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Pfälzer Bote für Stadt und Land (26) — 1891

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Nr. 121 - Nr. 130 (2. Juni - 12. Juni)
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ſeine Richtigkeit. Die nät lib Partei hat in ihrer
langen Thäligleit reiche Spuren ihrer Wirkjamfkeit


vergänglich eingegraben bleibt. Dabei ſehen wir
ab von den zahlreichen anderen unheilvollen Er-
rungenſchaften, die nicht minder dazu, beigetragen
haben, ſchädigend auf die freiheitliche Entwickelung
des Reiches einzuwirken. Wenn der gehildete und
beſitzende Mittelſtand in der nat Aib. Partei ſtets
einen Ausdruck gefunden hat, ſo würde er an all dem
Unheil, das der Nationailiberalismus ſeit 25 Jahren
geſtiftet hat. mitſchuldig ſein. Der gebildete und
deſitzende Mittelſtand hat aber in der nat. liberalen
Partei niemal3 einen Ausdruck gefunden, ſondern
nur das Protzenthum und gewiſſe Induſtrieritter
einerſeits und die behandſchuhte Sozialdemokratie
andererſeits. Das iſt eine bittere, aber auch unbe-
ſtreitbare Wahrheit. ;

Ein anderer Ausſpruch Bennigſens verdient eben-
falls Beachtung Bezüglich der brennenden wirth-
ſchaftlichen Frägen, welche, wie wir geſtern ſchon
hervorhoben der Nativnalliberalismus ganz von
ſeinem Programm geſtrichen hat, erklärte er, eine
Auflöſung der Vartei würde durch die
Aufnahm? wirthſchaftlicher Fragen in
das Programm entſtehen. — Das iſt ein
Eingeſtändniß, welches der Sachlage entſpricht; es
iſt im Nationalliberalismus unmöglich, eine auch nur
aynaͤhernd übereinſtimmende wirthſchaftliche Geſammt-
auffaſſung herzuſtellen. Aber die nationalliberalen
Großinduͤſtriellen verlangen eine ſolche, ſie verlangen
energiſch den nationalliberalen Auſchluß an die Schütz-
zollpolitil. Geſchieht das nicht. ſo werden ſie das
Lationalliberale Lager verlaſſen. Nationalliberale
Blätter haben uns das ja ſelbſt angekündigt. Wir
werden ſehen, wie ſich der Zerſetzungsprozeß im
Nationalliberalismus weiter entwickelt.

— Die „Freiſ. Ztg.“ reibt ſich an den „ſtarken
Ausdrücken Singers in einer Verſammlung gpon
Berliner Zimmerleuten. Das Blatt ſchreibt:

„Durch ſtarke Ausdrücke ſuchte Herr Singer zu
erſetzen, was ſeinen Ausführungen an Folgerichtigkeit
und Waͤhrheit abging. Herr Singer ſchwaͤng ſich zu
folgender Phraſe auf: „Einen ſo furchtbaren Zu-
ſtand, wo die nichtsthuende Minorität im
Fette erſtickt, die ſchaffende Majje aher

„im Fett erſtickenden nichtethuenden Minoritat! oder
zu „Der ſchaffenden Maſſe, welche hungert??
Die Frage iſt berechtigt, das Wort hat jetzt der
Millionär Singer. — 4 —
® In Berlin tagte kürzlich ein,e vangeſozialer
Kongreß“. Paſtor Ad. Wagner beſprach, wie
wir dem Bericht der Bad. Landpoſt entnehmen, die
Stellung des Geiſtlichen zu den wirthſchaftlichen
Forderungen der Sozialdemokratie Waguer ſprach
im Verlaufe ſeiner Ausführungen folgenden Sag aus,
den die Landpoſt geſperrt drudt:. „Jeder Chriſt
habe die Pflicht, Rechtsfragen neutral
gegenüberzuſtehen, ſelbſt wenn die Ent-
ſcheidung ſeinen perſönlichen Intereſſen
zuwiderlaufe“ Die Verſammlung ſpendete dem


evang Herren dieſen Grundſatz auch auf die Rechte
der Katholiken, z. B. die Rechte der Katholiken
in Baden auf freie Ordensthätigkeit an-
wenden würden? Wenn ja, d. h. falls der Aus-
ſhruch des Herrn Paſtor mehr als eine hohle Phraſe
iſt — ſo erwarter wir von den Konfjervativen in
Baden, daß ſie ſich auch den Rechtoͤfragen neutral
gegenüberſtellen, welche von den Katholiken vertheidigt
werden. Bis jetzt haben dieſe frsmmen Herren in
der Kammer, auf Verſammlungen und in ihrer Preſſe
dieſe Rechtsfragen bekämpft.

