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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

DOI Kapitel:
No. 150 - No. 176 (1. Juli - 31. Juli)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44124#0679

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Expedition Brunnengaffe 24.

Veraniwortlicher Redakteur Philipp Klausner.







Anzeigen: die I1-ſpaltige Peti
zeile oder deren Raum 5 Pfg.,

für auswärts 10 Pfg.

© Bei mehrmaligem Erſch
Rabattbewilligung.







R 163. |
Deutſches Reich.

. Karlsruhe, 13. Juli. Ueber das Befinden des
î Kaisers sind vom Schloß Mainau die erfreulichſten

Nachrichten hier eingetroffen. Der Kaiser nimmt
Hann allen ihm zu Ehren gegebenen Feſten und Ver-
_ anſtaltungen den lebhafteſten Antheil und wird von

der Bevölkerung stets mit Herzlichkeit begrüßt, so

bei dem Abendfeſt am Freitag, wo der Kaiser auf

dem ſeinen Namen führenden Salondampfer bis
zur ſpäten Abendſtunde ~ man darf, so ſeltſam
es klingt, ſagen — inmitten der Bevölkerung sich
bewegte. Konstanz hat nämlich ein ,venctianiſches“
UWafßserleben in schönen Sommernächten und das
kaiſerliche Schiff wurde von unzähligen Fahrzeugen
umſchwärmt. Von seinem Familienleben auf der
HVMainau, inmitten der wundervollſten Natur, ist auch
der Kaiser ſelbſt auf das wärmste berührt. Die
Ehre gleichzeitiger Anwesenheit theilen die Ober-
bürgermeister bezw. Bürgermeiſter der Städte Karls-
ruhe, Mannheim, Bruchſal und Raftatt, welche von

dem Großherzog Einladungen erhalten haben. Die-

HHelben stehen im Kuſammenhang mit der Ueber-
bringung des von diesen Städten für die Kron-

prinzeſſin Viktoria von Schweden bestimmten Hoch-
jheitsgeſchenkes - vergoldeter Tafelaufsſaß -+ nach
Her Mainau. Das Geschenk wurde von dem Ver-
fertiger, Hofjuwelier Paar, überbracht. +- Durch

„'die Ernennung des Herrn von Eisſend ech er zum
| preußiſchen Gesandten am badischen Hofe iſt die
ghPeriode der Stellvertretung, die ziemlich lange
dauerte, (als Gesandter war unterdeſſen hier Herr
Stunm aus Darmſtadt) grendigt. Der diplomatiſche
Mu tt ef L
Athrtmerksſamkeit erregt. + Die Berichte des land-
ſtsindiſchen Ausſchuſſes, welche seit dem 3. d. M.

vin den Herren Lamey, Knies und Diffené erſtattet
VUuhrden sind, wurden am lettten Samſtag verleſen
î YUnd damit die Arbeiten des Ausschuſſes beendigt.
Vie üblich ſchloß die Vereinigung des Ausschusses
Hit einem Feſtmahle bei dem Finanzminiſter. Man
: dehrf sich nicht verhehlen, daß die Staatsausgaben,
Hementlich durch die Beſchlüſſe des lettten Landtags,

Nachdruck verboten. §

Liebe und Verbrechen.
.. Criminalgeschichte von Bruno Reche.



. t Anfang Juni 1866 fuhr eine Droſchke über das



. hollperige Pflaſter der kleinen Stadt S. und hielt

t bor dem Gaſthauſe „zum deutſchen Hauſe.“ Ihr

nteſtieg eine junge Dame, : welche mit dem letten
it aue de uf die vhucſa ser:
. versunken das Haus betrat und dort den devoten
Vijrth um ein allem Geräuſch entlegenes Zimmer
rſ\uchte. Ihrem Wunſche wurde bereitwilligſt nach-

_ f!!{wer und sie befand fich bald darauf eine Stiege |

Hoclhh in einem freundlichen, mit den Fenstern nach
. ht sauber gehaltenen Blumengarten blickenden
H9irnmer. : i M :

_ J Stiller Ö ſo war der Name des Gaſtwirths
. Uh frug die junge Dame, welche das Zimmer einer
Nyuſſterung unterwarf, nach weiterem Begehr, wo-
_ tauff ſie ihn um Kaffee, Backwerk und um ein Schreib-




und in wenig Zeit kam das Gewünſchte herbei.

