Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Pfälzer Bote für Stadt und Land (26) — 1891

DOI Kapitel:
Nr. 161 - Nr. 170 (19. Juli - 30. Juli)
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44149#0653

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
l..
zezeich-

veine/

*
* 90.
aſſe 1

rei.
rrenr

{
jauttl.
warze
ſiindere
ümpft
cken-

bann-

Sotchen-

2
oſen in
ßen.



eftellten

, 98
_/

a
ten,





*

— 2









‚OrißGeint iagtis meit xutnehus der Eenu- mub Feiertage-

d
20 . } € en

Ög den — u. bei der *

— ] T




Beſtellungen
f den „Pfälzer VBoten“ für die Monate
Auguſt u. September werden jetzt ſchon bei ſammt-
lichen Poſtanſtalten, bei unſeren Trägerinnen, ſowie in
Uſerer Expedition Heidelberg, Zwingerſtrafe
entgegengenommen.

Verlag des „Pfälzer Bote.“



der Prozeß Nuthon.

Ein Prozeß, wie er, was die Reichhaltigkeit des
—— — anbelangt, wohl ſelten voͤrkommt,
de waͤhrend des Monatz Junı vor der Straf-
mer Uln verhandelt. Haͤndelsmann Moſes Sa-
Miel NathHan von Laupheim war durch Strafbeicheid
® Steuerkollegiums wegen Kapitalſteuergefaͤhrdung
äl der Geldjtirafe yon 31,727 ME 40 Pfg. für den
aat und 7048 M. 80 Pfg. für die AUmtskorpora-
'n und. Gemeinde und zur Nachholung der inter-
Ögenen Steuer im Gefjammtbetrag von 3939 Mark
%fg. verurtheilt worden und hatte gegen dieſen
Strafbejcheid die richterliche Entſcheidung beantragt.
i hatten urſprünglich beabſichtigi, von dem Prozeß,
Welcher für den Laien nicht mehr und nicht weniger
Aiterefje zu bieten ſchien, als jeder andere Stener-
Qefäbrbungßprogefi‚ nicht weiter Notiz zu nehmen, als
03 Strafurtheil unſeru Leſern mitzuͤtheilen! Nach-
Täglich werden aus der Hauptverhandlung aber Dinge
nni, welche zum Himmel um Vergeltung ſchreien,
d welche wir unmMÖglich durch Schweigen vertujchen
helfen Fönnen.
Im Allgemeinen war die Verhandlung, bei welcher
%® von Zahlen nur ſo wimmelte und welche Haupt-
iac{)fid‚ im Verleſen von Urkunden über Liegenſchafts-
MD Pferdeverlaufe, Ceffionen, Darlehnsverſchreibung-
M und Wechfelforderungen, fodann Schuld- ı.. Zivil-
lagen und Schuldenliquidationsprotokollen und Gant-
rrweifungen beſtand, für den Zuhörer nichts weniger
U8 unterhaltend; das einzige Fntereffante dabei war,
$l hören, daß bei den „Geſchäften“ immer mehrere
&T „Handelsleute“ zuſammengetreten ſind, um das
Weſchaft“ zu machen, daß der Eine oder der Andere,
Manchmal auch zwei ihren Namen zum Gefchaft her-
Leben haben während die Anderen als flille Theil-



Im Kampf vm's Daſein.
Erzöhlung naͤch Hesba Stretton von H. v. Nemagen.
8 Gaͤchdruck verboten)

; Au durfte er daz anaebotene Opfer nicht annehmen.
SÜ!‚E Schweiter hatte ein Heim gefunden, in weldhem ſie
Slüclich war, fjollte er fie jeinetwillen zu neuem Wagniß
g?efn?fllß hlivpenvolle Lebensmeer wieder hHinausführen ? Nein,

als!

‚An einem Sonntag Morgen, als er von dem vorge-
{Ortebenen Lottesdienſte aus dem Betfaale zurückehrte,
ND er in feiner Belle wieder einen Brief liegen. Zwölf
hekrüte Mar er jeßt bereus in Haft; drei Mal hatte Sl8-
eth ihm in diefer Beit gefchrieben; der vierte Brief war
18 und wurde von ihm erwartet. Wie ein Verdurften-
&C nach einer labenden Frucht, 19 griff David nach dem
Schreiben, Diesmal tam dasfelbe nicht von Eisbeth Er las:

Lieber David! Ich bin nun Matrofje und habe guten


rhart. Herr Dudley jagte, wenn ich im Navigations-
m üterricht gut vorwärts fomme, werde ich bald Steuer-
Maln merden. Und jomit Habe ich die Ei8beth gefragt,
?b. Äe meine Zrau werden wolle. O David, ich kanr es
en Menichen jagen, wie gern ich die El8beth habe.