Aus Stadt und Land.

Ctachrichten für dieſe Rubrit ſind un iederzeit wiltommen. — Etwaige
Koſten werden ſtets ſofort erſetzt.)

9.C,B. gHeidelberg, 3. Juni. (Muthmaglidhez
Wetter am Donnerftag den Juni. (Nachdruck verboten.)
An der Weſtkuſte IrlandZ iſt ein neuex Luftwirbel er-
ſchienen, der wahricheinlih eine weitere Vertiefung erfah-
ren und nicht wie ſein Borgänger ſüdweſtlich ausweichen,
ſandern gegen Belgien und Deutſchland vordringen wird.
Der Hochdruck in Loryſtandinavien dauert zwar noch an,
doch wird er den Vorſtoß des neuen Luftwirbels ſchwer-
lich aufzuhalten vermögen, Demgemäß ſteht für Donner-
{tag und Frettag bewoͤlktes zu Niederſchlägen geneigtes u.
etwas kühleres Wetter in Ausſicht. {n

* geidelberg, 3 Juni. Die Taacsordnung für die
am Donneritag, 4. Juni ftatifindende Sigung des Schöffen-
gerichts Yautet: Zohann Nagel von Bretzenheim wegen
Bettel und Landitreicherei. Georg und Friedrich Breiten-
ſtein von her wegen Diebftahl und Hehlerei. Eduard
Leber von Freiburg und Johann Friedrich Eckſtein von
hier wegen Körperberletzuns und groben Unfug. Adam
Kolf und Wendelin Lutz von Nubloch wegen Körperver-
legung. Peter Seitz von Leimen wegen Hausfriedensbruch
und Körperverleßung. Jakob Rimmler von Kirchheim
wehen Koͤrperverietzung. Simon Bollex von Unterarom-
hach wegen Nebertretung des S 98 R.St.G.GB. Frauziska
Leiniger von HZiegelhauten wegen Unterfhlagung,. Zoͤfeph






Beck von Bammenthal wegen YBedrohung. Chriftoph
Ebinger, Ludwig Cbinger und 44 Ebinger Ehefran
von Bammenthal wegen Diebitahl.

* geidelberg, 3. Juni. Ueber die Fcequenz der
Walldürner Walfahrt ſchreibt die St. u Lbt.: „Der
geftrige Tag brachte einen jolden Andrang von Walfahrer, !
daß es faff unmaglich war denſelben zu bewältigen. Die
Feſtyredigt und girchenmuſil trugen wieder weſentlich zur
Erhöhung der Feier bei. Bis jeBt iſt das Wohnungs-
bureau nur einmal in Anſpruch genommen worden und
zwar am Mittwoch Abend von den Straßburger Bilger ;
3 iſt zu wundern, daß am geſtrigen Tage keine Nachfrage
wegen Wohnungen an das Bureau erging. Die Leute
ſuchen ſih felbit Wohnungen, ſo daß das Bureau bei
heſtem Willen Mißſtänden nicht abhelfen kann! (Den
Heidelberger Bilgern iſt ſomit eine xecht rege Benützung
des Wohnungsburenus ſehr zu empfehlen.)

Heidelberg, 3. Juni Nicht allein hier in Heidel»
berg ſondern guch an andern Orten hat man bez des
Dienſtes der Poſtbeamten am Frohnleihnams- und
Charfreitaa Beſchierde erhoben. Dem Freib. Boten wird
vom Kaiſerlichen Poſtamt zu Freiburg nachſtehende Ber-
fügung zugeſandt, welche die Obervoͤftdirektion Konſtanz
auf die Eingabe der Freiburger Handelskammer um Ein-
richtung des Sonntags poftdienfteS an Fronleichname
tag und Allerheiligen. erlaffen hat. Dieſelbe dürfte auch
für unſern Leſer vom Interefje ſein. Sie lautet;

Honſtanz, den 16 Mai 1891. Nach Maßgabe der
(andesherrlichen Vexordnuna vom 20. November 1879
gehört der Charfreitag nur in Orten, in welchem die
vangeliſche . Konfeſſion, der Fronleichnamstag nur in
Orten, in welchen die kathöliſche Kofeſſion allein
Pfarrtechte hat, zu denjenigen allgemeinen (gefeßlichen)
Heiertagen, an welchen nach den Beftimmungen ım 5 25
der Boftordnung eine Beſchränkung des Poſtdienſtes
ftattfinden darf, Da dieſe Vorausſebungen für Freiburg
nicht zutreffen, ſo kann am Charfreitag und Fron-
LeidHnamstag eine Befhränkuna. des Poſtdienſtes
zunächſt nicht eintreten. Dies würde iedoch der Fall
Jein, wenn im Wege der badiſchen Geſetzgebung künftighin
ür diejenigen Genieinden, in welchen mehrere Hriftlidhe
Konfeſſtonen Pfarrechte haben, die beiden genannten. Tage
zu allgemeinen Feiertagen erflärt wiürden. — Der Aller-
heiligentag gehört nach der bezüalichen landherrſichen
Verordnung zu denjenigen Tagen, an welchen alle geräuich-
pollen — 4 — und Handlungen perboten ind Da
hierzu der Boftbetrieb nicht zu rechnen iſt, ſo findet eine





