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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 77 - No. 100 (1. April - 30. April)
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bezogen viertelj. 1 Mk. 40 Pfg.

Erſcheint täglich außer Montag.
Abonnemen t s preis
für Heidelberg: monatlich 45 Pfg.
mit Trägerloÿn, durch die Poſt

Expedition Brunnengaſſe 24.

Heidelberger Tageblatt

Verantwortlicher Redakteur Philipp Klausner.

Anzeigen: die I-ſpaltige Petit-
zeile oder deren Raum 5 Pfg.,
für auswärts 10 Pfg.

Rabattbewilligung.

Heidelberger General-Anzeiger.

Expedition Brunnengafſſe 24.



M 77.

: Bestellungen auf das „Heidel-
, . Tageblatt“ für das

I]. Quartal 1884

nehmen alle Poſtanſtalten und Landbriefträger ent-

gegen. Preis viertelj. bei der Poſt abgeholt 1 Mk.,

durch die Poſt frei in's Haus gebracht 1 Mk. 40 Pf.,
in Heidelberg koſtet dasselbe monatlich 45 Pf.



Deutſehes Reiche.
Karlsruhe, 28. März. Die Kammern be-

ginnen zu Ende nächſter Woche ihre Oſterferien,
" welche etwa 14 Tage dauern. In der Zwischen-

zeit hofft man genügenden Arbeitsstoff zur regel-

mäßigen Fortführung der Sitzungen vorbereiten zu

können, und es würde damit der wichtigste Theil
des Landtags, d. h. die Erledigung der noch aus-

ſtehenden Geſetzesvorlagen und zugleich der Schluß
der Secesſion in verhältnißmäßig kurzer Zeit gesichert
ein. Daß eine Vertagung bis zum Herbst nicht
ſtattfindet, wird in den Reihen der Abgeordneten

als feſtſtehend angeſehen und Joll sich auch die Re-

gierung hierüber bereits beſtimmt ausgesprochen

haben. + Die erste Kammer hatte heute noch einen

großen Budgetſtoff zu bewältigen. Bei dem Titel
Volksſchule brachte Prälat Doll den obligatorischen
Veſsuch der Chriſtenlehre für die Fortbildungsschüler
zur Sprache. Er hält einen ſolchen Zwang, wenig-

ſtens ſoweit es die proteſtantiſche Kirche anlangt, in
den Städten für nöthiger als auf dem Lande, wo

ich die Zuſtände in dieſer Beziehung weſentlich ge-

beſſert haben. Hauptsache für die Kirche sei es,
auf dieſem ganzen Gebiete des religiösen Unterrichts,

daß sie nicht vom Staat in die falsche Stellung ge-

drängt werde, als habe sie ausſchließlich für ſich
eine Gunst oder einen Zwang zu erbitten. Alle
ihre Wünſche seien in erſter Reihe auch im Interesſe

des Staates und der Bevölkerung selbst geſstellt.

inen intereſſanten Theil der Sitzung bildete die
Erörterung des Budgets der Universitäten, welches

durch die Dreizahl unserer Hochſchulen für ein

Tlleineres Land relativ bedeutend ist. Allein keine

Stimme in der Kammer erhob sich gegen den Etat

vder gar für das Fallenlassen eines dieſer bewährten

Die heimliche Ehe.

Eine wahre Criminalgeschichte.



?: Foxtſehzuitq.
Dieſes bemerkend, fühlte ich, daß ich mich

| ſammeln mußte, um, war es Agnes + nicht in-
diskret - war sie es aber nicht, nicht lächerlich zu

trihzut qm alle die Ueberlegung zuſammen, um

der nun an dem Theetiſch Plat nehmenden Dame
cine Artigkeit zu sagen, die, in etwas wenigstens,
mein voriges Benehmen vergeſſen machen ſollte.

Ich nahm auf ihre Einladung an ihrer Seite
Platz und erzählte von meinen Reisen, meinem Auf-

œenthalt in Italien und der Schweiz. Sie hörte mich
y mit Aufmerksamkeit an.

So ſehr ich mich aber auch bemühte, Agnes v.

Lindau zu vergesſen, und einzig und allein Madame
Dupre vor mir zu ſehen, so stockte ich dennoch oft
_ im Fluß meiner Rede, denn immer drängte ſich mir
die Erinnerung an N. und die dort erlebten Er-
| iluorGenpciets icke sh tr nr ricljciet
zeugung, daß Agnes von Lindau und Madame
Dupre eine und diesſelbe Person dei.

Nach ungefähr einer Stunde verließ die Gattin
meines gaſtfreien Wirthes das Zimmer, um wie
Ee Fots noch einige häusliche Einrichtungen zu
reffen.

