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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 77 - No. 100 (1. April - 30. April)
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Heidelberger Tageblatt

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bezogen viertelj. 1 Mk. 40 Pfg.

î Expedition Brunnengaßſe 24.

Yerantworilicher Redakteur Philipp Klausner.

t
[.

igen: die l-ſpaltige Petit- ;

Expedition Brunnengaſſe 24.



M 86.







Des hohen Feſttages wegen
erſcheint morgen (Charfrei-
tag) kein Blatt.

Deutſches Reich.

Karlsruhe, 8. April. In der höheren Beam-
tung sind einige bedeutende Veränderungen einge-
treten, deren wichtigſte die Neubesetzung der Steuer-
direction mit einem juriſtiſchen Director, dem Ge-
heimen Referendär v. Teuffel iſt. Seit längeren
Jahren war dieser wichtige Poſten von Cameralisten
bekleidet gewesen. Mehrere Jahre hindurch hatte
man auch verſucht, unter dem schönen Titel einer
Vereinfachung der Staatsbehörden zuerſt die Steuer-
und Zolldirection und sodann die Steuerdirection
allein durch einen Rath des Finanzministeriums,

fu°itt



oder durch einen gemeinſamen Director leiten zu

laſſen. Beide Versuche aber zeigten ſich als wenig
erfolgreich, und ſo haben sich denn Regierung und
Stände entschloſſen, wieder eine ſelbſtſtändige Füh-
rung der Steuerdirection mit ihren tausenden von

Geſschäften und ihren vielen Beamten eintreten zu

laſſen. Ueberhaupt iſt es mit unserer „Verein-
fachung“ etwas ſeltſam verlaufen. Wir haben ſtatt
der Ministerien jetzt Minister oder Miniſterialdirec-
toren, und wenn wir die Sache noch nicht gemacht
hätten, ſo würden wir sie wahrscheinlich + nicht
machen! Diese Lehre kann auch heute noch von
gutem Erfolg sein in manchen jetzt ſchwebenden
p UBC § U 75,5
d. M. in Neustadt 4 H. ſtattfindenden erſten Par-
teitag der nationalen und liberalen Landesparteien

ZZ Süd- und Südweſstdeutſchland werden officiell

vertreten ſein die nationalliberale Parteirichtung in
Bayern, die deutsche Partei in Württemberg, die
nationale und liberale Partei in Baden, die hesſiſche
Fortschrittspartei und die nationalliberale Partei in
Heſſen-Naſſau. Die Tagesordnung bildet zunächſt
die Heidelberger Kundgebung, über welche außer,
Oberbürgermeiſter Dr. J. Miquel aus Frankfurt
a. M. auch noch Bankdirector C. Eckhard aus Mann-

Die Frankenburg.

Roman von Marie Romany.



(5. Fortſezung.)
. Sie nahm ihren Hut, legte den Mantel an und
begab sich hinab an den Strand.

Ungeduldig, mit sich selbſt unzufrieden, irrte sie
zwei Stunden lang am Gestade auf und nieder,
ohne daß sich für das Beginnende eine feste Grund-
lage fand. Es verdroß ſie, sich von dieser Frau
Ulrici behelligt zu sehen; und doch, ~ was blieb
ihr anders übrig, als die Rolle, welche sie begonnen,

in Ruhe und Gelassenheit zu Ende zu führen,

wollte sie sich nicht in ihrer eigenen Schlinge ge-

fangen sehen.

Zur Mittagszeit kam Clothilde nach Hauſe. Der
Tag verging, ohne daß sich ihr zur Miſiumung
ſo auch der andere. Es ſchien, als habe ſich das
Schicksal gegen alle ihre kleinen Ränke verſchworen,

Hals ſolle jede kleine Liſt, welche sie zur Anwendung
brachte, erfolglos für ihr Vorhaben vorübergehen

Clothilde würde vielleicht noch viele Tage zweck-
los in Berlamo hingebracht haben, wenn nicht +
zum Glück! am vierten Morgen ihres Aufent-

hals Uu Roterhotel, es der Zufall war, der ihr zu

' Als die Gräfin, von einem Spaziergange heim-
kehrend, über den Korridor des erſten Stockwerks

ritt, ward ihre Aufmerksamkeit durch eine silber-
_ klare Frauenstimme, die ein italieniſches Lied ſang,

in hohem Grade rege gemacht. Dieses Lied war
î ihr bekannt, es war eine Lieblingsmelodie ihres
seligen Gatten gewesen, zur Zeit nämlich, da sie

mehr todt als lebendig herausgezogen wurde.



