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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 150 - No. 176 (1. Juli - 31. Juli)
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Expedition Brunnengafſe 24.

c 164.

Die Londoner Conferenz.

î Die Berathungen der in London zuſammenge-
tretenen Conferenz. haben formaliter noch nicht ein-
mal begonnen, vielmehr discutiren noch die finan-
ziellen Beiräthe der Conferenzmitglieder über die
HMirglichkeit, den Finanzen Egyptens einigermaßen
erinen Halt zu gewähren. Dabei wird die Conferenz
Haber ſicher nicht ſtehen bleiben können, sondern es
wird ſicherlich die ganze Zukunft Egyptens auch in
politischer Beziehung sicher gestellt werden müssen.
Wenn die Conferenz die egyptiſche Frage nur
theilweise behandelt und unvollständig löst, und es
unterläßt, England bestimmte Grenzen seiner Action
zu sctzen, ſo wird England dies als eine Billigung
ſeines bisherigen Vorgehens in Egypten betrachten,
ja es sogar als eine Ermunterung auslegen, auf
der eingeschlagenen Bahn weiterzuſchreiten. Es
ließe ihm wieder freie Hand und könnte insofern
als ein Vortheil ausgelegt werden, der es auch in










wegung, die es bisher besaß, zu benüten gewußt
hätte, um dem Lande Gutes zu thun und ſich bei
den Eingeborenen, sowie bei den fremden Colonien
beliebt zu machen. Trotz der so ungeschickten Lei-
| tung seiner Action wäre ihm dies ein leichtes ge-
wesen. Denn, unmuthig über die Unthätigkeit Frank-
reichs und über die an den Tag gelegte Gleich-
giltigkeit der anderen Mächte war hier Jedermann
| bereit, fich England, das als Retter in der Noth
| erschien, in die Arme zu werfen. Es wäre im An-
| fang nur eine Vernunftheirath gewesen, der aber
| bei guter Behandlung die Neigung gefolgt wäre.
gHeute iſt dies nicht mehr ſo leicht, und England
hätte ſehr viel zu thun, um das verlorene Ver-
trauen wieder zn gewinnen. p
_ Der Umttand, daß England, anstatt herzhaft in
den Säckel zu greifen um die Wunden zu heilen,
die es dem Lande gesſchlagen, eine europäische Con-
| ferenz beruft, um sich den Consequenzen ſeiner Ver-
antwortlichteit zu entziehen, iſt gerade am wenigsten
| geeignet, ihm die verlorenen Sympathieen wieder
| zu erwerben und Vertrauen in seine Absichten zu









Liebe und Verbrechen.

Criminalgeſchichte von Bruno Reche.
. l1. Foriſchung.)






Der Phyficus erwiederte nichts, ſondern beugte



<lag, den Herzſchlag, aber es war still in der
c<hönen Bruſt, das junge Herz ſchlug nicht mehr.
Der Bürgermeiſter traf seine Anordnungen; mit



l Hülfe der Arbeitsleute wurde der lebloſe Körper auf

einen Wagen gelegt, der zur Aufnahme von Heu
| in der Nähe ſtann.
| gu dieser Zeit fand sich der Gaſtwirth Stiller
| cin. Der Vorfall war wie ein Lauffeuer in der
| Stadt bekannt geworden, also auch zu Stillers Ohren
gelangt und von banger Ahnung geleitet, kam er
an die Unglücksſtätte. Eben wurde die Leiche auf
Wagen gehoben, Stiller ſah das wachsbleiche
Gesicht der, Dame und brach, erſchrocken und faſt
intaumelnd in bitteres Wehklagen aus, worin er
Verdachtsmomente hervorhob und solche bis zur Ge-
wißheit zu steigern ſuchte. . . t
Der Unterſuchungsrichter richtete seine durch-
ringenden Blicke auf Stiller, ihm entging keines
einer Worte und als der Wagen sich nach dem
tädtischen Krankenhauſe in Bewegung setzte, winkte
r den Gaſtwirth zu sich heran und sagte sodann
u ihm mit ungewöhnlicher Wärme: „Sie mtiſſen
in halbes Stündchen mein Geſellſchafter bleiben,
ommen Sie !“ ...e j Iü
Ohne ein Wort der Entgegnung ſchloß sich Stil-
er den Herren an, die sich nach der Stadt begaben.









der That wäre, wenn England die Freiheit der Be- |



ich zu der Leiche hinab; er untersuchte den Puls- |



Bald darauf verlief fich die Menge, ein düsteres!

