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Expedition Brunnengaſſe 24.
eidelberger Tageblatt
Heidelberger General-Anzeiger.
Yerantwortlicher Redaktenr Philipp Klausner.
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Expedition Brunnengafſe 24.
M 17.
Dienſtag, den 22. Iauuar
Die Deutſchen am Goldenen Horn.
General Strecker, mit seinem ihm von der tür-
Jkiſchen Regierung beigelegten Namen Reschid Paſcha
genannt, iſt von seinem Posten als Commandeur
der oſtrumeliſchen Miliz auf Ansuchen enthoben
worden und hat bereits Philippopel, die Hauptstadt
der autonomen Provinz Oſt-Rumelien, verlasſſen. Er
weilt jetzt in Konstantinopel und harrt, ob die Pforte,
reſp. der türkiſche Kriegsminister, geneigt ist, ihm
einen neuen Poſten zu verleihen, worüber wohl
_ Monate vergehen werden. Freiwillig hat General
Strecker seinen Platz keinenfalls geräumt, und nur
wehmüthig wird er den Kalpak mit dem Fez ver-
tauſchen. In Oſtrumelien bezog Strecker ein sehr
hohes Gehalt (1500 türkische Liren ~ 27,000 Mk.
jährlich), welches pünktlich in Gold ausbezahlt wurde.
Wieder unterm Fez, iſt Reſchid Paſcha auf die kärg-
lichen Geldbezüge eines türkiſchen Generalmajors
angewiesen, und auch dieſe können in der Regel
Monate und Jahre lang nicht ausbezahlt werden.
Als Strecker sein Commando in Oſtrumelien über-
_ nahm, hatte er noch 10 Monatsgehalte von der
Pforte zu fordern und erſt nach Jahr und Tag
wurde der Betrag angewieſen. Strecker hat sein
Enthebungsgeſuch mit Geſundheitsrückſichten motivirt,
thatſächlich aber war ſeine Stellung nicht mehr
haltbar, denn er befand sich im denkbarſten größten
Gegenſatz zum General-Gouverneur von Ost-Rume-
lien, Alekko Paſcha, Vogorides. Der Nachfolger
Strecker's iſt General Borthwick (Mahir Paſcha),
ein Engländer, bisher Commandant der oſstrume-
lischen Gendarmerie. Daß der Deutſche Strecker
dem Engländer Borthwick weichen mußte, iſt jeden-
falls auffallend, ebenſo muß es befremden, daß
Strecker, der bei der deutschen Botschaft in Konſtan-
tinopel sehr gut angeſchrieben iſt und der als ehe-
maliger preußiſcher Artillerie-Officier an ſeinen
_ Kameraden am Goldenen Horn, v. d. Golt,, Kähler
N., doch eine bedeutende Stütze hatte, den gegen ihn
gerichteten Strömungen weichen mußte. Faſt möchte
man meinen, daß der deutsche Einfluß bei der Pforte
Jchon wieder im Niedergehen begriffen sei, und daß
.
Toilette, durch ihre perſönliche Liebenswürdigket.
so war ſie es heute nicht minder. Ein weiche.
weißes Cachemir-Kleid ſchmiegte sich an ihre ſchöÊóne.
Gestalt an und ſchien ſo recht geeignet, sie in das.
vortheilhafteſte Licht zu seßzen. Farbige Bände
verliehen der Robe etwas Lebendiges und die ächten.
Spitzen umschloſſen Hals und Arme. Ein reizenee.
Fuß in ſeidenem Schuh ſchaute neugierg aus dm
Gewande hervor; der Blick, den sie aber zuweilae.
darauf warf, ließ faſt vermuthen, als ne mme ee
Ein Millionäre.
Original-Novelle von F. Klinck.
. Fortsſezunne..
Er sah den grenzenloſen Jammer des ungläück-
lichen Weibes und sie hatte gesagt: Der möge ſich
hùüten und ihrer Rache gewiß sein, der Friedrich's
Tod versſchuldet habe.
Ein unbehagliches Gefühl der Unsicherheit wollte
ſeit der Stunde den Kaufmann nicht mehr verlassen
und selbst aus der bunten Schaar ſeiner Gäſte ſah
I; Lurtt Ut Ur
Otto Hochheimer bot am Morgen nach dem
Feste das Bild des grenzenloſeſten Elends. Der
reiche Mann sah wahrhaft mitleiderregend aus.
