Journol der Goldschmiedekunst
Dr. 23
I. Juni 1907.
Inhaltsverzeichnis u. Bezugsbedingungen
befinden sich am Schlüsse des redakt. Teiles.
28.
Jahrgang
Erscheint jeden Sonnabend
in zwei sich abwechselnden Ausgaben.
3uweliere, Gold- und Silberschmiede,
CHEMNITZ, GERA-ALTENBURG, GLEIWITZ, GLOGAU,
Innung pfälz.Gold- u. Silberarbeiter (Sitz: NEUSTADT a. H.),
der Freien Vereinigungen der Gold- und Silberschmiede zu
Silberschmiede von BADEN, WÜRTTEMBERG, RHEINLAND
WÜRZBURG und des Regierungsbezirks FRANKFURT a. O.
LEIPZIG, Reichsstrasse 18-20
Amtliches Organ des Verbandes Deutscher
der Goldschmiede-Innungen zu BERLIN, BRAUNSCHWEIG,
KOLBERG, LEIPZIG, LIEGN1TZ und SCHWEIDNITZ, der
der Goldschmiede-Werkgenossenschaft BERLIN (E. G. m. b.H.),
GÖRLITZ u. STETTIN und derVereine der Juweliere, Gold-u.
und WESTFALEN, KÖLN, MÜNCHEN, WIESBADEN,
HERIIL SCHLAG HACHE
Nachdruck aller Artikel ohne Genehmigung der Redaktion ist verboten.
Der Geheimschlüssel des Ladengoldschmiedes
im Verkehr mit seinen Angestellten.
Die stetig zunehmenden Diebstähle und Einbrüche
in Juwelier- und Uhrmacherläden haben das Allgemein-
interesse dem Kapitel der Schutzvorrichtungen zugewendet
und nachdem erst vor kurzem das „Journal der Gold-
schmiedekunst“ in Verbindung mit der „Deutschen Uhr-
macherzeitung“ einen bahnbrechenden Schritt durch
Eröffnung eines diesbezüglichen Wettbewerbes getan
hat, haben sich jetzt auch die Goldschmiede anderer
Länder der Sache angenommen und dürfte es nicht lange
mehr dauern, dass man die Erfolge dieser segensreichen
Tätigkeit beobachten kann.
Bis jetzt ist jedoch ein Gebiet immerhin äusser acht
gelassen worden, das aber gleichfalls mit in das Bereich
unserer Betrachtungen gezogen werden muss. Wenn
nämlich ein Käufer in den Laden tritt und innerhalb
des Ladens gehen aussergewöhnliche Dinge vor, dann
ist bis jetzt selten der Ladengoldschmied in der Lage,
seine Angestellten oder sonst eine Person von seinen
Beobachtungen unauffällig zu verständigen. Wenn z. B.
eine oder mehrere Personen in den Laden kommen in
der Absicht, darin sich Sachen zum Kauf vorlegen zu
lassen und lassen dabei mehrere Stücke plötzlich ver-
schwinden oder wenn gestohlene oder vermutlich von
einem Diebstahl herrührende Waren verkauft werden
sollen, oder z. B. wenn ein Schwindler kauft und will
sich die Sachen nachbringen lassen usw., in allen solchen
Fällen muss es dem Chef oder Angestellten ermöglicht
sein, in einer für den Dieb oder Schwindler unauffälligen
Weise Hilfspersonen verständigen, eventuell zur scharfen
Beobachtung veranlassen oder gar unbemerkt polizei-
liche Hilfe herbeirufen lassen zu können.
