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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 77 - No. 100 (1. April - 30. April)
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Heidelberger

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Expedition Brunnengafſe 24.
Me 91.

Deutſches Reich.

Berlin, 17. April. Der Kaiser arbeitete heute
mit dem Kriegsminister und dem Chef des Militär-
cabinetts und hatte Nachmittags eine längere Be-
ſprechung mit dem Reichskanzler Fürſten Bismarck.

Berlin, 17. April. Die Abreiſe des Kaisers,
der völlig wieder hergestellt iſt, war bisher beſtimmt
auf Samstag Abend feſtgeſetßt, wird aber nun nicht
vor Mitte der nächſten Woche erfolgen. Es liegt
die Vermuthung nahe, daß die Verschiebung auf
die Erkrankung der Kaiſerin zurückzuführen ist. —
Der Poſten des Gesandten der Vereinigten Staaten
in Berlin wird zunächſt, jedoch nicht für längere
Zeit, unbesetzt bleiben. Sargent ſoll bis zum Herbſte
einen Nachfolger erhalten.

München, 17. April. Der deutsche Geographen-
tag wurde heute durch eine Ansprache des Profeſſors
Ratel eröffnet, Prinz Ludwig übernimmt den Ehren-
vorsitz. :

§ eniſtadt, 17. April. Die Königin von Eng-
land iſt mit der Prinzessin Beatrice Vormittags
9!/, Uhr hier eingetroffen. Die Herrschaften wur-
den vom Großherzog und der großh. Familie im
Bahnhofe empfangen und in den Palast geleitet,
wo sie Wohnung nahmen.

: Breslau, 17. April. Die ,„Schles. Volksztg.““
berichtigt die von ihr über den Verzicht Ledochowski's
gebrachte Meldung dahin, daß der Verzicht einge-
reicht, vom Papste jedoch (vorerſt) nicht angenommen
worden sei. ;

f Rumiänien.

Bukarest, 16. April. Kronprinz Rudolf
von Deſterreich nebſt Gemahlin haben heute
früh 6 Uhr 12 Minuten den hiesigen Bahnhof ohne
Aufenthalt durchfahren und wurden von dem Publi-
kum, welches in großer Anzahl an der Bahn auf-
gestellt war, mit Hochrufen begrüßt. Um 8 Uhr
trafen die Herrſchaften in Smarda ein und wurden
t Igo pro Jetta Vt ter zou zuzeren
erfolgte im strengſten Incognito um 8 Ühr 40
Minuteu mit einem Sonderzug.

Die Frankeuburg.
Roman von Marie Romany.
(10. Fortſczung.)

Lieber wäre Madeleine bei den Seiltänzern ge-
blieben, denn ihre neue Herrin war so gefühl- und
herzlos, wie es ihre erste Pflegemutter gewesen war;
ſie hielt das an sich unschuldige Kind zu allerhand
Streichen an, als Spitbübereien und ähnlichen Un-
gehörigkeiten ; doch mußte sie sich zu ihrem Leidwesen
am Ende bequemen, da Madeleine fich bei dieſem
Gewerbe als eben so ungelehrig zeigte, das Kind
auf den Weg des Bettelns zu führen, auf welchem
der Unterhalt für sich und ihre Herrin zu verdienen
fie von jett an genöthigt ward.

Denvoch wäre Madeleine nicht verloren gewesen,
wenn sie, ſelbſt noch in den reiferen Jahren, das
Glück gehabt hätte, ein theilne)mendes Wesen zu
finden, welches sie auf dem ehrlichen Pfade der Ar-

beit und Rechtlichkeit unterwies; dieses Glück aber | +

ward ihr niemals besſcheert. Manches Jahr duldete
fie bei ihrer Herrin, und als sie endlich, der ſchlech-
ten Behandlung überdrüssig, entfloh, öffneten sich
ihr als einziges Asyl die offenen Straßen, wo sie
ihr Dasein in gewohnter Weise weiter führte, bettelnd,
serien verrichtend, so wie eben der Zufall es
mit sich brachte.

Als M ste.ne ſechszehn Jahre zählte, machte
ſie die Bekanntschaft eines Mannes Felix Griſon,
als Arbeiter in einem der vielen Schiffswerfte Genuas
bedienſtet, dem sie bald nachher nach Recht und
Sitte des Landes angetraut ward. Es war dies
das erſte Mal in ihrem Leben, daß Madeleine eine

Kirche betrat; zum ersten Male lernte sie etwas von





Heidelberger General-Anzeiger. tüte

Yerantwerilicher Nedakkeur Nhilipp Klausner,

igebla

é



Anzeigen
zeile oder deren Raum 5 Pfg.,
für auswärts 10 Pfg.

