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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 51 - No. 76 (1. März - 30. März)
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. gelegenheiten ausgefüllt. Wird der Umstand, daß

ich mit Aenderungen am bisherigen Gebäude zu

wird, und daß der hier waltende Geiſt in so rück-

Stand sette, nach meiner Lieblingsneigung weite

chen wohnte, nach einer langen Trennung wieder

des anlangte, und von einem Aufwärter des Gaſt-
hofes, in dem ich abgestiegen war, zurechtgewiesen,

höchstens vier und zwanzig Jahren + empfing mich,
als ich ihr meinen Namen nannte, mit zuvorkommen-
er Güte und Freundlichkeit und sagte mir, daß ihr
Gatte ausgegangen wäre, aber bald zurück erwartet
würde. Sie wollte mein Gepäck augenblicklich aus
dem Wirthshauſe holen lassen, was ich jedoch dan-
kend ablehnte, da ich mich nur einige Tage in N.
aufzuhalten und erſt auf der Rückreise längere Zeit




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bezogen viertrlj. 1 Mk. 40 Pfg.

Expedition Brunnengaſſe 24.

Heidelberger Tageblatt

Yeranlworllicher Redakteur Philipp Klausner.

Anzeigen: die 1-spaltige Petit-
zeile oder deren Raum 5 Pfg.,
für auswärts 10 Pfg.

Heidelberger General-Anzeiger. ttt:

Expedition Brunnengaſſe 24.



„ 70.

Sonntag, den 23. März



Deutſches Reich.
Heidelberg, 19. März. Dem Schw. M. wird
von hier geschrieben : Die gestrige Sitzung der zwei-
ten Kammer wurde faſt ganz mit Heidelberger An-

die Regierung auf den Neubau des Gymnasiums
wegen des Widerspruchs von Seiten der Stadt gegen
den von ihr gewählten Plat glaubte vorläufig ver-
zichten zu müiſſen und ihre Forderung zurückzog, um

begnügen, hier auch nur mit sehr gemischten Ge-
fühlen aufgenommenen werden können, so schuldet
man andererſeits den herzlichſten Dank der Ein-
müthigkeit, mit welcher Regierung und Kammer,
und zwar alle Partheien derſelben, in ehrender An-
erkennung der Leiſtungen der Universität be-
ſchloſſen haben, ihr Hauptgebäude zum 500järigen
Jubelfeſte zum Empfange ihrer Gäſte würdig
herzuſtellen. Ein neues, der Bedeutung der Univer-
ſität entſprechendes Haus wäre an ſich wohl wünſchens-
werther gewesen, aber ob absolut nothwendig, das
iſt eine andere Frage. Denn die Hauptsache bei
einer Universität sind doch nicht Prachträume, wie
ſie manche Schweſteranstalten wohl besitzen, sondern
der Geiſt, aus welchem und in welchem gelehrt

haltsloſer Weiſe von Regierung und Volksvertretung
anerkannt worden ist, ſchon das isl, neben jeier Be-
willigung, ein stolzes Angebinde zum Jubelfeſte,
auf welches sich Alles rüſtet.

Karlsrnhe, 24. März. Nach Erledigung einer
kleinen Vorlagen und Bewilligung einer Nachtrags-
forderung zum Budget für Baulichkeiten im Stände-
haus, mit 34,000 M. trat die zweite Kammer. in die
Berathung des Eisenbahnbaubudgets von 1884/85
ein. Die Generaldebatte eröffnete der klerikale Ab-
geordnete Fiſcher mit dem Hinweis auf die Größe
der eingeſtellten Summe für das Eiſenbahnweſen.
Er hofft von der Regierung, daß fie in dem Be-
ſtreben, nothwendige Bahnen herzuſtellen, fortfahren
werde. Redner zeigt ſich geneigt, der Regierung
einen Vertrauenskredit zu eröffnen zur gelegentlichen
billigen Erwerbung von Geländen. Abg. v. Neu-



Nachdruck verboten.

Die heimliche Ehe.

Eine wahre Criminalgeſschichte.



Mein Vater -- Baron v. Welling + hinterließ
mir ein bedeutendes Vermögen, das mich in den

