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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 28.1907

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Nr. 37
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Leipziger Michaelis-Messe 1907
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https://doi.org/10.11588/diglit.55853#0310

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JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST.

Leipziger Michaelis-Messe 1907.

Die Leipziger Messe gewinnt ständig an Bedeutung, und auch
für einen Teil unserer Branche. Die Edelmetall-Industrie ist im
allgemeinen nur sehr spärlich auf der Messe zu finden und die
wenigen, seit langen Jahren ausstellenden Firmen haben noch
immer fast keine neue Konkurrenz erhalten. Es früge sich übrigens,
ob das Bijouteriegeschäft auf der Leipziger Messe eine solche
auch vertragen könnte. Vielleicht würde sie das Geschäft be-
leben und ein wenig mehr Einkäufer nach Leipzig führen, viel-
leicht aber auch würde die erhöhte Konkurrenz Allen das Wieder-
kommen verleiden. Wünschenswert wäre es allerdings, wenn
neben der grossartigen Manifestation der verwandten und übrigen
Industrien auch die des Edelmetalles eine würdige Vertretung
auf der Leipziger Messe erlangte. Sie würde schliesslich gewiss
nicht ihre Wirkung verfehlen und nach Überwindung des toten
Punktes manchen Goldschmied usw. zum Besuche der Messe
und zur ungezwungenen Betrachtung der Läger veranlassen. Man
sollte es zunächst mit einem Kollektiv-Musterlager versuchen,
dessen Unkosten, gleichmässig verteilt, den Einzelnen kaum emp-
findlich sein dürften. Wenn wir an die Kollektiv-Beteiligung der
Pforzheimer und Schwäb.-Gmünder auf der Dresdener Kunst-
gewerbe-Ausstellung erinnern, so wird man bei einem Vergleich
zwischen dieser und einer gemeinsamen Beschickung der Leipziger
Messe doch kaum in Zweifel sein können, wo die grösseren
Chancen für einen materiellen Erfolg zu suchen sind. Was der
Dresdener Ausstellung in ideeller Beziehung recht ist, dürfte aber
der Leipziger Messe in materieller billig sein.
Die unsere Branche gleichfalls nahestehende — sagen wir —
Halbedelmetall-Industrie gab sich auch dieses Jahr auf der Leipziger
Messe eines ihrer grossen offiziellen Rendezvous, bei dem die
grossen Fabriken versilberter Waren ebensowenig fehlen, wie der
junge Anfänger, der mit einigen, wenigen Mustern sein Heil ver-
sucht. Die Leipziger Messe bietet besonders für die älteren
Firmen mit grossem Musterlager eine günstige Gelegenheit, ihre
Vielseitigkeit in vollständiger Weise zur Vorführung zu bringen,
und den Einkäufern, sich einen Überblick über ganze Industrie-
gebiete in ihrem gegenwärtigen Schaffen zu ermöglichen.
Einen wesentlichen Bestandteil der Leipziger Messe bilden
die versilberten Metallwaren, die ferner Edelzinn-, Kupfer-, Alfenide-
und Bronzewaren und in diesen wird von Jahr zu Jahr Reiferes
und ästhetisch Schöneres geliefert. Die einzelnen Fabriken über-
bieten sich gegenseitig in dem Herausbringen neuer Muster und
wenden enorme Kosten für Entwürfe und Modelle an, für die sie
unsere ersten Künstler heranziehen. Unter Mitberücksichtigung
der Keramischen Industrie bietet jederzeit ein Gang durch die
Ausstellungsräume der Leipziger Messe einen vollständigen Über-
blick über den Stand unserer deutschen Kunstindustrie, der jene
Stimmen Lügen straft, die dieselbe gegenüber der des Auslandes
herabzusetzen bemüht sind. Unsere Industrie ist häufig künst-
lerischer als jene „Künstler“, die durch angeborene oder gesuchte
Eigenart die Begriffe von ästhetischer Schönheit verwirren und
nur deshalb ihre Anhänger finden, weil sie vor diesen mit einer
Ideengrösse posieren, die diesen über ihren Horizont zu gehen
scheint.
Wenn wir uns den diesjährigen Ausstellungen zuwenden und
zunächst der Goldwaren- und Bijouteriebranche unser Augenmerk
schenken, so können wir von ihr nur dasselbe wiederholen, was
wir bereits alle Jahre gesagt haben: die wenigen Aussteller suchen
durch möglichst grosse Vielseitigkeit die Leistungen unserer gewiss
im Welthandel bedeutsamen Industrie zu vertreten. Wenn ihnen
dies nur teilweise gelingt, so sind sie nicht daran schuld, sondern
die Bequemlichkeit der Einkäufer, die es in den meisten Fällen
vorzieht, sich die Muster daheim vorlegen zu lassen und auf den
Vorteil verzichten, der in der Möglichkeit des Vergleichens und
dem Erzieherischen der Messe liegt. Die Firmen Eugen Cleis,

