Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 28.1907

DOI Heft:
Nr. 7
DOI Artikel:
Das Edelmetallwaren-Gewerbe im In- und Ausland: Jahresbericht der Handelskammer Hanau
DOI Artikel:
Mann, Friedrich Wilhelm: Moderne englische Juwelen nach alten Vorbildern
DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.55853#0070

DWork-Logo
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
|[ö]|— - =|I | JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST. | ||—■ - ~|(Ql

Der Platinreichtum Russlands beginnt allem Anschein
nach nachzulassen, die besten Minen scheinen zum Teil,
wohl durch Raubbau, minderwertig geworden zu sein und
mussten schon einige Strecken in Bearbeitung genommen
werden, welche weniger ergiebig sind, so dass sich das
gewonnene Platin durch die höheren Arbeitslöhne auch
höher im Preis stellt.
Der Platin-Konsum war im vorletzten Jahre grösser
als in den Vorjahren, während die Produktion nicht erhöht
werden konnte, so dass schon Ende des vorigen Jahres
die Platinaffinerien gezwungen waren, ihre eigenen Bestände
stark heranzuziehen. Wir haben jetzt einen Preis von
etwa 5000 Mk. per Kilo; ob damit der Höhepunkt erreicht

ist, muss dahingestellt bleiben; jedenfalls ist vorläufig keine
Aussicht vorhanden, dass ein Rückschlag eintreten wird.
Trotz dieser, man darf wohl sagen ungesunden Ver-
hältnisse, welche den Platinmarkt beherrschen, ist ein
Rückgang im Konsum bislang nicht zu verspüren gewesen.
Zum Teil ist dies damit zu erklären, dass viele Industrie-
zweige vorläufig auf die Verwendung von Platin ange-
wiesen sind, einerlei was es kostet. Aber auch in der
Juwelierbranche, die uns hier am meisten interessiert, ist
der Konsum jedenfalls gegen das Vorjahr mit seinem
ausserordentlich starken Verbrauch nicht zurückgegangen.
Platin, insbesondere das Fassen von Diamanten in Platin,
ist Mode, der Preis ist in diesem Falle nicht entscheidend.

Moderne englische Juwelen nach alten Vorbildern.

—f. In englischen Kreisen der „upper ten“ und der-
jenigen Leute, die sich gern dazu rechnen, herrscht zur
Zeit die „Egyptian craze“, die egyptische Modekrankheit.
Es besteht kein Zweifel mehr darüber, dass sie wirklich
schon ausgebrochen ist, nur weiss man noch nicht, ob sie
epidemisch auftreten und alles anstecken wird, was Schmuck
ist oder heisst, oder irgendwie zusammenhängt. Aber es
scheint so, als handle es sich um den Ausbruch einer
allgemeinen „egyptischen“ Manie.
Wie das gekommen ist? Schwer zu sagen. Es scheint
in der Luft gelegen zu haben oder noch zu liegen. So
hat die Association of Diamond Merchants am Trafalgar
Square in London ein Armband hergestellt, das eine genaue
Kopie des ältesten bekannten Bracelett der Welt ist und
das man am Arme einer altegyptischen Königin gefunden
hat. Dies war die Königin Aah-Jotep, die ungefähr 1500
vor Christi Geburt gelebt hat und von der man vor Jahren
ein Diadem, eine viereckige, mit farbigen Steinen besetzte
Brosche, eine andere Brosche aus drei grossen goldenen
Bienen geformt, eine vorzüglich gearbeitete Kette von
drei Fuss Länge, sowie ein massives Armband gefunden
hat. Diese Gegenstände wurden 1862 in London aus-
gestellt und man erinnert sich jetzt plötzlich, dass sie
damals allgemeine Sensation hervorriefen. Eine andere
Firma scheint auf die englische Neigung zum Aberglauben
zu spekulieren, indem sie Amulette ebenfalls nach egyp-
tischer Art auf den Markt bringt. Das „ Ankh-Amulett“
ist ebenfalls egyptischen Ursprungs und hat die Form eines
Kreuzes, nur mit dem Unterschiede, dass es anstatt des
Kreuzkopfes oben mit einer Schleife abgeschlossen ist.
Die obere und untere Kante des Kreuz-Querbalkens ver-
laufen schräg oder konkav, nach innen gewölbt, und der
Kreuzstock verläuft nach unten ebenfalls schräg, das heisst
beiderseits etwas ausladend. Besetzt ist dieses Amulett
durchweg mit Steinen, und zwar werden dieselben vom
Querbalken an nach unten vom Kreuzstock immer grösser,
entsprechend der Ausladung, die ich schon erwähnte. Ausser-
dem gibt es in demselben Geschmack Armbänder, Krawatten-
nadeln, Manschettenverschlüsse, Pendants, Ohrgehänge.

Eine Neuheit ohne Vorbild aus alten Zeiten ist der
Füllfederhalter mit Juwelenkappe, aber trotzdem erinnert
sie uns an die Gebräuche und Sitten früherer Jahrhunderte,
wenn man hört, dass der Stein auf dem Halter nach dem
Monat der Geburt des Inhabers gewählt wird, in der
symbolischen Bedeutung, die man früher den Steinen mit
Bezug auf die Monate beilegte. Eine Paris-Londoner
Firma stellt Braceletts aus Altgolddraht zum Verkauf, die sich
unter dem fashionablen Spitzenärmel sehr gut ausnehmen.
Ferner Empire-Halsbänder antiker Dessins mit Diamanten-,
Perlen-, Saphir-, Amethyst- oder Smaragd-Drops. Weiter
sieht man zierliche „Juliet-Nadeln“ mit Perle und Amethyst,
ganz reizende Dinger zum Halten der Falten eines weichen
Spitzen-Fichu.
Es mag sein, dass die Kunstschätze im „Gold Room“
des Britischen Museums mit dieser etwas unvermittelt
auftretenden Vorliebe für alte Muster Zusammenhängen.
Vielleicht ist sie auch als Reaktion gegenüber dem neu-
zeitlichen Geschmack anzusehen, was meines Erachtens zu
bedauern sein würde, denn mir gefällt das Merkmal unserer
heutigen Kunstauffassung, die einfache edle Linienführung,
befreit von Schnörkeln aller Art, bedeutend besser. Aber
über den Geschmack lässt sich bekanntlich nicht streiten.
Gewinnt der Hang an Altertümlichem in England an Boden,
so dürfte es aber an der Zeit sein, dass dieser Neigung
seitens der deutschen Exporteure einige Beachtung geschenkt
wird, denn diese Neigung dürfte bald auf alle kunst-
gewerblichen Gegenstände übergreifen. In dem erwähnten
Goldzimmer des britischen Museums befindet sich eine
grosse Anzahl von Schmucksachen etruskischer Herkunft, wie
Kränze oder Blumengewinde, Broschen, Ohrringe, Ketten
und Diademe, die bei Ausgrabungen in Etrurien (Italien)
gefunden wurden. Die alten Etrusker waren Meister in
der Goldschmiedekunst. Ein lebender römischer Gold-
schmied namens Castellini, der sich durch seine Imitationen
etruskischer Arbeit einen Namen gemacht hat, soll den
Ausspruch getan haben, es sei unmöglich, hinter die Ar-
beitsmethoden der alten etruskischen Meister zu kommen.
Dies bezieht sich ganz besonders auf die wundervolle

56
 
Annotationen