Der Kaiſerliche Oberpoſtdirektor, Geheime Ober⸗Poſtrath:

(ges.) Eckardt!
*Heidelberg. 3. Juni. Die Eroͤffnung der Neben-

bahn bis Edin ſen iſt wie wir erfahren auf Samſt ag
feftgefeßt. Am Sonntag werden daher zaͤhlreiche Aus?
flügler Edingen als Biel ihrer Reiſe nehmen.

* Mannheim, 2. Zuni. Die Getreide⸗Arbeiter

vieder, weil mehrere bei dem vor einigen Wochen
wegen Lohndifferenzen ſtattgehabten Strike betheiligte

. W, Schwetzingen, 1: Juni. Das Fronleichnams-
feſt wurde auch hier mit ſehr wenig Ausnahmen von
Fallen Einwohnern, Katholiken, Proteſtanten und Iſrae-

igen Mitbürgern Dank ſchuldig. Die Prozeſſion be-

drich ⸗ Karlsruher⸗ und Schloßſtraße. Alle Häuſer in
dieſen Straßen, die der Proteſtanten wie der Iſrae-
liten waren geziert, zum Theil ſehr ſchön. Nur eine
einzige Ausnahme, iſt allgemein aufgefallen. Die
Großherzogliche Obereinnehmerei hatte ihr
alltägliches Ausſehen, mit dem Unterſchied, daß alle
Jalouſieen und Laͤden von unten bis zu den Dach-
kammern verſchloſſen waren. Wenn man die neu-
gierigen Geſichter hinter den Jalouſieen nicht ſo gut
geſehen hätte, Hätte man glauben koͤnnen, der Herr
Obereinnehmer Wilkens haͤbe, den Feiertag benützend,
einen Familien⸗Ausflug gemacht. Dieſe Ausnaͤhme
erinnert uns an Aehnliches im vergangenen Jahre,
wo die mit Grün beſtreute Straße auf der einen
Seite wieder gefegt wurde. In dieſem Jahre hatte
man dies nicht nothwendig, da man blos die eine
Seite der Straße beſtreut hatte. Ich betheilige mich
hier, ſeit etwa 10 Jahren an der Prozeſſion. Habe
die erfreuliche Wahrnehmung gemacht, daß alle Jahre
mehr Männer ſich betheiligten Schon votiges Jahr
war die Betheiligung der Männer ſehr groß, dieſes
Jahr aber konnte ſich die Männerſchaar mit der
weiblichen Betheiligung meſſen. Die Abgeſtandenen
zählen wir nicht; folche Vögel gibts ja überall. Die
Obereinnehmeriſche Toleranz erinnert mich lan einen
Vorfall, der ſich in Bödigheim zugetragen haben ſoll.
Die Wallfahrtsprozeſſionen nach Wallduürn aus dem
oberen Neckarthal und Jagſtthal müſſen durch die
gemiſchten Orte Unterſchefflenz, Mittel⸗ (Geburtsort
des Obereinnehmer Wilkens) und Oberſchefflenz, durch
die proteſt. Orte Klein- und Groß-Eicholzhein und
Bödigheim. Die Prozeſſionen 'gehen in geſchloſſener
Ordnung bis an die Gemarkungsgrenze Boͤdigheim.
An dieſer Stelle löst ſich die Prozeſſion auf. Die
Fahne wird eingerollt, die Männer bedecken ſich. Ge-
ſang und Gebet hört auf, bis an die Gemarkungs-
grenze Vuchen. Gerade ſo wird es auf dem Rückweg
gemacht. Ich ſchlage vor für die Zukunft an der
Obereinnehmerei die Muſik, den Geſang und das Ge-
bet aufhören zu laſſen, das Allerheiligſte zu verhüllen
und die Männer ſich zu bedecken. ;

S Edingen/ 2. Juni. Selten noch hatten wir
hier Edingen eine von der Männerwelt ſtärker beſuchte
Fronleichnamsprozeſſion als in dieſem Jahre. Die




Häuſer waren ſchoͤn geſchmückt, theilweiſe auch von!
Andersgläubigen. — Bezüglich der am nächſten Sonntag ı




unferer Kirche ſei noch bemerkt, daß zahlreiche lath
Vereine her zu kommen verſprochen haben.

berg Cacilia⸗ Weinheim; Caͤcilia Neckarhauſen; Cäci-
lia= Seckenheim; Cäcilia-Ladenhurg; Cäcilia-Mann“
heim (untere Pfarrei). Gaben für die neue Orgel werden


c Feudeuheim,?. Juni.
Centrum hat am künftigen Sonntag ſeine Monats-
verſammlung. Bei dieſer Gelegenheit findet die Eir-


dent des Vereins ſtatt.

aufmerkſam.

