Journal der Goldschmledekunst
Amtliches Organ des Verbandes Deutscher
der Goldschmiede-Innungen zu BERLIN, BRAUNSCHWEIG,
KOLBERG, LEIPZIG, LIEGNITZ und SCHWEIDNITZ, der
der Goldschmiede-Werkgenossenschaft BERLIN (E.G.m.b.H.),
GÖRLITZ u. STETTIN und derVereine der Juweliere, Gold-u.
und WESTFALEN, KÖLN, MÜNCHEN, WIESBADEN,
—
• HERID. SCHLAG DACHE.,
Inhaltsverzeichnis u. Bezugsbedingungen
befinden sich am Schlüsse des redakt. Teiles.
Ur. 3. LEIPZIG,
12. Januar 1907.
28.
Jahrgang
:: :: Erscheint jeden Sonnabend
in zwei sich abwechselnden Ausgaben.
Suweliere, Gold-und Silberschmiede,
CHEMNITZ, GERA-ALTENBURG, GLEIWITZ, GLOGAU,
Innung pfälz.Gold- u. Silberarbeiter (Sitz: NEUSTADT a.H.),
der Freien Vereinigungen der Gold- und Silberschmiede zu
Silberschmiede von BADEN, WÜRTTEMBERG, RHEINLAND
WÜRZBURG und des Regierungsbezirks FRANKFURT a. O.
LEIPZIG, Reichssfrassß 18-20
Nachdruck aller Artikel ohne Genehmigung der Redaktion ist verboten.
Die Konkurrenten des Kleingewerbes.
Die bevorstehenden Reichstagswahlen sollten innerster
Linie die Angehörigen des Mittelstandes, deren grösste
Gruppe wohl die Kleingewerbetreibenden sind, zu einem
einigen Handeln bestimmen. Man sollte wohl meinen, dass
sie durch die ihre Interessen in so gefährlicher Weise be-
stürmenden und bedrohenden schreienden Missstände in
Handel und Wandel endlich aus ihrem lethargischen Schlafe
aufgerüttelt werden würden und zu der Einsicht kommen
sollten, dass nur ein enger Anschluss und ein einiges Vor-
gehen sie vor einem wirtschaftlichen Ruin bewahren kann.
Leider fehlt es aber gerade in den bürgerlichen Parteien noch
recht sehr an jener politischen Weitsicht, und an jenem
Solidaritätsgefühl, was den breiten Schichten des Prole-
tariats eigen ist und das die unzähligen Bataillone der
Sozialdemokratie aus dem Boden wachsen lässt.
Die Zeit ist für die Kleingewerbetreibenden und nicht
zuletzt auch für die Angehörigen der Goldschmiedekunst
bitter ernst und ein Blick auf das Heer mächtiger und
schädlicher Konkurrenten müsste ein feuriges Menetekel
hervorzaubern, dessen eindringliche Mahnung allen Partei-
dünkel und alle Indolenz verdunkelte. Zu diesem Zwecke
ist es gewiss angebracht, wenn wir auszugsweise den Inhalt
eines Hochschulvortrages wiedergeben, den kürzlich der
Leipziger Universitäts-Professor Dr. W. Stieda über die
Konkurrenten des Kleingewerbes gehalten und damit eine
brennende Tagesfrage in einen leider zu engen Kreis
getragen hat, die nicht laut genug jedem einzelnen An-
gehörigen auch unseres Goldschmiedehandwerks in die
Ohren geschrieben werden kann. Der Vortragende wandte zu-
nächst seine Aufmerksamkeit dem Hausierunwesen zu und be-
leuchtete deren volkswirtschaftliche Bedeutungim allgemeinen.
