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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 1 - No. 25 (3. Januar - 31. Januar)
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Expedition Brunnengaſſe 24.

Heidelberger Tageblatt

Heidelberger General-Anzeiger.

Peranlworllicher Redakteur Philipp Klausner.



Anzeigen: die 1-ſpaltige Pein.

zeile oder deren Raum 5 Pfg., .

für auswärts 10 Pfg. “GE

Bei mehrmaligem ErſchäIaean.
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Expedition Brunnengaſſe 24.



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". für Heidelberg: monatlich 45 Pfg.

Dienſtag, den 8. Januar

T.



Bewegungen in Spanien.

Nach der Abreise des deutschen Kronprinzen aus
Spanien wendet sich der Blick der ſpaniſchen Poli-
tiker wieder den inneren Verhältnissen des Landes
zu. Leider iſt hier nicht viel Tröſtliches zu ſehen.
Durch den Besuch des deutschen Kronprinzen ſind
die inneren Schwierigkeiten Spaniens nur vertagt
worden und es kann deshalb nicht Wunder nehmen,
wenn dieselben jetzt in größerer Schärfe wieder her-
vortreten und energiſche Löſung verlangen.

Die spaniſchen Cortes haben vorgeſtern ihre
Sitzungen wieder aufgenommen. Zuverlässige Mel-
dungen stimmen darin überein, daß der Bruch zwi-
ſchen der dynaſtiſchen Linken und der Partei Sagaſta
endgiltig iſt. Der König iſt nunmehr vor die Alter-
native gestellt, entweder unter Beibehaltung des bis-
herigen Cabinets Poſada Herrera die Cortes auf-
zulöſen oder ein von der Kammermehrheit deſignirtes
neues Miniſterium zu berufen. In letzterem Falle
gilt noch immer als wahrscheinlich, daß Sagaſta
von neuem die Leitung der Geschäfte tibernehmen
wird, freilich ohne Martinez Campos als Kriegs-
miniſter, deſſen Unbeliebtheit in stetem Wachsen be-
griffen iſt, wie er denn auch durch sein wenig
energiſches Verhalten anläßlich der letzten Militär-
putſche die Regierung arg compromittirte. Daß
Canovas del Caſtillo jetzt bereits der Mann der
Situation sein ſollte, gilt als unwahrscheinlich; viel-

. mehr dürfte deſſen Beruſung crſt erfolgen, wenn

L Sagaſsta „abgewirthschaftet“ hat.
_ Alle Vorbedingungen des Conflikts zwiſchen dem
Cabinet und der Kammermehrheit sind vorhanden.
Für den Ausgang der gegenwärtigen Krise iſt das
Verhalten des Königs Alfons insofern entscheidend,
als es durchaus ausgeſchloſſen iſt, daß derſelbe dem
gegenwärtigen Cabinet seine Zuſtimmung zur Kam-
merauflösung geben würde. Andererseits wird an-
genommen, daß, falls Sagaſta sogleich berufen würde,
derselbe bereits über eine geſchloſſene Mehrheit ver-
fügen wird. Die Sprache der miniſteriellen Organe
läßt überdies keinen Zweifel darüber beſtehen, daß

î Ein Müiillionär.
Original-Novelle von F. Klinck.





. Fortsetzung.

Martha, laß’ die Vergangenheit,“ sagte der Alte,
und diesmal klang seine Stimme etwas fester und
entſchloſſener, „es thut nicht gut, ſich ihrer zu er-
innern und mich könnt der Gedanke an sie wahn-
ſinnig machen. Die Vergangenheit! Du lieber Gott,
wie glücklich bin ich in ihr geweſen! Was hat die
Vergangenheit nicht Schönes für mich gehabt! Wer
mir geſagt hätte, daß ich auf einem elenden Stroh-
lager umkommen müßte, und daß nicht einmal ein

kleines Feuer da sein würde, meine erſtarrten Glie-
der zu erwärmen“ ©
_ gffJſt das etwa meine Schuld ?“ unterbrach Mar-
tha den alten Mann rauh.
rh r y. Zett sst ts ur. é p Ëù
Grunde gehe und vielleicht habe ich es verdient.
Ich war in allen Dingen ein Schwächling, und hät-
te ich zur rechten Zeit aufgepaßt, vielleicht wäre doch
. 1:8 anders gekommen. Martha, wenn es nur nicht
! o kalt wäre !“ ;
. „Glaubt Ihr etwa, ich litte an übergroßer Wär-
_ me? Wahrhaktig nicht. Meine Hände sind zu Eis
erstarrt, daß es mir unmöglich ist, die alten Lumpen
zu flicken, wenn ich auch wollte.“
l. Der alte Mann sank mit einem dumpfen Acchzen
_ auf ſein hartes Strohlager zurück und dann herrschte
unnmittrelbar darauf unheimliche Stille in dem öden
Raume. So ſtill es aber drinnen war, so tobte und
lärmte draußen das Unwetter und jeder einzelne







das Ministerium Posada Herrera unter allen Um-
ständen eine raſche Entſcheidnng herbeiführen wird.

