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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 28.1907

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Nr. 7
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Vom Platin
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https://doi.org/10.11588/diglit.55853#0073

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JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST.

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Vom Platin.

Kein anderes Metall hat in verhältnismässig kurzer Zeit so
bedeutende Preissteigerungen erlebt, wie das Platin. Um das
Jahr 1840 bezahlte man für das Kilogramm auf dem Pariser Markte
etwa 450 Fes.; im Jahre 1875 stellte sich das Kilogramm auf
800 Fes.; im Jahre 1880 auf 1000 Fes. Zehn Jahre später bezahlte
man 2500 Fes. Die folgenden Jahre brachten vorübergehend
einen Preisrückgang, 1901 jedoch stieg das Platin bis zu 3100 Fes.
Im Jahre 1905 stellte es sich auf 4500 Fes., und die Durch-
schnittsnotierung des Pariser Marktes ergab zuletzt einen Preis
von 5500 Fes. Zur Zeit wird aller-
dings ein Rückgang im Preise
erwartet. Diese Steigerung er-
klärt sich aus der fortdauernd
zunehmenden Verwendung des
Platins zu den verschiedensten
industriellen, kunstgewerblichen
und technischen Zwecken. Die
Platinteuerung ist, nebenbei be-
merkt, Veranlassung geworden,
dass man sich in neuerer Zeit be-
müht, für verschiedene Verwen-
dungsarten das Platin durch das
Gold zu ersetzen, was für die
meisten Zwecke auch tatsächlich
durchführbar ist. Die grösste Auf-
merksamkeit hat man dem Platin
von jeher in Russland zugewendet,
denn kein anderes Land der Welt
erzeugt gleich grosse Mengen dieses
Metalles. Es ist daher natürlich,
dass auch die Verfahrensarten zur
Gewinnung in Russland am voll-
kommsten ausgebildet sind. Schon
der russische Chemiker Sobolews-
koy beschreibt um das Jahr 1840
eine für damalige Verhältnisse sehr
vollendete Methode der Platinge-
winnung. Danach wurde das rohe
Platinerz in sehr grossen Porzellan-
tiegeln, welche nach heutigem
Masse bis zu 20 Quadratzentimeter
Rauminhalt hatten, mit Königs-
wasser im Sandbade erwärmt. Das
Königswasser bestand aus 1 Teil
Salpetersäure von 40° B. und aus
3 Teilen Salzsäure von 25° B. Das Sandbad, welches benutzt
wurde, hatte einen gewaltigen Umfang und nahm ungefähr
30 Porzellantiegel auf. Bei der Erhitzung begannen sich
starke rote Dämpfe zu entwickeln, die ungefähr 7—10 Stunden
andauerten. Sodann wurde die Auflösung von dem Rückstände
im Glasbehälter abgegossen, wonach man das Platin durch
Salmiak löste. Es ergab sich hieraus Ammonium-Platin-Chlorid
(Platinsalmiak), welches man andauernd auswusch. Die Aus-
waschwässer enthielten eine immerhin beträchtliche Menge des
kostbaren Metalles und mussten daher in umständlicher Weise
durch Eindampfen behandelt werden, um daraus unreines Platin
zu erhalten, welches bei der Verarbeitung einer andern Quantität
Platinerz diesem letzteren beigemengt wurde. Den Platinsalmiak
dagegen trocknete und glühte man in einer Platinschale, wobei
man den bekannten Platinschwamm erhält. Dieser wurde in
messingenen Mörsern zerrieben und das so erhaltene Pulver in
Zylindern mittels eines Stahlstempels zusammengedrückt, dann
das Platin in Porzellantiegeln gebrannt und endlich in Barren ge-
hämmert oder aber zu Blech gewalzt.
Nach einem andern Verfahren wird der Platinschwamm nicht

vorgeglüht, sondern einfach in Cylindern gepresst, weissglühend
gemacht und dann ohne weiteres zu Barren gehämmert.
Nach südamerikanischer Methode, welche noch heute hier und
da Anwendung findet, schmolz man den Platinschwamm mit einem
Drittteil seines Gewichtes Arsenik zusammen und vertrieb dann
letzteres durch Glühen an der Luft.
In der neueren Technik wendet man hauptsächlich das Ver-
fahren von Sainte-Claire Deville & Debrayan an, nach welchem es
möglich geworden ist, Schmelzplatin in grösseren Mengen herzu-
stellen. Es wird das Erz zunächst
hierbei ebenfalls mit Königswasser
behandelt und das Platin durch
Salmiak gefällt, worauf man den
Rückstand wäscht, trocknet und
glüht, um dann den Platinschwamm
einzuschmelzen. Man bedient sich
hierzu einer grossen Cupelle, wel-
che aus ungelöschtem Kalk zu-
sammengesetzt ist und deren Deckel
ebenfalls aus ungelöschtem Kalk
besteht. In diese Cupelle wird das
aus dem Platinschwamm gepresste
Metall in Scheiben eingeführt. In
seiner Mitte enthält der Schmelz-
ofen ein Knallgasgebläse, in wel-
chem Leuchtgas und Sauerstoff zur
Verbrennung gelangen. Bei der
Schmelzung übt der ungelöschte
Kalk nun eine sehr nützliche Wir-
kung auf das Platin aus, indem er
alle fremden Bestandteile aus dem-
selben entfernt, so dass das aus
dem Ofen in die Graphitbehälter
(Eingüsse) fliessende Metall durch-
aus rein ist, was bei dem auf frühere
Art hergestellten Platin nicht der
Fall war.
Das russische Platinerz unter-
scheidet sich in einigen Punkten
wesentlich von dem amerikanischen.
Letzteres enthält u. a. meistens
auch Osmium, während im russi-
schen Erz das Osmium gewöhnlich
in einer Verbindung mit Iridium,
vorkommt. Das russische Erz ist
reicher an Iridium, als das amerikanische. In einigen amerika-
nischen Platinerzen findet sich auch Mangan.
Der ehemals so niedrige Preis des Platins hat früher häufiger
dazu geführt, es zur Verfälschung von Gold zu verwenden, und
es liess sich diese Manipulation, sofern der Betrug nicht allzu
grob war, kaum bemerken und auch dann nur durch ein um-
ständliches Verfahren nachweisen.
Die Verwendung des Platins ist heute eine überaus vielseitige.
Besonders benutzt man es zur Anfertigung von chemischen und
technischen Apparaten, von Kesseln für die Schwefelsäure-
Fabrikation, von Probierblechen, Drähten, Kapseln, Röhren,
Retorten, Zangen, Löffeln für Laboratorien, sodann von Blitz-
ableiterspitzen, zur Herstellung galvanischer Elemente, Elektroden,
in der Porzellanmalerei, zur Anfertigung von Zahnfüllungen, zu
Gefässen für die Gold- und Silberscheidung. Neuerdings ver-
wenden es bekanntlich die Juweliere in grossem Massstabe zur
Fassung, namentlich von Brillanten, und die Uhrmacher zur Her-
stellung von Uhrteilen. Mit Iridium legiert, dient es zur Anfertigung
der internationalen Normalmassstäbe. So z. B. bestehen die
meisten Normalmetermassstäbe, welche von den Regierungen


Carl Volz f

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