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Pfälzer Bote für Stadt und Land (26) — 1891

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Nr. 171 - Nr. 180 (31. Juli - 11. August)
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c 1891 von
Nr. 25179
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vcrentwortlicher Nedakteur:













eſtellungen

auf den „Pfälzer Boten“ fur die Monate

Auguſt u. September werden noch fortwaͤhrend bei

Tämmtlichen Poſtanſtalten, bei unſeren Trägerinnen,

Pwie in anſerer Expedition heidelberg, Zwinger-
aße 7 entgegengenonuen

; Verlag des „Pfalzer Bote.“



2— Neichẽhett und fen Begeitern

des Vihſithines.

Der Papſt als Herrſcher läßt den „Reichs-
boten⸗ noͤch immer nicht ruhen. Er citirt mit gro-
Bem Vergnügen den ihm geiftesverwandten Grauden-
3er „Sefelligen“, der heräusgefunden hat, daß der
Hothaifche Hofkaͤlender die Genealogie der euro-
Päijchen Regenten . .. ſowie der ſeit dem Jahre
1815 ıhrer Throne verluſtig gegangenen europaͤiſchen
_%ürftenf)äufer“ bringe. Was uns bei dem Ganzen
Utereſſirt, iſt das Folgende: „Italien hat bekanntlich
den ehemaligen Kirchenftaat im Sepiember 1870 in
Befiß genommen. Auf den Proteſt des Papſtes fand
am 2, Oftober eine olksabſtimmung ſtatt, die
für den Anfıhkuß an Stalien -ausfiel, worauf die Ein-
Verleihung des ganzen Gebiets der päpſtlichen Staaten
das Koͤnigreich Italien durch Dekret vom 9. Okt.
1870 erfolgte. Durch das Garantiegeſetz der italieni-
ſchen Regierung vom 13 März 1871° wurde die
Perſon des Paͤßſtes für unberletzlich erklaͤrt
und. ihm eine jaͤhrliche Rente, der Befig des
Jatilars in Rom und Billa Kaſtell Godolfo, ſowie
die Rechte eines Souberäns, aber nur betreffs feiner
Geſandten und der Poſt⸗ und Telegraphenverbinduug
des Vatikans verbuͤrgt Dieſes Gaͤrantiegeſetz iſt Dom
Papfle bis jetzt nicht formell anerkannt, das hindert
aber die Gefetzlichkeit des Zuſtandes gar nicht.“
Alſo die widerrechtlihe Entthronung eines Fürſten
wird geſetzlich durch — Volkzabſtimmung!
Virklich ſchoͤne Grundſatze von einem monarchiſchẽn
Blatte. Was der Papſthaß nicht alles fertig bringt!




Die Königin hatte in Oſtende Seebäder

Zcetehet zund Bekebrf£.

Erzählung von Gutmuth vom Walde.
15) Gaͤchdruck verboten)

Und wir gehen doch mit,” rief der Redermattes. „Wie
meinſt Du, Joje 2“ .

Lach Wien 7“ fragte dieſer. „Iſt das weit von hier?

O ja,“ lachte der Andere Es iſt ziemlich weit, je-
doch nicht auZ der Welt, und wir find beichlagen !”

Der Redermattes klopfte auf die Taſche.

Der Vlan war fertig. Er war bei den verkommenen
Drechsler ja ichon vorher fertig gewejen. Ul{o ging’8 auf
die Weiterreije: E3 ging über den jdhönen Schwarzwalb,
Über den Bodenſec nach Lindau, von da bis nadh München.
xn der Hauptitadt des Bayernlandes ward Halt gemacht.

em Joſe war e3 ſeltſam zu Muthe bei dieſer wie vom
Sturm gepeitichten. Reije, Ddie ihnimmer weiter in die
Welt hinein brachte. : Auch in dem belebten und bewegten
unchen kannte der Redesmattes ſich aus, beſonders waren
ihm die vielen Bierhäufer nicht fremd. Er wußte fie Falt
alle zu finden: das Hnfbräuhans, den Franziskanerkeller,
den Hirichbräufeller, Haderbrän, Spatenbräu 1: 1, W, Er
eilte nicht, von München wegzukommen. Der Joſe hekam
allgemach auch eine gewifje. Gewandtheit, aber dex Geld-
ja eine bedenkliche Leere. Daz überlegte der Mattes und
rachte ſeinen tückichen Plan zur Auzführung.

