Universitätsbibliothek HeidelbergUniversitätsbibliothek Heidelberg
Metadaten

Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

DOI chapter:
No. 127 - No. 149 (1. Juni - 29. Juni)
DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.44124#0579

DWork-Logo
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext






Erſcheint täglich außer Montag.
Abonnement s preis

für Heidelberg: monatlich 45 Pfg.

mit Trägerlohn, durch die Poſt

bezogen vierteli. 1 Ik. 40 Pfg.

Expedition Brunnengaſsſe 24.



é 138.

Deutſches Reich.

Karlsruhe, 14. Juni. Der Großherzog ſchloß
die Kammer mit einer Thronrede, die hervorhebt,
der Fürst ſehe seine Erwartungen erfüllt. Sie be-
tont ferner das Zustandekommen der Gesetze über
das Verwaltungsrecht, die Städteordnung, die Land-
armenordnung, das Straßenwesen. Die Berathun-
gen der landwirthschaftlichen Enquete habe jett ſchon



eine Beſſerung der vorgefundenen Uebelſtände er-

möglicht. Die gegebene Anregung und die Vor-
ſchläge würden einer abschließenden Behandlung ent-
gegengeführt. Die kleingewerbliche Enquete werde mit
gleicher Theilnahme, wie die landwirthschaftliche er-
wogen. Der Großherzog erblickt in der Einkom-
st U sztthbsr Pur gart zt!
Hinterbliebenen der Staatsangeſtellten und der Volks-
ſchullehrer ſei berechtigten Ansprüchen genügt.
Berlin, 13. Juni. (Reichstag.) In der De-
batte über die allgemeine Rechnung für das Etats-
jahr 1879/80 beantragt Richter, wegen Nieder-
schlagung verschiedener Etatsüberſchreitungen im
Wege der Verwaltung die erbetene Entlaſtung zu
verweigern. Windthorſt und Rickert ſchlagen vor,
die Sachlage nochmals durch eine Rechnungskom-
sie! huilin d siltzceiglagunc mi ven Etuis
recht unvereinbar. Kriegsminister Generallieutneant
Bronſard von Schellendorff, sowie die Regierungs-
kommissäre Mayer und Fiſcher halten. dieselbe im
Wege der Gnade für zuläſſig. Hammacher ſpricht
gegen den Antrag Richter, die Entlaſtung zu ver-
weigern und tritt für Verweisung der Angelegen-
heit an eine Kommission ein. In gleichem Sinn

ſpricht v. Malßahn-Gült. Reichskanzler Ftüirſt Bis-

marck, inzwischen eingetreten, erklärt sich für eine
nochmalige Kommissionsberathung. Der Reichstag
werde sich dann überzeugen, daß manch’ aufgestellte
Theorie nicht durchführbar ſei und daß die Regierung
wenn ihr nicht die Hände vollständig gebunden
werden ſollen, nicht anders, als geschehen, habe
handeln können. Die Rechnungsvorlage wird an
die Rechnungskommiſssion zurückverwieſen, der Gesetz-



Die Prophezeiung der Zigeunerin.
Hiſtoriſche- Erzählung von E. D.

; (1. Fortsetzung!)

Der Zug ging weiter, der große Offizier ritt
voran. € In Sinnen und Denken verloren, mochte
er die Zigeuner auf dem Pulverwagen vergeſſen
haben. gte der Ungar, aber hatte um ihret-
willen all die Kälte vergeſſen, welche ihn vorher
‘durchſchauert hatte. Glühend saß er auf seinem
Sattel und sang ein Lied von der Zeit, dn . der
Halbmond noch über Buda glänzte, ein Lied von
der Tochter des Magyaren, die der Pascha in seinen



Harem führen gewollt. Aber das Magyarentind |

liebte einen Huſaren und der führte fie auf seinem
geſchwinden Rosse davon. Durch die Tisſſa ſchwam-

men sie mit dem Rofſe und der heimathliche Fluß

trug die Huſarenbraut und ihren Liebſten hintiber,
aber den nachſeßenden Paſcha, den Ungläubigen, ver-
ſchlang ihre braune Fluth + Eljen Tiſſa !

Der Gefreite bei Kaunit-Dragoner, Martin

Kappel, ſaß dieweil grämlich auf dem stoßenden
YPulverwagen neben dem von der Straße aufge-
lesenen Heidenvolk. Das Mädchen klapperte vor
Froſt mit den Zähnen, er fühlte das Zittern ihres
schlanken Leibes und sah beim fahlen Mondschein
in die halberſtarrten Züge. des Alten. Da zog er

grämlich ſeinen warmen Soldatenmantel aus und
warf ihn tiber die beiden dicht aneinander geschmieg-
ten halberfrorenen Wanderer. Er war ein guter

katholischer Chriſt, der Martin Kappel, aus dem
daheim; die Legende ſeines Schutpatrons, des hei-



hjeidelberger

Heidelberger General-Anzeiger.

