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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 77 - No. 100 (1. April - 30. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44124#0391

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Heidelberger Tageblat

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mit Trägerlohn, durch die Poft
bezogen viertelj. 1 IMk. 40 Pfg.

Expedition Brunnengaſſe 24.
Nè 9Y2.

Deutſches Reich.

Metz, 17. April. Unter überaus großer Be-
theiligung der Bevölkerung fand heute in der Garni-
ſonskirche die Leichenfeier für den verstorbenen Gou-
verneur Schwerin statt. Der Sarg war mit zahl-
z; JU V uus tis N
gt.e;:, bh iettn worten pie. t
Oberstlieutenant v. Tresckow der Leichenfeier bei.

HOEebſsterreich-Ungarn.

Wien, 16. April. Aus zwanzig vorgelegten
Repetirgewehren, welche das techniſch-administrative
Militär-Comite geprüft hat, sind fünf Modelle aus-
gesondert worden, die im nächſten Monat von der
Armeeſchütenschule praktisch erprobt werden ſollen.
— Im Reichs-Kriegsminiſterium ist definitiv be-

ſchloſſen worden, die Piken bei den Uhlanen-Regi-
mentern, welche seit einiger Zeit nur mehr beim
erſten Gliede der Eskadronen in Gebrauch waren,
gänzlich abzuschaffen und auch das erste Glied mit

dem Karabiner zu bewaffnen, so daß dann die Aus-

rüſtung ſämmtlicher Reiterregimenter der Armee eine
gleichmäßige sein würde.
Frankreich.

Paris, 18. April. Aus Hanoi wird unter dem
heutigen gemeldet : Von der Verfolgung des Feindes
wurde Abstand genommen. Die Schwarzflaggen
haben sich nach dem Norden Tontkins zurückgezogen.
5000 Chineſen, annamitische Rebellen, Reste der

Besatzungen Bacninhs und Honghoas erreichten die

Provinz Tanhoa durch das Gebirge westlich Ton-
kins. Briere bricht nächstens mit einigen Batail-
lonen nach Ninbinh auf, um deren Bewegungen zu
beobachten. Rußiaud

Reval, 17. April. Ein gestern Abend ausge-
brochener heftiger Schneeſturm bedeckt alles mit
mächtigen Schneemasſen, wodurch die Straßen ver-
ſperrt werden. Der Schnee reicht ſtellenweiſe bis
an die Dächer der zweistöckigen Häuſer. Der Eisen-
bahnverkehr ist eingestellt. Zur Freimachung iſt
Militär beordert. Durch eine Nachts ausgebrochene
Feuersbrunſt sind mehrere Häuſer niedergebrannt,
auch iſt viel Vieh umgekommen.

~ Reapel, 17. April. Der Soldat, welcher

in der bei Pozzofalcone gelegenen Kaserne des
19. Inf.-Reg. mehrere seiner Kameraden erschoß,
heißt Salvatore Misdei und ist in Calabrien ge-
bürtig. Er soll bereits vorher mehrere Misſethaten
begangen haben. Als er gestern Abend vor dem
Zapfenstreich und ein wenig angetrunken in die
Kaserne zurückkehrte, neckten ihn seine Kameraden.
Misdei ließ sich seinen Groll nicht merken, als aber
die Lichter ausgelöſcht waren und die Soldaten im
Bette lagen, ergriff er Gewehr und Patrontaſche
und begann in dem Saale auf und ab ſchreitend
auf die rechts und links in den Betten liegenden zu
feuern. Es entſtand ein fürchterlicher Tumult. Ein
Kranker sprang durchs Fenster, wobei er beide
Beine brach. Als Misdei alle seine Patronen ver-

ſchoſſen hatte, lief er in den anstoßenden Schlafsaal
der Unteroffiziere, ergriff eine neue Patrontaſche

und begann abermals zu ſchießen, bis ihn ſchließlich
3 kräftige Leute dingfeſt machten. In der Zwischen-
zeit aber hatte Misdei nicht weniger als 57 Schüſſe
abgefeuert, wodurch 5 Soldaten getödtet und 6
verwundet wurden. '
Egypten.

© Kairo, 17. April. Zobehr Paſcha empfing
geſtern Nachmittag nachſtehendes Telegramm des
Generals Gordon vom 7. d. Mts. : „Ich habe Sie
zum General-Gouverneuradjuncten des Sudans er-
nannt. Machen Sie mir von Ihrer Ankunft in
Berber Mittheilung. Wenn es möglich ist, werde

î HIiù zwei Dampfer schicken, welche Sie mit den zwei |





Perantwortlicher Redakteur Philipp Klausner.

