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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 28.1907

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Nr. 31
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Der Düsseldorfer Kunstgewerbe-Kongress
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Aus der Werkstatt
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https://doi.org/10.11588/diglit.55853#0276

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|[Q)|- ■ =|| | JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST. |~ ||=- ■ |[Q]j

schieden es sein mag, hat sich doch zu weit entwickelt, als dass
man die Spur von seinen Erdentagen nicht in dem Stil kommender
Generationen müsste feststellen können. Aber die Schönheit
der Werke unserer Väter wird dagegen kaum verblassen, und
auch seine Formen und Motive werden nicht plötzlich ver-
schwinden, auch sie werden weiter leben und sich weiter ent-
wickeln im Stil der Zukunft.
Was wir der Zukunft wünschen wollen, ist eine Schar von
Künstlern, welche, mehr selbstlos, ihre Person der Sache opfern,
welche aufgehen in dem gemeinsamen Streben ihrer Zeit, denen
die Kunst selbst, nicht ihre Person die Hauptsache ist, und
die sich einig sind in begeistertem Streben, die Schönheit überall
ins Leben zu tragen. Sie werden dann auch zu einer einheit-
lichen Formensprache kommen, in der sich die schönsten Motive
der Besten der Gegenwart und der Vergangenheit entwickeln und
in der dennoch die Persönlichkeit des Künstlers zum Ausdruck
kommen kann. Schliesslich handelt es sich in letzter Potenz ja
nicht nur um die Formensprache selbst, sondern um das, was
damit zum Ausdruck gebracht werden soll.
Diesem mit grossem Beifall aufgenommenen Vortrage folgte
ein weiterer des Herrn W. ATmöeZ-Berlin über den Einfluss
der modernen Raumkünstler auf die künstlerischen und wirt-
schaftlichen Interessen im Kunstgewerbe. Der Redner bewies
an der Hand der Kunstgeschichte, dass in den Blütezeiten der
Kunst der Künstler fast stets aus dem Handwerk hervorgegangen
und der Verfall von Kunst und Handwerk mit deren Trennung
ursächlich Zusammenhänge. Dem Niedergang des Kunsthand-
werkes durch Gründung von Schulen abhelfen zu wollen, sei ein
verfehlter Gedanke gewesen. Die für den Beruf nötige Praxis
könne die Schule niemals lehren. Das Charakteristikum der
Führer unserer „Moderne“ sei, dass keiner darunter zu finden
ist, der ein Handwerk erlernt habe. Maler und Bildhauer, die
im Handwerk jene Lorbeeren suchen, die ihnen in ihrer Kunst
versagt bleiben, Philologen und Juristen als Museums- und Schul-
direktoren, das sind die Leute, die sich berufen fühlen, unserem
Kunsthandwerk einen neuen Stil aufzudrängen. Die von diesen
Leuten in sogenannten Fachzeitschriften aufgetischten Phrasen
und Entstellungen reichten für sämtliche Negerstämme Afrikas aus.
Dass den Lehrern an den neu gegründeten Kunstgewerbe-
schulen und Lehrwerkstätten eine soziale Stellung bereitet wurde,
die ihnen bei selbst weit geringerer Tüchtigkeit dem ausübenden
Handwerksmeister gegenüber den Vorsprung sichern musste, sei
nur nebenbei erwähnt. Die Ministerien waren mit dem Titel
„Professor“ recht freigebig. Die Herren Professoren erhielten
und erhalten noch die weitgehendste moralische und materielle
Förderung, und unsere Ministerien tun auf diesem Gebiete alles,
versäumen nichts, um dem im Leben stehenden, um seine Existenz
kämpfenden Meister die Existenz so schwer als irgend möglich
zu machen. Der Meister hat Steuern zu zahlen, Abgaben an die
Genossenschaften und für die Versicherungen, hat die natürlichen
Auslagen für Miete, Inventar usw. zu tragen und zu verzinsen,
ist also bei der Uebernahme von Aufträgen dem Leiter einer
Lehrwerkstätte auch wirtschaftlich unterlegen, der dasselbe Recht
hat, Aufträge gegen Bezahlung anzunehmen, von allen diesen
Abgaben aber vollkommen befreit ist.
Auch die Ausstellungen seien ein Uebel und fressender Schaden,
den unsere Schulpolitik auf dem Gewissen habe. So sei z. B.
die vorjährige Dresdner Ausstellung ein wirtschaftlich grosser
Misserfolg gewesen, der auf die hierbei zutage getretene
dilettantische Kurzsichtigkeit zurück zu führen sei.
Der Redner streifte dann die Schädlichkeit des Submissions-
wesens und stellte dieses als ein von bureaukratischer Seite er-
dachtes Kampfesmittel des grossen Kapitals gegen das kleine
hin. Dieses direkt verwerfliche System schliesse es beinahe mit
Sicherheit aus, dass der Tüchtigste die Arbeit heimtrage.
Die von dem Redner eingebrachte Resolution wurde einstimmig
angenommen und lautete:
„Der Fachverband für die wirtschaftlichen Interessen des