„Siehit Du, Sofje,“ ſprach er eines Mittags, nachdem
Man gut gefpeift hatte.„Ich habe unſer Geld hier in diefen
@urt gethan, und ihm um den Leibe gebunden. Da kann
© nicht verloren gehen. Doch, allzu oft braucht man was,
und einige Thaler tanuſt auch D beiftecen.“

Joſe ſtaunte, doch er folgte mechaniſch. Einige Stunden
vergingen, noch einige Bierhäufer. waren heſucht worden.

Aun laß uns aufbrechen, Zoſe. Wir fahren mit dem
Nacht8zug nach Salzburg, von dort nach Linz und dann

ach Wien. Daz Billet nehmen wir dirckt nach Wien.“

Ein buntes,{wirre8 Treiben war in und um das große
Stationagebäude der Hauptitadt von Bayern: Hunderte
von Menfchen drängten und eilten hin und her, fliegen aus
und ftiegen um. SFoje und der Redermattes waren unter







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|










— Sienkog, den 1L, Yagal 1001



gegen ihr rheumatiſches Leiden genomuien, aber mit
ungünſtigem Erfolge. Die Schmerzen hatten ſich ſogar
nach den Baͤdern geſteigert. Heutẽ ſollie ſie eine mehr-
wöchige Cur in Spa aͤntreten, wohin ſie ſich von
der Prinzeſſin Clementine, ihrer jüngſten Tochter, be-
gleiten laſſen wollte. Von jeher hat nun die Königin
treue Sorge um ihre irrſinnige Schwägerin, die Kai-
ſerin Charlotte, gelragen, die auf dem eine Meile von
Brüſſel, zwiſchen Schloß Laeken und Vilvorde ge-
legenen Schloſſe Bouchbut lebt Waͤhrend die beiden
Brüder der unglücklichen Wiltwe Maͤximilians von
Oeſterreich, der König der Belgier und der Graf von
Flaͤndern, die Irre memals befuchen dürfen, weil ihre
Gegenwart die Kranke alle Mal in Tobſucht verſetzte,
beſaß im Gegentheil die Königin einen großen und
wohlthätigen Einfluß auf Charlotte und wußte dieſelbe
mitien in Tobſuchtsaufällen durch einige wenige Worte
ſtets zu beruhigen. Die Irrſinnige ertritg die Gegen-
wart ihrer Bruͤder nicht, weil ſie ſich beim Anblick
derſelben in ihre Kindheit zurlckverſetzt glaubt, wo die
Beiden der einzigen Schweſter allen mößlichen Scha-
hernack ſpielten und deren Zorn hervorrlefen Ange-
ſichts der wilden Scenen, weiche die Irrſinnige dei
den Beſuchen ihrer Brüder machte, haben die Aerzte
ſeit Jahren dem König und dem Grafen von Flan-
dern jeden Beſuch ihrer Schweſter dringend abgera-
then. Deſto öfter kam die Königin nach Schloß Bou-
chout. Seit einiger Zeit hat ſich der Zuſtand der
Kaiſecin Charlotte ſehr verſchlimmert; ſie hat faſt
täglich Tabſuchtsanfälle! Ehe nun die Königin auf
mehrere Wochen ihren Aufenthalt in Spa nehmen
wollte, beabſichtigte ſie geſtern, ihre kranke Schwägerin
nochmals zu beſuchen. Als die Königin in Bouchout
ankam, hatte die Krauke gerade wieder einen Tobſuchts-
anfall, und als die Königin im Vertrauen auf ihren
bewährten Einfluß auf die Irrſinnige ſich diefer nä-
herte und ſie in gewohnter Weiſe anredete, da erkannte
die Kranke die Königin nicht, ſtürzte ſich in ihrer
Raſerei auf dieſelbe und mißhandelie ſie. Die an-
weſenden Perſonen verhüteten größeres Unheil. Die
Königin kehrte in unbeſchreiblicher Gemüthsverfaſſung
nach Laeken zurück, und als die Eſſenszeit gekommen
war, da nahm ſie ſtatt aller andern Nahrung ein
Stückchen Melone zu ſich. Dieſe ſchwer verdauliche
Frucht brachte dann plötzlich die Kriſis; Erbrechen,
Ohnmacht und Weinkrampf traten ein, und da nahm
der Zuſtand der Königin plötzlich eine ſolche Wend-
ung, daß der Leibarzt anordnete, der Pfarrer von
Laeken müſſe gerufen werden. Die Königin empfing
die hl. Sakramente mit Ergebung, indem ſie ſagte:

ihnen Da ſtand nun der Zug, bereit in die Nacht hinaus-
zudampfen. Die beiden Reiſenden ſtiegen ein -