öſterreichischen Breisgau an der Schweizer Grenze

Peraniworllicher Redakleur Philipp Klansuer.
îJDienktag, den 17. Iuni

entwurf tiber die Verwendung des Reingewinns
aus dem großen Generalſtabswerke in erſter und
zweiter Leſung genehmigt, ebenſo die Vorlage über
Einziehung der Reichskaſſenſcheine. Morgen findet
die Berathung der Vorlage hinsichtlich Subven-
tionirung der Poſstdampferlinien ſtatt.

Darmstadt, 11. Juni. Es liegen jeßt nähere
Angaben über den Inhalt des in der hesſiſchen
Kammer zur Verleſung gelangten Cabinetschreibens
des Großherzogs vor. Der Großherzog ſagt darin:
„Er. habe sich nach seiner Rückkehr aus England
bewogen gefunden, das anfänglich abgelehnte De-
missions-Geſuch des Ministers v. Starck anzunehmen.
Seine Ehe sei, nachdem er sich überzeugt, daß eine
bedauerliche Täuschung stattgefunden, bereits that-
sächlich gelöſt und auf dem Wege, auch rechtlich ge-
trennt zu werden. In dieser trüben Zeit ſei es f
ein Troſt gewesen, zu vernehmen, welch regen An-
theil sein treues Volk an ſeinen ſowie seiner Familie
Geſschicken nehme. Dies werde ihm ein erneuter Sporn
sein, ſeine ganze Kraft für das Wohl seines Volkes
einzusetzen.“ Nebst dem Minister v. Starck hat die
Affaire noch ein zweites Opfer gefordert. Prinz
Lothar von Jſenburg:Büdingen verläßt Darmstadt
und hat zu dem Ende bereits seine gegenwärtige
Wohnung gekündigt. Der Prinz iſt ein jüngerer
Bruder des Fürsten Bruno von Jsenburg - Büdingen
zweiten Präſidenten der hesſiſchen erſten Kammer.
Er spielte in der Ehe - Angelegenheit eine hervor-
ragende Rolle und war auch neben dem Bruder
der Frau v. Kolemine der einzige Trauzeuge.

Aus Nah und Fern.
* Karlsruhe, 14. Juni. Gestern Vormittag
hat ſich der verheirathete Schirmmacher Stefan
Fallenſtein, Augartenstraße Nr. 56 wohnhaft, in
seinem Bette, wo er ſchon einige Zeit krank dar-
niederliegt, erſchoſſen. ~~ Anch hat ein Droſchken-
führer mittelſt einer Piſtole, welche mit Waſſer ge-
laden war, seinem Leben ein ſchnelles Ende bereiten
wollen. Derselbe ſchoß sich in das rechte Ohr und
wirkte der Schuß nach Außen derart, daß das
ganze Ohr vom Kopfe weggeriſſen und durch die



ligen Martinus, weiland germanischen Kriegsknech-
tes, dann Biſchof von Tours, hatte er seiner Zeit
getreulich gelernt und behalten; aber eine Nutzan-
wendung derselben auf sich ſelbſt zu machen, fiel
dem ehrlichen Breisgauer nicht ein, es wäre ihm
eitel §larrteat: erſchienen; denn Sanct Martinus,
der seinen halben Mantel’ dem Bettler am Wege
gab, war doch ohne Frage ein Heiliger und der
Bettler war unser Herrgott ſelbſt gewesen, hier aber
handelte es sich nur um einen Dragoner bei Kau-
nitz und einen vagabundirenden Zigeuner; das ein-
Vt. ett trum
über Pannonien konnte geweht haben.

Auf dem Pulverwagen war es natürlich nicht
gestattet zu rauchen, und mit dem Gedanken an’ die
sonnigere Heimath, wie der Ungar, konnte sich der
weniger phantasievolle Breisgauer auch nicht er-
wärmen; er zog deßhalb die ſtrohumwundene Flaſche
hinter ſeitlüin Site hervor und that einen tiefen Zug
des heimiſchen Getränkes, das oben auf dem Schwarz-
walde Häuer und Flößer erwärmt, ächtes, reines
Kirſchwaſſer; dann, nachdem er getrunken, bot er

Gedanken beſchwichtigend, daß, er nicht mehr ge-
nöthigt ſein würde, nach den Zigeunern seinen Mund
der Flaſche zu nähren. ; | .
Der Alte hatte getrunken und war. dann wie
in fich zuſammengesunken ; dem Mädchen jedoch hatte
das feurige Waſſer wieder Lebensmuth gegeben, sie
richtete sich auf, wand die wirr niederhängenden
Zöpfe um die Stirn, und mit dem Finger auf den
voranreitenden Offizier deutend, sagte sien. ;



Tageblatl

Erlenbach (Pfalz), E. F. Rohrhurſt von Wittnua,

„Mutter hätte die Fohlen verhext "

den Zigeunern davon, seinen Widerwillen mit dem | g



„Es ist ein ſchöner Reiter, es ist ein großer |
















nzeigen: die I-ſpaltige Petit-
eile oder deren Raum 5 Pfg.,
für auswärts 10 Pfn.
Bei mehrmaligem Erſchein p
Rabattbewilligunne.