„Um den wahren Wert der gegen ihre Waren, die Art und
Weise ihres Vertriebs oder ihre Person selbst gerichteten
Beschwerden zu erkennen, ist es nötig, sie in mehrere Gruppen
einzuteilen. Was zunächst diejenigen betreffe, die Leistungen
anbieten oder eigene Erzeugnisse verkaufen, so lasse sich
gegen sie ebensowenig wie gegen die wandernden Hand-
werker kaum Bedenken erheben. Schwerer zu nehmen
sei schon die zweite Gruppe, die sich wegen ungünstiger
Erwerbsverhältnisse in der Heimat dem Hausieren zuwenden
und die heterogensten Elemente in sich berge. Das Hausieren
sei ihnen Lebensbedingung. Sie zeigen die charakteri-
stischen Merkmale des Handels überhaupt, bei ihnen treffe
man sowohl den soliden Kaufmann mit nahezu ständiger
Kundschaft, wie den verschmitzten Händler. So seien hier
Nachteile für das Publikum wie die stehende Konkurrenz
möglich. Noch viel weniger erfreulich sei die dritte Gruppe:
körperlich Gebrechliche oder verkommene Existenzen, die
das Hausieren nur als Mittel zum Betteln benutzen. Sie
erfüllen keine volkswirtschaftlichen Aufgaben. Leider ziehe
das Gesetz ihnen gegenüber nur unvollkommene Grenzen.
Es wäre richtiger, wenn die Behörden diesen Leuten gegen-
über in der Ausstellung von Hausierscheinen mehr Vorsicht
walten liessen und sie lieber der Armenfürsorge überweisen
würden“. Man darf aber vor allen Dingen eine nicht
erwähnte weitere und ganz besonders für unsere Branche
in Frage kommende Gruppe von Hausierern nicht vergessen:
die gegen den § 56 der Reichs-Gewerbe-Ordnung ver-
stossenden Hausierer z. B. mit Goldwaren, Schmucksachen
und Uhren, die den ständigen Gewerbebetrieben schweren
Schaden zufügen und auch das Publikum häufig genug
empfindlich brandschatzen. Auch des Handels mit Schmuck-
sachen auf Messen und Märkten wäre hier zu gedenken,
indem dieser nicht viel mehr als ein leider noch erlaubter
Verstoss gegen den genannten Paragraphen der Gewerbe-
ordnung ist. Eine Eingabe gegen diesen offenbar sehr
schädlichen Übelstand liegt dem Reichstag vor und hängt
es auch hierbei von der Wahl der richtigen Männer ab, um
unseren Wünschen im hohen Hause Geltung zu verschaffen.
Sehr ausführlich behandelte sodann der Vortragende
die für unsere Branche kaum in Frage kommende Kon-
kurrenz der Konsumvereine. „Angesichts ihrer grossen Zahl
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Amtliches Organ des Verbandes Deutscher
der Goldschmiede-Innungen zu BERLIN, BRAUNSCHWEIG,
KOLBERG, LEIPZIG, LIEGNITZ und SCHWEIDNITZ, der
der Goldschmiede-Werkgenossenschaft BERLIN (E.G.m.b.H.),
GÖRLITZ u. STETTIN und derVereine der Juweliere, Gold-u.
und WESTFALEN, KÖLN, MÜNCHEN, WIESBADEN,
—
• HERID. SCHLAG DACHE.,
Inhaltsverzeichnis u. Bezugsbedingungen
befinden sich am Schlüsse des redakt. Teiles.
Ur. 3. LEIPZIG,
12. Januar 1907.
28.
Jahrgang
:: :: Erscheint jeden Sonnabend
in zwei sich abwechselnden Ausgaben.
Suweliere, Gold-und Silberschmiede,
CHEMNITZ, GERA-ALTENBURG, GLEIWITZ, GLOGAU,
Innung pfälz.Gold- u. Silberarbeiter (Sitz: NEUSTADT a.H.),
der Freien Vereinigungen der Gold- und Silberschmiede zu
Silberschmiede von BADEN, WÜRTTEMBERG, RHEINLAND
WÜRZBURG und des Regierungsbezirks FRANKFURT a. O.
LEIPZIG, Reichssfrassß 18-20
Nachdruck aller Artikel ohne Genehmigung der Redaktion ist verboten.
Die Konkurrenten des Kleingewerbes.
Die bevorstehenden Reichstagswahlen sollten innerster
Linie die Angehörigen des Mittelstandes, deren grösste
Gruppe wohl die Kleingewerbetreibenden sind, zu einem
einigen Handeln bestimmen. Man sollte wohl meinen, dass
sie durch die ihre Interessen in so gefährlicher Weise be-
stürmenden und bedrohenden schreienden Missstände in
Handel und Wandel endlich aus ihrem lethargischen Schlafe
aufgerüttelt werden würden und zu der Einsicht kommen
sollten, dass nur ein enger Anschluss und ein einiges Vor-
gehen sie vor einem wirtschaftlichen Ruin bewahren kann.
