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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 77 - No. 100 (1. April - 30. April)
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Heidelberger Ta

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mit Trägerlohn, durch die Poſt
bezogen viertelj. 1 Mk. 40 Pfg.

Expedition Brunnengaffe 24.

Heidelberger General-Anzeiger. ti

Veranlwortliher Redakteur Philipp Klausner.

aeblat





Anzeigen: die 1-ſpaltige Petit-
zeile oder deren Raum 5 Pfg.

für auswärts 10 Pfg.

Rabattbewilligung.

Expedition Brunnengafſe 24.



M 82.

Deutſches Reich.

Karlsruhe, 4. April. Auf die Frage des Ab-
geordneten Schneider (Karlsruhe) erklärt Turban,
die Vertagung des Landtags sei unmöglich, da der-
selbe seine Arbeit sonst auf den nächsten Landtag
verſchieben mtiſſe. Wichtige Gesetze über die Ein-
kommensteuer, Verwaltungsgeseße, die landwirth-
ſchaftliche Enquete stünden noch aus.

Karlsruhe, 4. April. In der zweiten Kammer
legt Finanzminister Ellſtätter ein Geset; vor, welches
für den Bau einer einsſpurigen Bahn von Seckach
über Buchen nach Walldürn auf Staatskosten
1,585,000 Mk. verlangt.

Berlin, 3. April. Die Aussichten für Annahme
des Sozialistengeseßzes sind seit der vorgeſtrigen
Sitzung des preußiſchen Abgeordnetenhauſes ſtark

_ geſchwunden. Die Erklärung des Kultusminiſters
v. Goßler auf die Anfrage des Abg. v. Jazdzewstki,
„daß die Regierung die Aufhebung der Gehalts-
ſperre in Poſen-Gnesen nicht beabfichtige und die
Gründe dafür nicht angeben wolle“, erregte im
Zentrum eine maßlose Erbitterung, die ein Mitglied
des Zentrums so weit hinriß, daß es die Fauſt

gegen den Miniſtertiſch ballte und ausrief : „Das
werden wir Euch gedenken.“ Der betreffende Ab-
geordnete, Rentner Dr. Joseph Krebs von Köln,
entschuldigte sich zum Schluß der Sitzung zwar mit
großer Aufregung, aber ähnlich drohend klangen
doch auch die Reden der Abgg. Windthorſt, Schor-
lemer-Alſt und der Polen. So hat grade das Ent-
gegenkommen der Regierung das Gegentheil von der
beabsichtigten Wirkung auf das Zentrum ausgeübt,
und wenn diese Stimmung bei den Herren anhält,
wird es bei Wiederzuſammentritt des Reichtages
y die Annahme des Sozialiſtengeſetzes ſchlecht genug
tehen.

Berlin, 4. April. Der Direktor der zweiten
Abtheilung des Reichspoſtamts, Mießner, ist heute
Nacht gestorben.

München, 3. April. Die Abgeordneten nahmen
das Forſtorganiſations-Geset mit 94 gegen 56 Stim-
men an und genehmigten einstimmig die nach dem

Die Frankenburg.

Roman von Marie Romany.



(1. Fortsetzung.)

Graf Richard hielt Wort. Er nahm das da-
mals kaum ſechszehn Jahre zählende Mädchen mit
fh ur ratte ihr alle einer Tochter gebührenden

echte ein. '

Clothilde von Barnim war schön! Kluge, braune
Augen, eine Fülle schwarzer Locken, weiße Perlen,
die ein ſchelmiſches Lächeln um die Lippen verklär-
ten, dazu muntere Heiterkeit und freundliches Zu-
trauen gewannen ihr mit Schnelligkeit die Liebe des
alten Mannes, der bald in dem ſchönen Kinde nichts
anderes mehr, als eine Tochter des Hauſes ſah.
— Es kann daher nur als ganz natürlich betrach-
tet werden, daß Graf Richard den Wunsch hegte,
das liebe Mädchen für immer um ſich zu sehen. +
Sein Plan war gemacht. Wußte er doch, daß sein
Sohn gleich ihm warme Theilnahme für Clothilde
von Barnim empfinde; was konnte daher richtiger
sein, als die beiden Kinder durch eheliche Bande
vereinigt zu sehen? :

Graf Udo wies anfänglich eine Heirath mit der
Pflegetochter seines Vaters entschieden zurück, ohne
daß er jedoch einen Grund für seine Weigerung an
den Tag gelegt hätte; allein je energiſcher der Sohn
wehrte, deſto entschiedener bestand der Vater auf
einer Verbindung, die, wie er vorstellte, für alle
Theile nur angenehm und glückbringend Fei.