T DGeinSheim, 1. Juni

Bei der am gefirigen
Sonntaͤg in He noͤheim, welches von Siegelsbach aU®


iſt uns aufgefallen, daß einer der vier Stationsaltare


dieſes Jahr ‚verboten mit der Begründung, der Schloß
hund könnte jonft rebelliſch werden!
allgemein der Anſicht, daß der Schloßhund ſehr wenig
Einfluß auf die freiherrliche Entſchließung geübt habe
defto mehr aber der famoſe Geiſt des,/ Cvaͤngeliſchel
Bundes.“ — Die hieſigen Weinberge bieten keinel
erfreulichen Aublick Was die Winierkaͤlte verſchont
das hat der Froft in der Pfingftuacht größtentheil?
zerſtört. Die Hoffnung auf einen ordenflichen verbſ
iſt geſchwunden! Dagẽgen verſprechen die Obſthäume
ſehr reichen Ertrag. *24

* Brögingen, Juni. Geſtern hat ein hiefig®
Bewohner F. zwei Hajen geſchoſſen und daͤnn JE
Buben mit einem Korbe in den Waldzgeſchickt, um *


wegen Wilddieberei vorbeſtraft.
Kirchardt, Juni.

faſſen konute, die gefommen waren, unſern Heilal
im Sakramente anzubeten. Die Prozeſſion verlief *


an den Altären, fowie (der Iateinijche) , in der Kirh
ſehr viel zur Erhöhung der Feier bei. Daß einl9®


muß leider konſtatirt werden. \
und das Müßenaufhalten beim Borüberziehen, D
Prozeffion Famen auch hier vor; ‚aug einem HaM
ertönte ſogar luſtiges Klavierſpiel.
eben nicht wie er ſich zu benehmen hat.
Leimen, 2. Juni. Belaͤnntlich haben aud) **
dieſem Jahre an verſchiedenen Orten Störungen DE
Tronleichnamsprogeffion ftattgefunden. — Wie {0lM
Störungen früher aufgefaßt wurden erhellt aus nad“
ſtehender General⸗Verordnung wegen Störung den
kirchlichen Handlungen vom Jaͤhre 1801. -
1. In der Nähe einer Kirche waͤhrender(der) BL
fammlung ſind alle (ärmende Handlungen verbottt
2. Bei jedem kirchlichen Aufzuge, alſo bei Frox
ſionen, feierlicher Verſehung eines Kranken, Beichel
u. ſ. w. ſollen alle in der Straße ſich befſedei
Fuhren, Vieherden, Reitende, aus derſelben in e
andere, und wenn dies nicht möglich, —
die Fußgänger und auf der Straße Beſchaͤftigte 1F
{tehen, das männliche Geſchlechi die Hüte abneNmel
die auf der Straße ohnedis nicht geziemende *
pfeife entfernen, alles Schwätzens Lärmens, Gelächte!?,
und was nur immer ſtören kann und unanſtändig *
ſich enthalten. 4
3. Jeder dagegen wagende Frevel ſoll auch *
Anzeige und Klage unterſucht, mit geeigueter 4
ſtroͤng belegt und dieſer Stelle mit Einjendung ®
Protokolls berichtet werden.
4. Alle Selbfthilfe i{t verboten, und ziehet, D°
Verluſt der Genugthuung und Ahndung nach ſich .
Das Oberamt hat dleſes zu verkünden und gena
zu vollziehen.
Mannheim, den 30. Juni 1801. j—
Kurfürſtlich· Rheinpfalziſches General-Landes-Comm!
ſariat:
Freiherr von Reibold.
Müller. i
Dem Ortsvorſtand zu Leimen wird —— —
aufgegeben, die nachdruͤckſamſte Verfügung bei *
meidung eigener Verantwortlichkeit zu treffen, *
derlei den Hffentlihen Gottesdienit {tören müſſen!
Unfuge unfehlbar unterbleiben,
Großherzöglich Badiſches Sber⸗Auit Heidelberg‘

Steinwarz. vdt, Düng®-







 
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