Hervorgehoben zu werden verdient noch, daß
der gegenwärtige Kriegsminister, Lopez Dominguez,
alle Verſuche macht, um das Heer für sich zu ge-
winnen. In dieser Hinsicht wird telegraphiſch aus
Madrid mitgetheilt: „Der Kriegsminiſter hat den
Cortes einen Gesetzentwurf, betreffend die Erhöhung
des Soldes der Truppen vom gemeinen Soldaten
bis zum Obersten einschließlich vorgelegt. Der Ent-
wurf wurde einer Special-Commission überwiesen.“

In der Deputirtenkammer erklärte Robledo im
Namen der Conſervativen, er werde keinen Gegen-
entwurf zu der Thronredeadreſſe einbringen. +
Fabra fragte an, weshalb an der pyrenäiſchen Grenze
Vorsichtsmaßregeln ergriffen worden seien; der Mi-
niſter des Innern erwiderte, es ſei dies wegen der
in einembenachbarten Grenzdorfe verbreiteten falſchen
Gerüchte geſchehen.

Solche Gerüchte sind aber keineswegs nur in
jenem pyrenäiſchen Grenzdorfe aufgetaucht, sie ſcheinen
vielmehr wesentlich in Paris ihren Sit, ja ihren
Ursprung zu haben. Ein Telegramm aus Madrid
meldet darüber: „An der Börse erregte gestern
eine telegraphiſcheo Nachricht der „Agence Havas“
aus Paris Aufsehen. Nach derselben sollen an der
Nordgrenze Spaniens die Militär-Garnisonen revol-
tirt haben. Bis heute Nacht war hier jedoch keine
Bestätigung dieser Nachricht eingetroffen, welche da-
her. wie man annimmt, auf ein Börſenmanöver
zurückzuführen iſt. Nachdem eine Einigung der
liberalen Partei in den Cortes bezüglich des in der
Thronrede dargelegten Programms nicht zu Stande
gekommen, iſt die Miniſterkriſis und Auflösung der
Cortes eventuell ſchon in den nächſten Tagen un-
vermeidlich. Die allgemeine Stimmung ist hier sehr
gedrückt und bezüglich der Neugestaltung des Ca-
binets und der Ereigniſſe der kommenden Tage sehr
unsicher.“ ¡t

Man darf also auf die Nachrichten aus Spanien
in den nächſten Tagen gespannt sein, wenn auch
die Hoffnungen ziemlich berechtigt erſcheinen, daß

Die Frau in dem alten Lehnſtuhl mußte, soweit
ihr zerriſſener Anzug, ihr ſchmutiges Gesicht, um-
welches ſich große Haarmaſſen in wilder Unordnung
ſchlangen, noch ein Urtheil gestattete, einst schön ge-
wesen ſein. Die Züge waren regelmäßig und von
seltener Feinheit, obwohl unendliche Gleichgültigkeit
auch die kleinſte Spur von Intelligenz daraus ver-
wischt hatte. Die jettt gebeugte Gestalt konnte einſt
imposant gewesen sein, jedenfalls aber war es vor-
mals eine stattliche Figur. ;

Martha ſaß schweigend da, ja, auch regungslos.
Nur ab und zu hauchte sie in ihre kalten Hände,
die erſtarrten Gliedmaßen zu erwärmen und zu be-
leben, aber es gelang ihr nicht und bald genug gab
sie auch diesen letten Verſuch, sich Wärme zu ver-

schaffen, auf. Der Sturm da draußen ſchien in-

deſſen seinen Höhepunkt erreicht zu haben. Mit
vermehrter Heftigkeit heulte der Wind, ja, in diesem
Augenblicke riß er sogar die nur ſchwach verwahrte
Hausthür auf und fuhr pfeifend in dem Raume um-
her. Gleichzeitig aber wurde eine grelle Lache auf-
geſchlagen und ein ſchauerlicher Fluch hereingerufen.
für St us V y "se § e Kettr hatt

Der Mann, der diese Worte ausrief, war jett
vollends eingetreten und hatte krachend die alte Thür
wieder in's Schloß geworfen. Der Kranke saß auf-
recht auf seinem Strohlager und starrte den Einge-
tretenen an, während die Frau in dem Lehnſtuhle
auch nicht die mindeſte Bewegung machte.

„Gott Lob und Dant, Friedrich!“ stieß der alte

Mann mit einem Seufzer der Erleichterung hervor.