Expedition Brunnengaſſe 24.

inneren Verleßungen an ſeinem Aufkommen ger .
zweifelt werden muß. Die Motive der That ſſlM
Unterschlagung von 20 Mark sein. L
* Karlsruhe, 12. Juni. Das Verordngs.-Blatn.
Nr. 38 der Generaldirektion der groß. bad. Staats-
Frtstrsn sitzltuner ore ste .
Im! F. Becker; zum ro ewa. : § .
Telegraphiſt L. Teubner; zum Werkmeister: Werte.
führer W. E. Gley; zu Stationsmeiſtern: J. Böhler he
BCG L l L s
heim ; zum Bahnmeister: B. Hiller von Heidels-
heim ; zum Zeichner : K. F. R. Hummel von Durlach;
zu Wagenrevidenten: Schiffsheizer J. G. Kraut-
heimer ; zu Lokomotivführern: Lokomotivführer (Re-
ſerveführer) E. Bender, L. Doſenbach, J. Oestringer,
K. Obermüller, G. Speck, B. Kuri, F. J. Hofnman..
L. Winterhalter, J. A. Vogel, F. I. Q. Fürſt, W
Schöpflin, K. Schieble, J. M. Meier, L. Weipere.
M. Henn, K. L. Humburger, F. L. Spies, M. Vobis.
J. Bickel, H. J. Neuer, K. Bühler, Ph. Vobis, J. t
Franz, W. Graf, P. Gilbert, K. W. Hitzfeld, . L.
Wiederhold, J. A. Rugel, J. B. Müller; zu Wagen.
wärtern: F. J. Köhler von Dumbach, A. Reinen.
von Kenzingen, J. Hog von Ettenheim, J. Müller w
von Balsbach; zu Oberschaffnern : die Schaffner JO
Maier, J. Hammel, J. Link, J. Kapprel, B. Sailee.
M. Tritſchler, J. Schwenker, J. Maier, F. Dreien.
W. Schiffhauer, F. Fahner, F. Blattner, J. J. Haage.
M. Auer, K. Göbel, P. Bader; zu Schaffnernn: Iv.
P. Kapp von Plankstadt, G. Hug von St. Peter;,
zu Bahnwärtern : J. Th. Arbert von Fiſchingen, I.
Wolf von Plankstadt. Unter die Zahl der Eiſenn. t
bahngehilfen aufgenommen : F. W. R. Fiſcher von t
A. L. Roth von Boxberg, E. Speer von Friesen.
heim, O. Schwarzhans von Neuhausen, W. K. Waibel
von Gerlachsheim, E. O. Damm von Neuhaldens-
leben (Preußen).
* Mannheim, 13. Juni. [Der Verein deutscher
Ingenieure,] wird in den ersten Tagen des Sep.
tember d. J., und zwar vom 1. ~ 4. Sptember _

Mann.“ „Will's meinen“, brummte der Soldat,.
indem er den letzten Tropfen ſeines Kirſchwaſſen.
in die hohle Hand goß und ſo ausſchlürfte, „ee
reicht ihm Keiner das Waſſer von allen Herrn
Offizieren im Regiment.“ ; u.

„Iſt es ein Prinz?“ fragte die Zigeunrn.

„Nein“’, ſagte der Soldat, seine leere Flaſche
wehmüthig betrachtend, „aber es wäre gut, wem
kein Prinz ſchlechter wär, als Der + — aber Stern
hagel, was geht's Dich an, wer und was Der i.
Was biſt Du und woher kommſt Du ?“ “ u

„Weit, weit,“ antwortete das Mädchen, welches
dem Spender des Mantels und Kirſchwaſſers sich
offenbar dankbar erweisen wollte, „weit, o ſo weit!
der Magnat hat uns fortgetrieben, zwei der jungen
Leute hätten ihm Pferde geſtohlen und die alle.




„Glaub's wohl, glaub's wohl,“ ſagte der Solda.
„von euch Gesindel kann man nicht genug Böſens.
sagen. Aber wo waret ihr zuleßkt? Du und der
alte Dieb daneben, ihr waret doch gewiß nicht allein!.

Das Mädchen ſchüttelte den Kopf. ; .

„Sind s unser viel gewesen, aber es iſt übel
ts uur Kirchen hett fontfet vet. e
„Von Trier?“ fragte der. Soldat. .

Das Mädchen nickte.

„Es war Jahrmarkt da, ich habe getanzt un
der alte Miſchla hat die Geige gespiet, die Ander
trieben ihr Gewerbe. Da haben fie den Jano
gegriffen und den Czik und haben sie an den Galge
gehängt und die alte Mutter in den Thurm gesett ..
weil fie ein Kind soll verhext haben. | .

„Ja, Kur Trier übt gute Juſtiz“, sprach d
 
Annotationen