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Expedition Brunuengaſſe 24.
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Die Ehescheidung in Frankreich.
Die franzöſiſchen Kammern beſchäftigen fich jett
nicht nur mit einer allgemeinen Verfaſſungs-Revision
sondern haben auch Zeit gewonnen, eine Materie
endlich zum Austrag zu bringen, welche ſchon viele
Jahre lang die Gemüther der Franzoſen ernſtlich
beschäftigt und bedrückt hatte. Die Frage der Ehe-
ſcheidung scheint nunmehr in Frankreich einer end-
giltigen Löſung entgegenzugehen. Der Senat hat
den aus seiner Mitte geſtellten Jnitiativ - Antrag
Naquet’'s in jener milderen Form, mit welcher sich
der Unterſtaatssecretär, Herr Martin-Feuillee, namens
der Regierung bereits im Vorhinein einverstanden
erklärt hatte, mit einer immerhin überraschend großen
Majorität, mit 160 gegen 118 Stimmen angenom-
men. Die Deputirtenkammer wird dieſen Antrag
jedenfalls nicht zurückweisen und derſelbe somit
binnen einer nicht fernabliegenden Friſt Geseteskraft | ſ
erlangen; es müßte denn ſein, daß neue Zwiſchen-
fälle die definitive Fertigstellung des Gesetzes ver-
zögern und verhindern. ;
Der durch das Amendement von Griffe modifi-
cirte und vom Senate angenommene Antrag lautet
in seinem Artikel 1 nunmehr einfach und lakoniſch :
„Das Geseß vom 18. Mai 1816, welches die Ehe-
ſcheidung abſchafft, iſt aufgehoben.“
Der Senatsbeſchluß stellt alſo die Gesetzgebung
von 1803 in Sachen der Eheſcheidung wieder her.
Dieselbe iſt lange nicht so weitgehend „liberal“ wie
es beiſpielsweiſe die amerikanischen Ehegeſetze find
oder auch nur die in Deutschland giltigen und ſeit
Menschengedenken in das gemeine Recht eingebürger-
ten und in die neue Reichsgeſeßgebung übernom-
menen Beſtimmungen. Aber sie gestattet immerhin
Die Frankenburg.
Roman von Marie Romany.
(47. Fortsetzung.)
Nur Wenige gab es, die den Muth besaßen, sich
theilnehmend der Entſeelten zu nahen; die Meiſten
drängten nach dem Ausgang oder flohen, von Ab-
scheu ergriffen, in die Säle, um sich zur Heimkehr
zu rüſten. Unter den Wenigen, die theilnehmend im
Schlafgemache der Gräfin verweilten, befanden sich
auch der Fürſt von Preſten und die Baronin von
Hagern mit ihrer Tochter Jſabella; auch die Gräfin
von Perlam und Herr von Streven, der Attache
der niederländischen Gesandtschaft, waren bei der
Leiche geblieben; der Baron von Liptau hatte, da
die Tanzordnung gestört war, das Weite gesucht.
Da ſtürzte ein Mädchen todtenbleich und zitternd
am ganzen Körper, die Treppe herauf. Das ein-
fache Hauskleid, das in loſen Flechten herabwallende
Haar, der ſchwarze Shawl, welchen sie um die
Schultern geſchlungen hatte, ließen auf den erften
Anblick erkennen, daß der Beſuch, welchen sie hier
abſtattete, ein unfreiwillig hervorgerufener war. Sie
sah nicht um ſich, mit ungezügelter Eile flog sie auf
die Lagerstätte der Verblichenen zu; es schien,. als
gewahre ſie nichts von ihrer ganzen Umgebung; sie
ergriff die kalte Hand der Gräfin, ließ sie, selbſt
zum Tode erschrocken, wieder fahren und sank mit
hem Jammerrufe: Zu ſpät! an der Seite des Tod-
tenbettes hin. + Ein Briefchen, welches sie in den
Fingern gehalten, entglitt ihrer Hand. Die Gräfin
von Perlam, welche dies bemerktte, nahm es und
~ der Situation Rechnung tragend — las:
Heidelberger General-Anzeiger. ü
Verantwortlicher Redakteur Philipp Klausner.
