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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 256 - No. 281 (1. November - 30. November)
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Donnerttag,

Berantwor i. Redakteur Philipp Klausner in Heidelberg.

Erſheint täglich außer Montag. Abonnementspreis für
ſisetberg: monatlich 45 Pfg. mit Trägerlohn, durch die
V bezogen vierteljährl. 1 Mark ohne Zuſtelungsgebühr.





Deutſches Meich.

J Berlin, 18. Nov. Der Reichstag wird Donner-
I ſtag Mittag 1 Uhr im weißen Saale des Königl.
I Schloſſes eröffnet werden. Dem Eröffnungsacte
| Ueht der übliche Festgottesdienst im Dom und in
| Nr katholiſchen Hedwigskirche voraus. Es iſt bis
| heute Mittag noch nicht bestimmt gewesen, wenig-
J lens war hiervon weder im Reichstage, noch beim
J Hofmarſchallamte etwas bekannt, ob der Kaiser in
q Person den Reichstag eröffnen wird. Die Audienz,
| Velche Staatsſekretär von Bötticher Sonntag Nach-
| Hittags 41/, Uhr beim Kaiser hatte, hängte ledig-
lih mit dem Inhalte der Thronrede zuſammen.
f Sollte die Verleſung der Thronrede durch den Kaiser
| Vicht vorgenommen werden + wofür die Witterung
| Wussſchlaggebend iſt ~ so wird zweifellos die Er-



öffnung der ſechſten Legislaturperiode durch den

| Neichskanzler Fürsten Bismarck erfolgen.

| . Darmſtadt, 17. Nov. Zur Vorbereitung der 26.
J allgemeinen deutſchen Lehrer-Verſammlung, die auf
| Einladung unseres Stadtvorſtandes vom 26. bis
| W. Mai 1885 in' Darmſtadt abgehalten werden
J] ſoll, hatte eine Anzahl unserer angesehenſten Mit-
? btrger auf heute Nachmittag 6 Uhr in der Aula
P Ir Großh. Realſchule eine Verſammlung aller
| VNeunde des Schulwesens einberufen, deren nächster
| weck die Konſtituirung eines Feſtcomitss bildete.
4 Die diesbezüglichen Vorſchläge des provisoriſchen
J teemites wurden anstandslos genehmigt. Darnach
| aten in das Präsidium die Herren : Oberbürger-
| Meiſter Ohly (Vorſ.), Stadtverordneter Vergſträßer
| (ſelv. Vorſ.), Lehrer Reineck, sowie die Herren J.
| Erckmann und G. Kapp als Schriftführer.

| j München, 17. Nov. Die Oberbairische Handels-
| mmer beſchloß einstimmig, eine Petition an den
| GVeichstag um Ernennung eines Reichskommisſsars
| Und Bewilligung eines Reichszuſchuſſes für die
| HVüächſtjährige Weltausstellung in Antwerpen, ferner
| "ine Petition an die bairiſche Regierung um Be-
: willigung eines Landeszuſchuſſes zu richten.

I Oeſsterreich-Ungarn.

| ,. Wien, 16. Novbr. Die hiesigen maßgebenden
| Vlitter begrüßen die heute in Berlin zuſammen-

Schwarg-Elle.

Roman aus dem Thüringiſchen von F. Klink.

: (1. Fortsetzung.)

,. Er hatte es verſucht ein weiteres Gespräch mit
ihr anzuknüpfen, aber sie zeigte sich wenig redſelig
und so ließ er fie ihres Weges gehen. Sie war
| hm noch ein paar Mal begegnet, aber als er das
| Vüchſte Jahr wieder nach dem Schloſſe kam, hatte












kr Elſe vergeſſen, denn ein lustiger Huſarenlieutenant
hat an andere Dinge zu denken, als an ein kleines
iehnjähriges Mädchen.

yjcSchwarz-Elſse !“ Sie hatte oft an den Namen
ſedacht und als Kurt ihn aussprach, war er ihr
Par nicht häßlich vorgekommen, aber + der Himmel
Mochte wissen, wie es zuging; seit dem Tage, wo
Vuben und Mädchen sie mit dem Namen, bis er ihr
in die Augen drängten, wenn fie ihn hörte, und da-
durch wurde es immer ſchlimmer.

. Eines Tages kam Else weinend von der Schule
nach Hause, als sie zufällig dem Vater begegnete,
der ſein Kind mit einiger Verwunderung ansah. Es
ſiel ihm plötzlich auf, daß Else ſchon ein recht großes
VNädchen sei, und gleichzeitig bemerkte er, daß ihre
Augen vom Weinen geröthet waren.

Zz jag wotteer ilfe: Ls K
er Bruſt des einsamen Kindes. Klirrend zerſprang
ie Schiefertafel auf dem harten Gestein und die
Üücher flogen weit davon. Dann warf sie ſich
'hluchzend in die Arme des Vaters. .

h Y

V erſten Mal ihr Ohr berührt, verfolgten alle
]o verhaßt wurde, daß fich ihr allemal die Thränen

eidelberger Tageblat

(General-Anzeiger.)

