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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 77 - No. 100 (1. April - 30. April)
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Heidelberger Ta

Heidelberger General:

Erſcheint täglich außer Montag.
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für Heidelberg:: monatlich 45 Pfg.
mit Trägerlohn, durch die Poſt
bezogen viert.lj. 1 Uk. 40 Pfg.

Expedition Brunnengaſſe 24.

Yeranlwortliter Redakteur Philipp Klausner.

© . Anzeigen: die 1-ſpaltige Petinn.
zeile oder deren Raum 5 Pfg.,
; für auswärts 10 Pfg. :
nz einge k. Bei mehrmaligem Erſchinn.
RabattbewiliineIn. t

4

geblat

Expedition Brunnengafſſe 24.



M 78.

Mr. Bestellungen auf das „Heidel-
erger Tageblatt: für das
II. Quartal 1884

nehmen alle Poſtanstalten und Landbriefträger ent-
t? N UPM ) M
in Heidelberg kostet dasſelbe monatlich 45 Pf.

Deutſches Reich.

Karlsruhe, 30. März. Nach dem nunmehr
abgeſchloſſenen Finanzgesets iſt, wie dies seiner Zeit
bei der Vorlage des Budgets bereits in deſſen Be-
gründung erläutert wurde, ein Ueberſchuß der ordent-
lichen Ausgaben in erfreulicher Weise ersichtlich. Es
betragen nämlich die Einnahmen 41,046,570 Mark
im Jahre 1884 und die im Jahre 1885 41,068,910;
dagegen die Ausgaben in den gleichen Jahren
39,040,179 bezw. 39,124,288. Hierzu kommen für
beide Jahre die gerade in dieser Budgetperiode,
insbesondere infolge des großen Waſſerſchadens sehr
beträchtlichen außerordentlichen Ausgaben im Betrage
von 5,870,167 Mk.; diesen stehen wieder außeror-
dentliche Einnahmen im Betrage von 535,007 Mk.
! Nu he w tt:
des umlaufenden Betriebsfonds entnommen werden,
und nur ein kleiner Reſt von weniger als einer
halben Million iſt durch einen Zuſchuß seitens der



Amortiſationscaſſe zu decken, welcher im Laufe der

nächsten 10 Jahre zurückzuerſtatten iſt. Trotz der
ſo hohen außerordentlichen Ausgaben bedarf also
Baden in seinem allgemeinen Staatshaushalt keiner
Httfe zurch Anleihen; solche figuriren nur im Eisen-
bahnbudget.

Berlin, 31. März. In der Stadtverordneten-
Versammlung hatte das Mitglied Singer (Soz. D.)
den Antrag gestellt, daß die Stadtverordneten wegen
Vermehrung der Abgeordneten Berlins zu dem
Reichstage und Landtage petitioniren möchten. Hie-
zu bemerkt die Nordd. A. Z.: Die Stadtverordne-
ten würden offenbar ihre Befugnisse überſchreiten,
wenn sie in die Berathung des Antrages eintreten



Die heimliche Ehe.

Eine wahre Criminalgeſschichte.



8 Fortjegung.

Nach einer langen Weile gänzlicher Stille trat
Fupre auf mich zu, ergriff meine Hand und ſagte:
„Ich ſehe Theilnahme an unserm Schicksal in Ihren
Augen, und bin daher bereit, Sie mit der Geschichte
tetzsr Frau und mit der meinigen bekannt zu
machen.“

Nun ſah ich keinen Grund mehr ein, warum
ich länger ſchweigen sollte, ich ſagte ihm daher, was
ich von der Sache wußte, worauf er erwiederte:
„So hören Sie denn den Fortgang der Begebenheit :
Der Augenblick des Abschiedes meiner Frau von
Paulinen und ihrem Gatten, ſowie von dem Geiſt-

lichen, der sie so zärtlich liebte, war nun vorüber.

Sie hatte Letzterem einen Brief an ihren Vater über-

geben, in dem, wie sie sagte,ſie ihm dankte, daß er

ihr verziehen hatte. Der Wagen fuhr vor, und
nahm Agnes und ihren Beichtvater auf.

