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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 77 - No. 100 (1. April - 30. April)
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Erſcheint täglich außer Montag.

Expedition Brunnengafſe 24.

hei delberae ..



Verantwortlicher Redakteur Philipp Klausner.

Anzeigen: die l1-ſpaltige P

zeile oder deren Raum 5 Pfg.,
ür auswärts 10 Pfg.

Rabattbewilligung.



Expedition Brunnengaſſe 24.



M 84.

Deutſches Reich.

Berlin, 5. April. Die Großherzogin von Baden
hat heute Vormittag die Ausstellung kunstgewerblicher
Frauenarbeiten im Rothen Schloß + noch vor der
offiziellen Eröffnungsſtunde ~ mit einem einſtün-
digen Beſuche beehrt und sich nach eingehender Be-
sichtigung der reich beſchickten und hübſch arrangirten
Ausſtellung überaus anerkennend ausgeſprochen. Die
hohe Frau notirte sich die Adreſſen mehrerer Aus-
ſtellerinnen und machte verſchiedene Einkäufe.

Köln, 4. April. Hier wird am Oſtermontag
eine große Katholiken-Verſammlung ſtatt-
finden, welche zu der gegenwärtigeu Lage im Kultur-
kampf Stellung nehmen wird. In dem Aufruf heißt
es, die Verſammlung ſolle Gelegenheit bieten, vor
aller Welt feierlich zu erklären, daß man in alter
Liebe, Treue und Verehrung feſthalte an dem Manne,
deſſen von Gott verliehene Hirtenwürde hoch über
dem Anspruch eines weltlichen Gerichtshofes ſteht,
Einspruch zu erheben gegen eine Politik, die durch
geringfügige Erleichterungen jene Zwecke erreichen
möchte, die der offene Kulturkampf verfehlte. „Folget
zu Tauſenden unserem Rufe und legt als Katho-
licken und Staatsbürger freimüthiges Zeugniß ab
für die durch Königswort und Verfaſſung verbürgte
Freiheit der Kirche, für euer gutes altes Recht !“

München, 7. April. In der Kammer erklärte
der Minister des Innern in Beantwortung der
Interpellation Off, betreffend die Erhöhung der
Getreidezölle, die Staatsregierung halte gegenwärtig
eine dahin zielende Anregung beim Bundesrathe
nicht für opportun, da die Angelegenheit in Folge
vieler Petitionen im Reichstage zur Sprache kommen
werde. Die Regierung sei aber gerne bereit, zu
einer mäßigen Erhöhung der Getreidezölle mitzu-
wirken.

Nürnberg, 6. April. Die Verſammlung der
freiſinnigen Partei in Nürnberg, in welcher die Ab-
geordneten Hänel, Richter und Rickert sprachen, hat
nach den Berichten der dortigen Blätter einen glän-
zenden Verlauf genommen. Länger als eine Stunde
vor der Verſammlung wanderten Wähler von Ntirn-
berg und aus ganz Franken nach der großen Turn-

Mittwoch, den 9. April

halle. Schon vor 8 Uhr -> dem feſtgeſetzten Be-
ginn der Verſammlung —> war die Turnhalle und
die Gallerie dicht gedrängt voll. Eine große Zahl
der Ankommenden konute keinen Einlaß mehr er-
halten. Sechstauſend Männer hatten in dem großen
Raum Platz gefunden, und sie bewahrten trotz der
mehr und mehr überhand nehmenden Hits stehenden
Fußes eine wahrhaft muſiergiltige Haltung während
der Versammlung, welche bis zum Schluß ohne jeg-
liche Störung verlief. Pünktlich um 8 Uhr begann
die Verhandlung, und sie wurde bald nach halb
10 Uhr geschloſſen. Die Ansprachen der drei Redner
wurden oft durch ſtürmischen Beifall unterbrochen.
Mit einem brauſenden Hoch auf die freiſinnige Par-
tei wurde die Versammlung geſchloſſen. „Freunde, wie
Gegner“, sagt der „F. C.“, „werden noch lange an diese
Verſammlung denken.“ . Die in München ver-
sammelten Deutſch-Freisinnihen fränkischen Landtags-
Abgeordneten haben folgendes Telegramm an den
in Nürnberg abgehaltenen Parteitag gerichtet : Wir
begrüßen die Herren Hänel, Rickert und Richter

und sämmtliche versammelten Vertrauensmänner in

Nürnberg herzlichſt, beſten Erfolg wünſchend. Crämer,
Stauffenberg, Frankenberger, Herz.
Frankreich.
Paris, 6. April. Clovis Hugues kündigt für
Montag oder Dienstag die Frage an den Minister
des Innern an, wegen Anwendung von Gewalt gegen

die Strikenden in Denain. Bei den Radikalen herrſcht

der Verdacht, die Polizei habe den Anlaß zum Ein-
ſchreiten provozirt, um ein Ürgument gegen die Ar-
beiter zu haben. Bürger von Denain demonſtrirten
gegen Quercy, Redakteur des „Cri du peuple“, als
Verführer des Arbeiter.