Perkündigungsblatt für die Bezirke Heidelberg, Weinheim, Shwehingen, Wiesloch, Sinsheim, Eppingen, Mos-
bach, Neciarbiſchofsheim, Eberbach, Kuchen, Walldürn, Adelsheim, Tauberbiſchofsheim & Wertheim.







tretende Congoconferenz mit sympathischen Artikeln
und heben zugleich die Bedeutung hervor, welche
dieſe Conferenz für die Stellung Deutschlands habe.
Die „Neue Freie Preſſe“ sagt: Den größten Triumph
feiert der deutsche Reichskanzler, der Deutschland
eine Stellung gegeben hat, von welcher aus es die
Schicksale der bewohnten Erde regelt. Handelsfrei-
heit, Freiheit der Schifffahrt, völkerrechtliche Rege-
lung der Befitrechte, Aufhören der Sklaverei an
den Ufern des Congo + all das wird von Berlin
datiren, wo sich die afrikaniſche Conferenz unter
Vorsitz des Kanzlers verſammelt, der auch die orien-
taliſchen Verhältnisse geordnet hat. Als der Große
Kurfürſt von Brandenburg vor zwei Jahrhunderten
in Weſt-Afrika eine inzwiſchen längſt an Holland
verkaufte kleine Colonie gründete, da ahnte er wohl
nicht, daß der Kanzler eines seiner Enkel in Berlin
die Geschicke Weſt-Afrikas nach seiner Weisheit ordnen

würde.
Rußland.

Petersburg, 15. Nov. Einer in Baku von
Saliany in Transkaukasien eingegangenen Meldung
vom 2. d. M. zufolge haben ſich daselbſt zwiſchen
Mohamedanern und Christen blutige Zuſammenſtöße
ereigne.. Das Ergebniß waren zahlreiche Todte
und Verwundete. Der Gouverneur begab sich von
Baku nach dem Schauplatze der Ruheſtörungen. Die
Polizei war gänzlich machtlos zur Herſtellung der
Ordnung. Einzelheiten fehlen noch; auch iſt die
Ursache des Streites noch unbekannt. ~ Aus Je-
katerinenburg wird gemeldet, daß in dem
Fabrikorte Michailowskoe die Arbeiter in der Nacht
des 19. October große Ausschreitungen begingen.
Sie zertrümmerten die Fenster des Polizeiviaduct-
Verwalters und versuchten die Fabrik in Brand zu
stecken. Verhaftungen sind bis jetzt nicht vorgenom-
men worden.

England.

London, 18. Nov. Nach einem Telegramm
der „Times“ aus Alexandrien vom gestrigen Tage
meldet der Mudir von Dongola telegraphiſch, daß
er einen Brief General Gordons vom 5. November
erhalten habe, in welchem Gordon ihn, den Mudir

nicht wieder in die Schule gehen! Ich kann's nicht,
ich will nicht! ¡Was habe ich ihnen gethan, daß sie
mich mit Schmähungen verfolgen ?“ :

„Dich mit Schmähungen verfolgen?“ fragte
Mäller Brand mit verfinsſterter Miene, „Wer wagt
es, Dich zu ſchmähen? Was sagen sie zu Dir ?“

„Schwarz-Else !“ schluchzte das Kind.

Da nahm der harte Mann, desſſen starres Ge-
ſicht nie eine weichere Regung zeigte, den Kopf seines
Kindes in seine arbeitsharten Hände und schaute ihm
tief, tief in die in Thränen ſchimmernden Augen.
Seine Stimme zitterte, als er dann sagte:

„Schwarz-Elſe! Das biſt Du, mit den Augen
Deiner Mutter. Aber J]aß es Dich nicht gereuen,
mein Kind! Die Augen haben einst einen Menſchen
ſo unendlich glücklich gemacht.“ §

Dann trat er in's Haus. Else sammelte ihre
Bücher und ſuchte die zerſtreuten Blätter auf. Die
Thränen waren raſch getrocknet, nur die zerbrochene
Schiefertafel that ihr noch leid. Aber wie sie das
eine Sttick dem andern anpaſſen wollte, es war ver-

gebliche Mühe, und so warf sie die einzelnen Stücke

in's Wasser, sich freuend, wenn es bis an's jenseitige
Ufer flog. Im Nu war der Kummer vergessen.
Von dem Tage an schmerzte es sie nicht mehr,
wenn sie den Namen „Schwarz-Else“ hörte. Sie
mußte daran denken, daß auch der Vater sie so ge-
nannt hatte.
Nicht sſo Müller Brand. t
In demſelben Moment, als er den Kopf seines
Kindes in beide Hände nahm und in die Augen



Else's ſchaute, da fühlte er auch, wie ſehr er ſein

| Liebſtes auf Erden vernachlässigt hatte. Wie ein





Druck und Verlag von Wur m & Pfeff er in Heidelberne
Expedition Brunnengaſſe 24.