Reisen zu unternehmen. Auf einer derselben be-
griffen, ſcheute ich nicht dem Umweg von einer Tage-
reiſe, um einen Univerſitätsfreund, der im Meiningen-

einmal zu umarmen.
Es war im Jahre 18** im Monat September
als ich eines Abends in dem Wohnort meines Freun-

in die Behauſung des Juſtizcommissarius Vollmer
kilte. Seine Frau, eine reizende Blondine, von

dort zu bleiben gedachte. Zugleich nöthigte ſie mich
s ihr Mann nach Hauſe komme eine Taſſe Thee

it ihr zu trinken. Ö

In ihrer gemüthlichen Wohnstube, umgeben von

ei sehr niedlichen Kindern, die mit aller Neugier

res Alters den Reden des Fremden lauſchten, der
ihres Vaters Freund nannte, nahm ich neben

r holden Frau auf dem Sopha, hinter dem |







die Ungläckliche genau kaunte.“

bronn wünſcht eine größere Förderung der Sekun-
därbahnen und größere Beräckſichtigung der diesbe-
züglichen Petitionen. Finanzminister Ellſtätter wäre
dem Abg. Fischer sehr dankbar, wenn er einen be-
züglichen Antrag auf einen Vertrauenskredit geſtellt
hätte. Was den Bau von neuen Bahnen betreffe,
ſo müsse er erklären, daß die Regieruug durchaus
nicht ängstlich sei, das habe sie durch den Bau der
Höllenthalbahn bewiesen ; die Regierung stehe dem
Seknndärſyſtem freundlich gesinnt gegenüber, auch
könne sie nicht auf jede einer ſoliden Grundlage ent-
behrenden Petition eingehen. Abg. v. Feder iſt der
Meinung, daß man Staatsbahnen und zwar zum
Theil unrentable genug gebaut habe und daß er
es für nöthig halte, anderen Staaten nachzuahmen
und das JIntereſſe dem Sekundär- und Tertiäir-
bahnsyſtem zuzuwenden. Redner tritt unter ein-
gehender Motivirung für Sekundärbahnen ein, die
geeignet seien, die Rente zu heben. Einen Vertrauens-
kredit zum beliebigen Ankauf von Geländen halte
er im Budgetintereſſe für bedenklich. Nach einer
ziemlich weitläufigen Debatte, die neue Momente
nicht zu Tage förderte, wurde die Generaldiskussion
halb 2 Uhr geschlossen.

Karlsruhe, 21. März. Die zweite Kammer be-
willigt die erſte Rate von 1,200,000 Mk. für Hafen-
anlagen und Lagerpläte in Mannheim. Eine lcb-
hafte Debatte entspinnt sich über die Straßenüber-
brückung und zwei Bahnübergänge. iv, Kgxlsruhe,
für welche 1,600,000 Mk. gefordert ſind. Die Bud-
getkommission beantragt auf Grund der Petition
des Stadtraths Karlsruhe Ablehnung und Bewil-
ligung von 140,000 Mk. zur Herfſtellung zweier
Tunnels. Minister Ellſtätter wälzt die Verantwor-
tung für die Verkehrsſicherheit auf die Kammer.
Die Regierungsvorlage wird abgelehnt.

Berlin, 21. März. Auf den Beſchluß des Reichs-
tags, den Kanzler zu ersuchen, darauf Bedacht zu
nehmen, daß an Sonn- und Festtagen auch Briefe,
Poſtkarten und mittelſt Poſtdebits zu beziehende
Zeitungen auszugeben, dagegen Waarenproben, Druck-
ſachen, Packete, Geld- und Werthſendungen, insofern
ſie nicht als durch Eilboten zu beſtellende aufgegeben



Theetiſche Plat, und ließ mir von ihrem Gatten
die nicht nur meinem Gatten, ja die einen Jeden,

erzählen, von dem sie mit einer Liebe sprach, die
mich unendlich rührte.

„Es iſt wohl der beſte Zeitpunkt, Herr Baron“
~ hob sie nach einer Weile an — g,,den sie er-
wähnt haben, uns zu besuchen; Ihre Gegenwart
wird gewiß recht wohlthätig auf meinen armen Wil-
helm wirken, dem eine Criminalſache, die er mit
großem Interesse führt, alle Ruhe raubt. Er wird
ſicher nochganz krank werden, giebt er sich länger
diesem Geschäft hin, das seine ganze Seele in An-
ſpruch nimmt. Am Tage ſitt er bei den Akten,
und die Stunden der Nacht bringt er größtentheils
damit zu, über die erwähnte Angelegenheit nachzu-
denken, die nun leider eine traurige Wendung



nimmt.

Auf meine Frage, welch ein Fall es wäre, der
meinen Freund so ganz und gar beschäftigte, daß
er sogar seiner schönen Frau Ursache zu gerechter
Klage gebe, antwortete ſie mir: „Die einzige Toch-
ter eines Gutsbesitzers, nur wenige Meilen von
unserm Orte wohnend, ist des Kindesmord ange-
klagt, und durch ihr eigenes Geſtändniß überwiesen.

„Vie aber“ ~ fragte ich erſtaunt ~ „„kann
ein ſolcher Auswurf der Natur ein ;Jntereſſt „er-
wecken, das meinem Freunde ſogar die Ruhe raubt ? t:

„Urtheilen Sie nicht zu ſchnell, Herr Baron

-- unterbrach mich die holde Frau ~ ,,die Um- |

stände, welche bei dieser Geschichte obwalten, sind
allerdings dazu geeignet, die Aufmerksamkeit eines
Juristen zu feſſeln, wenn er auch nicht, ſo wie wir,

nannte.



