gegen die
evangeliſche Kirche beſtimmt. Redner empfiehlt Be-
ratqung in der Commiſſion; denn wenn ſofort die
zweite Leſung ſtattfände, würde der größte Theil ſeiner
Freunde gegen die Vorlage ſtimmen. Geifall rechts)

Stöcker begreift nicht, daß der Cultusminiſter
v. Goßler ſeinen Namen unter die Vorlage ſetzte.
Die Eonſervativen verlören durch die unveränderte
Annahme allen Anhang im Lande. Eebhafte Zu-
ſtimmung rechts) Stoͤcker will nichts dagen haben,
wenn die geſchädigten Perſonen und Anſtaͤlten das
Kapital wiedererhalten, wenn Geiſtliche und Dom-
herren in ihren Bezügen erhöht und die Emeriten
verſorgt würden; aber vom Recht dürfte auch nicht
für einen Pfennig zux Agitation gegen die proteſt.
Mehrheit benutzt werden. Eebhafter Beifall rechts.)
Erzbiſchof Krementz von Köln erhalte ſchon durch ſeine
eigene Sparſumme einen großen Agitations Fonds.
Die Commiſſion ſolle die Verwendung der Zwecke feſt-
legen, dann würde möglicherweiſe das prot Gewiſſen
beruhigt. Preußen ſei doch vor allem prot. Staͤat.
Eebhafter Beifall rechts.)

Jagdzewski (Pole) erklärt ſeine Zuſtimmung
zur Vorlage, Arendt (freiconſervativ) ſchließt ſich den
Ausführungen Stöckers an.

Rickert ſfreiſ) leugnet, daß die Vorlage im
evang, Volke Empörung erregen werde und erklärt
ſich für dieſelbe.

Das Geſetz wird hierauf an eine Kommiſſion von
21 Mitgliedern überwieſen, nachdem ein Vertagungs-
antrag gegen die Stimmen der Konſervativen abge-
le hnt worden war.

— Berlin, 25. Jan. Dr. Windthorſt pub-
lizirt folgende Dankſagung: „Zu meinem 80.
Geburtstaͤge ſind mir ſo viele Telegramme, Briefe,
Blumenſpenden und andere Beweiſe der Theilnahme
von allen Seiten zugegangen, daß es mir beim Drange
meiner ſonſtigen Obliegenheiten zu meinem Bedauern

earæ —







— ! s — — ——03
Hoben gerolosechk.
Ein hiſioriſcher Roman aus dem 13. Jahrhundert
Nachdr. verb.)



Hohengeroldset. Eben verkündete der Thorthurmwächter
auf Lützelhardt den Anfang des Tages, indem er ſang:
Es taget schone ; **)
Der tag der schinet in den sal,
Wol uf ritter über al,
Wol uf ez ist tag.

Plötzlich fprang Conrad, Herr von Lützelhart von
jeinem niederen Spannbett auf, zog ſein Hauswamms
an, und lief ſeine Schlafkommer im ſinnenden Nachdenken
feſien Schrittes auf und ab. Das Frühaufitehen ſtand hei
Conrad ſonſt nicht in Uebung, im Gegentheil, er ruhte
gerne und lang, dieſe Ausnahmie, das Frühaufſtehen die er
jcdhon einige Tage hintereinander fortfeßte, mußte deshalb
etwas Befonders bedeuten In ſeinem Leben nie liebens-
würdig, irug er in neuerer Zeit um fo mehr die Merkmale
eines außerordentliches Haſſes in ſich, die er in feinem
Schlafgemach jeden Morgen, durch Brümmen und Fluchen
kund gab. Die Lüßelharter, nicht zu dem höheren Adel
gehörig, auch nicht beſonders bemittelt, konnten nicht viel
Lufwand machen und daher wenig für ſtandesgemäßes
Auftreten thun, das Schloß trug die Spuren tiefer Ver-
nachläßigung. Eine Waldburg, von drei Seiten mit dich-
tem Tannen- und Buchenforſt umgeben, mit zwei KRing-
mauern, Laufgräben u. einen fellenfeſten Bexafxied verſehen,
war e& maſib gebaut, einzelne Theile jedoch alt u baufällig.
Ein guter Nuf ging ihnen von alters voraus, ſie waren
fleis auZgezeichnete Pürſcher und verwegene Fante, unter-

*) fpäter Orlenan genannt. *
oͤs vämmert fhon; (Die Sonne) der Tag ſckeint ſchon
in den Soal, Wohlauf, Ihr Mitter überall, Wohlauf der Tag iſt da.




