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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 256 - No. 281 (1. November - 30. November)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44124#1143

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erantwortl. Redakteur Philipp Klausner in Heidelberg.

kzſhéint täglich außer Montag. Abonnementspreis für
eidelberg: monatlich 45 Pfg. mit Trägerlohn, zur hie
oſt bezogen vierteljährl. 1 Mark ohne Zuſteüungsgebühr.



((





28. November

Druck und Verlag von Wurm & Pfeff er in Heidelberenn.
Expedition Brunnengaſſse 24.







.

P Beste llungen auf das „Heidez-
§ berger Tageblatt“ für den Monat
. Dezember

zum Preise von 47 H frei ins Haus werden von allen
Peoſtanstalten und Landbriefträgern angenommen. Bei
ungern Trägern und Trägerinnen hier und nächſte Um-
§ ßebung für monatlich 45 H. Zurechtzahlreichen Beſtel-
lungen ladet ergebenſt en. Die Expedition.

Deutſches Reiche.
§ Berlin, 26. Nov. (Reichstag.) Der Reichstag
_ nahm den Antrag an, die gegen den Abgeordneten
Heine ſchwebenden zwei Strafverfahren zu ſiſtiren.
_ In der erſten Berathung des Antrags Ausfeld, betr.
Diätengewährung, führt Stauffenberg aus, die Diä-
î tenloſigkeit verſchließe den Sozialiſten nicht den
Reichstagssaal, sondern ſchädige nur den Mittelstand,
Hus welchem fich ſchwer Kandidaten sinden ließen;
Jdleichzeitig erhebt Stauffenberg gegen die Beſchrän-
_ kung der Eiſenbahnfahrtkarten etatsrechtliche Bedenken
_ Bismarck tritt in das Haus.) Zum Däätenantrag
î bemerkt Bismarck: Nicht in der Verſagung, ſondern
in der Gewährung der Diäten erblicke er die Her-
Absetzung des Reichstags. Bezüglich der Beſchrän-
_ kung der Eiſenbahn-Fahrtkarten hebt der Kanzler
die vorgekommenen Mißbräuche hervor, welche gegen
die Abficht der Gewährung verstoßen. Von einer
Verletzung des Budgetrechts könne bei Beſchränkung
_ der Fahrkkarten keine Rede ſein. Die Diätenloſig-
Hdeit sei ein Korrelat des Wahlſyſtems; die Reichs-
î verfaſſung beruheFsauf einem Kompromiß unter den
Regierungen. Man ſJolle deshalb nicht alljährlich
_ an der Verfaſſung rütteln. Schorlemer-Alſt erklärt,
das Centrum werde für den Antrag stimmen. Benda
erklärt, die Nationalliberalen werden getrennt stim-
_ men. Gegenüber Hänel, der in zweiter Leſung für
den Diätenantrag eintritt, bemerkt Bismarck, die
î Ausschließung der Berufsparlamentarier sei ein Vor-
ctheil, dadurch würden die übermäßig langen Seſ-
. fionen abgekürzt. Das Land habe ein Intereſſe an
urzen Sessionen. Einzelne Parteien kämpften um
die Herrſchaft; 157 seien für Kaiser und Reich, 100

î Schwargz-Elle.

. Roman aus dem Thüringiſchen von F. Klink.
(7. Fortjesung .)
".,. . Deittes Kgpitel

. Abermals waren Wochen dahingeſchwunden und
Decemberſchnee hüllte Berg und Thal, Flur und
Wald ein. Die Mühle lag im Winterschlaf, denn
elbſt die Saale war zugefroren, ein ſeltener Fall,
und die Bewohner der nächſten Stadt kamen auf
Schlittſchuhen nach der Dorfschenke, um in dem







Kaffees oder sonst Etwas zu genießen.

_ Else war eine ausgezeichnete Schlittſchuhläuferin.
_ Sie bezeigte aber in diesem Jahre durchaus keine
Luſt, durch ihre Kunstfertigkeit und ihre graziöſen
egungen Anderer Augen zu erfreuen. Aber eines
ages hatte ihr Vater fie doch bestimmt, ein Stünd-
chen dieser gesunden Bewegung zu opfern, und sie
miſchte ſich unter die fröhliche jugendliche Schaar,
die fich unweit der Herrenmühle auf den Wiesen
lummnelte. Sie hatte gehört, wie der Verwalter
Normann am Morgen zu dem Vater ſagte, daß der
Varon auf einige Tage nach Berlin gereiſt sei. Es










hahe den Anschein, als ob es ihm schwer werde,
dieses Leben fortzuſezen, und Normann war der An-
ficht, Baron von Eßlingen werde ſchließlich doch
| UL Apt pet e zere it lezte geit fu

