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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 28.1907

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Nr. 1
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Rückblicke und Ausblicke
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https://doi.org/10.11588/diglit.55853#0014

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Rückblicke und Ausblicke.


i^^ir stehen an der Schwelle eines neuen Jahres und
blicken zurück. Wie ein offenes Buch liegt es
nun vor uns ausgebreitet und die gewonnene Er-
fahrung bildet seinen Inhalt. Wird sie uns segens-
' reich sein? Die Zukunft wird es lehren. Auch


das zurückgelegte Jahr war reich an Arbeit, reich auch
an solcher, die nicht immer Früchte trägt. Aber immerhin
können wir zufrieden sein, wir sind nicht stehen geblieben,
sondern auch in diesem Jahre vorwärts geschritten.
Wir haben Erfolge mannigfacher Art zu verzeichnen und
Reformen eingeleitet, die unserer gesamten Branche zum
Vorteil gereichen werden, und diese Tätigkeit ist sowohl
die Aufgabe der Korporationen, als auch der Fachzeitung,
die beide wiederum in dem verflossenen Jahre Hand in
Hand gearbeitet haben.
Das Programm des hinter uns liegenden Jahres war
ein reichhaltiges und wechselreiches; wichtige Beschlüsse
sind gefasst, tief einschneidende Fragen aufgerollt worden,
und ein grosser Teil dieser geht als Erbe und Aufgabe
auf das neue Jahr über. Indes hat unsere Jahresbilanz
nichtsdestoweniger auch einen Reingewinn an tatsächlichen
Erfolgen zu verzeichnen. Sehen wir uns diese Bilanz ein-
mal etwas näher an, wenigstens in ihren Hauptposten.
Das Jahr stand für das gesamte Kunstgewerbe unter
dem Zeichen der

Dresdener Kunstgewerbe - Ausstellung
und brachte infolgedessen einen Widerstreit zweier Parteien
mit sich, der ziemlich ernste Formen angenommen hat. Die
Partei der Kunsthandwerker steht schroff den sich über-
legen fühlenden Freunden und Angehörigen der Kunst-
gewerbeschulen gegenüber und erst der Zukunft wird es
vorbehalten bleiben, einen gar nötigen Ausgleich herbeizu-
führen. Es werden beide Teile etwas nachgeben und von
ihren eingenommenen Höhen wenigstens Stufen herabsteigen
müssen. Sie haben ja beide Recht und wollen beide nur
das Beste.
In sozialer und wirtschaftlicher Beziehung treten die
Fragen der Gehilfenbewegung und deren unmittelbare Ein-
wirkungen auf die Konjunktur besonders auffällig hervor.
Die von den Industriestädten ausgehende
Lohnbewegung
hatte ziemlich alle Gehilfen im Reiche ergriffen und besonders
in Pforzheim, Hanau und Gmünd, aber auch in Berlin
grössere Dimensionen angenommen, wobei nur das Ent-
gegenkommen auf beiden Seiten ernstliche Konflikte ver-
mieden hat. Mit Dank muss anerkannt werden, dass man
allerwärts in den Kreisen der Arbeitgeber im Prinzip die
Forderung einer Lohnerhöhung gebilligt und bewilligt hat.

die Zielfrage.

den Lieferanten
ist eine schon
wieder in den
Eifer betrieben

Die politischen Einflüsse haben übrigens auch jetzt noch
nicht den alten konservativen Geist in den Reihen unserer
Gehilfen zu töten vermocht.
Die Erhöhung der Löhne in den Industriezentren hat
in Verbindung mit der allgemeinen Teuerung der Lebens-
mittel, des Materials usw. zu einer durchgängigen
Preiserhöhung in der Bijouterie- und Ketten-Branche
geführt, nachdem bereits die Fabrikanten versilberter Waren
vorbildlich vorangegangen waren. Diese Preiserhöhung ist
indes allgemein in der Branche als begreiflich, ja direkt
als selbstverständlich aufgenommen worden und hat wohl
kaum zu ernstlichen Differenzen zwischen
und ihren Abnehmern geführt. Dagegen
seit Jahren wiederholt aufgestellte Frage
Vordergrund gestellt und mit ziemlichem
worden:

Die geplante Reform ist noch nicht abgeschlossen und
wird wohl in nächster Zeit vorläufig noch mancherlei Aus-
einandersetzungen zeitigen, ehe wir eine gewiss dringend
notwendige Gesundung der Kreditverhältnisse innerhalb
unserer Branche erwarten können. Zurzeit besteht schon
in den Kreisen der Grossisten eine gewisse Strömung gegen
eine allzu eilige Reform, die auch deren Einführung einige
Zeit noch aufhalten, nicht aber verhindern dürfte. Zwar
haben sich wiederholt schon die Verbandstage, auf denen
in der Hauptsache Ladengoldschmiede vertreten sind, mit
dieser Frage nebenher beschäftigt, ihr wohl aber nicht die
Bedeutung beigelegt, die sie jetzt durch die neuerliche
Inangriffnahme erhält. Jedenfalls muss bei einer geplanten
Reform der Kreditverhältnisse auch mit den Wünschen der
Detailleure und vor allen Dingen mit den überreichlichen
Lägern dieser gerechnet werden, wenn nicht dem gesamten
Detailhandel ein empfindlicher Stoss versetzt werden soll.
Die nächste Zeit wird darüber zu entscheiden haben.
Dem Beispiele der Ladengoldschmiede und der Silber-
waren-Fabrikanten sind nun auch die Grossisten der Edel-
metallwarenbranche gefolgt, indem sie sich reichlich vor
einem Jahre gleichfalls in einem Verbände zusammen-
schlossen. In diesem Jahre nun traten die Mitglieder und
Interessenten zum ersten Male im grösseren Massstabe, und
zwar auf dem
Grossistentag in Pforzheim
im Juli 1906 zusammen. Dieser bildete zweifelsohne ein
Ereignis für die gesamte Branche, indem er Fragen be-
handelte und Richtlinien aufstellte, die als eine sehr not-
wendige Ergänzung der übrigen Korporations-Aufgaben
betrachtet werden müssen. Ein nicht hoch genug anzu-

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