Hamſltag, den 7. Juni
die Ehescheidung und die anderweitige Wiederver-
ehelichung der geschiedenen Gatten wenigstens in
| sehr vielen Fällen und unter sehr vielen Voraus-
seßungen; dies wird vor der Hand den Eheſchei-
dungs-Agitatoren in Frankreich genügen und dort
eine Frage löſen, welche, wenn wir den beſten
Kennern der französiſchen Sitten und den geistreich-
ſten Schilderern derſelben im Romane und Drama
Glauben schenken dürfen, eine der „brennendſten'“
der franzöſiſchen Geſellſchaft geworden iſt.
Die Senatoren, welche den Muth hatten, sich
für die Aufhebung des Gesetzes vom 18. Mai 1816
Eo; §"§cecl d Vils? Tat f
Say wieder ſeinen Einfluß stärker geltend macht,
in erfreulicher Weiſe die alten Bahnen der gemäßigt | p
freiſinnigen Richtung einschlägt, betrachtet die Wieder-
einführung der Ehescheidung von der volkswirth-
schaftlichen Seite. Bekanntlich iſt oft über das Zu-
rückbleiben der Bevölkerung in Frankreich hinter der
protestantischer Länder geklagt worden. Von 1841 +
1881 hob ſich die Bevölkerung Englands von
26,751,000 Seelen auf 34,217,000 während die
Frankreichs in derſelben Zeit nur von 34,468,000
auf 37,314,000 stieg. Die Geburten überstiegen in
Frankreich die Todesfälle 1850 um 48 Procent,
o daß die Bevölkerung, die 1860 auf Verdoppelung
in 145 Jahren rechnen ließ, diese nach Verhältniß
von 1880 erſt in 433 Jahren in Aussicht stellen
würde. Die Einwanderung aus dem Auslande nach
Frankreich betrug laut der letzten Zählung 1,001,110
Seelen. Die Hauptursache der geringen Bevölkerungs-
ttt ct q r cho
während in England und Preußen 8,, Ehen auf
100 Einwohner kommen, kamen in Frankreich 7,,
darauf ; das Verhältniß der Geburten zu 100 Ein-
wohnern iſt in Preußen 2,4,, in England 3, gu- in
Frankreich nur 2,,,. Die ,„Debats“ weiſen nun
nach, daß in den Ländern, wo die Ehescheidung ge-
ſtattet, die Eheſchließungen auch am zahlreichſten sind,
weil man weniger Bedenken trägt, in die Ehe ein-
zutreten, wenn im Nothfalle die Möglichkeit vor-
„Liebe Elsa!
Wenn Du diese Zeilen erhältst, habe ich durch
meinen Tod Deinen gerechteren Ansprüchen Plat
gemacht; ſei glücklich mit Deinem Victor und
nimm Besitz von Allem, davon Dich mein Dasein
ferne hielt. Ich habe nichts mehr auf Erden,
als mein Kind; ich lege sein Wohl an Dein Herz,
das ja an guten Seiten so reich iſt. Nehmt euch
Du und Dein Gatte, der Waiſe an, so wird Gott
euch segnen, da ein Mutterherz flehend für euer
Wohl vor seinem Altare steht.
Deine zweite Mutter
Clothilde.“
In athemloſer Spannung hatten Alle dem Ver-
leſen dieses Schreibens zugehört; jett, da die Gräfin
geendet, trat eine feierliche, von Gott geheiligte Stim-
mung ein. Das Urtheil war gebildet: Clothilde
von Sternenberg hatte den Grafen Victor von Hohen-
heim geliebt; dieser wieder schenkte seine Neigung
dem blonden Mädchen Elſa; die Verſchmähte und
dennoch liebende hatte sich dem Tode geweiht.
Allmählich | kam Elſa zu sich, man richtete sie | Ih
auf und führte fie zu einem Divan; dann verzog
fich die kleine Geſellſchaft in die Säle und anſtoßen-
den Gemächer, nur Elſa, der jProfeſſor und Isabella
von Hagern blieben bei der Leiche zurück..
Die Baronesſe betrachtete eine Weile forſchend,
doch mit augenſcheinlichem Wohlgefallen das blonde
Mädchen, das noch immer ſeiner ſelbſt kaum be-
wußt, auf dem Divan faß; dann bot sie ihm die
Hand. Sie werden mir nicht zürnen, mein Fräu-
lein, sprach fie leiſe, daß ich eine Frage an Sie
richte, + Verhältniſſe betreffend, fügte ſie hinzu.
Fragen Sie, erwiderte Elſa, ohne aufzuſchauen.
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zeile oder deren Raum 5 Pfg.,.
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Expedition Brunnengafſe 24. 1.11
1884.