„Darf ich nicht fürchten“ fuhr sie fort .
„Ihnen Langeweile zu verurfachen, ſo will ich Ihnen

1884.

werden, vom Dienste auszuschließen seien, lautet die
Antwort des Bundesraths : „Aus Anlaß der neben-
ſtehenden Resolution des Reichstags ist die Frage,
ob die Einschränkung des Dienstes an Sonn- und
Feiertagen, soweit dies mit den Intereſſen des Ver-

kehrs vereinbar, noch mehr auszudehnen sei, abeen.

maliger Erörterung unterzogen worden. Dabei hat
sich ergeben, daß an dem vermittelnden Standpunkte,
welchen die Poſt- und Telegraphen-Verwaltung bis-
her in der Frage eingenommen und welcher sich nach
langjährigen Erfahrungen bewährt hat, auch ferner
grundsätlich feſtgehalten, und daß insbesondere die
Aussſchließung einzelner Gattungen der c
vom Sonntagsdienste im Hinblick auf die Verkehrs-

intereſſen und auf die für eine etwaige Durchführung

ſolcher Ausschlußmaßregeln sich ergebenden techni-

ſchen Schwierigkeiten als nicht angänglich bezeichnet

werden muß. Innerhalb der hierdurch gezogenen
Grenzen sind auf Grund angestellter eingehender

Erhebungen neuerdings Aenderungen getroffen wor-

den, welche einerseits auf weitere Einſchränkung des

Dienstes an Sonn- und Feiertagen, sowie anderseits

anf die Sicherstellung der dem Personal zu gewäh-

renden Sonntagsruhe abzielen.

Berlin, 21. März. Kaiser Wilhelm empfing
heute Mittag in feierlicher Audienz den ruſſiſchen
BVotſchafter Fürſten Orlow zur Entgegennahme ſeiner
Beglaubigung in Gegenwart des Ministers Grafen
Hatfel~; hierauf wurde der Botschafter auch von
der Kaiſerin, dem Kronprinzenpaar und den übrigen
Prinzen empfangen. :

. Darmstadt, 20. März. Am nächsten Sonntag
wird die hesſiſche Fortſchrittspartei (die Nationale
liberalen) zu Frankfurt a. M. in der Rosenau eine
Landesverſammlung auf deren Tagesordnung neben
dem Bericht über die politische Lage, insbesondere
auch die Stellung der Partei zur „deutschen frei-

ſinnigen Partei“’, sowie die Berathung über die Reich

u. Landtagswahlen steht abhalten. Als Tag der
Vermählung der Prinzeſſin Victoria, älteſten Toch-
ter des Großherzogs, mit dem Prinzen Ludwig von
Battenberg iſt jett offiziell Donnerſtag, 17. April
in Aussicht genommen.



in gedrängter Kürze eine Begebenheit mittheilen,

der hier, oder wenigstens in der
wohnt, lebhaft interesſirt.
„Agnes von Lindau galt allenthalben als ein

hiesigen Gegend

Muſter ihres Geschlechtes und zwar mit allem Rechte.

Seit ihrer Geburt war sie die Freude ihres äußerſt
strengen, stolzen Vaters, das Glück ihrer sanften
guten Mutter, die nur in ihrer Tochter lebte, da der
Charakter ihres Gemahls mit dem ihrigen zu ver-

ſchieden war, als daß eine zärtliche Neigung zwischa.

Beiden hätte stattfinden können.
„Agneſens blendende Schönheit, die Milde in
ihrem ganzen Wesen, ihr gediegener Verſtand und
der Ruf ihres großen Reichthums zogen ihr ſchon
in dem jugendlichen Alter von siebenzehn Jahren
mehrere Bewerber um ihre Hand zu, die sie aber
alle mit der beſtimmten Erklärung von ſich wies ſo
lange ihre Mutter lebe, würde ſie ſich nicht ver.
mählen, welchen Entschluß ihr Vater Empfindelei

_HJAllein das war es nicht, sondern nur die feſte
Ueberzeugung, daß ihre Gegenwart in dem elter-
lichen Hauſe zu dem Lebensglück ihrer Mutter un-
umgänglich nöthig sei, erweckte den gefaßten Vor-
satz in ihrem Herzen. s ..

„Oft war sie Zeugin von der Strenge und
Heftigkeit, mit der Herr von Lindau seiner Gattin
eine Ungerechtigkeit zufügte, und sie fühlte nur zu
deutlich, daß ihre herzliche Theilnahme allein ver-
mögend. war, den Kummer zu lindern, der (
dem gewiß die höchſt zerrüttete Geſundhei
Mutter zerſtört






 
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