Freitag, den 11. April

heim und Reichstagsabgeordneter Dr. A. Buhl aus
Deidesheim u. a. ſprechen werden.

Stuttgart, 8. April. Der württemb. Landtag
wird auf den 21. April zu einer etwa dreiwöchent-
lichen Tagung einberufen werden. Die königliche
Verordnung wird noch vor Oſtern erwartet.

Rußland.

Petersburg, 6. fuji Der größte Dampfer
der sogenannten Freiwilligen Flotte, der „Nishni-
Nowgorod“, welcher seit einigen Jahren die ver-
urtheilten Verbrecher aus Odeſſa nach der Insel
Saghalin befördert, hatte auf seiner letzten Fahrt
ungefähr 600 Verbrecher an Bord, von denen die
gefährlichſten in großen Käfigen im Zwischendeck
eingesperrt waren. Einer dieſer Käfige befand sich
unmittelbar über der Rüſtkammer des Schiffes und
die in diesem Käfige befindlichen Verbrecher hatten
sich ein paar große Nägel zu verschaffen gewußt,
mit welchen sie soweit eine runde Oeffnung in den
Boden geschnitten hatten, daß das Stück nur noch
ausgeſtoßen zu werden brauchte, um den Inſaſſen
einen Ausgang zu gestatten. Die Verbrecher wollten
um Mitternacht einzeln in die Rüſtkammer ſteigen,
ſich bewaffnen, die Wachen niederſchießen und die
y; Mr -i p sz : tour. ts te
wurden Maßregeln dagegen ergriffen, allein die
Beamten waren auch ſo ſchändlich, den Verräther
trotß seiner Bitten wieder in den alten Käfig zu
ſperren. Die Folge dieser Grauſamkeit war, daß ihm
die übrigen Verräther mit den Nägeln die Augen
ausbohrten und denselben so zurichteten, daß er

England.

London, 9. April. y Reuter's Bureau meldet
aus Kairo von heute: Nachrichten aus Berber mel-
den die Ankunft eines Boten, welcher am 27. März
Khartum verlaſſen hat. Der Bote sagt aus, die
Lage in Khartum ſei eine kritiſche, die irregulären
Truppen hätten revoltirt. Eine offizielle Beſtäti-
gung dieser Nachricht . Hs jeßt nicht eingegangen.

merika.

New-York, 8. April. Von den Verunglückten

noch nicht mit ihm vermählt gewesen war. Neu-
gierig blieb sie sſtehen und undhorchte, bis eine an-
liegende Thüre sich aufthat und Frau Ulrici aus
dieſer heraus auf den Korridor trat.

Es ist meine Tochter, deren Stimme Sie hören,
gnäd'ge Frau, erklärte sie stolz; wenn das Lied
Ihnen gefällt und Sie ein halbes Stündchen mit
dem bescheidenen Raume unseres Wohnzimmers für-
lieb nehmen, wird's dem Kinde ein Vergnügen ſein,
es Ihnen noch einmal mit Begleitung vorzutragen.
Wenn's genehm iſt! fügte sie hinzu.

Die Gräfin nahm dankend das Anerbieten an
und wurde also von der freundlichen Wirthin in
das Zimmer geleitet.

Meine Tochter Joſepha ! stellte die Mutter ihre
Tochter vor,

f Ur. Mädchen erglühte und machte ihr Kom-
iment.
f Willst Du nicht noch einmal das Lied wieder-

TSSI.

§ § d [l , (V) [ N § "t: oder deren Raum 5 Pfg., ;/ ;
mn für auswärts 10 Pfg. U

V

S

des Dampfers Daniel Steinmann sind 11 Leichne.

alle sehr verſtimmelt, an das Ufer gespült, aber

iein Theil der Ladung. Das Wrack befindet ih

noch an derſelben Stelle. Der Menſchenverluſt

i.

ſo bedeutend, weil in Sembro kein Rettungsbut.
war. — Aus Ottoawa wird gemeldet: Die aun.
liche Untersuchung hinsichtlich des Schiffbruchs des .

Dampfers Daniel Steinmann iſt angeordnet.

Egypten.
Kairo, 8. April. Eine Entscheidung der eng-

liſchen Regierung bezüglich der Differenzen zwischen .
Nubar und Clifford Lloyd iſt noch nicht eingetroffen.

