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Journal der Goldschmiedekunst: ill. Fachzeitschr. für Juweliere, Gold- u. Silberschmiede u. d. Bijouterie-Industrie ; Zentralorgan für d. Interessen dt. Juweliere, Gold- u. Silberschmiede .. — 28.1907

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Nr. 15
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Künstlich hergestellte Diamanten
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https://doi.org/10.11588/diglit.55853#0129

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JOURNAL DER GOLDSCHMIEDEKUNST.

Künstlich hergestellte Diamanten.

Durch das kürzlich er-
folgte Ableben des Pro-
fessors Henri Moissan in
Paris ist das Gespräch über
sein Lebenswerk, die Er-
zeugung von Diamanten auf
wissenschaftlichem Wege,
wieder aktuell geworden.
Fast die gesamte Presse
des In- und Auslandes be-
schäftigt sich damit und
erzeugt bei der Oberfläch-
lichkeit der Leser selbst in
Fachkreisen leicht die Annahme, dass man demnächst künst-
lichen Diamanten im Handel begegnen werde, die sich in
nichts von dem in der Natur erzeugten unterscheiden lassen.
Wenn nun auch zugegeben werden muss, dass der Pariser
Gelehrte im Prinzip wohl das Problem der Erzeugung
künstlerischer Diamanten gelöst hat, so können wir dennoch
feststellen, dass wir trotzdem noch weit davon entfernt
sind, schleifbare Diamanten auf künstlichem Wege her-
stellen zu können. Die bisher auf diese Weise geschaffenen
sind so winzig, dass sie meist nur mit dem Mikroskop
wahrgenommen werden können, im günstigsten Falle aber
höchstens die Grösse von einem halben Millimeter er-
reichen. Um einen schleifbaren Diamanten zu erzeugen,
müssten Apparate geschaffen und Kosten aufgewandt
werden, die den Prozess nicht lohnen würden. Es dreht
sich daher bei der Forschung des heimgegangenen ernsten
Gelehrten um nichts weiter als ein geglücktes wissenschaft-
liches Experiment, das niemals praktische Bedeutung er-
langen möchte!
Dieses Experiment ist aber interessant genug und
gewiss auch für die Angehörigen unserer Branche, um
gegenwärtig eine wiederholte Betrachtung derselben zu
rechtfertigen, nachdem wir bereits vor reichlich einem Jahre
im „Journal der Goldschmiedekunst“ in Wort und Bild
einige Erläuterungen dazu gegeben haben. Bekanntlich
hatte vor nahezu 120 Jahren der berühmte Chemiker
Lavoisier, der im Mai des Jahres 1794 auf der Guillotine
endete, den Beweis erbracht, dass der kostbare Diamant,
der härteste und widerstandsfähigste aller Edelsteine nichts
weiter als Kohlenstoff ist und daher sich in seinem Material
in nichts von dem plebejischen Graphit unterscheidet.
Seit dieser Entdeckung sind unzählige Versuche gemacht
worden, den Kohlenstoff zur Krystallisation zu bringen,
doch erst Moissan blieb es vorbehalten, das Prinzip des
Problems zu lösen. Es ist bekannt, dass zum Zwecke der
Krystallisation man den betreffenden Stoff zum Lösen oder
durch Schmelzen in einen flüssigen Zustand und danach
zum Erstarren bringen muss. Auf diesem Wege schritt
auch Moissan vorwärts, wobei er indes der natürlichen
Bildung des Diamanten in der Natur nachspürte und zu
der Überzeugung gelangte, dass es neben den früher nicht

erreichbaren hohen Hitzegraden noch eines ausserordent-
lichen hohen Druckes bedürfe, um die Erstarrung in Krystallen
zu ermöglichen. Bei seinen Untersuchungen der Beschaffen-
heit der Fundstätten des Diamanten fand er aber auch in
dem Eisen das lange gesuchte Lösungsmittel des unvoll-
kommen erstarrten Kohlenstoffes, das in flüssigem Zustande
den Kohlenstoff in der Natur aufgelöst und bei der Er-
starrung den zur Bildung der Diamanten-Krystalle nötigen
Druck erzeugt haben dürfte.
Auf diesem Gedanken baute Moissan seinen elektrischen
Ofen auf. Dieser besteht aus einem in einem eisernen
Gefäss befindlichem Kalkblock, der auf einem zweiten
solchen ruht. In seiner Längsrichtung ist der erstere von
einer Rinne durchzogen, in die von jeder Seite je ein
Kohlenstab ejngeführt wird. Diese Kohlenstäbe sind be-
stimmt, den elektrischen Strom hinzuzuleiten und bilden
die Elektroden4. Die Mitte des Kalkblocks wird von einer
kleinen Höhlung gebildet, in die ein kleiner Kohlentiegel
gestellt ist. Letzteren sehen wir auf unserem Bilde (Abb. 2)
in der Hand des Assistenten.
Das Verfahren ist nun folgendes: in den kleinen Kohlen-
tiegel wird ein Quantum von 200 g schwedisches Eisen
und ein Stück möglichst reiner Kohle, die bestimmt ist, die
Umwandlung in den Diamanten zu erfahren, getan. Darauf
werden die beiden Elektroden bis über den Tiegel in die
Rinne eingeführt und der mit einem Bandeisen umklammerte
Deckel (siehe zweite Abbildung links) aufgesetzt. Durch
die auf unseren Abbildungen sichtbaren mächtigen Kabel
wird den Elektroden nun der elektrische Strom zugeführt.


Abbildung 3.
Der elektrische Ofen geschlossen, die Flammen schlagen links und rechts heraus.

Abbildung 1. Prof. Henri Moissan f
Entdecker des Verfahrens zur Herstellung
künstlicher Diamanten


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