Heidelberger General-Anzeiger. ß

Honntag den 20. April

andern gegenwärtig in Berber befindlichen mit
Schanzbekleidung zum Schutz der an Bord befind-
lichen Truppen versehen wollen. Nehmen Sie auch
möglichst viel Leute vom Stamme der Galycin und
liefern Sie häufig kleinere Gefechte, zt ſich jedoch
ieſe Depesche
wird hier als unverständlich angesehen, weil der
Stamm der Galhcin sich gegenwärtig im Aufstande
befindet und aus der Depeſche nicht hervorgeht, ob
es dem General Gordon nicht bekannt war, daß
die Ernennung Zobehr Paſchas seitens der englischen
Regierung nicht genehmigt worden iſt.
Kairo, 17. April. Zobehr Pascha hat die ihm
von General Gordon tiberſandte Ernennung zum
Gouverneuradjuncten des Sudans abgelehnt.

Aus Nah und Fern.

Karlsruhe, 18. April. (Veränderungen bei den
Großh. Badischen Staatseiſenbahnen.) Ernannt
wurden zu Bahnexpeditoren 1. Klaſſe: Stationsaſſi-
ſtent Karl Litterſt in Wyhlen, Stationsaſſiſtent Wil-
helm Dürk in Waghäuſel; zu Expeditionsassiſtenten :
Assiſtent der Zentralverwaltung Ernst Fritz, Exrpe-
ditionsassiſtent Heinrich Sohm, Expeditionsassiſtent
Georg Troeger, Expeditionsaſſiſtent Friedrich Gan-
tert, Erpeditionsassiſtent Georg Jung. Versettt wurde :
Bahnexpeditor 1. Klaſſe Oskar Armbruſter unter
Ernennung zum Bahnexpeditor nach Raſtatt. Ent-
laſſen wurden : Bahnmeiſter Wilhelm Boſchert (auf
Anſuchen,) Eiſenbahnkandidat (Expeditionsgehilfe)
Joſef Friebis (auf Kündigung), Expeditionsgehilfe
Ls. Schneider, Expeditionsgehilfe Friedrich

er.

* Mannheim, 18. April. Der letzten Mittwoch
versammelte Bürgerausſchuß genehmigte einstimmig,
das Budget für hiesige Stadt. Nach diesem ſind
durch Umlagen aufzubringen Mk. 912,000 und ist
hiefür zu zahlen: 85 Pfg. aus 100 Mk. Grund-
und Häuſerſteuerkapital 28 Pfg. aus 100 Mk. Er-
werbsteuerkapital A., 21 Pfg. aus 100 Mk. Erwerb-
ſteuerkapital B. und 12 Pfg. aus 100 Mk. Kapital-
rentensteuerkapital. Die Steuerkapitalien haben ſich
gegen 1883 um Mk. 22,526,600 erhöht und der

größern Gefahren auszusetzen.“



Grundſtock bilanzirt in Einnahme und Ausgabe mit

ert. Mk. 2,296,000.

§ Tauberbisſchofsheim, 17. April. Der hiesige
Zweigverein des Badiſchen Vereins zur Gründung
von Arbeiterkolonien gedenkt in nächſter Zeit zu
Gunsten des Unternehmens Vorträge zu veranstalten
und zwar werden die Herren Profeſſor Breunig und
Lehramts-Praktikant Dr. Martens über die Reſultate
ihrer Studien in der Lokalgeschichte (des Tauber-
grundes und des Baulandes) berichten. Die Vor-
träge werden in der von Seiten des Gymnasiums
dem Verein zur Verfügung gestellten Aula abge-
halten werden.

-+ Aus dem Odenwalde, 17. April. Auf sehr
billige Weiſe kam der Schäfer D. in G. vorige
Woche zu einer guten Kuh. In dem Dorfe kre-
pirten mehrere Stück am kalten Brand. Als nun
bei der Kuh eines Großbauern ſich die erſten Zeichen
der Krankheit, Steifheit des Hinterfußes, zeigten,
war der Bauer raſch entſchloſſen und verkaufte solche
an den Schäfer für 16 Mark. Derselbe brachte
mit vieler Mühe das Thier nach Hauſe und ver-
ſchob das Schlachten bis Abends. Als er aber
Abends nach der Kuh sah, war dieselbe geſund
und munter und fraß mit beſtem Appetit. Es
ſtellte sich heraus, daß sie nur den Fuß verrenkt
hatte. Das Thier iſt immerhin über 200 Mark
werth und dem nicht besonders gut situirten Käufer
der unverhoffte Vortheil wohl zu gönnen.

§ Von der Elz, 16. April. Vorige Woche be-
ſchwindelte in dem benachbarten gewerbreichen Orte
Heimbach eine zigeunerin unter Anpreiſung und
Üeberlasſung eines sogen. Hausheilmittels gegen das
Augenleiden des Ehemannes die weibliche Ehehälfte
um 100 Mek. Für die Bezahlung des Heilmittels





























Anzeigen: die 1-ſpaltige Petien.
zeile oder deren Ruum 5 Pfg.

