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Pfälzer Bote für Stadt und Land (26) — 1891

DOI Kapitel:
Nr. 221 - Nr. 230 (30. September - 10. Oktober)
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arſcheint taglic md Andnahme der Gonu« und Feiertage
Bamflags wit UnterBaltungs$beilage. Preis vurteliahrlich
M, 1.20 ohne Zrägerlohu ı. Boßlauffihlag, DBeftelungen
bei den voſtanſtelten “ ka ber Erbehitien Amingerfitaße 7,



Aunzeige-Blatt für die Amtsbezirke Heidelderg,
abenburg, Weinheim, Schwetztigen Bhilippaburg,
Wieslodh, Bruchfal, Bretten, Nedargemünd, Mosbach,
Werbach, Buchen, Walldürn, TBiſchofeh Wertheim 36..











Ar ).

Berantmorilidher Nedalteur:
Ynlin8 Veder in Heidelberag.






26. adır.







Beſtellungen
auf den „Pfälzer Boten“ für die Monate
Oktober, November und Dezember werden noch
fortwährend bei ſämmtlichen Poſtanſtalten, bei unſeren
Trägerinnen, ſowie in anſerer Expedition deidelberg,
Zwingerſtraße entgegen zenommen Der „Pfälzer
Bote“ koſtet für das Vierte ljahr: in Heidelberg:
von der Trägerin in Haus gebracht M. 1.50, in der
Expedition abgeholt M. 1. 0. Nach Auswärts:
Bei der Poſt beſtellt und vom Briefboten ins Haus
gebracht M. 1,90 ; auf der Poſt abge holt M. 1.50.
— Bei unſeren Agenten auf dem Lande M. 1.20
ohne Trägerlohn. ]

Verlag des „Pfälzer Bote.“

Die ſozialdemokratiſche „Wiffenfhaft“ in der
„Genoſſen“-Beleuchtung.


der eine recht hüdſche Beurtheilung durch einen Streit
zwiſchen dem „Vorwärts“ und Herrn Oswald Köhler,
dem Verfaſſer der noch im Erſcheinen begriffenen
Schrift über „den ſozialiſtiſchen Staat.“ Der Vor-
wärts“ hatte bekanntlich einen Paſſus aus der Schrift,
welcher von der Ablöſung der Beſitzrechte
handelte, mit dem Bemerken citirt, das ſeien Albern-
heiten und Ungehererlichkeiten; wer ſo etwas ſchreiben


lismus zu erfaſſen. Daͤraͤnf fragt Herr Köhler: Wer
iſt denn noch fähig, das Weſen des Sozialismus zu
erfaſſen? Ich und viele Andere haben Jahrzehnte
zur Partei geſtanden und ſollen e& noch immer nicht
erkannt haben, dieſes geheimnißvolle, räthſelhafte Ding.
Am Ende muß das „Weſen des Sozialismus' das
geiſtige Eigenthum einer kleinen Geſellſchaft, einer
Familie bleiben. Damit hat Herr Köhler den wundeſten
Punkt des Sozialismus berührt. Der Sozialismus
iſt eine Wiſſenſchaft, ruft Herr Liebknecht immer mit
vollen Backen in die Welt. Wo aber ſind die Kenner
dieſer Wiſſenſchaft? Alte „Genoſſen“, die jahrelang
den Sozialismus ſtudirt haben, ſind des Vorwurfs
ſicher, daß ſie nichts davon verſtehen, ſo bald ſie eine
Anſicht darüber zu äußern wagen, die Herrn Lieb-
fnecht nicht gefaͤllt, wenn er auch nicht zu ſagen ver-
mag, ob ſie richtig oder falſch ſei. Denn ſobald man

Das Geheimmiß der Sreolin.
Von Bernhard Derosne. Gachdruck verb.)
Cutoriſirte freie Ueberſetzung von Philipp Freidant)

Sie werden alſo binnen ein oder zwei Tagen das Held
ſchicken . — „Sie werden die Summe erhalten”, ſaate CEve-
line.Gott weiß es, mit welcher Freude ich es thue, Aber
Sie, Ihrerſolts, wollen Sie nicht " „Nein,“ ſagte
Sajton dir. e l
Ihrer Mutter und ich veraeſſe weder Sie,
frecht, welches man mir zufügte, noch meinen
alten Haß /Gegen dem alten Rogan und gegen Ihren Bater,
den Sohn 4 uchfes Nein ich Lerſpreche nichts Beide
find nun todhloper Sie, welche beide ſo abaöttiſch liebten,
Sie leben und find in meiner Gewalt.