Wie nun diese Verständigung stattfindet, kann man
ja jedem einzelnen Ladengoldschmied überlassen; jeden-
falls ist dies aber ein Wink, der auch den „Verband Deut-
scher Juweliere, Gold- und Silberschmiede“ veranlassen
sollte, einmal die Sache zu erwägen. Auf alle Fälle
muss die gegenseitige Verständigung in die Form eines
sogenannten „Geheimschlüssels“ gekleidet werden. Wir
haben ja hierin schon genügend Schule gemacht durch
die Auszeichnung der Waren mittelst ebensolcher
Schlüsselworte. Ein Allgemeinschlüssel, über ganz Deutsch-
land verbreitet, würde ja wohl anfänglich sehr vorteil-
haft sein, beim Wechsel von Ladenangestellten wären
solche gleich wieder darin instruiert. Eine solche Ver-
allgemeinerung würde jedoch auch wieder viel leichter
die Gefahr bieten, dass Diebe oder Schwindler hinter
das Geheimnis des Schlüssels kommen und dessen
Wirkungen aus dem Wege gehen könnten; deshalb ist
es wohl besser, wenn jeder einzelne Goldschmied sich
sein eigenes ABC an Hand seiner Warenauszeichnung
zusammensetzt. Nehmen wir nur z. B. einmal das von
uns gebrauchte Schlüsselwort Silberoxyd an, so ergiebt
sich ungefähr folgendes:
1234567890
S i Iber oxyd
Der Goldschmied steht einem Käufer gegenüber, den er
im Verdacht hat, dass dieser von den vorgelegten Sachen
stiehlt; er hat jedoch noch nicht die ausreichenden Be-
weise zur Verfügung. Er gebraucht nun seinen Ange-
stellten gegenüber z. B. das Stichwort: Holen Sie mir
den Ring Nr. 1 oder S, so heisst dies: Passen Sie einmal
auf! Ich vermute, dass der Käufer stiehlt! Oder wenn
sich der Goldschmied bereits überzeugt hat und er will
demselben die Flucht erschweren: Der Käufer stiehlt!
Dann sagt er zu dem Ladenangestellten: Bringen Sie
den Ring Nr. 2 (i), so heisst dies: Der Mann hat uns be-
stohlen! Riegeln Sie unauffällig den Eingang ab! usw.
Vieler Verständigungsworte braucht es gar nicht, aber
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Dr. 23
I. Juni 1907.
Inhaltsverzeichnis u. Bezugsbedingungen
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28.
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in zwei sich abwechselnden Ausgaben.
3uweliere, Gold- und Silberschmiede,
CHEMNITZ, GERA-ALTENBURG, GLEIWITZ, GLOGAU,
Innung pfälz.Gold- u. Silberarbeiter (Sitz: NEUSTADT a. H.),
der Freien Vereinigungen der Gold- und Silberschmiede zu
Silberschmiede von BADEN, WÜRTTEMBERG, RHEINLAND
WÜRZBURG und des Regierungsbezirks FRANKFURT a. O.
LEIPZIG, Reichsstrasse 18-20
Amtliches Organ des Verbandes Deutscher
der Goldschmiede-Innungen zu BERLIN, BRAUNSCHWEIG,
KOLBERG, LEIPZIG, LIEGN1TZ und SCHWEIDNITZ, der
der Goldschmiede-Werkgenossenschaft BERLIN (E. G. m. b.H.),
GÖRLITZ u. STETTIN und derVereine der Juweliere, Gold-u.
und WESTFALEN, KÖLN, MÜNCHEN, WIESBADEN,
HERIIL SCHLAG HACHE
Nachdruck aller Artikel ohne Genehmigung der Redaktion ist verboten.
Der Geheimschlüssel des Ladengoldschmiedes
im Verkehr mit seinen Angestellten.
Die stetig zunehmenden Diebstähle und Einbrüche
in Juwelier- und Uhrmacherläden haben das Allgemein-
interesse dem Kapitel der Schutzvorrichtungen zugewendet
und nachdem erst vor kurzem das „Journal der Gold-
schmiedekunst“ in Verbindung mit der „Deutschen Uhr-
macherzeitung“ einen bahnbrechenden Schritt durch
Eröffnung eines diesbezüglichen Wettbewerbes getan
hat, haben sich jetzt auch die Goldschmiede anderer
Länder der Sache angenommen und dürfte es nicht lange
mehr dauern, dass man die Erfolge dieser segensreichen
Tätigkeit beobachten kann.