Ernst Herdtle jr., Eugen Porcher, William Posner, Rich. Unver-
ferth und Louis Reiss vertreten mit ihren universell ausgestatteten
Lägern ganz Pforzheim und waren auch diesmal bestrebt, Neu-
heiten auf den Markt zu bringen. Noch spärlicher ist Schwäb.-
Gmünd, und zwar nur durch eine Firma, F. Zweigle, vertreten,
diese erfreut sich namentlich mit ihrer Silber-Bijouterie seit ge-
raumen Jahren eines guten Ansehens bei den Messbesuchern.
Ferner sind die Firmen Bernhard Stein & Co. und J. Wachen-
heimer, beide in Frankfurt a. M., bewährte Messhäuser mit grossem
Lager in Bijouterien und Kleinsilberwaren. Last not least sei an
die Leipziger Grossisten der Juwelen und Bijouteriebranche er-
innert, die regelmässig zur Messe ihre Läger in erhöhtem Masse
zu vervollständigen pflegen und die gleichfalls für das deutsche
Geschäft und den Export als vorteilhafte Bezugsquellen auf der
Leipziger Messe gelten. Es sind die Firmen: M. Baumert & Co.,
Th. Fuhrmann, Günther Herbst Nachf, Georg Jacob, Otto
Kämper sen., Steinmetz & Lingner und Heinrich Stöckel.
Unter den Metallwarenfabriken, die besonders für Goldschmiede
in Frage kommen und die bei diesen gesuchten versilberten Tafel-
und Ziergeräte fabrizieren, steht die der Firma Bitter & Gobbers,
Krefelder Metallwarenfabrik, Krefeld, mit oben an. Neben zahl-
reichen Neuheiten in Tafelaufsätzen, Jardinieren, Tee- und Rauch-
scrvicen usw., worunter sich auch ein origineller Schmuckkasten
befindet, brachte die sehr leistungsfähige Fabrik eine Patina in
den Handel, deren warmer und edler Ton ungemein sympathisch
berührt.
Die Aktien-Gesellschaft für kunstgewerbliche Metallwaren
„Orivit“, Köln-Braunsfeld, hatte gleichfalls ihre bekannten hoch-
aparten Muster um eine Anzahl neuer vermehrt. Eine geschmack-
volle Neuheit ist die vermittels des Huberverfahrens bewirkte
Verbindung von Kupfer mit Messing, wodurch Metallintarsien
bewirkt werden, die schwerlich auf andere Weise geschaffen
werden könnten. Die sämtlichen Muster der strebsamen Fabrik
sind im eigenen Atelier entworfen und zeugen davon, dass die
Fabrik bemüht ist, dem exklusivsten Geschmack des gebildeten
Publikums zu dienen.
Ein reichhaltiges Musterlager gediegener Tafelgeräte, aus-
schliesslich versilbert, hat auch wiederum die Metallwarenfabrik
Pforzheim vorm. Aichele & Co., Pforzheim, zur Ausstellung gebracht.
Besonders hervorgehoben sei ein Pasteten-Service und ein ge-
schmackvolles Eis-Service, eine Wein-Garnitur in Empirestil,
einige Stücke mit prächtig wirkendem Martle, sowie eine Anzahl
verständig konstruierter Beleuchtungskörper.
Die Württemberger Metallwarenfabrik Geislingen-St. stand
selbstverständlich in dem allgemeinen Wettbewerb von Neuheiten
nicht zurück und überraschte wiederum durch eine ganze Reihe
von künstlerisch vollendeten Stücken, eleganten Toilettegarnituren
und neuen Besteckmustern.
Überwiegend der Zweckmässigkeit dienen die Fabrikate der
rührigen Metallwarenfabrik von F. W. Quist in Esslingen, die
aber dennoch einen vornehmen Geschmack damit verbinden.
So hat die Fabrik als Neuheit eine Anzahl Gegenstände heraus-
gebracht, die als Dekor einfache rechtwinkelige geometrische
Figuren zeigen und damit an den architektonischen Schmuck eines
Peter Behrens erinnern. Auch sonst beweisen die Neuheiten das
ständige Bestreben, einem guten Geschmacke im Haushalte zu
entsprechen.
Eine leistungsfähige, echt kunstgewerbliche Metallwarenfabrik
ist die von F. X. Dautzenberg jr. in Königshof-Krefeld. Ihre
Muster atmen sämtlich einen künstlerischen Geist, der auch in
dem bescheidensten Gebrauchsgegenstand wahrzunehmen ist.
In vielen Fällen hat sie den Empirestil bevorzugt und ihn mit
grossem Verständnis verwendet. Dautzenberg liefert versilberte,

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