„Wo biſt du denn so lange gewesen ?“

Windstoß licß den alten Mann wiederzuſammenfahren. ! „Ja, wo bin ich gewesen?“ entgegnete Friedrich

König Alfons auch in dieser schwierigen Lage das- : .
jenige Geſchick beweiſen wird, welches ihm in de
vrt ttt Bewegung von allen Seiten zuertamat.



Deutſches Reich. M

Karlsruhe, 4. Januar. Durch eine soeben ven.
öffentlichte landesherrliche Verordnung wird für ſolche_
Perſonen, welche sich dem öffentlichen Bauweſn.
widmen wollen, ohne die Prüfung im höheren Ban
fach bestanden zu haben, eine Prüfung eingeführe.
nach deren Beſtehung sie das Prädikat „Werkmeiſteen.
erhalten. Für die Zulaſſung zu der, jährlich dahie
b Ut R NU C
Lebensjahr, der Beſuch ſämmtlicher Kurs “ Bun.
gewerbſchule oder einer gleichwerthigen Anſale..
endlich eine 3jährige praktiſche Thätigkeit im Baan.
weſen erfordert. Durch die Prüfung soll die Be.
fähigung zur Bauleitung als Werkmeiſter in ihnſtem.
ganzen Umfang nachgewiesen werden. In einr ble.
ſonderen Bekanntmachung ſind diejenigen Dienſte ve.
zeichnet, auf welche in den Geschäftskreiſen der ve.
schiedenen Ministerien den Werkmeiſtern die beſonen.
Anwartschaft zuſteht. - Die lieberale Parti hen.
kurz vor den Weihnachtsferien ihren leitenden lauen.
ſchuß neu gewählt; er beſteht nunmehr ais d'en.
Abgeordneten Kiefer, Friderich, Pflüger, Hofmann.
Roder, Hebting; Präſident Lamey iſt, wie bishe.
Ehrenmitglied des Ausschuſſes. Bekanntlich hat de.
Ausschuß mehrere ſeiner Mitglieder in Folle d'en.
Neuwahlen verloren. – Die Bad. Korreſp. iſt deen.
Ansicht, daß die wichtigeren großen Geseßesvorlnaegen.
nicht ohne bedeutende Kämpfe und Meinungsbe.
ſchiedenheiten sich zum Austrag bringen laſſen, um.
daß nur in einer „ausgleichenden Behandlung“ d'en.
Möglichkeit für einen Erfolg zu suchen iſt. An dn
Grundlagen unserer ſtaatlich-kirchlichen Gesetgeunn.
wird die liberale Mehrheit wie man hört nc<Iite.
rütteln lassen. - ..
Berliu, 4. Jan. Aus München gelangt den..
Nachricht hierher, daß K ö nig Humbert von

| mit lautem Auflachen. „Möchteſt's wohl wissen, he?
Und auch Du, Martha? Biſt lange nicht mehr in
ſo vornehmer Geſellſchaft gewesen + das iſt sicher.
Denn > seit Du Dich weggeworfen haſt, ist's doch
nichts mehr mit der Vornehmheit gewesſnn.

Die Frau rührte sich noch immer nicht. 9

„Friedrich! Friedrich! sprich nicht ſo mit deinem
Weibe!“ ermahnte der Alte händeringend. „Thu?
ir. nicht weh, denn sie war doch einst gut mit dir
und mir.“ ; »

„Ja, weiß der T——, sie war gut mit mir,. so
lange es ihr an nichts fehlte,“ schrie Friedrich, mit/
yet gauft auf den einzigen, wurmſtichigen Tiſch ſchla-
gend. ..
„Sie war so lange gut, als sie in Seide und Sammet
gehen konnte und man noch was auf ihre vornehmen
Herrschaften gab. Aber seitdem iſt's auch anders
mit ihr geworden; ihre vornehme Herrſchaft hat sie
im Stich gelaſſen, sie will nichts mehr von ihr wiſe
sen, nachdem sie arm und krank ? .

„Herrgott im Himmel, Friedrich, was iſt Dir
rief der alte Mann, plötlich zu Tode erſchrocke
. „Blut! Martha + Martha, er ſtirbt!“
Langsam und träge erhob die Frau den Ko
und wandte ihr Antlitz zum erſten Male dem E
getretenen zu. Aber sie war doch nicht ſo für All
abgeſtumpft, wie es wohl gesſchienen hatte. Sie s.
das bleiche, verzerrte Antlit ihres Mannes, sie
ihn wanken, und indem er vergebens einen Verſu
machte, sich zu halten, zu Boden stürzen, im Fall
noch mit seinem Kopfe gegen die ſcharfe, «

















Tiſchkante ſchlagend-
(Fortsetzung folgt.)


 
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