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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

DOI Kapitel:
No. 282 - No. 306 (2. Dezember - 31. Dezember)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44124#1195

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Heidelberger

Freitans,

Berantwortl. Redakteur Philipp Klausner in Heidelberg.

“rz! tägli < außer Montag. . ozeweztretn für
Ga tuts: Vicctul dt % lack hure Huelkingsgrbh.:



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Deutſches Reich.
Berlin, 9. Dez. Zwei große „Haupt- und
Staats-Actionen“ wird der Reichstag, bevor er ~

etwa am 18. ds. M. -> in die. Ferien geht, noch | 8

abzumachen haben: die zweite Berathung des Etats
des auswärtigen Amtes und den Nachtragsetat, in
welchem es ſich um Beſchaffung von Dampfſchiffen
u. s. w. für den Gouverneur von eKamerun han-
delt. Beide Anlässe werden zu Erörterungen über
die Kolonialvolitik führen und man sieht begreiflicher-
weiſe denselben mit äußerſter Spannung entgegen.
Drei Hauptziele verfolgte und verfolgt die Politik
Bismarcks : die Machtftellung des deutschen Reiches
in Europa, und hier iſt ihm das Möglichſte ge-

[lückt, die Socialreform, die er mit starker Hand

egonnen hat, und nun die Kolonialpolitik, in der
Weise und Richtung, wie er dies im Frühjahr in
der Kommission für die Dampfervorlage entwickelt
hat. Nun wird der Reichstag zu sprechen haben;
die Opposition wird aus der letten Wahlbewegung
eine Lehre gezogen haben und klug genug ſein,
Mittel und Wege zu suchen um sich, wie man ſagt,
„mit Anstand aus der Schlinge zu ziehen.“

Berlin, 9. Dez. An der weſstafrikaniſchen
Ktiſte ſoll eine ganze Reihe von portugiesischen und
anderen Kriegsſchiffen aufgefahren ſein; wie man
vermuthen will, wegen Vorbereitungen zu baldiger
ſchleuniger Besitzergreifung auf Grund der bevor-
ftehenden Conferenzbeſchlüſſe. Die ſchon mehrfach
erwähnte Verſtändigung zwischen den Mächten,
wenigstens nach dem Schluſſe der Conferenz, über
verſchiedene Oberhoheitsanſprüche am unteren
Congo würde namentlich auch der bezeichneten Ge-
fahr ungerechter und vorgreitender Besitzergreifung
möglichst vorbeugen können. ,

Berlin, 10. Dec. Kaiſer Wilhelm hat dem bis
herigen chinefiſchen Gesandten Li Fong Pao den
Kronen-Orden erſter Claſſe verliehen.

Heilbronn, 8. Dez. Auch die hiesige Handels-
kammer hat sich der „N.-Z.“ zufolge veranlaßt ge-
sehen, in einer Eingabe an den deutſchen Reichstag
ihre Genugthuung über die demſelben neuerdings
zugegangene Dampferſubventions - Vorlage auszu-

s

Schwarz-Elſe.

Roman aus dem Thüringischen von F. Klink.
(18. Fortsetzung.)

Sie richtete fich aus ihrer träumeriſchen Stellung
auf und ſah nach der Uhr. Ein Seufzer entging
ihren Lippen. Es war ſchon zu spät. Aber mor-
§ r gz tſte vos V ute. h < rs
gegenstände und legte das werthvolle Kollie in ein
"st : Sturm draußen ſchien sich noch gefteigert
zu haben, ſchwere Regentropfen schlugen gegen die
Fensterscheiben und der Wind fuhr heulend und
pfeifend um das Haus. Else fühlte fich ein wenig

eängstigt und fie dachte noch einmal daran, wenig-
ens die Dienerin zu rufen. Aber ihr gutes Herz
fiegte! + mochte das Mädchen schlafen.

In demſelben Augenblick, als fie das Licht
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Blut gerann ihr in den Adern. bei: wollte einen
bztitth! zusfsbes. aber das Wort erftarb ihr auf

Leichenblaß, zitternd stand sie da und vor ihr
kniete Freiherr jFelix von Dragoon, beide Hände
flehend zu ihr emporgehoben. Noch einmal öffnete
fie den Mund zu einem lauten hct .us thres
Nu LGS U cs flüsterte er mit
mühſam verhaltener Leidenſchaft. „Ich konnte Sie
nicht fortziehen laſſen! Sie ſollen hören, wie ich
Sie liebe, wie ich bereit bin, mein Leben für Sie