Baring nnd Lloyd besuchten heute Nubar und die
übrigen Minister, um wie man glaubt die Schwierig-

keiten zu beheben. Nubar besteht auf seine Demiſe_ .

sion, falls Lloyd nicht zurücktritt.

Kairo, 9. April. Die Depesche des Generals w
Gordon an den Generalconſul Baring aus Charrum

vom 30. März meldet, daß mehrere Zusammenstöße

mit dem Feinde stattgefunden hätten, in welchen y
General Gordon die Oberhand behalten hallen.
Gordon ſchätt die Zahl der Aufständischen auf 1500.

bis 2000 Mann. Der Mahdi soll den Aufständischen
4 Gebirgsgeſchütze und 2 Nordenfeldt-Kanonen ge-
ſchickt haben. General Gordon entwaffnete am 25.

März 250 Baſchibozuks, welche sich weigerten, zu U

marsſchiren. Am weißen Nil
tum ist gut verproviantirt.

Aus Nah und Fern.



herrſcht Ruhe. Char.

* Mannheim, 7. April. Die Maimarktslooſe, ..
die bis jet auf allen Straßen und in den Wirths.
häusern ausgeboten wurden, dürfen nach Erlaß des.

Bezirksamtes nicht mehr an öffentlichen Orten feil-
geboten werden, da die Reichsgewerbeordnung vom
1. Juli 1883 dem entgegensteht. Es ſind große

Massen dieser Loose bereits abgesetßt, ſonſt dürfen.
ſich dieses Verbot doch als störend für den Bette.
der Looſe dieses Jahr erweisen. + Die Jahresaus- .
ſtellung des Rheinischen Kunstvereins hat began...
ohne übrigens viele hervorragende Gemälle nem...

Earfifagttes Publikum vorzuführen.

îannheim, 8. April. Unser am 56. uw t.

Zähren ihren Augen entsſtrömten und sie vollenns 1

in das Weh der Erinnerung verſunken war.

Das Lied stimmt zur Wehmuth, bemerkte das . .

Mädchen leiſe.

Clothilde fuhr wie aus einem Traume empor. .

O, es iſt reizend! sagte sie begeiſtert. Wer hat.

dieſe Worte in Musik gesetzt?

Die Töne rühren nicht von einem größeren
Meister. Ein Mädchen aus unserem Dorfe hat fich, : “

um diese Strophen verdient gemacht.
Eine Künſtlerin? fragte die Gräfin.

Nein, gnäd'ge Frau. Ein Fiſchermädchen ven.



ſie, die Tochter meiner Tante, zur Erzieherin blen.
stimmt. Leider hat sie aber niemals einen rechten .
Gebrauch von ihren Kenntniſſen machen können, dee.

arme Ding! ;

Ein so talentvolles Mädchen sollte die Welt .

durch ihre Vorzüge beglücken. ;
Ö, ihre Vorzüge haben nur Wenige gekannt!



holen und Dich dabei mit der Zither begleiten?
hub Frau Ulrici an; die gnäd’ge Frau haben an
Deinem Gesange Gefallen gefunden. ..

O, zu viel der Ehre, ſagte das Mädchen ver-
legen, indeß sie sich beeilte, das gewünschte Instru-
ment auf einem Tische aufzulegen.

Clothilde lauſchte entzückt, als jeßt voll und
z. U iR ct;
ts Lies U eeti waren es doch dieselben
ſüß schmelzenden Laute, die ihr Gatte damals so
gern und sptiter nie wieder gesungen, — später, da
ſein Frohſinn dahin, ſeine Lebensluſt auf ewig ge-
wichen war! Ihr Herz schwoll an, ihre Bruſt hob
und senkte ſich, ſchneller und ſchneller, bis glänzende



Das Schlimme war ja eben, daß sie so unglücklich
wie ſchön und geistreich war. Da sehen Sie nur
das Bild, gnäd'ge Frau, ob dieſe
Ft.tve sind, jedes fühlende Herz in Bewegung zu

Sie nahm über dem Divan, auf welchem die

Züge nicht im .

Gräfin saß, ein kleines Bild, in Oel gemal, vn. .
der Wand, die Büiſte eines Mädchens von sechszkeenn.

siebzehn Jahren; ein schmales, blaſſes Antlit, desen.



veilchenblaue Augen ein seliges Schwärmen erklärte. . .
die wunderbar abſtachen gegen das Goldhaar, dem.

Fülle ſich in üppigen Flechten um das
den stolz gebogenen Nacken schlang.
t (Fortsetzung folgt.)

(

Haupt unn !



 
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