Als wir allein waren, rückté Herr Dupre mir
näher, und sagte : „Das Erstaunen, das bei meiner
Gattin Anblick Zhre Zunge feſſelte, Jhr wirkliches
Erschrecken, als sie Ihnen nahete, drängt mir den





t Dienſtag, den 1. April

und berühmten Institute. Geh. Hofrath v. Holſt
und Geh. Rath Schultze traten warm für Freiburg
und Heidelberg ein und beleuchteten in lebensvoller
Rede den geistigen, aber auch den materiellen Segen,
welcher von dem Centralpunkt einer Hochſchule aus-
strömt. Ihren Standpunkt theilte Präſident Nottk,
welcher auch mit Ziffern nachwies, daß der Auf-
wand für unsere Hochſchulen im Verhältniß zum
Gesammtaufwand des Staats, namentlich im ordent-
lichen Etat doch nur ein mäßiger zu nennen iſt.
Speciell für Freiburg erwartet man noch eine be-
deutende Steigerung der Studirenden der katholischen
Theologie, deren Zahl jett 63 beträgt, auf etwa
160 in den nächsten Jahren. ;

Berlin, 29. März. Die , Nordd. Allg. Ztg.“
ſagt bezüglich des Antrag Singer, wonach die Ber-
liner Stadtverordneten wegen Vermehrung der Ab-
geordneten Berlins zum Reichstage und zum Land-
tage petitioniren ſollen, die Stadtverordnetenver-
sammlung würde offenbar ihre Befugniſſe über-
schreiten, wenn ſie in die Berathung dieses Antrags
eintreten wollte, da sie nach der Städteordnung sich
aus eigener Jnitiative nur mit Gemeindeangelegen-
heiten als solchen zu befaſſen habe. Die „Nordd.
Allg. Ztg.“ hört, daß der Oberpräſident Achenbach
Maßregeln getroffen habe, um jedem Versuche, über
den Antrag zu verhandeln, entgegenzutreten.

Berlin, 29. März. Die Unfallversiche-
rungs-Kommiſsion nahm heute den Antrag Buhl
und Genossen an, welcher die Versicherung auf Bau-
arbeiter, ſowie auf Betriebe, in denen Exploſivſtoffe
gewerbsmäßig erzeugt oder verwendet werden, aus-
dehnt. Die Ausdehnung der Versicherung auf land-
und forstwirthschaftliche Arbeiter wurde abgelehnt.

Berlin, 29. März. Fürſt Orloff iſt heute
Abend in Begleitung des Botſchaftsraths Murawieff
über Brüſſel nach Paris abgereiſt.

München, 29. März. Der Finanzausschuß hat
dcs Postulat für die Hafenanlagen in Ludwigs-
hafen nach dem Antrag des Herrn Abgeordneten
Dr. A. Clemm einstimmig gut geheißen.

Darmstadt, 29. März. In Folge des Todes des
Herzogs von Albany ist die Hochzeit der Prinzessin

| Glauben auf, daß Sie meine Frau schon früher

einmal sahen.“

Was ſollte ich nun antworten? Sollte ich sagen :
„Ja! allerdings iſt das der Fall. Ich habe Ihre
Frau Gemahlin in N. gesehen, in dem Augenblick,
da man ihr das Urtheil vorlas, das sie, die eine
Kindesmörderin, zum Tode verurtheilte ?“

Das konnte ich doch ganz unmöglich; ſollte ich
es geradezu läugnen, daß ich sie ſchon jemals
in meinem Leben ſah? Das ging eben ſo
wenig an.

Mit ungleich ſchwankenderer Stimme, wie jene
war, mit der Agnes damals vor ihren Richtern
ſprach - ſtammelte ich nun etwas, von der Aehn-
lichkeit seiner Frau mit einer Dame, die ich früher
kannte — ſetzte aber gleich hinzu, daß ich mich auch
wohl irren könne, daß > kurz ich weiß ſelbſt
tu was ich ich für verworrenes Zeug hervor-
rachte.

Herr Dupre schien ſich an meiner Verlegenheit | s

zu weiden; denn es fiel ihm gar nicht ein, ſsich
meiner zu erbarmen, und auch nur ein Wörtchen
zu erwiedern. So stieg meine Angst immer höher,
so redete ich des Unsinns immer mehr.

Nach einer Weile erſt, in der ich wie auf der
Folter war, hob er mit unterdrücktem Lächeln an:
„Es iſt recht lieblos von mir, daß ich Ihrem Ge-
dächtniß ſo Vieles zumuthe, Ich werde Ihnen den
Ort nennen, wo Sie in früherer Zeit meine Frau
können gesehen haben, vielleicht erinnern Sie ſich
ihrer dann genauer. War es nicht in N.?“

Vie ein elektriſcher Funke traf mich das Wort.
Ich war nicht fähig, ihm eine Silbe zu erwiedern.