nn i auf See bın, dent” ih Tag und Nacht an fie, und
Wenn ich hier bin, mein ich, ich müßt jeden Augenhlick bei
r fein. Und fo oft ic fie Mieder jeh’, Fommt ſiẽ mir jedes
Mal hıibjcher und lieber vor. Sie gibt mir aber keine
roret und jagt immer: „Sch bin jhon vergeben:;
1 gehör’ dem David, — der hat Niemanden außer mir.“
Dütte fie gejant, fie Fönne feine Liebe zu mir fühlen, {o
Würde ich Dir gar nicht geſchrieben hHaben. Ich bitte Dich
Nun, chreib und jag’ ihr, daß Du e3 gerne fiehit, wenn
fie mig nimmt; Dı folit dadurch die Schwefter nicht ver-
(ten, fondern in mir noch einen Bruder dazı befommen.

$ muß Dir ja auch lieber fein, daß ich die EISbeth hei-
7* al8 ein Andeter der fih Deiner jhämt. So was
gun mir nict in den Sinn kommen; denn mein Leiblicher

hufer und meine eigenen Briüder find ſämmtlich Diebe.

enn ſie einen Anderen nimmt, der könnte ihr eines Tages















haber oder Campagnons mitwirkten; daß in ſchlauer
Weiſe öfters Forderungen, ſei e& in Wirklichkeit oder
zum Schein, an Dritte abgetreten worden ſind, ſo daß
nicht nur ſchwer zu erheben war, wer der eigentliche
Glaubiger war, ſöndern daß auch die betr. Schuldner
nicht einmal wußten oder wiſſen konnten, wem ſie in
Wirklichkeit die Poſten ſchuldig waren.

In vielen Fällen fing das „Geſchäft“ mit einem
Pferdekauf u. {. w. an. Von geringen Beträgen an
ſtiegen die Forderungen durch Hinzurechuung von
„Zinjen“ und von Beträgen „für bewilligte Provi-


der ganze Hof des Bauern entweder vermeßget. oder
im Wege des Gantverfahrens unter dem Hammer war.
Die Handelsleute ' verkauften die Güter in einzelnen
Parzellen gegen oft kleine Jahreszieler und jo. am
es, daß oft don kieinen Gemeinden über 100 Schuld-


Unter den vernommenen Zeugen waren mehrere
Landelsleute, welche mit dem Augeklaͤgten in Ge-
ſchäſts Verbindung geſtanden find und das „Ge-
ſchäft Vexhältniß aufflären ſollten, dann aber auch
eine Anzahl ſolcher, mit welchen die „Geſchäfte“ ge-
macht worden ſind und die, früher wohlhabeude und
Lachtete Bauern oder Söidner, jetzt als Taglöhner
ihren kümmerlichen Unterhalt ſuchen müfjen. Wir
wollen hier nur die Angaben einiger der Letzteren
wiedergeben.

Franz R, früher Bauer, jetzt Strafgefangener in
Ludwigsburg, gab eidlich an: Er habe von Fakob
Heumann verſchiedene kleinere Darlehen erhalten und
ſei ihm nach mehreren Abrechnungen 700 ft ſchuldig
geworden; die erſten 500 fl. habe er ſo ziemlich er-
halten, das andere ſei durch „Rabatt“ . und durch
„Hinjen“ angewachſen. Diele 700 fl. habe Heumann
dann an den Angeklagten Nathan abgetreten, ‚mit
weiterem „Zin8“ und „Rabatt“ ſei dann die Schuld
auf 900—1100 und zuietzt auf 1500 f{l. angewaͤchſen.
Zur Bezahlung habe er Güter verlaufen muͤffen.
Dieſes „SGefchäft“ habe Jakob Heumann beſorgt, er
hHabe Kaufſchillinge eingezogen und die Sahe ins
Reine gemacht“.

Johannes W. von M. gab eidlich an: Er ſei dem
Angellagten 900 fl. ſchuldig geworden, daͤfür habe
der Angeklagte 90 fl. „Rabatt“ berechnet, ſo fei ein
Schein über 1000 fl. ausgeſtellt worden, 10 fl habe
er noch auf die Hand hefommen. Nach zwei Jahren
ſei die Schuld durch Hinzuziehung von „Rabaͤtt“
und „Zins“ auf 1500 fi. angewachjen.

