Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 28.1907

DOI Heft:
Nr. 51
DOI Artikel:
Wohin kann die gegenwärtige "Geldknappheit" führen?
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55853#0413

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
Journal der Goldschmiedekunst

LEIPZIG, Reichssfrasse 18-20

fir. 51

14. Dezember“l907.

0/^

Inhaltsverzeichnis u. Bezugsbedingungen
befinden sich am Schlüsse des redakt. Teiles.

Suweliere, Gold* und Silberschmiede,
CHEMNITZ, GERA-ALTENBURG, GLEIWITZ, GLOGAU,
Innung pfälz.Gold- u. Silberarbeiter (Sitz: NEUSTADT a.H.),
der Freien Vereinigungen der Gold- und Silberschmiede zu
Silberschmiede von BADEN, WÜRTTEMBERG, RHEINLAND
WÜRZBURG und des Regierungsbezirks FRANKFURT a. O.

28.
Jahrgang,

:: :: Erscheint jeden Sonnabend :: ::
in zwei sich abwechselnden Ausgaben.

Amtliches Organ des Verbandes Deutscher
der Goldschmiede-Innungen zu BERLIN, BRAUNSCHWEIG,
KOLBERG, LEIPZIG, LIEGNITZ und SCHWEIDNITZ, der
der Goldschmiede-Werkgenossenschaft BERLIN (E. G. m. b.H.),
GÖRLITZ u. STETTIN und der Vereine der Juweliere, Gold-u.
und WESTFALEN, KÖLN, MÜNCHEN, WIESBADEN,
HERID. SCHLAG HACH?.,




Nachdruck aller Artikel ohne Genehmigung der Redaktion ist verboten.

Wohin kann die gegenwärtige „Geldknappheit“ führen?

Der beispiellos hohe Diskont der Reichsbank und die
allgemeine Geldknappheit hat besonders in den Kreisen
der Industriellen des Edelmetallgewerbes vielfach recht
bedrückte Gemüter geschaffen. Es ist keine kleine Ge-
meinde, die in den aufgeführten Erscheinungen die Sturm-
zeichen einer bevorstehenden wirtschaftlichen Katastrophe
erblickt und infolgedessen unruhig und nervös wird. Da
man überhaupt im allgemeinen die Geldknappheit und die
aussergewöhnliche Spannung auf dem Geldmärkte recht
verschieden und oft falsch beurteilt, ist es wohl angebracht,
dass wir einmal ihren Ursachen und Folgen nachspüren.
Wenn der Ausdruck „das Geld ist teuer“ gebraucht
wird, so hat man darunter zu verstehen, dass infolge einer
Wandlung des wirtschaftlichen Lebens der Zins für ge-
liehenes Geld in die Höhe geschnellt ist. Dadurch wird
die Beschaffung des Geldes erschwert, besonders dann,
wenn die Knappheit ihren Grund darin hat, dass dieses im
Auslande festgelegt ist und die Heranziehung vorsichtiger
und kleinerer Kapitalisten nur durch Gewährung eines
grösseren Nutzens, der in Form von Zinsen zum Ausdruck
gelangt, ermöglicht werden kann.
Im Sinne der schwärzesten Auffassung kann nun aller-
dings die Schwierigkeit der Geldbeschaffung und die Höhe
des Zinsfusses auf die wirtschaftliche Bewegung hemmend
wirken; sie kann zu einer Einschränkung der Produktion,
zu einer Herabminderung der Leistungsfähigkeit führen und
so einerseits die Unternehmungen schädigen, durch die
daraus resultierende teilweise Arbeitslosigkeit und ver-
mehrtes Arbeitsangebot aber auch die Löhne herabdrücken.
Während sie einzelnen, gut fundierten Unternehmungen in
solchen Zeiten das Heft in die Hand drückt, kann sie
weniger kapitalkräftigen Firmen die grössten Schwierig-
keiten bereiten, ja sie sogar dem Zusammenbruch zu-
treiben. Im ungünstigsten Falle ist sogar eine soziale und
politische Krise nicht ausgeschlossen, und heute schon ist
manch ein Schwarzseher aufgestanden, der uns als Folgen

der Situation den Untergang unserer bürgerlichen Gesell-
schaft prophezeite.
Aber diese pessimistische Auffassung der gegenwärtigen
Situation ist denn doch zum Glück eine irrige und ist so-
gar die Möglichkeit nicht ausgeschlossen, dass sie eine
den tatsächlichen Aussichten diametral entgegengesetzte
ist. Es ist nämlich einmal zur Evidenz durch die Erfahrung
erwiesen, dass in Zeiten aussergewöhnlich teueren Geldes
nicht nur der Gläubiger einen Vorteil von der Situation
haben kann, sondern auch der Schuldner vollauf seine
Rechnung finden kann, wenn die Erfolge der wirtschaft-
lichen Tätigkeit in einem entsprechenden Masse empor-
schnellen.
Ferner kann aber eine Geldteuerung auch das Zeichen
beginnender Entwicklung gesunder Verhältnisse sein, bei
der nur einzelne Berufsgruppen oder Unternehmer vorüber-
gehende Hemmungen ihrer wirtschaftlichen Tätigkeit er-
fahren, die aber bei zielbewusster Ausdauer überwunden
werden können. Dann kann die Geldknappheit für die
wirtschaftliche Tätigkeit sowohl zu einem belebenden
Sporn, als auch zu einer heilsamen Bremse werden, die,
beide zur richtigen Zeit an der richtigen Stelle angewandt,
ans Ziel führen werden. Ruhe und Sicherheit müssen aber
die leitenden Faktoren sein.
Man hat kürzlich einmal treffend die gegenwärtige
Spannung auf dem Geldmärkte mit einem Automobil ver-
glichen, das auf abschüssiger Bahn dahinsaust und dessen
Schicksal von der Handhabung der Bremse abhängt. In
sicherer Hand wird die Bremse auf geradem Wege zum
Ziele führen, wogegen aber ein einziges nervöses Zucken
eine verhängnisvolle Katastrophe herbeiführen kann.
Die jüngste Zeit hatte uns eine ungewöhnlich starke
Inanspruchnahme des flüssigen Kapitals, und zwar durch
eine Steigerung der wirtschaftlichen Tätigkeit auf der
ganzen Erde gebracht. Diese hat uns gezeigt, dass eine
starke Bewegung des flüssigen Kapitals selbst für die, die

379
 
Annotationen