jeidelberger Tageblatt

Verantwortlicher Redakteur Philipp M
Donnerſtag, den 17. Juli

erwecken. Es führt dies zu dem Schlusse, daß eine
klare und gründliche Regelung der egyptiſchen Frage
auch für England wünſchenswerth ſein muß. Diese
thut aber vor Allem für. Egypten ſelbſt Noth,
welches bei dieſer Unsicherheit der Lage förmlich zu
Grunde geht. Welche Art, dieſe endgtiltige Löſung
sein wird, kommt großentheils auf England an,
welches im Besitze des Landes und seiner Regierung
und Verwaltung ist, und das seine Ansichten um ſo
eher geltend machen kann, als Egypten die meiſt
intereſſirte Paxtei in der Sache, seine Stimme weder
hören lassen darf noch kann. ]

Wie eigentlich die Löſung sein sollte, um den
Rechten der Mächte und den Rechten und Interessen
Egyptens zu entsprechen, ist nicht schwer zu sagen;
U U U tæstrtn .
und aus der politiſchen Stellung, die es ſich schon
unter der Dynastie Mehemed Ali erworben, die
durch großherrliche Firmane begründet iſt und durch
die Mitwirkung der europäischen Mächte internationale
Anerkennung gefunden hat. Nur auf Grund dieser
zu Recht ue! Grundlagen und in consequenter
Entwickelung der darin enthaltenen Prinzipien kann
eine befriedigende endgiltige Löſung der Frage statt-
finden. Diese sind kurz gefaßt die folgenden: Au-
tonomie Egyptens unter der Dynastie Mehemed Ali's
in einer immer deutlicher ausgeſprochenen Form
und unter steter Mitwirkung der europäiſchen Mächte,
die in ihren letzten Consequenzen zu der ſtaatsrecht-
lich anerkannten Unabhängigkeit Egyptens führen
muß. Eine Nothwendigkeit hierzu, was auch vom
Standpuntte der Erhaltung des europäischen Friedens
wichtig wäre, iſt, daß die egyptiſche Frage für sich
allein und ganz unabhängig von der sogenannten
orientalischen behandelt und ihrer Regelung ent-
z :::.! uU 4 wut t I0-
Geſammtgarantie der Mächte zu erzielen sein wird.

Deutſches Reich. ;
Berlin, 12. Juli. Die Wochenſchrift „Nation“
enthält heute einen zweiten Artikel Virchow's über









Bild in der Erinnerung mit fortnehmend. Tiefe
Stille, nur vom Plätschern des Wassers unterbro-
chen, herrſchte jezt am Ufer der Rinne und die
Stelle, wo die Unglückliche gelegen, das niederge-
drückte Gras richtete ſich allmählich auf, kennzeich-
nete sie zulettt auch nicht mehr. 4 1

In der Stadt trennten sich die Herren, der Wa-
gen fuhr nach dem Krankenhauſe, wohin der Bür-

germeisſter sich mit begab. Der Unterſuchungsrichter

ging mit Stiller jedoch nach der Wohnung des
“fu Richter lud Stiller zum Sitzen ein, dann
zündete er sich eine Cigarre an, nahm Papier und
Bleifeder zur Hand und sagte: :

Ms; bitte, erzählen Sie mir einmal, was Sie

Stiller begann seine Erzählung von dem Mo- |

mente an, wo die junge Dame bei seinem Gaſthofe
in der Droſchke angelangt und sich ein Zimmer bei
ihm beſtellt.. Er gab an, daß das ſeltſame Beneh-
men der Fremden seine Neugierde rege gemacht habe
und habe er ihr mehr Aufmerkſamkeit als seinen
übrigen Gästen erwiesen. Ihr Accent habe ver-
rathen, daß sie aus der Mark Brandenburg ſein
müſse, ihren Namen habe er nie erfahren ; der Herr
nannte sie nur Marie und ob derselbe der Julius
dei, z!ten Namen sie so bewegt ausgerufen, wisse
er nicht. | '

Als Stiller davon sprach, daß die Fremde lange
Zeit geſchrieben hätte, unterbrach ihn der Unter-
ſuchungsrichter : 12

„Iſt das Geschriebene zur Poſt befördert wor-
den oder ist die Dame selbſt ausgegangen ?“
„Run dann dürften wir einige Aufhellung in







Anzeigen: die I-ſpaltige Petit-
zeile oder deren Raum 5 Pfg.,

© ...s . ; o.9 .
m EEGESSSESEGT. Heidelberger Genera l’Anzeiger uc
mit Trägerloÿn, durch die Post , \ j z ; ( b | 1 . mehrmatigen Erſcheinn.

abattbewilligung.