„In langſamem Zuge ging es nach dem Richt-
plaße. Nur noch wenige Schritte von ihm entfernt
begegnet ihnen ein Reiſewagen, der still hält, aus
dem ein Frauenzimmer ſpringt, und mit einem Ruf,
von Todesangst erpreßt, laut aufschreit: „Haltet
ein! um Gotteswillen haltet ein! sie iſt un-
schuldig!“ dann aber beſinnungslos zu Boden

„Sie werden begreifen, welch ein. Aufsehen dieser

Vorfall machte. Im ersten Augenblick dachte Nie-

~ mand an Agnes, alles starrte nach der Fremden,



Mittwoch, den 2. April

wollten, da sie sich nach der Städteordnung aus
eigener Jnitiative nur mit Gemeindeangelegenheiten
als solche zu befaſſen haben. Die Nordd. A. Z.
hört, daß der Oberpräſident Achenbach Maßregeln
getroffen habe, daß jedem Versuche, über den Antrag
zu verhandeln, entgegengetreten wird, und im Falle
des Zuwiderhandels eine Strafe von 300 M. an.

Berlin, 31. März. Anläßlich des Reſskripts
des Oberpräſidenten an Straßmann fand heute eine
außerordentliche Sitzung des Magiſtrates ſtatt.
Mittags hielten hervorragende Stadtverordnete eine
Berathung über die Stellung, welche ſie in diesem
Falle zu nehmen haben.

Berlin, 31. März. Die „Post“ sagt anläßlich
des morgigen Geburtstages B i smarck’s: „Eine
zweiundzwanzigjährige Führung eines so ungeheuren
Geschäftskreiſes mit ebenſo ungeheurer Fülle der
Jnitative und der Erfolge iſt ohne Beiſpiel.“ Das
Blatt hebt hervor, daß Bismarck mit der Richtung
ſeiner Politik auf dem Boden der öffentlichen Mein-
ung überall siegreich vorgedrungen sei, was ſich
aus einem Vergleich der öflentlichen Meinung von
1875 und der heutigen bezüglich der Sozialreform
tg v Fri std ci
Wirken des Kanzlers weniger Hinternisse bereitet

werden.
Frankreich.
Paris, 31. März. Der Strike in Anzin dauert

fort. Gestern wurden zwei Häuſer, in denen Gruben-

arbeiter aus Vallers wohnten, welche die Arbeiten
wieder aufnahmen, in Brand gesteckt und vollſtein-
dig eingeäschert.

Paris, 31. März. Laut „Rational“ geht aus
den letzten Depeschen des franzöſiſchen Geschäfts-
trägers in Peking hervor, daß die Wiederaufnahme
der Unterhandlungen zwiſchen China und Frank-
reich nahe bevorſtehe. + Ein Telegramm des Ge-
nerals Millot meldet, daß die Regenzeit in Tonking
begonnen habe, das Regenwetter jedoch kein Hinderniß
für die Einnahme von Hong Hoa bilden werde, die
gegen den 8. April erfolgen solle. Nach der Ein-
nahme dieser Feſtung glaubt General Millot mit

in der man alsbald Rosette, die ehemalige Dienerin
von Agnes erkannte.

„Hunderte von Menſchen drängten ſich um ſie
herum, das Beſtreben, sie zu ermuntern, war all-

emein. :

J „Endlich schlug Rosette die Augen auf, und
ſtöhnte aus tiefer Bruſt: „Rettet ~ Ö, rettet meine
Wollthäterin! sie iſt unschuldig !“

„Nun erſt ſahen Alle auf Agnes hin. Sie saß
noch immer in dem Wagen, neben ihrem Beichtva-
ter, der ganz starr vor Erſtaunen, Freude und Ueber-
raſchnng auf die versammelten Menſchen hin sah,
die sich nun herbeidrängten.

„Und Agnes? - wie ein Bild von Marmor
erbleicht, ſaß sie da, den Blick feſt auf den Himmel
gerichtet, schien sie nur an ihn zu denken.

„Da befahl ihr Richter, der ſich in ihrer Nähe
befand, dem Kutſcher, umzukehren und nach der
Stadi zurück zu fahren. Das Volk jauchzte und
jubelte schon im Voraus über Agneſens Rettung
und lh in Menge dem zurückfahrenden Wa-
gen nach. ; f t§

. „An der Thür des Rathhauſes angelangt, em-
pfing Vollmer mit vor Freude . leuchtenden Augen
die arme Agnes, auch seine Gattin drängte ſich hin-
zu, und breitete ihrer Agnes die Arme entgegen.
In diesem Augenblick verließ diese das Bewußtsein ;
einer Todten ähnlich, sank sie der Freundin an die
Bruſt. (

„Man brachte Agnes in den Gerichtssaal, ein
Arzt wurde herbei gerufen, desſſen angeſtrengten Be-
mühungen es bald gelang, sie zu ermuntern.