Dein Malheur voxwerfen; ich konnte das nicht ohne mich
ſelber zu beſchimpfen!
im Wege ſtehen wirft, lieber, alter David! Ih veripreche
hiermit, der Elsbeth ein guter Ehemann und Dir ein auter
Schwager zu fein; Ihr jollt Beide nicht zu Hagen haben.
Ernähren kann ic fie, wie gefant, auch. Wenn ih Glüc
Habe, fann ich’3 wohl noch zum Capitän Eringen, und dann
mag ſich die Elsbeth neben jeder Anderen jehen laſſen Nur
mußt Du ihr fhreiben und ihr jagen, daß Du mich zum
Schwager baben willit, und Du {follıt e3 nicht bereuen.
Von Deinem Dich liebenden Freunde, Roger Bladett,“

„ . David jaß lange Zeit regunaslos, den Brief in ſeiner
febernden Hand achtlos zerknitternd. Zu arbeiten brauchte
er ja heute nicht, und ſo Hatte er Muße zum Grübeln,
mehr als gut war. Roger Blacett! Wie gut konnte er ſich
dieſen fcheuen, murrkoͤpfiſchen ausgehungerten Jungen vor-
itellen, der vom frühen Morgen bis zum {fjpäten Abend
Teinen Augenblid dabor ficher war, von feinem Vater in
trunfener Wuth todigefchlagen zu werden. Und dieſer arm-
ſelige, ſchwache, müßiggängerijdhe, von allen Kameraden in
der Straße geringgefjhäßte Junge, der Sohn eines ausge-
machten Schurfen, der Bruder von zwei in ganz London
berüchtigten. Dieben, trat nun vor David und warb um
ſeine Schweſter! Man hatte Roger von dem Irrwege, auf


dahin gebracht, wo er wa3 lernen Konnte. Zetzt Wur er
S©eemann, auf dem Wege, Steuermann, vielleicht gar Ca-
pifän zu werden, und dachte daran, zu heirathen, die Ihöne
Elabeth zu heirathen! Roger — Capitän Blattett! David
Fell — ein vielbeſtrafter Züchtling, ein Auswürfling, ein
Einbrecher, ein verabjheuungSwerther Mifjethäter!

Wie, um ihm diefen, vom Iaunijhen Gejchice zuſam-
mengefündigten Contraft um {o fühlbarer zu madhen, zau-
berte ihm ſeine Phantafie im Traume Ddie beiderjeitige
Hukunit vor. Er erblidte ElSbeth in ihrem eigenen Haus-
halte: hübjh, liebenswürdis und geliebt; in der Mitte
einer aufblühenden - Kinderfhaar.- ANe hHoffnungsielig in
Erwartung der baldigen Rückkehr des Vaters Und dieſer
fam aug fernen Ländern; aber auch in der Ferne hatte er
ihrer liebend gedacht, das zeigten die Geſchente, die er











KAnzeige-Blatt für die umtabezirke Hewelber B
Ladenbdnurg, Weinheim, ‚ ShHwebingen,. Philippsburg,
Wiesloch, Bruchfal, Breiten, Nedargemünd, M ;
aberbach, Buchen, Walldärn, E Bifchoͤfeh Wertbeint 267





in Peidelberg, Zwingerſtraße 7,

Johannes D., lediger Bauer 3. Zt. in Frankfurt
a. M., gibt eidlich an: Er wiſſe, daß ſein Vater von
einem der Nathan ein Pferd uin 600—700 fl. . ge-
kauft habe und daß er nach zwei Jahren 2400 M.
habe bezahlen müſſen. Seinein Valer ſei die Saͤche
damals ſo zu Herzen gegangen, daß er ſich habe er-
ſchießen wollen.

Jehaun R von B. gab eidlich an: Eı habe von
dem Angeklagten Nathan 388 fl. erhalten es ſei hie-
für ein Schuldſchein ausgeſtellt worden Der Ange-
kagte habe aber hinter die Zahl 388 einen Siebener
hingemacht, er, dex R. habẽ die 7 für ein Gulden-
zeichen angeſehen, ſpäter aber ſei er auf 3887 {l. be-
langt worden. Er habe vorher von Jakob Maher
zwei Fohlen gekauft und zu einem Pferdekauf noch
120 fl. entlehut, daher ſei die Schuſd von: 388 fl.
entſtanden. Der Zeuge lamentirt Ddarüber, ‚wie er
ſpäter mit ſeinen fieben Kindern zum Haus hinaus-
geworfen worden ſei und Hab und Gut verloren habe.
Er ſteht mit geballten Fäuͤſten vor den Angeklagten
Hin und fagt, er erhebe hier Anklage wegen dieſer
Fälſchung. Der Staͤatsanivalt erklärt dem Zeugen,
das hätte er früher thun müſſen, jetzt ſei die Sache
perjährt. Der Anklagte leuguet die Fäljhung, an der
Urkunde ſelbſt iſt eine Reränderung nicht zu erkennen.