Eveline bedeckte ihr plaſſes Anaeſicht mit ihren Händen
und ſtieß einen leiſen Schrei der Berzweiflung aus. Gaſton

Lnoir ſteckte die ſchwarze Flaſche in ſeine Taſche, nahm
die Blendlaterne in die Hand, zog den Kragen ſeines
Vantels boch, ſtülpte den Hut ins Geſicht und aina fort.
Borher richtete. Eveline noch einen letzten Apell an feinen
Edelmuth, welcher brutal zurückaewieſen wurde. Dranken
regnete es in Strömen und der heftige Wind veitſchte Haſton
das kalte NaßB ins Geſicht als er mit Hülfe feinex Blend-
laterne mühjam den Ausweg aus dem Gehoͤlz ſuchte.

„Welch' häßliche Nacht“, fagte er, „und welch' mühe-
voller Weg von hier nach St. Maria. Aber, wenn es
Jeuer geregnet Hätie, würde ich dem Wetter getrotzt haben
um den Preis der Heutigen Unterredung Arme Eveline!
Wenn die Schuld des Roganz eine weniger ſchwere wäre.
v würde ich verſuchi haben, mich mit der Wegnahme Deines
ganzen BVermögen? zu begnügen und Dich ſonſt in Frieden
3u laffen. Das iſt aber unmöglich. Reichthum zu beſitzen
i{t jehr füß, noch füßer aber it die Rache!”. Bei jedem
Schritt jtolperte Gajton in der Dunkelheit und er hatie alle

ühe; den rechten Weg zu finden, ſo daß er auf nichts
anderes Acht haben konnte. So hatte er denn auch eine
ſchwarze, forgfältig verhüllte Geſtaͤlt nicht bemerkt, welche



47)



„ eilte, wenn er räͤſcher lief und welche ihn nicht aus ihrem




— —




Nähexes von ihm hören will, verſchanzt er ſich hinter
die Redensart, das müſſe man der Zukunft, der
Entwicklung überlaſſen. Sonderbare Entwicklung!
Die „Wiſſenſchaft“ ſchreitet unabläſſig fort, behauptet
Herr Liebknecht, und doch wirft er Denen, die für
dieſen Fortſchritt thätig ſind, vor, ſie redeten Wbern-
heiten. Vorerſt ſchrumpft die ganze „Wiſſenſchaft“
auf die unbewieſene Behauptung zufammen: Die
Trennung von Kapital und Arbeit veyſchuldet alles
Elend in der Welt, deshalb muß das Kapital in den
Beſitz der Geſellſchaft übergehen. Der Fortſchritt der
„Wiſſenſchaft“ würde doch nun zu allererſt fordern,
daß dargethan würde wie denn der Uebergang ſtatt-
finden ſoll. Aber ſofort ruft Herr Liebknecht: Nichts
da! Ueberlaſſen wir ſolche müßigen Fragen der Zu-
kunft. Er verurtheilt alſo die fortfchreitende „Wifjen-
ſchaft! zum Stillſtehen. Auf ein paar Widerſpruͤche
über die Aufgaben der Zukunft kommt es da nicht an.

Neulich behauptete der „Vorwärts“, die Geſchichte
beweiſe, daß große Umwälzungen nicht ohne „Zuckun-
gen“ und „Kataftrophen“, d. h. Gewalt vor fich
gingen. Mit Recht fragt Köhler: Wo bleibt die neue
Wiſſenſchaft mit ihrem Pochen auf die „Entwickel⸗—
ung“! Müſſen die Menſchen es denn für alle Zu-
kunft ſo machen, wie ſie es früher gemacht haben?
Können ſie in Zukunft nicht überlegt und planmäßig
die Geſellſchaft umgeſtalten, weil es bisher meiſt plan-
los zuging? Solche Fragen ſind natürlich der „Wiſ-
ſenſchaft der „Vorwaͤrts zu albern; er drückt ſich
deshalb daran vorbei und wiederholt ſein Sprüchlein:
Ein Mann mit ſo ungeheuerlichen Polizeibegriffen wie
Köhler hat keinen Begriff vom Weſen des Sozialis-
mus. Vermuthlich genügt das bekannte kindliche Ge-
müth, um das „Weſen zu erfaſſen, höhnt Hr. Köhler.
Allerdings. Blinden Glauben verlangt man von den
Anhängern. Je willenloſer Einer der Autorität der
Führer ſich unterwirft, ein deſto beſſerer Sozialdemo-
krat iſt. Was die ſozialdemokratiſche „Wiſſenſchaft“
iſt und will, braucht er nicht zu wiſſen; es genügt,
daß er an die „Wiſſenſchaft“ glaubt.