E E
handen iſt, wieder herauszukommen. So steht es
außer allem Zweifel, daß die Wiedereinführung de
Ehescheidung als eines der wichtigsten Ereigniſſe der
Neuzeit in geſellſchaftlicher und ſittlicher Beziehung
für Frankreich zu betrachten ist. ;
Deutſches Reich. ji
Berlin, 3. Juni. Die Nachrichten über den
Staatsrath haben nahezu den Charakter der See-
schlangengeschichten angenommen; jeder Tag brachte
neue Angaben und zulett allerlei — Verlegenheits-
notizen. Endlich aber nehmen die Dinge greifbare
Gestalt an; der Kaiſer hat jett die königl. Kabinetts.
ordre unterzeichnet, welche den Kronprinzen zun t.
Präsidenten und den Fürsten Bismarck zum Vice-
räsidenten des Staatsrathes ernennt. Die ame _
liche Publikation bezüglich der Ernennung der übrigtnn.
Mitglieder des Staatsraths und dergl. mehr wien.
dennoch nicht ſo bald zu erwarten sein. + Dem
Bundesrath ist ein Gesetzentwurf betreffend die Be-
ſchasffung eines Dienstgebäudes für das Generale.
consulat in Shanghai zugegangen, welches den
Reichskanzler ermächtigt, für den Mm
licher Grundstücke und die Errichtung der betreffen
den Dienstgebäude einen Betrag bis zur Höhe vm
260000 Mark zu verwenden. Die Bedürfnißfraeze
wird kurz durch den Nachweis der Unzuträglichkeiten
erläutert, welcher mit der Benutung des ſeit
miethsweiſe benußten Amtsgebäudes verbunden waren
seit geraumer Zeit viele Unbilden von der Wildheit,
Rückſichtsloſigkeit und Rohheit der engliſchen Strann
fiſcher zu erleiden gehabt und bei Zwiſten mit denn
selben ſtets den kürzeren gezogen. Die Reichsregie.
rung hat deßhalb angeordnet, daß das Kanonenboot
„Cyclop“ an der deutschen Nordſeeküſte lagerte, wo
eine ganze englische Fiſcherflotille vor Anker la.
Wie jettt gemeldet wird, hat das Kanonenboot Ann
laß nehmen müſſen, energiſch gegen die engliſcha
Fischer einzuſchreiten und einige derselben wegen
Üebertretung von Fiſchereivorsſchriften als Gefangene.
nach Wilhelmshaven zu bringen. "i
Darmftadt, 4. Juni. Nach der Tagesornnunun _
Ich hörte ſo eben, daß man Sie bei dem Namen
„Elſa nennt, und da ich als Kind eine Geſpieln
hatte, Elſa mit Namen, blond und blauäugig, wie |
Sie deren Spuren ich ſpäter verloren, doch die
wiederzufinden ich als das halbe Glück meines.
Lebens bezeichnen darf, werden Sie mir die Fra
nach Ihrem Familiennamen gestatten. i
Eine Gluthröthe stieg in Elſa's Wangen empo
sie war einen Augenblick im Zweifel, wie
diesem Moment eine ſolche Frage zu beant
habe; dann aber, eingedenk des Ortes, wo ſie
und in Erinnerung der dritten Person, welch
in ihrer Geſsellſchaft befand, erwiderte sie eben
leiſe: Mein Narhe ist Elſa Griſon.
Griſon ! wiederholte Jſabella; dann, mein
lein, habe ich mich ſchon wieder getäuscht.
Elſa, die ich suche, trug einen anderen Namen. :
war für mich das theuerſte Wesen der Erde; da
werden Sie begreifen, daß ich keine Gelegenheit.
verſäume, um vielleicht doch einmal zu erfahren, wo
ſie iſt und was aus ihrem Schickſal geworden ist.
r Bild paßt ganz auf das Bild, welches sich-
meine Gedanken von dieser Elſa malen; aber sie
nannte ſich nicht Griſon, ihr Name war Elſa von
Sternenberg.
Glühend, als sei sie auf einer Lüge ertappt,
schaute Elſa die Fremde an. Reden Sie nicht so
lait mein Fräulein, ſagte sie zitternd, wir find ni
allein und . . . . ; i
So iſt das, was Sie sagen, nicht wahr? warf
die Varonesſe ein. Ich kann Ihnen keine Aufklärung
geben, erwiderte das Mädchen, oder wenigstens sollte
ich wiſſen . . . .
(Schluß folgt.) :