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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 28.1907

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Neubert, Robert: Das Zeichnen und Modellieren des Graveurs im allgemeinen
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https://doi.org/10.11588/diglit.55853#0019

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JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST.



Das Zeichnen und
Modellieren des Graveurs
im allgemeinen.
Von Robert Neubert - Dresden.


Wer den Beruf eines Graveurs ergreift, wird sich
darüber klar sein müssen, ob er Lust und Liebe zu diesem
Berufe hat, ob er zu diesem Berufe auch entsprechend
gute Augen besitzt. Nicht allein Geduld, Ausdauer, Ruhe,
Sicherheit, Leichtigkeit der Hand und ein gutes Werkzeug
sind erforderlich, sondern auch die Fähigkeit, die Zeichnung
für die Gravierung zu entwerfen, oder doch wenigstens
nach einer gegebenen Zeichnung dieselbe event. grösser
oder kleiner zu zeichnen. Kann der Graveur die Zeichnung
nicht selbst ausführen resp. verändern, besitzt er kein
Talent zum Zeichnen, so wird er auch selten im Stande
sein, in künstlerischer Beziehung die Gravur so vollendet
auszuführen, wie dieselbe der Zeichner entworfen und
sich gedacht hat. Es wird dem Betreffenden sehr schwer
fallen, Stilreinheit und Charakter zu wahren, soll die Arbeit
nicht gequält und stümperhaft erscheinen. Einem guten
Zeichner wird es ein leichtes sein, die verschiedensten
Stilarten, als antik, romanisch, gotisch, Renaissance,
Barock, Rokoko, Empire und Modern zu unterscheiden
und auch beim Gravieren darnach zu behandeln und zu
charakterisieren. Es empfiehlt sich deshalb für jeden
Graveur, welcher sein Brot ausschliesslich als Graveur
verdienen will, sich ernstlich mit dem Zeichnen zu befassen
und seine freie Zeit auf dessen Studium zu verwenden.
Die Technik des Zeichnens passt sich der betreffenden
Branche in unserem Berufe an. Für die Flachstichgraveure
ist das Zeichnen in Linien und Strichmanier zu empfehlen,
während die Tief- oder Reliefgraveure mehr das Zeichnen
einer kräftigen Licht- und Schattenwirkung pflegen sollen,

um recht plastische Effekte zu erzielen, damit man aus
der Zeichnung förmlich das Modell herauswachsen sieht,
um darnach arbeiten oder es der Kundschaft schon auf
dem Papier veranschaulichen zu können. Je nach der
Berufsarbeit oder Spezialbranche des betreffenden Graveurs
soll sich die Art des Zeichnens richten. Zu empfehlen
ist a) das geometrische oder Zirkelzeichnen, b) das
Pflanzenzeichnen, c) das Ornamentzeichnen, d) das
Figurenzeichnen. Den beiden letzten Gattungen wäre
noch für den Graveur das heraldische Zeichnen anzu-
schliessen. Um stufenweise im Zeichnen vorwärts zu gehen,
ist es ratsam, als Anfänger nach guten Vorlagen zu
skizzieren und zu arbeiten, 1. Ornament, 2. Pflanzen,
Landschaft, 3. Figuren. Hat man einige Fertigkeit darin
erlangt, so beginnt das Zeichnen nach „Gipsmodellen“,
um namentlich das Auge darin zu üben, Licht und Schatten
richtig anzulegen, damit die Zeichnung dann gleichsam
dieses Modell sich vom Papier plastisch scheinend abhebt.
Die nächste Stufe ist das Zeichnen nach der Natur und
das Aktzeichnen. Hier gilt es, richtig sehen, richtig er-
fassen, perspektivisch und charakteristisch alles so wieder-
geben, wie es die Natur geschaffen hat. Vor allen Dingen
sind aber speziell bei Tieren und Menschen die Grössen-
verhältnisse zu berücksichtigen, damit es ein harmonisches
Ganzes bildet. Wie in der Musik jeder Misston ein
Tongemälde stört, so wirkt auch beim Zeichnen nach der
Natur jeder falsche Strich oder falsche Ton der Farbe
störend. Für den Graveur hat es mehr wert, wenn der-
selbe in Strichmanier oder Kreide schattiert, als dass er

EMAILMALEREIEN von CARL VIEWEG in PFORZHEIM.


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