Ñ Spanien.

Brüſſel, 6. April. Der deutsche Kronprinz
brachte den Tag mit der königlichen Familie zu.
Der König und der Graf von Flandern geleiteten
ihn um 11 Uhr Abends zum Bahnhof, von wo der-
ſelbe nach Berlin abreiſte.

Egypten.

Kairo, 7. April. Huſſein Pascha meldet : Alle

Straßen oberhalb Berber sind von Aufständigen be-



Die Fraukeuburn.

Roman von Marie Romany.



(3. Fortsetzung.)
Zweites Kapitel.
Sechs Wochen seit dem Tode des Grafen Udo

. waren dahin. Die Kondolenzbeſuche hatten aufge-

hört, die junge Wittwe in ihrer ruhigen Zurückge-
zogenheit zu ce. Clothilde lebte nur ſich ſelbſt
und ihrem Kinde: und wenn hin und wieder noch
ein dritter Gedanke sich in die Monotonie ihrer ein-
samen Tage miſchte, ſo war es die Erinnerung an

den Gatten und das vielleicht unfreiwillig hervor-

ebrachte Geſtändniß, welches er am letzen Tage
11661 Lebens abgelegt.

Clothilde, eine Feindin aller irreführenden Ge-
danken, hatte sich niemals um die Entzifferung jener
räthselhaften Worte bemüht ; der Ausspruch, welchen
Udo gethan, blieb für ſie absichtlich ein Geheimniß,
deſſen Löſung sie aus. keinerlei Gründen ersehnte;
und dennoch — das Schicksal wollte es ſo + ſollte
die Stunde ſchlagen, die sie in Verhältnisse, welche
ihr Daſein erſchütterten, Einsicht thun ließ.

. Zwei lange Stunden waren jett verfloſſen, seit-
_ dem ſie sich in demalten Bibliothekzimmer des Hau-

ses eingesperrt hielt; ihr Kopf ruhte gedankenvoll
in den Händen, ihre Lippen fieberten, tiefe Seufzer
entrangen sich ihrer Bruſt. Sie hielt die Ellenbogen
auf ein paar auseinandergelegte Briefe geſtützt;
es ſchien, als wolle sie die verrätheriſchen Papiere.

_ hindern, ihrem Beſit zu entgleiten; von Zeit zu |

Zeit erhob sie das Antlit, und warf einen prüùfen-
den Blick über die Zeilen, worauf sie dann mecha-

tf s Haupt in die frühere Stellung zurückſin-
en ließ.

sig Inhalt dieſer beiden Briefe war ſchätzens-
werth.

„Mein inniggeliebter Udo! ~ (so hieß es

in dem erſten.) ~

„Es sind jetzt mehr als acht Wochen verſtrichen,
seitdem Du mich verließeſt, um Deine Heimath zu
sehen. ~~ Bis jettt habe ich außer der ersten, die
zwei Tage nach Deiner Abreiſe, von der Schweiz
aus datirt, bei mir eintraf, keine Nachricht erhalten.
. Haſt Du denn noch nicht die Einwilligung
Deines Vaters zu meiner Aufnahme erlangt?

Sende mir einige Zeilen, denn Du weiſt nicht,

wie ängſtlich ich um Dich und Deinetwegen um

mein Verhältniß zu Dir bin. Ich möchte ja Alles
thun, um nur Dich glücklich zu sehen.

„Noch Eins. Der kleine Vorrath an baarem
Gelde, den Du mir bei Deiner Abreise gelaſſen, iſt
nahezu verzehrt. Ich werde daher, um auf jeden
Fall Verlegenheiten aus dem Wege zugehen, in meine
Heimath zurückkehren und dort Deinem lieben Briefe
und lieber noch Deiner Rückkehr entgegensehen.

Deine Annetta

Das zweite Schreiben, fünf Jahre ſpäter aus

Berlamo aus datirt, lautete : '
„Mein lieber Udo!