Anzeigen: die 1-sſpaltige Petitzeile oder deren Raum 5 Pfg.,
für auswärts 10 Pfg. Bei mehrmaligem Erſcheinen Rabatt.

1884.

von Dongola, zum Brigadegeneral ernannt und
hinzugefügt habe, daß in Chartum alles gut gehe.













Konservativen beider Häuſer des Parlaments wurde
beſchloſſen, die Wahlreformbill anzunehmen, voraus-

befriedigende Bill wegen Neuvertheilung der Wahl
kreiſe einbringt. Damit iſt der Konflikt zwiſchen
dem Hauſe der Gemeinen und den Lords beendet.

Aus Nah und Fern.
* Karlsruhe, 17. Nov. Unser hiesiges Dra-
gonerregiment Nr. 22 (Prinz Karl von Baden) be-



jähr. Jubiläum der Ernennung des Prinzen zum
Regimentschef. Schon seit Wochen werden im Re-
giment die umfassendſten Vorkehrungen getroffen.
Neben dem Dienſte, der den ganzen Ernst des Mannes
erfordert, hat sich ein Dienſt des Vergnügens ent-
wickelt, der übrigens besonders für den Arrangeur
nicht immer frohe und angenehme Stunden mit ſich
bringt und manchen Seufzer koſtet, bis endlich „alles

fünf öſterr. Dragoneroffizieren von dem Regimente
hier ein, in welchem der Prinz in seiner Jugend

Den Glanzpunkt des Festes bildet ein Karrouſsſel,
das heute Abend zum erſtenmale geritten wurde,
und an Glanz und Pracht der Koſtüme, herrlichen
Pferden, trefflicher Einübung, mannigfaltigem und

bot. Die ſonſt so proſaiſche Regimentsreitſchule war
in einen ſchmucken Festzirkus verwandelt, den am
meisten die ſchönen Toiletten des Publikums zierten.

santer Gestalt, in wohlgesetßten Worten Grüße ſpenn
dend und kündend, all das ſchöne, was man zu ge-
wärtigen habe. Da ritten 12 öſterreichiſche, dann
12 preußiſche (badiſche) Dragoner künſtlich kombi-
nierte Touren, dann ebenſo 24 Spahis, ſolche in

und gymnaſtiſche Spiele. Eine türkiſche Scharwache
sorgte für die Heiterkeit, darauf Gefechtsſcenen zwi-



„Vater! Vater! Laß mich nicht wieder ins Dorf | Stich war es ihm durch's Herz gegangen, indem er

sich sagte, wie wenig er sich um das kleine Geſchöpf
bekümmert, das sein verſtorbenes Weib eines Tages
in seine Obhut gegeben. Wie hatte er ein Vertrauen
getäuſcht, das in ihn gesetzt worden war! .
Von jener Stunde an, ließ es ihn keine Ruhe
mehr. Mit einem Male war es in ihm wach ge-
genüber seine Pflichten nicht erfüllte und daß es
anders werden müsse mit ihm und mit Elſe. ;
Nicht ganz acht Tage später theilte er seinem
Kinde mit, daß es in eine Penſion gehen werde, vo

so lange Jahre entbehrt.

dacht, die Stätte ihrer Kindheit eines Tages zu ver-
lassen, so leidenschaftlich ſie ſich auch oft, vielleiccte.
geſehnt hatte. Nun erschreckte ſie der Gedanke, die
friedvolle Einsamkeit zu verlaſſen und ~ was ſollte
aus dem Vater werden? ;

war es ihr klarer geweſea, daß sie ihm zugehört.
Sie fragte aber auch ihn.

Dann ſagte er, und das Blut stieg ihm jählings

Seufzer aus der Tiefe seiner Bruſt:



thun, was ich für gut halte. Gestern war ich bei

20. November.

London, 18. Nov. In einer Verſammlung der.

gesett, daß die Regierung sofort eine beide TheilenÖ

ginnt heute eine Feſtwoche. Die Feier gilt dem 2665

soweit iſt." Gestern ſchon traf eine Deputation vm

gedient hatte, um ihm Glückwünſche darzubrinken.

intereſſant gewähltem Programm ganz Vorzüglichls

Da erſchien ein mittelalterlicher Herold von impoo

elegantem scharfen Trabe, dann wechſelten Voltigiene



worden, das Bewußtsein, daß er ſeinem Kinde ge- /

es Alles das finden werde, was es in der Mille.

Elſe war überrascht. Sie hatte nie daran ge.

unbewußt, nach Menſchen und menſchlichem Verreen.

Else fragte es ſich in dieſer Stunde, denn nie.

Müller Brand verſſan.
sein Kind nicht, er ſah Else fragend, zweifend a.

in's Angesicht ~ es kam wie ein beklemmenhere

„Danach dürfen wir nicht fragen, Elſe. Schon
zn lange warſt Du hier allein ~ ja, allein, dumm
ich bin ein ſchlechter Geſellſchafter für ein Knwo in.
, Deinen Jahren und Du brauchſt eine Mutter. Ih.
bin ein reicher Mann. Else und kann Alles fir he.


 
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