: die I1-ſpaltige Petit-

Expedition Brunnengafſſe 24.



Samſtag den 19. April

Serbien.

Der „Daily Telegraph“ veröffentlicht einen Brief
aus Belgrad, in welchem auf die koſtſpieligen Lieb-
habereien des Königs Milan hingewiesen wird.
Während er ſich einen prachtvollen Palaſt baue,
blieben die Straßen Velgrads in einem abscheulichen
Zustande; die Beleuchtung sei so primitiv wie vor
80 Jahren. Die Serben, meint der Briefschreiber,
machten Riefenfortſchritte, allein unglücklicherweise
fingen sie an dem unrechten Ende an; ſie hätten
einen koſtſpieligen König und eine große Armee, deren
Kosten allein in Betreff der Bekleidung außer allem
Verhältniß zu den budgetmäßigen Ausgaben ständen.
Außerdem würden die gewöhnlichſten Verbeſſerungen
in den Städten vollständig vernachlässigt. + Der
bevorſtehende Besuch des öſterreichiſchen Kronprinzen-
paares ſcheint dem Könige Milan einen erwünſchten

Anlaß geboten zu haben, neue und ziemlich über-
flüſsige Ausgaben zu machen.
Frantreich.

Paris, 17. April. Die Rede, welche Jules
Ferry in Perigueux gehalten, wird von allen Blättern,
mit Ausnahme der miniſteriellen, stark angegriffen.
Man findet es namentlich auffallend, daß Ferry nicht
von der dreijährigen Militärdienſtzeit, von der Finanz-
lage und den Absichten der Regierung in Bezug
auf China gesprochen und die Fragen, die gerade
jetzt jedermann beschäftigen berührt habe.

England.

London, 14. April. Mie Universität Edinburgh
tt tes qr tech ccf s
aller europäischen Universitäten zugegen sein werden.
Das Feſtprogramm umfaßt u. A. eine große Ver-
ſammlung in der United Presbyterian-Hall zur Be-
grüßung der fremden Gäſte, sowie ein Bankett in
der Drill-Hall, welchem mehrere 1000 Personen
anwohnen werden. Der brasilianiſche Gesandte,
Baron de Penedo und Profeſſor Louis Paſteur aus
Paris, eren den Tvaſt auf die Jubiläumsgäſte
beantworten.

London, 17. April. Harcourt hielt gestern in
Derby eine Rede, in welcher er erklärte, unvorher-

civilisirterem Leben ; und man darf hier nicht uner-

wähnt laſſen, daß sie über die kurze Zeit, welche
dieſes Glück währte, durch nichts zu irgend welchem
Aergerniß Veranlaſſung bot. Sie war ihrem Manne
in wahrhaft abgöttiſcher Liebe ergeben und befolgte
ſeine Gebote mit Pünttlichkeit; auch jetzt noch hätte
die gute Seite ihres Charakters den Sieg über alle
erlernten Sünden errungen, würde eben dieses Glück
von längerer Dauer gewesen sein.

Aber Felix Grisſon riß den Knoten entzwei.
Während der Arbeit war er mit einem Kameraden
in Wortwechsel gerathen, der ihn zu solcher Hitze
brachte, daß er das Meſſer zog; er floh zwar in
das nicht allzu ferne Gebirge, allein die Häſcher ge-
riethen auf seine Fährte und Grison wurde von den
Händen der Gerechtigkeit erfaßt.

Seit diesem Zeitpunkte nun zog Madeleine ruhe-
los umher. Es blieb ihr ja nichts mehr + ein-
sam, verlassen, verachtet, ihr Mann im Bagno! --
Sie durchirrte Italien, ihr Vaterland, die
Schweiz, bettelnd, ſtehlend, so wie die Gelegenheit
es erheiſchte; ſie kehrte während der Winterszeit in
den niedrigsten und verufenſsten Herbergen ein, im
Sommer übernachtete ſie in Höhlen oder auch im
Ve. lange Zeit ging hin, so war Madeleine
Griſon mit Vagabunden und Gesindel aller Art be-
kannt und vertraut, lernte die nur erdenklichsten
Streiche und sank tiefer und tiefer, je länger ſie
dieses Leben zu führen genöthigt war. Sie zählte
jett neunundvierzig Jahre, aber die Verhältniſſe,
unter denen ihr Leben dahingefloſen war, hatten



ihre Geſtalt jet schon zu einem Scheuſal gemacht.
Von alle dem träumte jetzt Madeleine, als sie,





| durch den Rauch ihrer Pfeife betäubt, an der Seite



1884.