Rabattbewilligung.

Expedition Brunnengaſſe 24. |
wurde die Annahme von angebotenen Lebensmitten
verweigert und ein fünffaches Almoſen von minde..
ſtens 5 Mk. verlangt mit dem Beiſat, daß jede.
der Geldsſtücke die gleiche Jahrzahl tragen müss
Indem die arglos vertrauende Hausfrau ſich mit dem 1.
Herausfinden der richtigen Geldſtücke aus der Kaſſe.
befaßte, gelang es der liſtigen Zigeunerin, eine At.
zahl in einem Papier eingewickelter Geldſstücke im
Betrage von 95 Mk. sich unbemerkt anzueignen un
damit spurlos zu verduften. .

+ Straßburg, 18. April. In unserer Stat
herrſcht z. Zt. ziemlich rege Bauthätigkeit, da nebn
den größeren (Staatsgebäuden), als Kaiſerpalaſt, _
Germaniagebäude, Bezirkspräsidialgebäude auch viel
Privatbauten in Angriff genommen ſind. Insbe
sondere wird das nach dem Plane des Architekten
Herrn G. Baut vorm. in Heidelberg, hier domi
zilirend hergestellte Wohnhaus der Firma Wolf Netter,
Ecke des Kronenburger-Rings und der Buchweiler
ſtraße, Herrn Bautz alle Ehre machen. Der präch-
tige Bau ist im Renaissſanceſtyl ausgeführt und
zeichnet sich vor allen anderen durch einen äußerſt
gut durchdachten und kunſtvoll ausgeführten Erker, .
Wappen und Marmortafeln aus. Letztere sind
analog mit verschiedenen Epiſoden der Geschäfts-.
firma, deren Gründer aus Bühl (Baden) stammt.
Mich freut's Ihnen mittheilen zu können, daß dem
äußerſt talentvollen Sohn Badens hier alle An-
erkennung für seine kunstvollen Leiſtungen gezollt wird.

+ Straßburg, 17. April. Wie man hört, soll
der vor Jahren ventilirte und wieder fallen gelaſſene
Plan, die Errichtung eines Palmgartens, nach dem
Muſter des Frankfurter doch, wenn auch in anderer
Form, realliſirt werden, da der Rentier H. Bilbarz
hier die Villa der Frau Jundt-Huſſon (am Ende
des Orangerierings gelegen) käuflich an ſich gebracht
und aus dem Complex von ca. 6 ha. einen Thier-
garten, ähnlich dem Frankfurter, verbunden mit
Restauration errichten will. der dem Publikum zu-
gängig gemacht werden soll. Palmgarten also nicht,
aber doch Thiergarten & la Franfutn.

* Kronau, 17. April. Gestern fiel das 2 Jahre
alte Kind des Landwirths Leit;bach von hier in eine
mit siedender Milch gefüllte Pfanne und erhielt da-
bei so entsetliche Brandwunden, daß es wenige
Stunden darauf starb. Die Mutter des Kindes
hatte die Milch auf den Herd geſtellt, ging in den
Stall und überließ das Kind der Aufsicht eines
10-jährigen Knaben. Als die Milch zu sieden an-
fing, ſprang letterer hinzu, sette die Pfanne mit
Milch auf den Boden und eilte in die Küche, um
ein Geschirr zu holen. Bis er zurück kam, war
das Unglück geschehen. |

Vermiſchtes. :

~ [Eigensinnige Ehegatten.] Ein Ehe-
paar in Ohio hatte vor Jahren einer Kleinigkeit
wegen Streit bekommen und Beide legten das Ge-
löbniß ab, nie wieder mit einander zu ſprechen, was
ſie auch bis vor einigen Abenden hielten. Da sich
jedoch die Frau, bereits über 60 Jahre alt, ihrem
Ende nahe glaubte, ſprach sie zum erſten Male
in 25 Jahren zu ihrem Manne, und zwar die
Worte: „Thomas ich fürchte, daß ich sterbe!“ Jetzt
befindet ſie fich auf dem Wege der Beſſerung, und
das alte Paar kost und ſchwatzt mit einander, wie
in seinen jungen Tagen. Im Uebrigen sollen die
sonderbaren Leute ganz gut miteinander ausgeko
men sein; nur sprechen wollten sie nicht miteinander.
Vielleicht, meint ein amerikaniſches Blatt, war letzteres
ttz): der Grund, weshalb sie so gut miteinander
auskamen. :

* [Sthltagfertig.] In „F. Z.! erzählt
Hieronymus Lorm folgende ,ſelbſterlebte“ Anekdote:
Der Besitzer eines Wiener Cafés nahm ſeinen Töch-
tern eine französische Gouvernante. Sein erwach-
sener Sohn, der mitunter auch zur Aushilfe !
Dienſt eines Aufwärters o ve:


 
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