Nicolaus H. von St. gab eidlich an: Er habe
von dem Angeklagten 500 M. auf ein halbes Jahr
entlehnt, dafür jei ein Wechſel über 717 M. ausge-
ſtelt worden, das übrige habe er al8 „Rabatt“ liegen
laſſen müſſen. Dies nur einige Beiſpiele.

Wir wiſſen ſehr wohl, daß wir mit dem Vor-
ſtehenden nichts Neues mittheilen; daffelbe geſchieht
und geſchah ſchon oft und vielfach in noͤch viel ent-
ſetzlicherer Weife. Trotzdem iſt es Pflicht der Preſſe,
immer wieder die Kreoͤsſchäden aufzudecken welche
unſern Mittelſtand langſam, aber ſicher zu Grunde
richten. Vor Allem ader iſt obiger Bericht an die
Undliche Bevölkerung gerichtet als Warnung und
Mahnung. die Augen offen zu halten gegen die große
Sefahr, die ſie, dei ſolchen nichtsuuhigen Wuͤcher-
fallen erbarmungslos vernichtet; der Berichtjoll eine
Mahnung ſein zur Gründung von Raiffeiſen'ſchen
oder anderen Darlehnskaſſen, die ſich als ſoſegensreich
erwieſen haben. (Ob. V.)



Deutſches Reich.

* Berlin, 20. Juli. „Zur auswärtigen
Lage“ bringen die Hamb. Nachr. an leitender Stelle
einen YAuıtfjaß, deſſen Verfaſſer ſchon ſtiliſtiſch durch
bezeichnende Anwenduug einiger heute nicht mehr ge-



Vor Roger lag ein Leben voll frohex Luſt an feinem
ehrenvollen Erwerbe und reih an dauziſchen Geniüffen, die
ibm Ddie Arbeit Lohnten und das Erdenleben werth machten.
David jah, wie mit offenen Wugen und in eibhaftiger
AWirklichkeit, die leuchtenden Kindergefichter, und ihr mun-
tres Gejubel füllte ihm die Ohren Alles das war für
Roger! Was blieb für ihn? Ein einfame® Sterben
auf der Gefängniß-Pritihe. Daß das in der That Hein
Endſchickſal ſein werde, das fühlte ex nur zu bitter wäh-
rend er Koger’s Brief zwiſchen den Fınacın zerknitterte.

Der Durdhgang durchs Gefängniß zum Grabe war
für David kein aNlzu langer, und er war damit zufrieden :
der Tod konnte ihm nicht zu früh konimen.

An folgenden Tage empfahl ihm der Wärter, in die
Kranfen-Wbtheilung überzufiedeln, und David that e3. Der
ärztlidhe Beamte erkannte wohl, daß er einen Todes:Can-
didaten vor ſich hHabe; aber den Sig und die Natır des
UebelS anzugeben, ſob er ſich außer Stande. Das Wort
„Herzeleid” findet ſich nicht in dem Cataloge der Merzte in
den Gefängniſſen.

XXIII.

244

Koger erhielt auf feinen Brief an David keine Ant-
wort. Einige Tage {päter mußte er wieder an Bord. Bald
nad) feiner Wbreiie wurde dem alten Cuklid und EI8beth
eine amtlige Erlaubnig zugeitellt, ihren gefangenen Freund
und Bruder zu beſuchen. David Fell Iag im Sterben und
wünfchte die Beiden noch einmal zu jehen. Sie follten,
hieß e8 in der Zujchrift, nicht Jäumen, wenn fie ihn noch
am Seben antreffen wollten.

David hatte gebeten, in ſeine Zelle zurüdgebracht zu
werden. Die Stille und Einſamkeit jagten feiner Gemiths-
itimmung befjer zu, Als das Bujammenliegen mit jo viel
Fohheit und Schurkerei,_wie fie fich in dem gemeinfamen
Krankfenfaale fanden. Ohne daß er . e8 verlanat hatte,
wurde ihm eine weniger harte Matraße und ein Kifjen
untergelegt ; in allem Anderen aber blieh e in der weiß-
getündhten Zelle fo, wie er fie vor mehr als einem Fahre
bezogen hatte Nur ein kieines Stücchen des grauen


 
Annotationen