. . Dann ward es still in dem kleinen Zimmer; die
Frek mde nahm ihren Hut ab, deſſen Schleier bisher
ie \ Gesichtszüge verborgen hatte, und ein liebliches.
ny braunen Flechten umrahmtes Geficht enthüllte
- Eine matte Dämmerung herrschte im Zimmer
ar bereits Abends nach



Uhr und in dieſem




D
s rrblicken, wenn nicht der Glanz der tiefschwarzen
en diese Illusion wieder zu Eqani machte.
f weren fein und feſ auf einander ge-

aupt lagerte ein unend



jleu'g erſuchte. Stiller flog eifrig die Treppe hinab

; "werlicte könzite. man glauben ein Marmorbild



lich wehmüthiger | ; Da — wer beschreibt des Wirthes Vefticzung

Mittwoch, den 16. Juli

ungemein raſch gewachſen und die Einnahmen durch
eine gewiſſe Stockung des Handels und Verkehrs
sehr ſtark bedroht sind. (Glücklicherweise steht wenig-
ſtens eine gute Ernte auf den meiſten Gebieten nach
ve tdluhen: Ermeſſen mit hoher Wahrſcheinlichkeit
zu erhoffen. w s
Karlsruhe, 12. Juli. S. K. H. der Groß-
h erzog hat heute, lt. „Karlsr. Ztg.“, auf Schloß
Mainau in Anweſenheit des Staatsministers Turban
den zum Königl. Preußiſchen außerordentlichen Ge-
ſandten und bevollmächtigten Minister am großherzog-
lichen Hofe ecnannten Herrn von Eiſendecher em-
pfangen und von demſelben seine Beglaubigungs-
ſchreiben entgegengenommen. Der Herr Gesandte
hatte hierauf die Ehre, auch von J. K. H. der
Großherzogin empfangen und zur großh. Tafel ge-
zogen zu werden. – Der Landſtändiſche Ausschuß,
welcher am 3. d. dahier zuſammengetreten war, hat
heute in gemeinſamer Sitzung mit der großh. Re-
gierungskommiſſion die über die letttjzährigen Rech-
tf. US. 'S Steigt .lte:
es Berichte endgiltig feſtgeſtelt. An die
Beendigung dieser Arbeiten ſchloß sich zu Ehren
des Ausſchuſſes ein Eſſen bei Sr. Excellenz dem
Präſidenten des großh. Finanzminiſteriums, Geh.
Rath Ellſtätter, zu welchem noch die Mitglieder des
Staatsminiſteriums und eine Anzahl höherer Be-
amten des Finanzwesens Einladung erhalten hatten.
Karlsruhe, 12. Juli. Der heute ausgegebene
„Staatsanzeiger“ No. 28 enthält eine Bekannt-
machunz des Finanzminifteriums, dio zweite dies-
jährige Gewinnziehung des Lotterieanlehens der Eiſen-
bahn-Schuldentilgungs-Kasse zu 14 Millionen Gulden
vom Jahre 1845 betr. ;
Berlin, 14. Juli. Der Reichsanzeiger publizirt
die Ernennung des Geheimraths Boediker zum Präſi-
denten des Reichsverſicherungsamts und meldet, daß
das Reichsversicherungsamt mit dem heutigen Tage
in Thätigkeit tritt und veröffentlicht weiter die Be-
kanntmachung betreffend die Anmeldung der unfall-

verſicherungspflichtigen Betriebe, welche bis zum 1.

September erfolgen muß.



Zug auf dieſem herrlichen Antlit und dennoch ließ
. | ſich das Alter der ſchönen Fremden höchstens auf
. | 20 Jahre annehmen. :

Ein dunkles Seidenkleid umfloß die ſchlanke, mit-
telgroße zarte Geſtalt, die ſchmalen weißen Hände
ſtachen wunderbar hiervon ab und die überaus
kleinen, in Atlasſchuhen steckenden Füßchen mußten
Jeden, der sie hätte sehen können, zu einem Aus-
rufe der Bewunderung hinreißen. Mit einem tiefen
Seufzer warf fie ſich auf das Sopha und barg das
Gesicht in die zarten Hände.
Zeit, der Kaffee war längst kalt geworden und tiefe
Duntktelheit herrſchte in dem kleinen Gemach. Endlich
erhob sie ſich langſam, machte Licht und begann zu
schreiben, hastig, als wäre es in einer Sache, die
Schleunigkeit erforderte. Plötlich dröhnten männ-
liche Tritte die Treppe herauf und in wenigen Se-
cunden stürmte ein junger, elegant gekleideter Herr
"in's Zimmer der Fremden. Ein Ausruf höchster
Ueberraſchung entfuhr Beiden, dann ſchloß sie die
HZimmerthtir und der dienstfertige Wirth, der den
Fremden herauf geleitet hatte, ſtand allein im Cor-
ridor. Er blieb noch ein wenig an der Thür ſtehen
~ die Neugierde Stillers war verzeihlih und
hörte ein Geräuſch drinnen im Gemach, wie von
einem langen Kuß herrührend, dann folgte cin
schmerzlicher Seufzer und mehrere Male der Name
Julius, schmerzlich bewegt und wie bittend von den
Lippen der Dame, auch einmal der Name „Marie“
den der Herr im Tone der Enttäuſchung ausrief,
das folgende Geſpräch wurde im Flüſtertone geführt,
Stiller konnte troß größter Aufmerksamkeit nichts

So lag sie längere

vernehnnee.



cccdttt ET:

schüttelte bedenklich den grauen Kopf und murmelte

gen, eine dunkle Ahnung irgend etwas Außerge

ſchöne Fremde, die über ſeinem Schlafzimmer logirte

zum hellen Frühlingsmorgen.