Hier, Joſe, Dein Billet !” ſprgch Mattes. — Immer
näher xückte die letzte Minute der Abfahrtszeit

„Si, da babe ich ja meine Reiſetaſche liegen laſſen.
Joſe, haft Du die Deinige?“

Der Redermattes wartete des Joſe beiahende Antwort
xicht ab; denn mit einem Satze war er aus dem Zuge
heraus und in der Menge verſchwunden. Zoſe hatte uicdht
mehr Zeit genug, nachzudenkey ob ein Wiedererſcheinen des
HinausSgeeilten möglich ſei Ein Pfiff. ein Ruck, — und
der Zug war in Beweguns.

Halt! Halt! Halt!” ſchrie Joſe entſetzt. Doch was
nutzte es? Der Zug war ſchon in ſchleuniger Zahrt be-
griffen Helle Verzweiflung bemächtigte ſich des Jünglings,
v daß er laut jammerte und ſchrie Die Mitreijenden
ſuchten ihn zu beruhigen und riethen ihm, einſtweilen nur
bis Salzburg zu faͤhren und dort ſeinen Genoſſen zu er-
warten, Jyſe beſchlotz zwar, dieſes zu thun, aber er war
feit davon uberzeugt, daß der Redermgttes einen Schurken-
treich an ihm verübt. Er hätte ſich füalich nicht beklasen
jollen, da ibm mit dem Maße ausgemeſſen wurde mit
welchem er ſeinem eigenen Rater aemeſſen hatte. Doch, bis
zur rechten Selbſterkenntniß war es noch weit ab bei dem
Unglücklichen.

Einige Stunden nach Mitternacht langte der Zug in
Salzburg an. Die Nacht war hell und warm, einẽ milde
Auguſtnacht Joſe fetzte fiH ins Stationsgebäude, um den
erſten Norgenzug von München ahzuwarten Der Zug
fam, aber der Redermattes nicht Da ſtand nun der un-
glückjelige Mulersſohn verlaffen und elend in der weiten,
unbefannten Welt. Einen Paß hatte er freilich und ein
Allet bis Wien ; auch noch einige Thaler an baarem Gelde.
Mit dem übrigen geraubten Gutẽ an welchem der Schweiß
und auch der Fluch des alten Stohen klebte, war der Re
dexmattes durchaegangen Es möchte faſt wie ein Räthfel
erſcheinen daß dieſer Hallunke dem Foje noch ein Billet
und.einiges Geld gegeben habe Alein ſolche verkommene
Heſchovfe/ wie der Nattes war, vermeinen oft mit Ein
fältiakeiten ihr böſes Gewiſſen zu beruhigen, welches ja








KunzeigerBlatt für die Amtsbezirte. Heideiberg,
Labenburg, Weinheim, Schwebingen, ⏑⏑ —
— — Nedargemi —
Eerbach Buchen, Walldäun, T. Biſchofah - Weitheint 4E,

»Ich bin zum Sterben bereit; ich ſehe Balduin wie
der. Der König war telegraphiſch in Oſtende be-
nachrichtigt worden, und das geſanimte Hoͤfperſonal
war ins Lackener Schloß beſchieden. Kurz nach Ei-
pfang der Sterbeſakramente trat die Beſſerung ein 11;
die Aerzte konnten dem König, noch bevor derſelbe
den Eilzug nach Brüſſel beſtieg. telegraphiren daß
alle Gefahr, wenigſtens unmittelbar, gehoben ſei. Der
Zuſtand der Kaiſerin Charlotte iſt derart, daß man
eine baldige Auflöſung dieſer unglücklichen Fürſtin
erwartet.







Orus/ Berlag u Erhedition von Gebr; vubet
in — Zwingerfraße 7,








Deutſches Reich.

Berlin, 9 Aug. Der Kaiſer bleibt etwa 14
Zage in Kiel und nimmt keinesfalls die diesjahrige
Gardecorps/ Parade ab, weil wegen des jüngſten Un-
falls das Knie immer noch Schonung erfordert. —
Die Stellung des Eiſenbahnminiſters Thielen gegen
den Zonentarif lautet beſtimmter als bisher dekaͤnnt
war. Der Miniſter bezeichnete ſich der Deputation
der Reformvereine gegenüber ausdruͤcklich als S e g-
uer des Zonentarifs und will einen Verſuch 4
machen.