„Wiewohl ich nicht weiß, ob dieſe Zeilen jemals

in Deinen Beſitz gelangen werden, ſo kann ich doch
nicht umhin, dem Schmerz, der in mir wüthet, Aus-
druck zu verleih O t S

„O, könnteſt Du ermeſſen, welche Qual mich
dem Elend,
Aller Dasein



erfüllt! Hätteſt Du eine Ahnung tv!
welches Deine Treuloſigkeit üher unſer

ſeßt und abgesperrt, es iſt unmöglich Depeschen aus t .
Khartum durchzubringen, weil die Stämme zwiſchſe
Shendy und Khartum ſich in offenem Aufstande ble.

finden. + Huſſein Paſcha befürchtet, daß auch Ber-

lu ?. Von Gordon fehlt seit 23. März jede
achricht. / .

Aus Nah und Fern.



[!] Aus Karlsruhe, 7. April wird berichtet:. .
Ueber den Nanten des geheimnißvollen Selbſtnördhe.

kandidaten, welcher sich ſo jämmerlich das Gesicht

zerſchoſſen, ist jetzt Licht gekommen. Er heißt Kal
Marx, iſt 21 Jahre alt, Kaminfeger aus Rottwiel.
a. Neckar. Er stand zulett in Stuttgart in Arbeit. .

[ Mannheim, 7. April. Gestern wurde in

dem Cigarrengeschäft des Herrn H. Schneider, en .
Schwindler der gefährlichſten Art, Namens Jhaam
Schreiber, dingfeſt gemacht. Derselbe ließ sich utter.

dem falſchen Namen Schröder bei hiesigen und
Käferthaler Geschäftsleuten Geld auf gefälſchte

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15

ber nnd Dongola bald von Aufständigen umzingelt :

Wechſel geben. So auch bei Herrn Schneider, .

welcher ihm auf einen Wechſel Mk. 3892 Mk. 320..
baar gab. Herrn Schneider ſchien die Sache nit.
ganz klar und telegraphirte sofort an den Bezogeeen.
M. J. Obenauer, Bürgermeister in Heppenheim bſéae.

Worms, welcher telegraphiſch zurtickantwortete, daß
der Wechsel gefälſcht und Schreiber fortwährend

Wechſel fälſchte. (In diesem Falle iſt zu wunden.

daß Herr Bürgermeiſter Obenauer die Sache nicht

bereits zur Anzeige brachte.) Nun wurde von Sein..
des Herrn Schneider sofort Anzeige bei der Staan.

anwaltſchaft erſtattet. Heute früh 7 Uhr fand ſich

nun Schreiber wieder im Laden des Hrn. Schneide.

ein, welcher sofort einen Schutz mann requirirte und

den Schwindler verhaften ließ. Derselbe wird auch

von Frankfurt a. M. aus wegen Diebstahls steck- . j :
brieflich verfolgt. Er leugnete bis jetzt hartnäckig z

ur geltzut nur die Führung des falschen Namens zu . :
Neckargemünd, 5. Äpril. Die längere get.

in hiesigen Geschäftskreiſen erörterte Idee, betreffend
die Wiedererrichtung einer Gewerbeſchule dahier,

hat sich in der Weiſe verwirklicht, daß auf Antrneg

gebracht! O, hätte nie der Tag geschienen, an wel. .
chem Du Deinen Fuß in unsere friedliche Heimth *

geſettt! wäre niemals die Stunde gewesen, in der

Du mich, das thörichte, unbesonnene Mädchen, ver- '

führteſt, auf ewig die Deine zu ſein!

die gt oh s n hegte fi Lerwsrte: .
ben wird jemals Mitleiden fühlen mit der gebree.
chenen Blume, wenn er die blühende mit eignen.
Füßen von sich stieß! Mein Hoffen iſt auh nit.
mehr auf Erden, meine Sehnſucht geht der ewigen.
| Heimath zu; bald wird der dunkle Schooß der -

Erde mich in sich bergen, ich werde ausruhen dür-

fen von den Sorgen und Mühen, welche mir Deine _
Liebe als einzige Gabe heuchleriſch hinterllen.
„Doch was dann ? Was wird dann aus Velen.

und Elsa ?

„O, laß mich ſchweigen, Udo, mein Geist ver-

wirrt sich und mein armes Herz erſtarrt ! Ist das
die Liebe, die Du mir einstmals vor Gottes heiligem
Altar geschworen ?

„Und um was, ich Thörin, härmte ich mich ab? z j:
um was ließ ich mein armes Herz brechen in Ant.
und verzehrender Sorge? + Vielleicht gefällt sich.
f ts re Urt.
bittere Thränen der Un ht t O Hctes und 6:55 .

Seele sich verzehren laſſe in Noth und Qual!

„Genug des Vorwurfs, Udo! + Wie lange
mag ich auf Erden noch sein? Bald wird die Stunne

Da-





kommen, da eine andere Welt mich empfängt.
rum ſei barmherzig! sage mir, wo Du Dich
hälst, damit, wenn ich bald verschieden sein w













 
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