. Wann Else auf's Eis ging, ſo that fie es aus-
ſchließlich dem Vater zur !Liebe. Sie ſelbſt hatte
fich seit kurzer Zeit sehr verändert und der Müller

engen verräucherten Raum eine Taſſe ſchlechten |



Yerkündiguugsblatt ſür die Hezirke Heidelberg, Weinheim, Swehingen, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Mos-
bach, Neckarbiſcholsheim, Eberbach, Buchen, Walldüru, Adelsheim, Tauberbiſchoſsßheim & Werthim..



für die Herrſchaft der Kirche; Freiſinnige, Sozia-
liſten und Volksparteiler halte er in seinem Inner-
sten für Republikaner. Wir haben also gegen uns
eine große Majorität. Seine frühere Beſorgniß, daß
der Einheit Deutſchlands durch die Regierungen ein-
mal! Gefahr drohen könne, habe sich als unbegründet
erwieſen, dagegen habe er in den letten 10 Jahren
keinen Reichstag gesehen, der ein nationales Band
genannt werd.n könnte. j

Berlin, 24. Nov. Der berühmte englische
Africaforſcher Stanley gehört augenblicklich zu den
gefeiertſten Männern der Reichshauptstadt. Heute
fand ein Feſteſſen ihm und den wiſſenschaftlichen
Mitgliedern der Congo - Conferenz zu Ehren ſtatt,
an welchem Etwa 300 Personen theilnahmen. Pro-
feſſor Beyrich brachte den Trinkſucht auf den Kaiser
aus. Der italieniſche Botſchafter Ritter v. Negri
hob in seiner in deutſcher Sprache gehaltenen Tiſch-
rede die Bedeutung Deutschlands für die Wiſſen-
ſchaft hervor und gedachte besonders Alexander tv.
Humboldts. Des Redner erklärte unter großem
Beifall seinen Landsleuten sagen zu wollen, daß
Deutschland jezt wie in jenem antiken Kunſtwerke
unter Vorantritt eines Herkules den Musen den
Weg bahne, Coello toaſtete auf die deutſchen Afri-
kaforſcher, Baſtian auf Stanley erzählte, wie. er
dazu gekommen, Livingstone aufzuſuchen, und ſprach

tber die Aufnahme der Erſten Kunde seiner Ent-

deckungen, sowie über die' Zukunft Afrikas, welche
dem Criäenthum und ſeiner Civilisation vorbehalten
sein. Profeſſor Dr. Virchow brachte ſeinen Trink-
spruch aus auf Mantegazza, dieser auf die Ver-

bùündung zwiſchen Politik und Wiſſenſchaft. Das

Festeſſen verlief in der gehobenſten Stimmung und
gab Zeugniß von der Verbrüderung, welche die
iſezſchoft zwischen den verschiedenen Nationen
ewirkt. (s

Berlin, 25. Nov. Wie die „Nordd. Allg. Ztg.,,
erfährt, sind die auf Beraubung der deutschen Kutter
„Diedrich“ und „Anna“ bezüiglichen Documente Sei-

tens des britiſchen Auswärtigen Amtes dem öffent-

lichen Ankläger übergeben worden, damit gegen die
engliſchen Schiffer, welche an der Beraubung theil-

betrachtete sie mit Besorgniß. Ihr frohes, lachendes
Kinderantlit, hatte einen Theil seines Zaubers ein-
gebüßt, denn die Fröhlichkeit entſprang nicht mehr
einem glücklichen, übervollen Herzen, sondern die kalte
Wirklichkeit erfaßte sie mit rauhem Griff und zer-
störte den köſtlichen Blüthenteaee.

Else fühlte sich auch heute bald ermüdet und
dachte daran, ſchon nach Hauſe zurtickzukehren. Da
plötlich sah sie unter den Bäumen eine bekannte
Gestalt auftauchen. Nur mit Mühe unterdrückte sie
den Schreckensruf, der fich auf ihre Lippen drängte

~ nicht zehn Schritte von ihr entfernt ſtand Kurt

von Eßlingen in seiner Huſarenuniform.
Nun dachte sie nicht mehr daran, den Tummel-

platz zu verlaſſen. Der Stolz regte sich in ihr. | ~

Er sollte nicht denken, daß sie etwa eine Begegnung
mit ihm fürchtete, und fie fürchtete eine ſolche in
der That nicht. ; "..
Gleich darauf flog sie dahin, zierlich und graziös
in allen ihren Bewegungen und heute noch schöner
als je zuvor. Sie trug ein [dunkles mit Pelz |be-
setttes Coſtim und einen kleinen, koketten Hut, unter
welchem sich das krauſige Haar üppig hervordrängte,
die roſige Wange umſpielend. ; ;