Lange Zeit währten die Erörterungen nach bei-

den Seiten; es kam sogar zu Auftritten, wie ehe:



jedem Sturme frei! Kein Wölkchen hat den Hori-
zont Deines goldenen Lebensmorgen umnachtet.



Sountag, den 6. April

Antrage des Ausſchuſſes zum Ausbau des Hafens
von Ludwigshafen geforderte Summe.

Meiningen, 4. April. Amtliches Wahlreſultat:
Witte erhielt 8806, Viereck 4839 Stimmen,
ungültig waren 106.

Öesterreich-Nngarn.

î Wien, 4. April. Die ornithologiſche Ausstel-
lung wurde vom Actkerbauminiſter eröffnet. Das
Kronprinzenpaar besichtigte die, Ausstellung.

Pest, 4. April. Im Tiszar Eszlaer Prozeß
erkannte der oberſte Gerichtshof auf Freisprechung
ſämmtlicher Angeklagten.

Prag, 4. April. Die „Narodni Liſty“ kündigen
die ſtrengſten Regierungs-Maßregeln zur Unter-
drückung der Bewegung der Deutschböhmen an.
Sollten dieſe Mittel nicht ausreichen, so würden die
deutſch-nationalen Vereine aufgelöſt und eventuell
der uuahutzuſan slot greifen. (Fr. Ztg.)

ngland.

London, 4. April. Wie „Times“ glaubt, daß
Gladſtones Bemerkungen über Egypten nicht allge-
mein als befriedigend vom Lande angenommen
werden dürften. Nach einem Telegramm des
„Standard“ aus Suatin berichtet Mahmud Ali,
daß die freundlich geſinnten Stämme ſsich bei den
Brunnen von Schabet versammeln, um am Montag
mit 2000 Mann die Aufständiſchen anzugreifen;
Osman sei mit 800 Mann bei Tamasſi. (Fr. Ztg.)

Rußlann.

Petersburg, 3. ler Im Kaſssoi-Perenlok
fanden Verhaftungey statt. Eine Studentin, ein
Student und ein Offizier wurden ergriffen. In den
Matratzen wurden Proklamationen gefunden.

Badiſcher Landtag.

Karlsruhe, 4. April. In der zweiten Kammer
machte heute der Finanzminiſter Ellſstätter eine Vor-
lage, betreffend den Bau einer einspurigen Eiſenbahn
von Seckach nach Buchen-Walldürn. Als Staats-
beitrag iſt eine Summe von 1,585,000 M. einge-
ſtellt. - Die Kammer trat sodann in die Berathung
des Gesetzentwurfs, die Vervollſtändigung des Stra-
ßennetes betr. Dasselbe war nach längerer Dis-

dem die Frankenburg nichts dergleichen gesehen;
Graf Richard es war wohl eine Grille seiner
alten Tage — wollte in dieſer Angelegenheit durch-
aus nichts von Nachgiebigkeit wiſſen und drohte so-
gar im Falle des Ungehorſams dem Sohne mit
dem väterlichen Fluch; so blieb dem jungen Edel-
mann zum Schluß kein anderer Weg offen, als
dieses Mal - zum erſten Male in seinem Leben



j ein Sklave solcher Laune seines Vaters zu
ein q

Es war lange zeit verſtrichen, seitdem Graf
Udo, dies und ähnliche Verhältnisse überſinnend,
das. Haupt gegen die kalte Scheibe gepreßt, trüb-
ſelig, ſtieren Blickes in die Ferne sah. Er hatte es
nicht bemerkt, daß seine junge Gemahlin wieder ein-
trat und, ihn mit dem Ausdruck inniger Theilnahme
fixirend, an seiner Seite verweilte; er erſchrack da-
her sichtlich, als sie, Zärtlichkeit im Tone wie in
der Fits, seinen Namen rief.

do !

Der Graf wandte ſich um. Du hier? ſtotterte
er gebrochen.

Seit lange schon. Doch Du -- — Du biſt in
Gedanken verloren. Schauſt Du dem ungestümen
Treiben des Wetters zu?

Die Luft iſt ſtürmiſch! + Ein Seufzer entrang
sich des jungen Edelmanns Bruſt. So ſtürmiſch
faſt - faſt ſo wild, wie das wogende Leben.