X 292. hectiz»)yz{!vl:!! für die Bezirke Heidelberg, Weinheim,
z: ach, Ueciarbiſchofsheim, Eberbach, Buchen, Walldürn,



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(General-Anzeiger.)

sprechen, und ebenso die Hoffnung und den dringen-
den Wunsch, sie diesmal mit großer Majorität von
ihm angenommen zu ſehen. Auch wurde auf die
anz speciellen Intereſſen von Süddeutſchland im
Gegensatz zu denen Norddeutschlands bei Feststellung
der von den deutschen Poſtdampfern anzulaufenden
Seehäfen aufmerkſam gemacht und um deren Be-
rücksichtigung gebeten. Der Herr Reichstagsabge-
ordnete Härle iſt um Unterstützung dieſer Eingabe

erſucht worden.
j Frantktreich.
Paris, 9. Dez. Die französische Deputirten-
kammer hat gestern den früher von ihr angenom-
menen Antrag Floquets, wonach der Senat aus
dem allgemeinen Stimmrecht hervorgehen ſollte, mit
380 gegen 227 Stimmen verworfen und sodann
das ganze Geſetß über die Senatswahl mit 384
gegen 174 Stimmen angenommen. Also auch in
dieſem Streite mit der radikalen Opposition iſt Herr
Ferry als Sieger hervorgegangen. Es iſt wieder-
um die Stellung der Kabinetsfrage, welche den Aus-
schlag gegeben hat und welche ihn für die nächste
Zukunft in ähnlichen Fällen immer wieder geben
mtißte. Die Kammermajorität wie sie gegenwärtig
iſt, kann ohne das Ministerium Ferry ebenſowenig
leben, als dieſes Kabinet ohne die jebige Mehrheit.
Paris, 10. Dez. Das Blatt „Paris“ ſchreibt :
Die „Rundſchau für geographische Forschungen“
meldet, die Handelsgeſellſchaft Raboud-Vazen in
Marseille habe das Gebiet Scheich-Said für 4
Millionen an ein deutsches has abgetreten. Leider
ist die Nachricht wahr. Im Norden hält England
in Port Said den Eingang des Suezkanals beſsett,
im Stiden sperrt nun Deutſchland die Straße Ba-
le-Mandeb. Unser Verkehr mit dem indischen Ocean
iſt ſomit gänzlich dem Belieben Englands und
Deutschlands preisgegeben. Wem die Schwere der
Verantwortlichkeit hierfür zur Laſt fällt, wiſſen wir
nicht.“ (Die Bestätigung dieser sonderbaren Mel-
dung bleibt abzuwarten.)
England.
London, 9. Dec. Die sogenannten „Seekanni-
halen“ Dudley und Stephens, welche auf der

zu laſſen, um Sie aus den Händen eines Unwür-
digen zu befreien, der den Besitz eines Engels, wie
Sie, nicht verdient. Werden Sie “

Schwarz-Else stand hoch aufgerichtet da.. Jever
Blutstropfen war aus ihrem Gesicht gewichen, müh-
sam rang sie nach Athem. Ihre Gedanken verwirr-
ten sich, es brauſte vor ihren Ohren, aber Eins
t fie, sie durfte die Worte dieses Elenden nicht
anhören. .

„Hinaus, Freiherr von Dragoon! Sie miß-
brauchen das Gaſtrecht, das Ihnen in diesem Hauſe
so freigebig gewährt ward! Hinaus, wiederhole ich
Ihnen, oder ich rufe um Hülfe!“ kam es zorn-
bebend über ihre Lippen.

„Rufen Sie doch um Hülfe!“ stieß er, ſeiner
Sinne nicht mächtig, hervor, „Rufen Sie um
Hülfe und kompromittiren Sie den Namen Ihres
Gemahls! Rufen Sie um Hülfe und zwingen Sie
ihm ein Duell auf, aus welchem — ich ſchwöre es
Ihnen! — nur einer von uns Beiden lebend her-
vorgehen wird.“

Sie hörte das Alles, Wort für Wort. Grauſen
und Entsetzen erfaßte sie, aber ſie dachte an Kurt
ſie wußtr, daß ihm seine Ehre mehr galt als
sein Leben, und ſie fühlte, daß es eine Schmach
für sie sein werde, nur noch eine Sekunde länger
mit dieſem Manne allein zu sein.

Mochte der Himmel fich ihrer erbarmen!

Sie floh der Thüre zu, und ehe Freiherr von
Dragoon sich von seinem Entsetzen erholt hatte, denn
einen solchen Wahnsinn hatte er nicht für möglich
gthgue. h Ft er gts Fe

Scwehiugen, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Mos-
Idelsheim, Tauberbiſchofsheim & Wertheim.