Poſen 8. Aug. Ein polniſcher Katholikentag
findet vom 27. bis 29. Sept. in Thorn ſtatt.

* Tilfit, 8. Aug. Bei der geſtrigen Reichs-
tag3 = Stichwahl erhielt der freiſinnize Eandidat von
Reibnitz 10,986 Stimmen Weiß (conferbativ) 8467
Stimmen. Erſterer iſt alſo gewählt und damit den
Conſervativen ein viel umſtrittenes Mandat entriſſen
worden. Bei der Hauptwahl am 28. Jult ſind ins-
geſammt abgegeben worden für den deutſch⸗freiſinnigen
Candidaten 8458, für den conſervativen Caudidaten
7745, für den national⸗ liberalen Candidaten 279, für
den lithauiſchen Candidaten 84 und für den Soctal-
Demokraten 930 Stimmen.

Bochum, 8. Aug. Oberinjenieur Steiger vom
Bochumer Verein wurde heute früh in der Nähe des
Werkes mit einer Schußwunde kodt aufgefuͤnden.
Neben ihm Iag ein Gewehr. Ob Selbſtmord oder
Unvorſichtigkeit vorliegt, iſt noch nicht feſtgeſtellt.

Ausland.

* Nom, 8. Aug. Der Moniteur de Rome erklaͤrt
die Meldung der National⸗Zeitung, Frankreich habe
dem Pap ſt zur Beſeitigung ſeiner finanziellen Ver-
legenheiten eine große Geldſumme zur Verfügung ge-
ſtellt, für einen ſchlechten Scherz.





doch nimmer ſchlaft. So wußte der Elende daß Joſe der
Stadtmauſen nahe ſein wante; deßhalb gab er ihm das
Billet. Ob die Beiden in Wien ſich finden würden daran
Iag ihm ja nichts. Er dachte: Ez iſt für ihn ſchließtich
das Befte, wenn er die Lina nicht findet; denn das wäre
ja doch ſein Unglüd. Er hat ſein Schidjal gewollt, und
das Geld ift geſtohlen; alſo kann auch ich es darauftreiben-

So überlegte der Elende. Er hatte die große Summe
bald verpraßt und trieb fih dann als Bummler und Ber-
brecher in der Welt umher, war meiſtens in den Gefaͤng-
niffen und blieh ſchließlich ganz verſchollen. In Schauberg
ſah man ihn nicht wieder.

Den Zofe aber trieb e8 ietzt in fieberbafter Eile nach
Wien. Zur Rückkehr ins Vaterhaus fehlte ihm ja Geld
und Muth. In Wien wollte er Arbeit ſuchen, und daß er
die Lina dort treffen werde, das hoffte er in ſeiner Leiden-
Gaftlichkeit. obſchon er deren Adreſſe nicht wußte Nach-
dem er foweit in ſeinen Plänen gefommen war, ſuchte er
ein Wirthshaus auf; denn er ſpuͤrte ſchrecklichen Hunger.
Wiedexum mit einem Abendzuge fuhr er von Salzdurg ab,
und als der lichte Morgen tagte, nach zwölfitündiger FJahrt,
landete Joſe in der Haupt⸗ und Reſidenzſtadt des öſter-
reichiſchen Kaiſerſtaates.

2

Die Tage kommen und gehen, ſie achen für den Gott-
loſen wie für den Gexechten für den Unglücklichen, wie
für den Clücklichen. Dem beſchränkten Auge des Sterb-
lichen fällt oft ſchwer, in dieſem großen Ganaͤwerk der Erde
die Hand der aoͤttlichen Gerechtiakeit zu erkennen; aber ſie
waltet dennoch von einem Ende zum andern ganz genau
nach Maß und Gewicht. Oftmals ſcheint die Sonne des
irdiſchen Glückes den Gottlojen recht hell zu leuchten Da-
xum ſyrechen dieſelben ja oft: „Böjes habe ich gethan;
was iſt mir widerfahren? Doch die Hand Goͤttes iſt un-
verfürzt und ſie findet den Sünder am rechten Tage.

Es war am 8. Dezember des Jahres 1881, alſo mehr
al3 ein Jahr nach den Ereianiſſen/ welche wir im vorigen
Kapitel erzaͤhlt haͤben.

Gortſetzung folgt.)


 
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