Sittenzuſtande in der Reichshaußtſtadt.

Wie dieſelben beſchaffen ſind, zeigt der eben ver-
Der
Prozeß iſt nicht abgeſchloſſen, ſondern nur vertagt
worden, um einen „angeblich im Sinne des würdigen
Paares wichtigen? Zeugen in Amerika verhören zu
laſſen. Dieſe ſaubere Geſellſchaft iſt beſchuldigt, am
27. Sept. 1887 einen ſchweren Diebſtahl und mit
anderen bei Unternehmung dieſes Einbruchsdiebſtahls

efichtẽtreiſe derlor Eii Frau hatte ihn bereits don






haltend; hinter den Bäumen, welche den alten Pavillon
umgaben, verſteckt, hatte ſie ſo lange gewartet, bis die Zu-
ſammenkunft zwiſchen Eveline und Gaſton beendet war;
jetzt folgte ſie Gaſton wie ſein Schatten. Dieſe Frau, groß
und ſchlank. trug einen langen, ſchwarzen Mantel, deſſen
Kapuze ihren Ropf vollſtändig verhüllle. Es war kaum


Aber Gaſton Lenoir war ſo in ſeine dunklen Rachegedanken
verſunken, daß er weiter nichts hörte und jah. Noch
weniger hörte er, daß der hinter ihm herſchleichende Schatten
das Wort wiederholte, welches die Triehfeder der dunkeln
Thätigkeit Lenoirs war, das Wort: Rache.
5. Kapitel.
Rehekka.

Luch Sutherland war in ihrex Eigenſchaft als weib-
Echer Majordomus nicht ſehr beliebt auf Maphwood.
Wenn die Bedienſteten untex ſich waren, nannten ſie Lucy
die ſchleichende Katze, weil ſie unhörbar umherſchlich und
EAlles belauſchte und hHörte, ohne geſehen zu werden.
Niemand von den Dienſten hielt es lange aus. Die alte
coöchin Elijabeth, welche ſa lange Fahre ſchon bei der
früheren Schloßherrin in Dienſten ftand, war die erſte,
welche ging; bald nachher ahmten ihr Beiſpiel nach Fanny,
die Küchenmagd und Sarah, das Zimmermädchen. Andere
Köchinnen und andere Kammerzofen erſetzten ſie, aber nicht
obne Mühe, weil es ſehr ichwierig war, die Zufriedenheit
Luchs zu erwerben. Ein halbes Dutzend hatten ſich bereits
vorgeftellt, wurden geprüft und untauglich befunden, ſo
daß der Platz der Kammerzofe noch unbeſetzt war. Luch
ſaß in ihrem Bureau vor dem Arbeitstifche, um die einge-
laufenen Rechnungen nachzuprüfen. Dasjelbe war ſehr
bſch eingerichtet und ihr unverlegliher Zufluchtsort. Ein
Teppich mit lebhaften Farhen bedeckte den Fußboden, hübſche
Gemälde ſchmückten die Wände und ein eleganter Divan
nebſt den dazu paſſenden Fautenils henabmen dem Bureau
den Anſtrich des nüchternen Geſchaftslokals, Der Arheitz-
tiſch Luchs war bedeckt mit Geſchäftsbüchern, Briefen, Rech-