8—



nahmen wiederholt große Ausritte und Jagden. Aben-
teuernd durchwanderlen ſie dies und jeneS Gebiet und
nahmen als gute Streiter den an meiſten großen Turnieren
theil, Dies vexanlaßte wohl manchen alS defreundeten
Ritter, feinen Sohn auf längere Zeit zur Ausbildung im
Ritterdienſt nach Lützelhart zu fenden,

Ein weiterer Unſtand, dies zu befördern lag in der
höfiſchen, edlen Exziehunasmethode der Burgfrau. Sie
war ſo ganz das Gegentheil des naturwüchſigen Schloß-
herrn. Eine feingebildete Frau, aus einem franzöſiſchen
altadeligen Geſchlechte ſtammend, trus ſie aroße Sorgfalt
auf Erziehung der Kinder und Knappen. Sie verſtund es,
die edlere Bildung des Gemüths durch Sittlichkeit, Be-
ſcheidenheit Selbſtheherrſchung und äußere feine Sitten zu
erzielen, hielt ſie darauf, die Kinder von früher Jugend
an das damals ſchon als Amganesſprache gebräuchliche
5 zu gewöhnen. Frau Kuͤnigunde ſo hieß die
Burgfrau, war jedoch bei aller Liebenswürdigkeit gar ſtrenge
und die Ruthe galt ihr als ein vorzügliches Erziehungsmit-
tel. Daneben beachtete ſie aber voll und ganz die Lehre
Walters von der Vogelweide, der da ſingt:

Nieman kann beherten
Kindes ruht mit gerten :
dem man z’&ren bringen mac
dem ist ein wort als ein slac

Frühzeitig, kaum dem Knahenaltar entwachſen, kam
Hans von Schnellingen auf die Burg Lützelhart um da-
jelbit die höfiſche Bildung zu empfdngen. Sein Vater
wollte aus ihm einen. tüchtigen Cbelmann und Pitter
machen, der Ehre und lang enthehrten Ruhm ſeinem Hauſe
bringen ſollte. Das Stammſchloß der Schnellinger und
Vaͤtethaus des Haus, ein im Kinzigihal bei der Stadt
Haslach auf dem rechten Ufer der Kinzig an einem ſanften
Abhange gelegen, mit vier EScihürmen, Bergfried und einer
Ringmauer verfehen, machte den Ei
nicht, doch ſah fie {o freundlich i
und auf den Fluß herab,
ungen durchzieht. In 2
Herr von Schnellingen mehrere
ſtige Beſitzungen, auch im Ha-

ſtille liebliche Thal

in Schlangenwind-

> der Burg hatte der alte
iülberberawerfe und ſon-
Gewanne beſaß er


— —

weitgehende Guͤter Hier: beim Hanſe feines Vater ”
hbatte Hans Selegenheit, ſich das geſchäftige, vielfältige
Treiben der fleißigen Beraknappen auzuſehen, mit vieler
Freude ſah er das werthvolle mit edlem Metaͤll durchaͤderte
Beſtein aus dem allmächtigen Erdenleib Hervorheben. Das
Zuſammenſtrömen vieler Menſchen an gewiſſen Feſttagen
und Marktagen in Haslach, das Vorüberziehen von Heer »
volk nach und von dem Schwabenlande, alles dies machte
einen belebenden Eindruck auf den Knaben und rief in dem
hellen jungen Leben den Gedanken wach einſtens ein
ſcharfer Streiter und reicher Beſitzer zu werden. Der
Vater erkannte in dem Zungen, daß er Talent heſitze und
zu größeren Dingen, wie er ſelbſt geboren ſei. Eines Ta-
ges theilte er ihm ſein ſchon lange gehegtes Vorhaben,
ihn zu einem befreundeten Buraherrn und zwar nach
Lützelhart zu thun, mit. So gerne Hans im Kreiſe ſeiner
lieben Eltern deren einziges Kind ‚er war, weilte, ſo
nahm er die Nachricht doch mit Freuden auf Die Abreiſe
dahin erfolate auch wirklich am Fronleichnamtage des
Jahres 1254 Es war eine ſchmerzliche Trennung zwiſchen
ihm und ſeiner lieben Mutter, den Hausgenoſſen und
ſonſtigen Bekannten. Die Mutter konnte beim Abſchied
nicht fertig werden, das Scheiden aus dem Elternhauſe
eines ſo lieben Sohnes that ihr von Herzen weh, Ermah-
nungen, Troſtworte und Regeln für das Leben empfing
er wiederholt von ihr und ſchließlich beſprenate ſie ihn mit
Weihwaſſer zum Schutze gegen böſe Anfechtungen und
Unglüdsjälle; noch ein heißer letzter Kuß und Druck und
fort ginges unter Weinen, Tücherſchwenken der Zurückgeblie-
benen bis er um die Ecke verſchwunden war Sein Bater,
in YBegleitung des alten treuen Leibdienes Georg, brachte
Hans ſelbſt nach Lützelhart.

Ein herrlicher klarer Frühlingstag, der als autes
Zeichen angeſehen wurde bealeitete die Geſellſchaft; gerade
riefen die Glocken der Stadt Haslach und die der um-»
lieaenden Ortſchaften die Andächtigen zur Brozerfion, eine
feiexliche heilige Stille rinasum in der weiten Kunde,
lautlos ritten die Drei den ſchmalen Pfad der Kinziaͤ
entlang bis Steinach, ſetzten alsdann üder den dort nicht



tiefen Fluß über auf das linke Ufer und zogen den


 
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