Expedition Brunnengaſſe 24.


























I RE

Leipzig, 14. Juli. Das gestern abgehalteeen
Probebanket zum achten deutschen Bundesſchieen.
nahm unter enthuſiaſtisſcher Theilnahme von über
tauſend Perſonen einen glänzenden Verlauf. Die
Fesſtbauten und Dekorationen sind über alle Erwar
tungen schön ausgefallen. Für Mittwoch ist das
Probeſchießen anberaumt. j .
! Frankreich. .
Paris, 12. Juli. Heute Vormittag fand i
Palais Elyſse ein Miniſterrath statt, in welchen
der Präsident Grevy mehrere Strafmilderungen für
politische Vergehen unterzeichnete. Die Strafen, z1
denen Louiſe Michel, Krapotkin und Gauthier ver
urtheilt sind, ſind hierbei nicht gemildert worden.
Der erste Sekretär der diesseitigen Botſchaft in Berlin
Baron v. Plancy, ist zum Offizier der Ehrenlegio:
ernannt worden. ~ Nach dem heute veröffentlichte
Bericht über den G esundheitsz uſt and in Paris
während der letzten Woche sind 1105 Personen ge-
ſtorben gegen 991 in der vorhergegangenen Wochc
Die Zunahme iſt indeſſen nur durch die zahlreichen
Todesfälle von Kindern unter 2 Jahren hervorge
rufen. Bisher iſt hier kein Cholerafall konſtatirt
worden. + Der „Temps“ bestätigt, daß der bereit:
gemeldete Todesfall an ſporatiſcher Cholera in de
Rue St. Peres durch Utmttigkett hervorgerufer
worden sei. — Heute Vormittag iſt in Lyon eir

Choleratodesfall vorgekommen. Geheimrath Dr. Koch
befindet sich gegenwärtig in Lyon. + Da der Figar
ſich in einem Artikel gegen die Schulbataitlon
uh: t ul uu uuu
um eine Kazenmuſik zu bringen. Dieſe unten)
V ertigfen i V f: .11
feſt beginnt schon heute. Seit dem Morgen durch
ziehen mehrere Geſellſchaften mit Muſikbanden di
Straßen und viele Häuſer ſind festlich geſchmückt.
Bis jett macht der Häuſerſchmuck aber nicht det
prächtigen Eindru> wie in früheren Jahren. De
Mangel an Begeiſterung erklärt sich durch die Furch
vor der Cholera und auch die furchtbare Hitze, die
heute 36 Grad Celsius erreicht. Die offiziellen Ge
















ſtürmte die Treppe hinab ohne den Horcher zu be
terer Zimmer ertönte im weinerlichen Tone de

Ruf : „Julius, o Julius, mein Gott!“ dann folgt:

ein krampfhaftes Weinen. Stiller trat so leiſe a
möglich den Rückweg nach dem Gaſtzimmer an, e:





dabei : „Da steckt was dahinter und wenn nichl
mehr, so doch eine Liebesgeſchichte.“ .

Als er den Hausflur betrat, eilte derſelbe Herr
an ihm vorüber und nach der Straße. zu

Er schien in der Haſt, mit der er die Trepp
heruntergegangen, die Thüre verfehlt, und zuerſt den
Weg durch den Hof genommen zu haben, der, ohn
Ausgangspforte, ihn wieder zum Rückwege ge-
wungen. . .
ht Stiller trat ruhig zur Seite und ließ den Herren
aſſsiren. : | .
f Dieſe Scene ließ den guten Wirth die Nach
ſchlummerlos, ihn tiberkam ein eigenthtmliches Ban-



wöhnlichen. Außerdem vernahm er in der Stille
fortwährend den elaſtiſchen Tritt, mit welchem die

das Gemach durchmaß. Es mochte etwa 4 Uhr
Morgens sein, als ein Kniſtern von der Treppe an
sein Ohr drang, wie von einem menſchlichen Fuße
der jedes Geräuſch vermeiden wollte; Stiller horchte
aufmerkſam aber das Geräuſch verlor sich wieder
er hielt es für eine Vision seines erregten Geiſtes
und ſchlief endlich unter schweren Träumen ein bis
 
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