Leider fehlt es aber gerade in den bürgerlichen Parteien noch
recht sehr an jener politischen Weitsicht, und an jenem
Solidaritätsgefühl, was den breiten Schichten des Prole-
tariats eigen ist und das die unzähligen Bataillone der
Sozialdemokratie aus dem Boden wachsen lässt.
Die Zeit ist für die Kleingewerbetreibenden und nicht
zuletzt auch für die Angehörigen der Goldschmiedekunst
bitter ernst und ein Blick auf das Heer mächtiger und
schädlicher Konkurrenten müsste ein feuriges Menetekel
hervorzaubern, dessen eindringliche Mahnung allen Partei-
dünkel und alle Indolenz verdunkelte. Zu diesem Zwecke
ist es gewiss angebracht, wenn wir auszugsweise den Inhalt
eines Hochschulvortrages wiedergeben, den kürzlich der
Leipziger Universitäts-Professor Dr. W. Stieda über die
Konkurrenten des Kleingewerbes gehalten und damit eine
brennende Tagesfrage in einen leider zu engen Kreis
getragen hat, die nicht laut genug jedem einzelnen An-
gehörigen auch unseres Goldschmiedehandwerks in die
Ohren geschrieben werden kann. Der Vortragende wandte zu-
nächst seine Aufmerksamkeit dem Hausierunwesen zu und be-
leuchtete deren volkswirtschaftliche Bedeutungim allgemeinen.
„Um den wahren Wert der gegen ihre Waren, die Art und
Weise ihres Vertriebs oder ihre Person selbst gerichteten
Beschwerden zu erkennen, ist es nötig, sie in mehrere Gruppen
einzuteilen. Was zunächst diejenigen betreffe, die Leistungen
anbieten oder eigene Erzeugnisse verkaufen, so lasse sich
gegen sie ebensowenig wie gegen die wandernden Hand-
werker kaum Bedenken erheben. Schwerer zu nehmen
sei schon die zweite Gruppe, die sich wegen ungünstiger
Erwerbsverhältnisse in der Heimat dem Hausieren zuwenden
und die heterogensten Elemente in sich berge. Das Hausieren
sei ihnen Lebensbedingung. Sie zeigen die charakteri-
stischen Merkmale des Handels überhaupt, bei ihnen treffe
man sowohl den soliden Kaufmann mit nahezu ständiger
Kundschaft, wie den verschmitzten Händler. So seien hier
Nachteile für das Publikum wie die stehende Konkurrenz
möglich. Noch viel weniger erfreulich sei die dritte Gruppe:
körperlich Gebrechliche oder verkommene Existenzen, die
das Hausieren nur als Mittel zum Betteln benutzen. Sie
erfüllen keine volkswirtschaftlichen Aufgaben. Leider ziehe
das Gesetz ihnen gegenüber nur unvollkommene Grenzen.
Es wäre richtiger, wenn die Behörden diesen Leuten gegen-
über in der Ausstellung von Hausierscheinen mehr Vorsicht
walten liessen und sie lieber der Armenfürsorge überweisen
würden“. Man darf aber vor allen Dingen eine nicht
erwähnte weitere und ganz besonders für unsere Branche
in Frage kommende Gruppe von Hausierern nicht vergessen:
die gegen den § 56 der Reichs-Gewerbe-Ordnung ver-
stossenden Hausierer z. B. mit Goldwaren, Schmucksachen
und Uhren, die den ständigen Gewerbebetrieben schweren
Schaden zufügen und auch das Publikum häufig genug
empfindlich brandschatzen. Auch des Handels mit Schmuck-
sachen auf Messen und Märkten wäre hier zu gedenken,
indem dieser nicht viel mehr als ein leider noch erlaubter
Verstoss gegen den genannten Paragraphen der Gewerbe-
ordnung ist. Eine Eingabe gegen diesen offenbar sehr
schädlichen Übelstand liegt dem Reichstag vor und hängt
es auch hierbei von der Wahl der richtigen Männer ab, um
unseren Wünschen im hohen Hause Geltung zu verschaffen.
Sehr ausführlich behandelte sodann der Vortragende
die für unsere Branche kaum in Frage kommende Kon-
kurrenz der Konsumvereine. „Angesichts ihrer grossen Zahl
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