Vie das wogende Leben! wiederholte langſam
die Gräfin. Und doch war das Deinige ſtets von

Ein ewig heiterer Himmel birgt den Keim des

nicht.



Unheils in seinem wonnigen Schooße; wie so leicht

1884.

kuſſion einſtimmig angenommen. ~ Hierauf brachte
der Abg. Schneider (Karlsruhe) das gleichzeitige
Tagen des Reichs- und Landtages zur Sprach
und den ſchlechten Eindruck im Lande, der dadureh
ttz “ttz. he t.§ tür je
tage sei kein einziger badischer Abgeordneter zugegen
geweſen. Staatsminiſter Turban erwiderte, daß die
wichtigsten Arbeiten in raſcher Folge werde ausge
führt werden können. Die Abgeordneten sollten e
so einrichten daß sie bei wichtigen Abſtimmungen in
Berlin und ebensolchen auch hier sein sollen. Der
Abg. Schneider (Karlsruhe) hofft, daß die Kammer .
in ca. 14 Tagen nach Ostern die wichtigſten Ge-
seßentwürfe erledigt haben dürfte. + Die Petition
von 400 Pforzheimer Fabrikanten den Entwurf des
Reichsgeſeßes über den Feingehalt der Gold- unn


















Silberwaaren betr., wurde nach längerer Debatte
der Regierung empfehlend überwiesen. Nächste Se.
tung 22. April. .

Aus Nah und Lern. .

+ Grötzingen, 4. April. Heute Nacht wurde
auf der Strecke Grögingen-Wilferdingen eine Dunne
mitpatrone von zwei Pfund gelegt, die vm
Bahnwärter noch glücklicherweiſe gefunden worde
iſt. Die Staatsanwaltſchaſst und die Gensdarmerie
hat sich heute Morgen an Ort und Stelle begeben,
tus wur Petr "V heren Vernehmen
nach enthalten die in der Nähe der Bahn nach Pforz
heim gefundenen beiden Bomben kein Dynamite.
Nach den Ergebnissen der heute Nachmittag in dem
Lorenz'ſchen Etablissement vorgenommenen Unter-
ſuchung sind die beiden Bomben niit Sprengpulver
und gehacktem Blei gefüllt und mit einer Vorrichtung
zum Entzünden durch Aufwerfen verſehen. Dieselben
ſind beide verroſtet, liegen offenbar ſchon ſeit einiger
zeit neben der Bahn und können nach ihrer Be-
ſchaffenheit, insbesondere nach ihrer Sprengwirkung
nicht zu einem Attentate gegen die Bahn beſtmmt
gewesen sein. Die Vermuthung liegt nahe, daß die.
beiden Bomben von den Genoſſen des in Pforzhiam



bricht eine Seuche aus, die ihre Opfer dem Verder-
ben willenlos in die Arme führt.
Udo, Du läſterſt Gott! ;
Ich klage das Schickſal an. Oder, war es
nicht sein ewig lächelndes Antlitz, das mich bethörte_
und mich dann elend und ſchonungslos dem Ver-
derben lieks
Du nennſt Dich elend! Du, dem auch gar nite.
auf Erden gebricht! Du wollteſt ein Verhängnis
verklagen, daß Dich glänzend, frei und unabhängg
ins Leben geführt?! Blicke um Dich, mein Udo,
vielleicht that das Schicksal zu viel an Deinm
Glück; vielleicht iſt es die Ueberſättigung aller En
dengenüsſe, die Deinen Lebensfrohſinn, Deine Lebens-
luſt irre geführt.
Ein ſsarkaſtiſches
des Grafen. : 5
Der Glanz hat seinen Werth für mich verloren,

ſagte er düſter, aber das Bewußtsein deſſen, wan
mich seit meiner Kindheit umgeben hat, foltert mich

Lächeln umspielte die Lippen

So bin ich es, zitterte die Gräfin, und eine
Thräne stieg in ihre Wimper, so iſt es . . .

Du bist die getrennte Freundin meines kummer-
vollen Daſeins, wie sollte ich Dir nicht danktblae.
von ganzem Herzen zugethan sein!

Sie reichte ihm die Hand und er berührte leiſe
ihre Fingerſpiten mit den Lippen; die fieberhafte
Hitze ſeines Athems durchschauerte Clothilde bis
in's tieſsſte Herz. (. , .

Du biſt krank, mein Udo, begann sie von
Neuem, gestatte Dir Ruhe . . . .

_ (Fortsetzung folgt.)


 
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