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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 127 - No. 149 (1. Juni - 29. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44124#0571

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“ Expedition Brunnengaſſe 24. Verantworllihher Redakteur Philipp Zlansuer. Expedition Brunnengaſſe 242.
e 136. Hamſtag, den 14. Juni |
.
Deutſches Reich. “s o q e tz! gre'Weeſevenation te Paris, 11. 'N... ;
Karlsruhe, 11. Juni. Staatsminister Turban Berlin, 11. Juni. Die Bundesrathsausſchüſſe | hat heute Merſelkebir verlaſſen und iſt nach Tanger

zeigt dem Präſidenten der Zweiten Kammer schrift: | haben heute die zweite Leſung des Börsenſteuer- | gesegell. Drei Bataillone in Tonkin erhielten
lich an, daß die Regierung sich dermalen nicht in | Geſeßzes beendet und dasſelbe mit Abänderungen | Ordre, nach Frankreich zurückzukehren.

der Lage befindet, die Interpellation der Abgg. Burg | angenommen, die im Weſentlichen ſchon angedeutet England. u
u. Gen. über die Stellung der Kezern zu der wurden. Sie haben ſich bemüht, daß nicht börsen- London, 9. Juni. Die Grundsteinlegung zum .
Revision des Nahrungsmittelgesſetes und insbesondere mäßige Waarengeſchäft von der Steuer auszunehmen deutschen Reichstagsgebäude bietet dem „Standard

der die Bereitung von Wein betreffenden Vorschriften | und haben das steuerfreie Minimum für Waaren- Veranlaſſung zu einem Deutſchland äußerſt ſympar

zu beantworten, da der Regierung noch keinerlei | umſäte von 1000 Mark auf 3000 Mark erhöht. | thiſchen Artikel, in welchem es u. a. heißt: „Wir

Gutachten von Sachverſtändigen bei dem Bundes- | Ferner sollen Geſchäfte über ſelbſterzeugte oder zur | hören oft, daß Deutschland durch den Militarismus

rath zur Aeußerung zugegangen sind. ~ Heute er- Verarbeitung bestimmte Waaren ganz ſteuerfrei | ruinirt wird. Dies iſt einfach Unsinn. Seit 138 Jahn

ledigte die Zweite Kammer den letzten Reſt ihrer | bleiben. Was die Kontrolbestimmungen anbelangt, | ren hat Deutschland keinen Schuß abgefeuert u

Aufgaben durch die Annahmen der kleinen Aende- | fo wird das Steuerbuch zwar beibehalten, die | keinen Soldaten im Felde verloren. Vieſo komnt

rungen, welche von der Erſten Kammer an dem Steuerbehörde soll aber nur in Ausnahmefällen dies ? Weil Deutschland stark und gefürchtet iſt. Es

Gesetze über die Fürsorge für die Hinterbliebenen Einsicht in daſſelbe verlangen können. Für gewöhnlich ist vorbereitet auf den Krieg und genießt den Frieden.

der Staatsangestellten vorgenommen worden sind. | soll ihr nur ein Auszug eingereicht werden, der | Dabei iſt es der Schiedsrichter Europas! Fürſt Bis-

Daß man auf keinerlei Schwierigkeit rechnete, geht | die laufende Nummer und den Steuerbetrag, da- | marc hat nicht ein Bataillon mobiliſirt, während

aus der ¡einfachen Thatsache hervor, daß die Erſte | gegen nicht die Namen der Geſchäftsſchließenden oder | das friedliebende Gladſtone’ſche Cabinet zwei Kriege

Kammer ihre Tagung bereits gestern offiziell ge- sonstige Details des Geschäfts enthält. Auch einzelne | geführt hat. England hat da viel zu lernen! .

cloſſen hat. Am Freitag wird nun das Gleiche | Strafbeſtimmungen sind gemildert. Das Plenum des | Deutschland und Desterreich haben sich als die cen

von der Zweiten Kammer geschehen. ~- Die gestrige Bundesrathes wird das Gesetß am Sonnabend berathen. | servativen Mächte erwiesen und sind darum die

Sitzung der Zweiten Kammer hatte die in der Regel Berlin, 11. Juni. Der Entwurf für Subven- | natürlichen Bundesgenoſſen Englands. Das deutsche