Expedition Brunnengaſſe 24.

158.



von Cholerakranken üppig gedeihe.

werde.
Schweiz.

Bern, 14. Juli. Geheimerath Dr. Koch ile.
auf die Einladung des Bundesrathes geſten hen.
| eingetroffen. Heute konferirte derselbe mit der Cholreen.
kommission. + Die italienische Regierung hat n.
Dampsfſschiffsverkehr auf dem Langenſee zwiſchn dn.
ſchweizeriſchen und italienischen Ortſchaften unterſa g.

' Frarkreich. :
Paris, 15. Juli.

antwortlich zu machen. Das seien keine Patrioten

die solche Handlungen sich zu Schulden kommen
laſſen, ſondern Schwachköpfe oder Agents Provo- : .

kateurs.

Zimmer inzwischen gekommen ?“

„Ich kann es nicht sagen,“ entgegnete der Wirth, . :.
„das Mädchen wird während meiner Abwesenheit 4

das Zimmer gereinigt haben.“

„Verdammt, das wäre dumm,“ rief der Crimi- . (
nalbeamte und sprang von seinem Size au. De.
Wirth verſtand, was der Richter wollte und ehe.

sich ebenfalls von seinem Site.

„Laſſen Sie uns gehen, ich muß baldigst das . ;
Zimmer der Dame sehen, es kann von Wichtigkit.
für mich sein. Damit ſchob der Unterſuchungsriele.

ter den guten Mann zur Thür ſanft hinaus unn

begann ſo stark zu laufen, daß ihm der dicke Knei- .

pier kaum zu folgen vermochte.

Weiteres der Treppe zuſchritt, und stieg dann selbst
aber langsamer, zum erſten Stockwerk hinauf..

Eben war das Stubenmädchen in vollster Arheit
das Zimmer zu reinigen, als der Beamte entſchie-
denen Proteſt hiergegen einlegte. f

„Halt da,“ rief er gebieteriſch, „Besen weg, kurz
geantwortet und nichts angerührt; was haben Sie
aus dem Himmer entfernt seit Vornahme desſſen
Reinigung?“ ; ; . .

„Ich? ich?“ ſtotterte das Mädchen erschrocken,
„nichts, gar nichts..

„Sagen Sie die Wahrheit, es kann viel davon
abhängen.“ Des Mädchens Blick ſenkte sich unter
dem strengen des Inquisitors, Thränen der Angst
traten ihm in die Augen. m .

„Ich habe noch nichts hier angerührt, ein



die Cholera, in welchem sich der berühmte Gelehte..
entschieden zur Theorie der Ansteckung von Menſh.
zu Menſch, namentlich durch Dejektionen und Wäsche.
bekennt. Für diese Ansicht spreche auch die Wehe.
nehmung Koch's, daß der Bacillus u de Wache .

ettentofers.
Theorie, daß lediglich der Boden die Krankheit . u
breite, sei durch die Thatſachen widerlee. E
empfehle sich alſo die Jſolirung und Sperre, namen.
lich gegen Seezufuhren, wo immer dieſelbe durh.
führbar iſt. Virchow verlangt abermals, daß fur.
den Suezkanal die strengste sanitäre Kontrolle as.
der gegenwärtig in London tagenden Konferenz urgrt.

Die Morgenblätter ſpreen.
ſich mißbilligend über den gestrigen Vorfall ae.
Der Figaro sagt, weder die Pariſer Bevölkrun.
noch die Regierung sei für derartige Vorfälle ve.



Paris, 15. Juli. Bezüglich des Vorkommniſes.

vor dem Hotel Continental sind verſchiedene Dnee.
stellungen im Umlauf. Nach einer derſelbna wle.
es der Polizeikommiſſar Gallion, der gegen dn
Willen des Geranten des Hotel Continental den.
deutſche Fahne der Volksmenge überlieferte, in
er sie durch das Fenster warf. Die Polizei began
geſtern Abend die Untersuchung. Die Staatsanwale.
ſchaft nahm heute die Sache in die Hann. De.
deutſche Botschaft wurde gestern von dem Vorfalee.
unterrichtet, jedoch nicht durch Jules Ferry, der nct.
in Paris anwesend iſt. Fürſt Hohenlohe telegraphine.
ſofort nach Berlin. Heute Nachmittag wird er ene _



der Sache aus den vorhandenen Scripturen erhal- _

ten können. Es ist doch noch Niemand in jenes.





„Zimmer Nr. s" keuchte er, als der Criminal- .
richter nach Erreichung des „deutschen Hauſes“, ohne






 
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