Bis jetzt ist jedoch ein Gebiet immerhin äusser acht
gelassen worden, das aber gleichfalls mit in das Bereich
unserer Betrachtungen gezogen werden muss. Wenn
nämlich ein Käufer in den Laden tritt und innerhalb
des Ladens gehen aussergewöhnliche Dinge vor, dann
ist bis jetzt selten der Ladengoldschmied in der Lage,
seine Angestellten oder sonst eine Person von seinen
Beobachtungen unauffällig zu verständigen. Wenn z. B.
eine oder mehrere Personen in den Laden kommen in
der Absicht, darin sich Sachen zum Kauf vorlegen zu
lassen und lassen dabei mehrere Stücke plötzlich ver-
schwinden oder wenn gestohlene oder vermutlich von
einem Diebstahl herrührende Waren verkauft werden
sollen, oder z. B. wenn ein Schwindler kauft und will
sich die Sachen nachbringen lassen usw., in allen solchen
Fällen muss es dem Chef oder Angestellten ermöglicht
sein, in einer für den Dieb oder Schwindler unauffälligen
Weise Hilfspersonen verständigen, eventuell zur scharfen
Beobachtung veranlassen oder gar unbemerkt polizei-
liche Hilfe herbeirufen lassen zu können.
Wie nun diese Verständigung stattfindet, kann man
ja jedem einzelnen Ladengoldschmied überlassen; jeden-
falls ist dies aber ein Wink, der auch den „Verband Deut-
scher Juweliere, Gold- und Silberschmiede“ veranlassen
sollte, einmal die Sache zu erwägen. Auf alle Fälle
muss die gegenseitige Verständigung in die Form eines
sogenannten „Geheimschlüssels“ gekleidet werden. Wir
haben ja hierin schon genügend Schule gemacht durch
die Auszeichnung der Waren mittelst ebensolcher
Schlüsselworte. Ein Allgemeinschlüssel, über ganz Deutsch-
land verbreitet, würde ja wohl anfänglich sehr vorteil-
haft sein, beim Wechsel von Ladenangestellten wären
solche gleich wieder darin instruiert. Eine solche Ver-
allgemeinerung würde jedoch auch wieder viel leichter
die Gefahr bieten, dass Diebe oder Schwindler hinter
das Geheimnis des Schlüssels kommen und dessen
Wirkungen aus dem Wege gehen könnten; deshalb ist
es wohl besser, wenn jeder einzelne Goldschmied sich
sein eigenes ABC an Hand seiner Warenauszeichnung
zusammensetzt. Nehmen wir nur z. B. einmal das von
uns gebrauchte Schlüsselwort Silberoxyd an, so ergiebt
sich ungefähr folgendes:
1234567890
S i Iber oxyd
Der Goldschmied steht einem Käufer gegenüber, den er
im Verdacht hat, dass dieser von den vorgelegten Sachen
stiehlt; er hat jedoch noch nicht die ausreichenden Be-
weise zur Verfügung. Er gebraucht nun seinen Ange-
stellten gegenüber z. B. das Stichwort: Holen Sie mir
den Ring Nr. 1 oder S, so heisst dies: Passen Sie einmal
auf! Ich vermute, dass der Käufer stiehlt! Oder wenn
sich der Goldschmied bereits überzeugt hat und er will
demselben die Flucht erschweren: Der Käufer stiehlt!
Dann sagt er zu dem Ladenangestellten: Bringen Sie
den Ring Nr. 2 (i), so heisst dies: Der Mann hat uns be-
stohlen! Riegeln Sie unauffällig den Eingang ab! usw.
Vieler Verständigungsworte braucht es gar nicht, aber
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