„Sehen Sie,“ fuhr er fort, „ich habe es ge- | -

EFT





1884.

Victoria und des Prinzen von Battenberg verschoben

und Hoftrauer bis "w 25. April angeordnet.
ngland.

London, 29. März. Der Prinz von Wales
reiſt heute Abend nach Cannes ab, um die Leiche
des Herzogs von Albany abzuholen.

London, 29. März. Sämmtliche Morgenzeitungen
erscheinen mit Trauerrand und enthalten Artikel,
welche die Verdienſte des verſtorbenen Herzogs
von Albany hervorheben. Sie drücken das tiefste
Bedauern über seinen Tod und ihre Sympathie für
die Königin und die königliche Familie aus. Ein

Telegramm der „Times“ aus Cannes von geſten

meldet: Der Herzog fiel beim Treppensteigen im
„Cercle nautique“ und verletzte ſich das Knie. Er

wurde nach Hauſe und zu Bette gebracht. Schmerzen.

empfand er nicht. Er soupirte, worauf er einſchlief.

Der Arzt, welcher in demſelben Zimmer schlie, .

wurde um 2!/, Uhr Morgens durch ſchweres Athem-
holen des Herzogs geweckt und fand ihn in einem
Krampfanfall liegend. Der Tod erfolgtc 6 Minuten
später. Die Todesursache iſt muthmaßlich Bluter-
gießung in das Gehirn.

London, 29. März. Für Hof, Heer und Ma-
rine iſt Trauer vom 30. März bis 11. Mai und
allgemeine Landestrauer von drei Wochen iſt vom
30. März ab angeordnet worden.

Italien.

Rom, 27. März. In dem heutigen Konsiſto-

rinm verlieh der Papſt dem Erzbischof von Neapel

die Kardinalsinsignien, präkonisſirte verschiedene Bin :

ſchöfe, namentlich Frankreichs und Spaniens. Eine
Allokution wurde vom Papſte nicht abgehalten. Die

im Konsiſtorium am vorigen Montag abgehalten.
Allokution war ausschließlich dem Lobe der be inn.

neuernannten Kardinäle gewidmet.

Rom, 29. März. Gelegentlich der Erneuerung .

der beiden neuen Kardinälen erinnerte der Papfſt
an seine bei jedem neuen Angriff auf die Rechte
des Papſtthums formulirten Proteſte, er ſagte, man

schreite auf der Bahn dieser Angriffe vorwärts unn

ſuche durch alle erdenklichen Mittel, sich im Besitze

Roms zu befestigen. Er verurtheile Alles, vas um

troffen, Ja! ja! in N. oder vielmehr in der Ge-
gend bei N. lebte früher meine Gattin. Sie iſt
die Tochter eines dortigen Gutsbesitzers, eines Herrn
von fs wirklich, wirklich war es Agnes! „Ich, ich

hatte die Ehre,“ würgte ich endlich mühſam hen.

aus, „Ihre Frau Gemahlin ſchon einmal zu ſehen.

Bei einer Durchreiſe durch N. + es sind nun beirn § ;

nahe zwei Jahre

„So ?“ sagte Dupre ohne alle Ueberraſchun.

„ſo haben Sie ja wohl von ihrer Unterſuchungs-
sache gehört, wo man ihr ein Verbrechen andichtete,
von dem ihr reiner Engelsſinn nichts wußte, wo

man sie dem Beile des Henkers überliefert hätte.

wenn nicht ein Zufall, doch“, sette er plötzlich sehr

ernst, oder vielmehr feierlich hinzu, „doch wie lian.

ich Frevler es Zufall nennen, was das weiße Wal-
ten Unseres Schöpfers war, deſſen Gerechtigkeit es
nicht zugeben konnte, daß unschuldiges Blut vergoſ-
en wurde. O! ich Undankbarer! wie konnte ich
mich so ſchwer verſündigen? Nein! fuhr er mit

immer mehr zunehmender Rührung fort, „nenn. :

nicht Zufall! Dein Werk war es, Allmächtiger ! das

mein armes Weib vom gewissen Tode erettete.“
Thränen traten in dieſem Augenblick in Dupres

Augen, er sprang auf, und stellte ſich mit gefalte-

ten Händen in ein Fenſter, wo er mehrere Minuten.

in frommer Andacht still zu beten ſchien.

Auch ich war tief bewegt. Großer Gott! wie i

. §f möglich, daß Agnes konnte gerettet
werden?

(Forſezung folgt.) :




 
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