_ mehr formale Aufgabe der verfaſſungsmäßigen Con- tionirung der Dampferlinien nach Oſtasien und Volk muß sich aber unſerer Bewunderung für. ſeine

trole dartiber, ob nicht die Regierung während der Australien, welcher übermorgen zur erſten Leſung Errungenschaften, seine Friedensliebe, ſeine Stärke

letzten beiden Jahre auf dem Wege der Verordnung | gelangt, wird voraussichtlich einer Commission über- | und seinen conſervativen Geiſt verſichert halten unn

solche Verhältnisse geregelt habe, zu deren Regelung wiesen werden. Freunde und Gegner sind ziemlich | weiter glauben, daß wir ſeine Freundschaft jener

die Mitwirkung der Stände nöthig ist. Man nennt | gleich zahlreich. Es liegt diesmal ganz in der | des barbarischen Rußland und des eitlen Frankreich

. diese in Baden das ,Aufsuchen provisorischer Ge- Hand der Regierung, durch ihren Vertreter den vorziehen“. ; "u

Hete“, ein Geschäft, welches bei einer constitutionellen | Beweis für die Nothwendigkeit und die voraus- London, 12. Juni. Eine Depeſche der „Times“

Regierung ein vergebliches sein muß und auch dies- ſichtlichen Erfolge der Vorlage zu führen, um | aus Wadyhalfa von geſtern wiederholt, Berber habe

_ mal gewesen it. Bemerkenswert war nur eine An- | derſelben Sieg zu verschaffen. - Die Abwesenheit | sich den Aufständischen ergeben, faſt die ganze Gar-

_ Anfrage des Abg. Junghanns über die gesetzliche | des Ministers v. Puttkamer bei der Feier der | niſon sei niedergemacht. .

Regelung des Vollzuges der Freiheitsstrafen, sowie Grundsteinlegung zum Reichstagsgebäude beschäftigt Belgien. w

über die Auslieferung von Verbrechern, insbesondere lebhaft die politischen Kreiſe. Bekanntlich erhalten Brüßsſel, 11. Juni. Bei den heutigen Wahlen

an solche Staaten, deren Rechtspflege eine normale | sich ſeit längerer Zeit Gerüchte von einem bevor- | zur Repräſentantenkammer verloren die Liberalen,

nicht genannt werden kann. Offenbar sollte damit | stehenden Rücktritt v. Puttkamers, die sich indes bis | welche bisher in der Kammer eine Mehrheit von

auf die bekannte Freiburger Nihiliſten-Angelegenheit | jest ſtets als verfehlt erwiesen, durch dieses Vor- | 20 Stimmen hatten, 26 Site. In der neuen

hingewiesen werden, welche sich auch jeßt noch im kommniß aber weiteren Anhalt gewonnen haben. Kammer werden die Klerikalen 82 Stimmen Me

Stadium der „Nichtveröffentlichung“ zu befinden | Wie schwach jedoch derſelbe iſt, mag der Umstand heit haben. Jn Brüſſſel betrug die klerikale Me
scheint. Von den Abgg. Burg u. Gen. wurde noch | beweisen, daß v. Puttkamer geſtern an dem Eſſen | heit 1347 Stimmen. :

eine Anfrage an die Regierung gerichtet über ihre | beim Reichskanzler theilnahm, welches der Kaiser Brüſſel, 11. Juni. Das Blatt Chronique meldet,
der Minisſterrath trete heute Vormittag zuſammen,





durch ſeine Anwesenheit ehrte.

Die beiden Wanderer, welche bei beginnender | Mädchen ein Zeichen machte, daß er nicht weiter
Nacht auf der einsamen Straße hingingen, waren gehen könne. Er zog einen Zipfel seines Bettler-

Stellung zu der Durchsicht des Nahrungsmittelge-






Die Prophezeiung der Zigeunerin.



Hiſtoriſche- Erzählung von E. D. schußlos in doppelter Weise: schuß los gegen die mantels über das Gesicht und kauerte neben dem
; Nachhruck verbeten. grimmige Kälte, mit welcher der eiſige Oſtwind sie | Felſen nieder, um welchen die Straße sich be.
Erstes Kapitel. anhauchte und die dünnen, ärmlichen Gewandstücke Das Mädchen ſtampfte erſt troßig mit dem Fuße