„Thränen entſtürzten ihren Augen und mit

















der Zurüickfendung der Truppen nach Frankreich be.
ginnen zu können. -- General Millot ermächtigt. „
zur Wiederlegung der Behauptung eines Blattes, |
General Millot habe in seinen Vorſchlägen zur Ble.
dung eines Besatßungsheeres in Tonking niemals
Anlaß zu der Annahme gegeben, 18000 Mam en.

ropäiſcher Truppen würden nöthig sein; Millot
glaube, 6000 Mann, von eingeborenen Hilfstruppen

unterstützt, reichten zur Bewachung von ganz Too

king hin.
England.

London, 31. März. Die Beiſeßzung der Leiche

des Herzogs von Albany ſfoll Samſtag im Mauſoe.
leum von Frogmore erfolgen. Gestern traf der §
Prinz von Battenberg auf Schloß Windsor ein, um
der Königin persönlich ſeine Theilnahme zu bezeugen.
London, 31. März. Gladſtone iſt Nachmittags .
Die Beifetzüung d'e.
Leiche des Herzog von Albany erfolgt nicht, wie .
zuerſt gemeldet, im Mausoleum zu Frogmore, sondern
in der Georgskapelle “z! Sdlth §tstise Lic Feser: §
ag Nachmittag ha LJ

um 2 Uhr zuräückgekehrt. ---

lichkeit beginnt Sam

London, 31. März. Ein Telegramm der “Times“ . §
aus Chartum bestätigt die Nachricht von einer Nie- .

derlage der Truppen des Generals Gordon in allen
Stücken. Die Niederlage ſoll durch eine Verrätherei
zweier ägyptischer Offiziere herbeigeführt worden
sein. Wie verlautet, wird Suakin als Garniſon
2 Bataillone aus dem ägyptischen Heere erhalten,
die von engliſchen Offizieren commandirt werden.
Außerdem ſoll ein engliſches Kriegsſchiff bei Suatkin
ſtationirt werden. :
Spanien.

Madrid, 31. März. Morgen wird ein Erlaß is

betreffend die Auflöſung der Cortes erscheinen. De.
Wahlen sollen am 27. April sein. Das fie de..
deutsche Kronprinzesſin bestimmte Album iſt fertzgzn.
Alle größern spanischen Maler sind in demſelbea
vertreten. Die bedeutendſten Blätter sind auf Wunsch w
des Kronprinzen noch nicht gebunden, damit diesslblbeen.

auf der Ausstellung ſspaniſcher Kunstgegenstände m
Berlin einzeln ausgelegt werden können. ;



cinem Tone von Freude und Schmerz gemiſcht rief .
sie aus : „Großer Gott! Du wollteſt es alſo haben, t

daß meine Unschuld an den Tag komme? Mit einer
Lüge war ich im Begriff, aus dieser Welt zu ſchei-
den, und Du verhindertest es, willſt mich beſchämen,
daß ich an Deiner Vatergüte zweifeln konnte! Vor
Dir, Allmächtiger und meinen Richtern, lege ichnun
das Geſständniß ab, und versichere, daß ich unſchul-
dig an dem Morde meines Kindes binn.n.
„Erſchöpft hielt sie hier ein und fuhr erſt nach
einer langen Pause fort: „Nur die Ohnmacht, länger
widerſtreiten zu können, nur der Schmerz, mich
nach dem Tode meiner Mutter ganz vereinzelt zu
wiſſen, der Ueberdruß am Leben, das nun, nach
dem Verluſt meines Gatten, nach dem meiner Mut-

ter, keinen Werth für mich mehr hatte, das Gefün.
der Verzweiflung, daß ich bei dem besten Willen >

dazu dennoch nicht würde im Stande sein, mein
Unschuld ſicher zu beweiſen, alles dieses brachte den
Entschluß bei mir hervor, eine Schuld einzugeſtehen
von der mein Herz rein war. Leſen Sie den Brief,
den ich an meinen Vater ſchrieb vergleichen Sie inn
mit Rosettens Ausſage, und Sie werden finden,
daß Beides vollkommen übereinstimmt.“

. „Meine Agnes wurde nun nach dieſer Erklärung
in ihre ehemalige Stube gebracht, und Rosette ver-
nommen, welche ausſagte : „Mein Fräulein Agnes
von Lindau liebte seit einiger Zeit einen Offizier,
der in französſiſchen Dienſten und bei uns im Quar-

tier. war... ; Za5 x

(Forsſezung folgt).


 
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