îHVBaron von Eßlingen war ihr auf dem Fuße

hit nicht minder tüchtiger Schlittschuhläufer,

wie in allen körperlichen Bewegungen geübt, befand

er ſich alsbald an ihrer Seite. Sie ſah nicht auf,
fühlte aber instinktiv, daß er ihr nahe war, und

nun erfaßte sie doch eine Unruhe, die zu bekämpfen
sie vergebens bemüht war. Wenn er nach der
Mühle gekommen wäre, würde sie seinen Beſuch





1884.

genommen, das Strafverfahren sofort eingeleitet.

werden könne. .
Darnmſſtadt, 25. Nov. Heute Vormittag 11 Uu

wurde der 25. Landtag vom Großherzog im Residenz





ſchloſſe feierlich eröffnet. Die Thronrede erwähnt.

namentlich die Geseßesvorlagen über die Erhebung

der Gemeindeumlagen, die Zuſammenleuung de
Grundstücke, die Erhöhung und Verstärkung de
Landdämme, die Einrichtung einer Eentral-Strafn..

anstalt, ſowie von Kliniken und mediciniſchen An-

stalten der Landesuniversität, schließlich eine mäßige

Herabsetzung des Steueraufsſchlags bei allen Gattungen.

von Steuerkapitalien. ü
îMainz, 26. Nov. Der Rhein hat nunmehr

den niedrigſten Stand in dieſem Jahrhundert er-

reicht; der Brückenpegel zeigt nur noch 8 Centineter

Wasſſer. . Bei noch weiterem Fallen iſt die naſſauiſhe.

Staatsbahn gezwungen, den Trajektbetrieb für Güter

zwischen hier und Kaſtel einzustellen. Der Schiffen.
verkehr zwiſchen Rüdesheim und Bingen ist ſhen.
seit einigen Tagen eingeſtelt. Seit heute Morten.

bringt der Main Treibeis, so daß es mit der Schiffe.
fahrt jeßt ganz am Ende ist, ..

Frankreich.

Paris, 26. Nov. Die Kammer sette die Be.
rathung der Tonkingvorlage fort. Biſchof Frepphbh.
vertheidigte die Politik der kolonialen Ausbreiunn.
mit dem Betrnerken, daß Frankreich als Seemalt.
und zivilſirende Nation Kolonien haben müſſe. De.
Eroberung Tonkings verdiene die verlangten Opfe.
Delaforge führte aus, die chinesſiſche Frage sei nicht_

das Blut eines einzigen franzöſiſchen Soldaten werthh .

man dürfe nicht an eine Kolonialpolitik denken, so
lange Frankreich nicht Elſaß-Lothringen wiederhaen.
Graned und Andere verlangten, das Kabinet sole.

seine Ansichten klar darlegen. Die Fortſezunng doe

Berathung findet morgen stat. ~ Die Sonntag _

anläßlich der Arbeiterverſammlung verhafteten Anar-

chiſten wurden theils wegen aufrühriſcher Hann.

lungen, theils wegen Beleidigung der Polizäé zue

Gefängnißstrafen in der Dauer von 8 Tagen bis i
zu 4 Monaten verurtheil. e

nicht angenommen haben - hier konnt ſie i nn.
nicht ausweichen. ! .

Der Baron hatte sich dasselbe gesagt un fh
nun seinen wohlberechneten Plan vom Glü bee.

günstigt. Sie war ihm in's Garn gegangen uw.

er wollte die Gelegenheit benußen, ihr wenigſeen.
zu sagen, daß er ihren Zorn nicht verdineee. ln

eine Aussöhnung dachte er nicht. Er sagte sich
heute noch genau so, wie an demſelben Tage, ls.
Else Brand ihm den verhängnißvollen Brief zugee.

sandt, daß sie nie mehr die Seine werden kmmke.
„Fräulein Brand“, begann er plötlich, ihren

Weg kreuzend, nachdem er sich weit genug von dere.
neugierigen Zuſchauermenge entfernt glaubte, „wollen t

Sie mir einige Minuten Gehör geben ?“ :
Sie hemmte kunſstgerecht ihren Lauf und ſann.
ihm gegenüber. .
„Haben wir einander noch etwas zu sagen,
Herr Baron?“ fragte sie eiskalt, ihm ruhig in das
Gesicht ſchauend. : e
Er erwiderte ihren Blick fest.

„Ich denke, mein Fräulein, Sie haben mch

eines ſchweren Vergehens, ja, ich gestehe es offen.
einer Nichtswürdigkeit angeklagt. Ich glaubB en.

iſt nicht mehr als recht und billig, daß Sie mine

Vertheidigung anhören. Man gestattet ja sogar .

einem Verbrecher, sich zu vertheidigen.

: „Aber ich verzichte auf Ihre Bertheidigung, . §
fert Bast les Augen glühten. Er hatte nie .
geglaubt, daß diese großen fragenden Kinderaugen _
b ruten blen kr. gens Augen htickten . .
finſter und Else senkte die ihrigen davor zu Boden..



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