Kalter Schneewind fegte durch die düsteren Wäl- | blähend aufbauſchte, ſchußlos gegen jeden etwaigen | und ließ einen ſchrillen Ausruf des Zornes hören,
. der der Ardennen, über ihre unbewohnten, unheim- | Angriff von Menſchen oder Raubthieren; denn die | dann stieg es den Felſen hinan und ſspähte hinaus
lichen Steinhalden und dürren, kargen Aecker. Die | beiden einsamen Wanderer waren ein allem An- | in die dämmerige Gegend. Wenig Tröſtliches bot
Wölfe wagten sich am hellen Tage in die Nähe der | ſcheine nach kranker und faſt hülfloſer Greis, und | sich ihm dar, Dunkler Tannenwald zog sich über
zerstreut liegenden Gehöfte und kaum ein Tag ver- ein faſt noch im Kindesalter stehendes Mädchen, das die Höhen, das Thal bot den öden Anblick einer
ging, an welchem nicht von da und dort eine | ihn stützte. Des Mädchens dünne, ſchmächtige Ge- | moorigen Haide, da und dort blitte das Mondlicht
Schreckensmär zu erzählen gewesen wäre, was der | stalt ſchauerte vor Kälte unter der ärmlichen Be- | auf gefrorenen Waſſerttümpeln, die von Wridenge-
harte Winter und was die Wölfe Schaden gethan. | kleidung eines kurzen Röckchens und eines um die | büſch und Schilfrohr umſstanden waren, in deren
Ihr Heulen hörte man durch die kalte Nacht, ihre | Bruſt geſchlungenen Tuches, desſſen Zipfel im Winde | dürren Halmen der Wind praſſelte; von der Haide
Fährte war dem hartgefrorenen Schnee eingedrückt | flatterten; ihre nackten, mageren Arme waren steif | hatte der Wind den trockenen Schnee weggefegt, um
und an manch einem einsamen Gehöfte war an der | von Froſt, aber diese ſchwachen, zitternden Arme ihn an den Berglehnen und vorspringenden Felsen
Scheunenthür ein friſcher Wolfskopf angenagelt. waren die einzige Stütze des sich mühsam hinſchlep- aufzuhäufen. Nirgends war etwas Anderes zu sehen,
Oede und leer waren die Straßen im Luxem- | penden Alten. Sie trugen kein Gepäck, außer einem | kein Feuerſchein aus menſchlichen Wohnungen; nichts
burger Land, denn keine der großen Heerſtraßen, halbleeren Sack, der dem Alten über den Rücken, | Anderes war zu hören, als das Rauſchen des
welche den Often mit dem Westen verbindet, führte | und einer Art kleiner Trommel, die dem Mädchen | Windes im starren Tannenwald, das praſselnde
hindurch, und das arme Land bezog wenig und | an der Seite hing, ihre Schellen bei jedem Tritte | Gestöhn durch das Geröhricht, nicht das Bellen eines
führte noch weniger aus. Jetzt im harten Winter | leiſe erklingen laſſend. : Hundes, das Menſchenwohnung angezeigt hätte;
. da die Füchſe vor grimmigem Hunger bellten und Die Beiden redeten in einer ſeltenen Sprache | nur ein Rabe flog krächzend über den Stein, auf
ŸJdie Straßen klingend hart waren von Froſt, jetzt | miteinander, einem Idiom, welches den Gelehrten | welchem die Zigeunerin ſtand, mit vorgebeugtem
da der bleiche Mond am winterlichen Nachthimmel | schon viel zu denken gegeben, desſen verwandte Leute | Leib in die Dede späheud. ....
aufstieg, während im Westen der kalte Glanz der | sich nur im fernen Indien finden; es waren Zigeuner. Jettt stieg sie wieder herab mit ruhigem Schritt;







Sonne zur Stahlfarbe ſich abtönte, jett Wanderer Die wenigen Worte des Alten schienen nur Aus- | sie löſte das Halstuch und warf es ausgebreitet
auf der Straße zu sehen, war allerdings eine Sel- | rufe der Klage, Kundgebungen der tödtlichſten Er- | über den Kopf ; die nackten Arme darunter berg
tenheit. Wohl sah man zu Zeiten Berittene hin- | müdung zu ſein, auch das Mädchen antwortete nur kauerte sie neben dem Alten nieder. So ſaß sie da,
traben oder Bauernfuhrwerke, welche zur Stadt | in kurzen Sätzen, aber diese klangen hell und auf- | mit ihren glühenden Augen den kalten Mond an-
fuhren, doch vermieden diese, wenn es nur irgend | munternd, es war, als ob sie ſich ſelbſt damit an- | starrend, laut- und klagelos ; auch der Alte schwieg,
thunlich war, die Abendstunde, und die Ersſteren feuern und ermuthigen wolle. ] und so saßen die beiden Einsamen, die Kinder eines
rief der Zapfenstreich gleich nach Sonnenuntergang Jetzt schien die Kraft des Alten zu Ende zu ruheloſen, fremden Stammes, auf der nächtigen

in die Kasernen. sl : “ | sein; stöhnend brach er zuſammen, indem er dem Straße, ſtumm den Tod erwartend, der unfehlbar








 
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