gesehene Ereigniſſe hätten die Regierung verhindert
die engliſchen Truppen aus Egypten zurückzuzieen.
Was die Frage der Besſitznahme Egyptens anlanne.
ſo habe England nicht das Recht, Egypten für ich.
in Anspruch zu nehmen, da dort auch noch andere
Mächte Rechte hätten. Die dauernde Verwaltung
Egyptens durch England würde zu unausgesetzten
Verwickelungen mit den übrigen Mächten führen
und die Erhaltung eines Heeres in Egypten noth
wendig machen, deſſen Koſten die egyptiſche Regie
rung nicht tragen könne. + Ein Schreiben der
Königin aus Windſsorcaſtle vom 14. d. M. spricht
den Unterthanen aller Theile des Reiches den
wärmsten Dank für die der Königin und dr
Herzogin von Albany anläßlich des Todes des
Herzogs bewiesene Theilnahme aus. Die Königin
fügt hinzu, daß sie obwohl durch die ſchmerzlichn
Prüfungen der lettten Jahre sehr erschüttert, doch
nicht den Muth verlieren, vielmehr bemüht sein.
werde, ſo lange als möglich für das Wohl des
Landes zu arbeiten. Die Königin ſpricht der Herzogin.
von Albany ihre Anerkennung aus für die bewunde
rungswürdige Stärke, mit welcher sie den ſchweren
Schicksalsschlag getragen und dankt allen andern
Ländern für die bewiesene Theilnahme, insbesondere
dem Nachbarlande, wo der Herzog seinen letzten
Athemzug that. Rußland.

Petersburg, 16. April. Gestern Nachmittag
iſt die Königin von Griechenland hier eingetroffen.
Dieselbe war in Gatſchina von der Kaiſergardeeam
Bahnhofe empfangen und nach dem Palaſt geleitet.
worden, wo sie etwa eine Viertelstunde verweilte
ehe sie die Reise nach Petersburg fortſeßte.
Durch Hofansage ſind zum 20. d. die Hofſtaaten,
Staatswürdenträger, die Generalität, das Officiee.
corps und die Ädelsmarſchälle zu dem an Oſter- (
heiligenabend ſtattfindenden Gottesdienste geladen.

Türkei. .

Konstantinopel, 17. April. Die Yacht „Min
ramar““ mit dem Kronprinzen und der Kronprinzeſſn.
von Oesterreich lief in Begleitung der Yachten
„„Yzzedin“ und „Taurus“ heute bei prachtvollem
Wetter in den Bosporus ein. An der Mändung



















des Feuers eingeschlafen war. Die beiden Kinder,
ihr frugales Nachtmahl verzehrend, zogen sich in
die äußerſte Ecke des kleinen Raumes zurück; sie
hatten ja nicht einmal den Muth, einen Ton von
fich zu geben, aus Furcht, die Alte werde hierdurch
in der ihr so wohlthuenden Ruhe gestört.

Endlich aber - es war eine lange Weile ver-
gangen — neigte Bella sich flüſternd zum Ohre der
Schweſter und sagte geheimnißvoll: Sie ſchläft >
jetzt zeig' mir den Bater. E

Elsa steckte den Zeigefinger in ein taſchenähne +
liches Loch ihres Röckchens und zog die Hälfte eines
zerbrochenen Medaillons hervor; hierauf wendeten
es die Kinder dem Scheine des Feuers zu und be-
trachteten es lange mit ſichtlicher Verehrung.

Wo er wohl sein mag? meinte Bella. Ob er
wohl vit in der See ertrunken ist, wie die Alte

ns erzählt?
' Eiſa Hus die Achseln.

, I| er nicht hübſch ? fuhr die Andere fort.
Sieht er nicht gerade aus, wie die vornehmen Herren,
von denen die Alle spricht? Warum wohl Mama
immer weinte, wenn sie das Bild ansah ?

. Ich weiß nicht, erwiederte die Kleine, sie hat es
niemals gesagt.

Und das todte Bild liebkoſend und ſtreichelnd,
erhob sie es an ihre Lippen und drückte einen heißen
Kuß auf das Glas.

Gute Nacht, lieber Vater.

Auch Bella spitzte den roſigen Mund, :

Thue ihn weg, mahnte ſie wieder, denn wenn
fie aufwacht und das Bild bei uns findet...

Es war just an der Zeit. So eben ha
 
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