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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 28.1907

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Neubert, Robert: Das Zeichnen und Modellieren des Graveurs im allgemeinen
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https://doi.org/10.11588/diglit.55853#0020

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JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST.

die Zeichnung durch allerhand bunte Effekte mit Pinsel
und Farbe hervortreten lässt. Für den Graveur ist eine
richtige Kontur, eine richtige Schattenlinie weit wichtiger.
Für die Tief- und Reliefgraveure ist neben dem Zeichnen
das Modellieren, von grosser Wichtigkeit. Der Relief-
graveur ist gleichsam Modelleur oder Bildhauer, er
modelliert vertieft (Negativ) in Stahl oder Bronce usw.,
oder erhaben in alle Metalle beliebige Zeichnungen mit
dem Stichel, Meissel, Hammer und Punzen. Selten fertigt
er sich erst ein Modell in Wachs oder Ton an, sondern
die meisten Reliefs werden gleich direkt nach selbst
entworfener oder gegebener Zeichnung ins Metall ausge-
führt. Für einen Graveur ist demnach das Zeichnen und
Modellieren von grosser Bedeutung und nur wenige
besitzen die Gabe, neues zu entwerfen und sich der
jeweiligen Mode und Richtung sofort mit Erfolg anzu-
passen. Im Durchschnitt kleben sie an alten über-
lieferten Formen in der Zeichnung, so z. B. bei dem Mono-
gramm, und gar mancher Graveur streubte sich, als ein
moderner Zug sich auch des Monogramms bemächtigte,
diesem zu folgen.
Darum soll der Graveur Auge und Hand üben durch
fleissiges Zeichnen und Modellieren, damit er auch künst-
lerischen Anforderungen genügen kann und eine seinen
künstlerischen Leistungen entsprechende Stellung im Leben
erringt. Allgemeine Forderungen wie 8 stündige Arbeitszeit,
hohe Löhne und dergleichen mehr, sollen wohl die allgemein
ungünstige Lage des Graveurs verbessern, vermögen aber
nicht, das Ansehen, das künstlerische Empfinden, die
Leistungen und die Entwickelung verborgener Talente zu
heben, vielmehr wird die Tüchtigkeit und Intelligenz des
Graveurs auf ein Niveau herabgedrückt, das dem eines
gewöhnlichen Arbeiters gleich ist. Er wird nur eben

nach der Schablone sein Pensum arbeiten, wie eine
Maschine, ohne Trieb, ohne Lust und Liebe. Durch eine
staffelförmige Lohnskala und Altersgrenze muss sich eine
tüchtige Kraft eben gefallen lassen, dass sein schwächerer
Kollege, welcher weniger leistet, dasselbe verdient; denn
die Hauptsache ist, dass jeder 8 Stunden gearbeitet hat.
Diese Methode ist geeignet, junge tüchtige und strebsame
Graveure im Bezug auf Fleiss und Entwickelung zu
hemmen, er möchte nicht besser, er möchte nicht mehr
liefern, als der sich weniger anstrengende schwächere
Graveur. Ich erwähne diesen wunden Punkt gerade beim
Titel Zeichnen und Modellieren, weil durch eine derartige
Methode die künstlerische Seite, Fleiss und Vorwärts-
streben, Talent lahm gelegt wird, indem alle, ob tüchtig
oder nicht, gleich bewertet werden. Das verträgt unser
Beruf nicht. Jeder nach seinem Können, Fleiss und Talent;
nur so wird der junge angehende Künstler, welcher nach
Vervollkommnung strebt, angefeuert werden, und das, was
er aus eigner Kräft gesät, ernten können.
Frei muss der Künstler arbeiten und sich entwickeln
können, ohne Bremsen und Vorschrift; die Zeit, der Lohn
soll dementsprechend auch so sein. Wer sich derartigen
Vereinbarungen unterwirft, bindet sich selbst die Hände.
Eine tüchtige Kraft hat dies nicht nötig, sie ist gesucht;
all der soziale Rummel hat nur Nutzen für den schwachen,
weniger leistungsfähigen Gehilfen. Und wie dankt der
schwächere Gehilfe dem tüchtigen Kollegen diesen Vorteil,
den er von der Lohnskala geniesst? Ich glaube, vorläufig
gar nicht, später aber, wenn beide sich etablieren werden,
wird der schwächere durch seine Schleuderarbeit und
Schleuderpreise den tüchtigen künstlerischen Graveur aus
dem Sattel zu heben versuchen, was leider auch teil-
weise erreicht wird.




SILBERNE Z1GARETTEN-ETUIS von RAUSCHER & Co., G. m. b. H, PFORZHEIM.

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