Kunstgewerbes wird beauftragt, bei Sr. Exzell. den Herrn Minister
für Handel und Gewerbe - event. auch bei dem Herrn Kultus-
minister — dahin vorstellig zu werden, dass handwerkliche und
industrielle Fragen mehr von praktischen Gesichtspunkten aus
und von im Leben stehenden Geschäftsleuten geprüft werden.
Erheblich wichtiger als die Behandlung von kunsttheoretischen
Fragen ist die Frage, wie unsere Werkstätten und Betriebe wirt-
schaftlich besser gestellt werden können.
Es handelt sich nicht darum für ein hohes Ministerium, zu
entscheiden, ob „modern“ oder „Tradition“, sondern darum, dass
unseren Gewerben die Bahn zur Gesundung freigegeben wird,
die aus ihnen heraus sich vollziehen muss.
Vor allen Dingen bitten wir auch bei den Veranstaltungen
von Ausstellungen, die nach den gemachten Erfahrungen tunlichst
beschränkt werden sollten, Männer der Praxis zu befragen.“
Ein vierter Punkt der Tagesordnung: „Eindämmung des un-
lauteren Wettbewerbs im Kunstgewerbe“, referiert durch Herrn
Sc/zumac/zer-Osterode, beschäftigte sich mit dem neuen Gesetze
zum Schutze der bildenden Kunst und der geschehenen Gründung
eines Schiedsgerichtes.
Da wir uns erst kürzlich mit diesem Gesetz beschäftigt haben
und uns der übrige Vortrag bereits bekannt war, unterlassen wir
ein näheres Eingehen auf denselben, der im übrigen gewiss hoch-
interessant war und verdienten Beifall fand.
Ein weiterer Vortrag über das Sachverständigenwesen des
Herrn Collin zeitigte nachstehende, einstimmig angenommene
Resolution, die dem Herrn Justizminister unterbreitet werden
soll. Den Vortrag selbst bringen wir in einer der nächsten
Nummern zum Abdruck. Die Resolution lautet:
1. Zu Sachverständigen sind aus jedem Berufe nur die her-
vorragendsten und tüchtigsten Fachmänner zu erwählen.
2. Die Honorierung der Sachverständigen wird mit 5 Mark
die Stunde als angemessen und in Anbetracht des Umstandes,
dass es sich um ein Ehrenamt handelt, bezeichnet.
3. Unseren Richtern ist nahezulegen, den Sachverständigen
vor gewissen Angriffen seitens der Rechtsanwälte energischer in
Schutz zu nehmen.
4. Sollte tatsächlich eine Bestimmung bestehen, die die Verpflich-
tung der Sachverständigen-Gebühr aufhebt, wenn die Gerichtsakten
des betreffenden Falles abgeschlossen sind, so ist dieseBestimmung
dahin zu ändern, dass dem Sachverständigen, bevor die Akten ab-
geschlossen werden, hiervon Mitteilung gemacht werden muss.
Die nachträglich auf die Tagesordnung gesetzte Behandlung
des „Fall Muthesius“ wurde durch ein Referat des Herrn Friedrichsen
eingeleitet und führte zu einer teilweise sehr erregten Aussprache
zwischen den Gegnern und den Freunden des Herrn Geheimrat
Dr. Muthesius, der bekanntlich in einem Vortrage eine Fülle der
heftigsten Beleidigungen und Verunglimpfungen über die Träger des
deutschen Kunstgewerbes ergossen hatte. Redner schilderte den Ver-
lauf der von dem Fachverbande dagegen unternommenen Schritte, die
die Versammlung in ihrer Majorität nach längerer Debatte guthiess.
Herr Paul Beumers-Düsseldorf hielt hierzu ein Korreferat,
das beifällig aufgenommen wurde. Herr Hofrat Bruckmann-WCd-
bronn sprach als eingeladenes Nichtmitglied des Verbandes und
suchte die Person des Herrn Dr. Muthesius, sowie die Motive
seiner Auslassungen zu rechtfertigen. Einige weitere Freunde
des in Rede stehenden Geheimrates schlossen sich ihm an, ohne
indes Zustimmung zu erlangen.
Alles in Allein war der gesamte Kongress ein wirkungsvoller
Protest der in dem letzten Jahrzehnt von der künstlerischen
Theorie überwucherten produktiven Praxis des deutschen Kunst-
gewerbes. Er zeigt leider eine wenig entgegenkommende Schroff-
heit auf beiden Seiten, aber auch auf Seiten der Kunstgewerbe-
treibenden eine Bitterkeit, deren Berechtigung man nicht von der
Hand weisen kann, wenn sie vielleicht auch in der Verurteilung
des Schulwesens zu weit geht und das Kind mit dem Bade aus-
schüttet. Wir werden uns demnächst noch einmal mit diesem
Thema näher beschäftigen.

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