Dieſelbe waren ſchon kurz nach der That gefänglich
eingezogen, jedoch wieder freigelaſſen worden, weil
keine genügende Beweismomente ſich ergeben hatten.
Aus Aeußerungen jedoch. die Heinze waͤhrend ſeiner
Unterſuchungshaft zu ſeinen Mitgefangenen gethan,
mußte geſchloſſen werden daß derfelbe über die Vor-
gänge ganz genau unterrichtet war. Deßhalb wurde
das nette Ehepaar neuerdings in Unterſuchungshaft
genommen. Die belaſtenden Momente bildeten nun
den Gegenſtand dieſes Proceſſes. Dieſer hat nun
einen Abgrund von Schmutz, Gemeinheit und Elend
enthüllt. Mit Entſetzen und Schauder wendet ſſich
jeder noch empfindungsfähige Menſch von den Bildern
ab, welche ſich in dem Moabiter Schwurgerichtsfaal
entrollt haben. Es iſt aber nur zu ſehr nothwendig,
daß es bei dem bloßen Verabſcheuen nicht bleibi,
ſondern, daß Hand angelegt wird, um zu beſſern,
was noch gebeſſert werden kann. Wichtig iſt ſchon
der Umſtand, daß die Geheimpolizei zu den Verbrech-
ern in einem mehr als gemüthlichen Verhältniß ſteht
und bei der Auswahl ihrer Hilfsmittel recht kritiklos
verfährt. Unſeren lebhaften Unwillen können wir
aber nicht zurückhalten, wenn wir die Haltung des
zuhörenden Publikums und die ganze Tonart, in der
die Zeugenvernehmung vorgenommen wurde, betrachten.
Wie immer, wenn es ſich um zweideutige Sachen
handelt, hatten ſich zahlreiche Damen — wir ver-
meiden mit Abſicht das reine Wort Frauen — ein-
gefunden, und ſie wichen ſelbſt der ziemlich deutlichen
Vahnung des Präſidenten nicht, der beim Beginn der
Verhandlungen hervorhab, daß Dinge vorkommen
würden, welche für die Ohren einer auſtändigen Frau
nicht berechnet ſeien. Sie waren gekonimen, um ſich
einen pikanten Genuß zu verſchaffen, und von diefem
Heſichtspunkt aus nahmen ſie alle die Dinge auf, die
ſich vor ihnen enthüllten. Auch die „feingekleideten
Herren“, welche im Zuhörerraum anweſend waren,
ließen von einem Abſcheu über die ſich vor ihnen
aufthuende Sünde und Gemeinheit nichts erkennen.
Der unerhörte Cynismus, mit dem Zeugen in dem
Schmutz wateten, kam ihnen kaum zum Bewußtſein.
Sie ſaßen im Schwurgerichtsſaal, als ſäßen ſie im
Reſidenztheater. Gluͤcklicherweiſe iſt in der großen
Maſſe der Bevölkerung die Aufnahme, welche die Ent-
hüllungen des Prozeſſes gefunden haben, eine andere,
würdige. Ueberall begegnet man dem Ausdruck des
Weun die Zeugen-
ausſagen als „Enthüllungen“ wirken, dann kann man
doch die Frage nicht unterdrücken: Wo ſind diejenigen



nungen und Schreibufenſilien Die Morgenjonne drang
durch das offene Fenſter und erfüllte daZ kleine Zimmer
mit aoldenem Sonnenſchein; draußen im Park erflang der
Sejang zahlre cher Vögel und dex köſtliche Duft der Roſen
und des ſpaniſchen Flieders ſtrömte in das ſonnige Ge-
*8 Keine Spur des geſtrigen Unwetters war noch zu
erblicken.

Plößlich erhob Lucy ihre Augen, denn ſie bemerkte
ſoeben Arthur und Eveſine. Beide gingen Arm in Axm
lanaſam zux Terraſſe. Arthur ſchien jehr alücklich zu ſein;
lachend erzählte er iraend ein Ereianiß! das ſich auf dem
geſtrigen Feſte zugetraaen und Epeline war wie immer ſehr
liebenswuͤrdia. Ihre lanaen, ſchwarzen Locken fielen auf
ihre Schultern und noch weiter hexab bis auf ihre ſchlanke
Taille. Das Schwarz ihrer Locke ließ das elfenbeinfarbige-
interefjante Geſicht der Creolin doppelt hinreißend in die
Erſcheinung treten. Jung und ſchön, reich und alücklich.
liebend und wiedergeliebt, wie das junge SEhepaar war,
mußte es hei manchen Gemüthern das Gefühl des Neides
erregen. Als Luey ſie ſo dabinwandeln jah, lohte ihre
Leidenſchaft hoch auf und fie ſagte zu ſich felbjit: „Wie
lange dauert es doch, bis die geit der Rache naht. Was
nutzt mich mein Berdacht, wozu dient ſelbſt dieſer Brief-
umſchlag mit der Adreſſe Evelinens Hand an dieſen Fremden
geſchrieben, wenn ich keine anderen Beweiſe habe?. Wo
war fie geſtern Abend während des Gewitters? Sie hatte
das Ausſehen einez lebendiaen Leichnams, als ſie tropfend
von Regen mir geſtern Abend begegnete und vor mir ſcheu
zurſickwich/ wie vor einem Geſpenſt. Wie Arthur ſich ſo
zärtlich zu ihr herunterneigt, um dieſes große Kind zu he-
wundern, wie wenn ſonſt Niemand in der Welt für ihn da
wäre. Arthux Sutherland, Du biſt ein Dummkopf, und
ich werde es Dir zu Deiner eigenen Genugthuung wie zu
der meinigen beweifen, ehe es zu ſpät ſein wixd

„Nun was wünſchen Sie?. Sie drehte ſich ärgerlich
herum und würdiate den beſcheidenen Gruß des einge-
tretenen Kindermädchens keiner Antwort,

(Fortſetzuns folat.)


 
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