12. Dezember



Druck und Verlag von Wurm & Pfeffer in Heidelberg.

Expedition Brunnengaſſse 24.

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' 18808 |
„Mignonette‘“ den S Hiffsjungen töteten und ver-
zehrten, sind heute vom Lord Oberrichter zum Tode
verurtheilt worden. Als Hauptgrund zu diesem

Urtheil wurde geltend gemacht : „Wenn der Hunger . .

nicht einmal Diebſtahl gestattet, wie ſoll er einer: G

Mord entschuldigen ?“” Doch sind die Verurtheilen.

der Gnade der Königin empfohlen worden. ft
Oesterreich-Nugarn.

Wien, 10. Dez. Heute Morgen herrschte hier
ein heftiger Sturmwind, der in Wien und Umge-
bung an Häuſern und Anlagen große Verwüſtungen
anrichtete. Drei Personen wurden von der Gewalt
des Sturmes gegen Häuſer geſchleudert und schwer
verlezgt. Auf der Aspergbahn wurden die vier
letzten Waggons des Oedenburger Zuges abgeriſſen_
und über den Damm geschleudert, wobei 3 Paſſa-

giere und 1 Condukteur schwer verletzt wurden. Es .

heißt, daß der correſpondirende Zug Oedenburg-

Wien von einem ähnlichen Schicksal betroffen ww.

den ſei.

Wien, 9. Dez. Die „,„Preſſe“ meldet: Das

zweite Geleiſe des Arlberg-Tunnels wird noeß in

dieſem Monat dem Verkehr übergeben werden.

Deutſcher Reichstag.

Berlin, 10. Dec. Das Haus erledigte die
Anträge der Wahlkommission, betr. die Zuſammen-
setzung derſelben und die Erledigung der Geſchäfte
in der gegenwärtigen Tagung nach den Anträgen.
der Geſchäftskommission. Reichenſperger begründet



den Antrag auf Wiederherſtellung der Berufung in U

Strafsachen. Siaatssekretär Schelling erklärt, der
Reichskanzler sei eben im Begriff, die Bunden.
tégictnngen yr Aries yz tber. qugyfordert-
M
des Strafprozeſſes ſollten revidirt werdeu. Zu den
Einzelheiten der Anträge könne die Regierung heute
nicht Stellung nehmen; die Tendenz der Anträge.
sei ihr sympathisch. v. Buol, Hartmam und

Marquardſen sprechen für die Kommissionsberathug

der Anträge Munckel und Reichenſpergee. Dien.
Debatte wird morgen fortgesett.

„Kurt! Kurt!“ kam es gellend von ihren Lippen.
z brach sie bewußtlos auf der Schwelle zu-
ammen. .
Baron von Eßlingen hatte noch einige Briefe +:
geschrieben und nur diesem Umstand war es zu
danken, daß er noch wach war. Als er dn
Hülferuf seiner Frau hörte, war er eben im Be-
griff, ſich in sein Schlafzimmer zurtickzuziehen. Er.
nahm den Armleuchter und riß die Thür auf. Mitte
einem Blick üiberſchaute er die Situation. Vor ihn
lag Else, einige Schritte zurück auf dem Gang
stand Freiherr von Dragoon.
„Elender!“ kam es ziſchend von Kurt's Lippen.
„Dafür ſollſt Du mir Rechenschaft geben !“ .
Der Freiherr hatte nicht an die Möglichkeit ge
dacht, daß Baron von Eßlingen noch wach sein
könne, und war der jungen Frau vielleicht noch in
der unbeſtimmten Absicht gefolgt, ſie zum Schweigen
zu bringen. Nun zog er es vor, das Weite zu
ſuchen. Mit den Raumverhältniſſen des Hauſes-
genau bekannt, war er entkommen, ehe Kurt's
ſtrafende Hand ihn erreichen konnte. Dieſer nahm
ſich auch nicht einmal die Mühe eiter Verfolgung;
der Elende würde ſeiner Rache nicht entgehen. .
Nun stand er da und ſschaute auf' Elle
finsteren Blickes. Kein Mitleid regte sich in ihm.
So weit hatte ſie ihn gebracht! Er dachte nicht.
einen Augenblick daran,. daß sie schuldig sein könne,
o Y
Sie war nicht ſchuldig.

„Gottlob!“ kam es jett über ſeine Lippen. Die ;

Wolken schwanden von seiner Stirn und er beugte

ſich zu ihr nieder, indem er fie aufzuheben versuchte.


 
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