Bleich, mit eingefallenen Schläfen und Wangen,
den Kopf in beide Hände geſtütt, ſaß er da, bei
jedem leiſen Geräuſch zuſammenfahrend, als nahe
_ das Verhängniß. " H
/ Die Mittagsſtunde war ſchon vorbei, als der
_ Kaufmann endlich in seinen düſtern Betrachtungen
gestört wurde.
"U Ein Diener brachte ein Billet vom Phyſsikus
Buchmann. j
: Kaufherr nahm dasselbe in Empfang. Als
. dex Diener stehen blieb, fragte er:
Dcq„JIſ| Antwort nöthig?“ .
_ Ich weiß nicht, gnädiger Herr + es iſt indeſſen
_ icht unmöglich." ;
_ Der Kaufherr öffnete das Billet, aber ſchon bei
den erſten Worten hatte er alles vergeſſen, was um
ihn vorging. Die Augen waren aus ihren Höh-
zur Abwechselung wieder einmal eine andere Nation
in Mode käme. Schon früher waren deutſche Offi-
ciere und Beamte in Stambul bevorzugt, dann
folgten Ungarn, Polen, Franzosen, Engländer, kürz-
lich wieder Deutsche. Sollte der Turnus von neuem
beginnen? Bei dem fortwährenden Herumexperimen-
tiren der türkiſchen Regierung wäre dies wohl denk-
bar. (Zum Glück sind die jüngst berufenen Deutschen
durch Verträge wenigstens pecuniär ſicher geſtellt.)
Strecker iſt einer jener deutschen Officiere, welche
unter Sultan Mahmud in's Land berufen wurden.
Alle diese Officiere: Blum, Strecker, Grünwald,
Drygalski, Lehmann tc., hatten das Schicksal nach
einiger Zeit als abgenuttte Möbelſtücke bei Seite
geſeßt und vergeſſen zu werden.. Keiner, bis auf
Lehmann Paſcha, hatte im türkiſch-serbiſchen oder
türkiſch-ruſſiſchen Krieg ein Commando, ſondern sie
promenirten - meiſt in Civilkleidung + in Pera,
harrend, ob man ſsie nicht verwenden wolle. Nur
Lehmann Paſcha, der sich der besonderen Gunst Su-
leiman Paſcha’s erfreute und auch mit dieſem in
Montenegro gekämpft hatte, war bei der Truppe
und fiel im Schipkapaſse.
Erſt vor etwa zwei Jahren, als der Sultan
plötlich deutſche Sympathieen bekundete und weitere
Deutſche berief, kamen jene durchweg tüchtigen und
verdienſtvollen Männer wieder zur Geltung, zu An-
ſehen nnd zu entſprechenden Einkünften. In den
Reihen der türkischen Armee, besonders in der Gen-
darmerie, sind noch viele engliſche Officiere vorhan-
den, welche seiner Zeit als Retter der Türkei, als
Reorganiſsatoren der türkiſchen Armee nicht genug
gepriesen werden konnten; heute sind sie bei Seite
geſtellt, ohne Bedeutung und Einfluß. Es iſt aber
keineswegs ausgeſchloſſen, daß nicht eines Tages die
Engländer wieder oben, die Deutschen unten sein
werden, und könnte die Ersetzung Strecker's durch
Borthwick leicht der Anfang dazu sein. Man ſieht,
der kranke Mann iſt auch ein ſehr launiſcher Mann,
aber er weiß wohl, daß er bei der Lammesgeduld
tr tttfhen Großmächte sich Vieles geſtatten
lungen getreten, er fühlte ſich dem Umſinken nahe,
da + ſein Auge fiel auf den harrenden Diener.
§ „Es iſt gut so,“ sagte er dann tonlos. „Gehen
ie.
Herr Hochheimer las den Brief noch einmal,
„Mein fehr theurer Freund!
Es thut mir herzlich leid, Sie an ein Un-
glück in Ihrer Familie zu erinnern, [welches wie
ich weiß, Sie einst so tief ergriffen hat. Ich
meine den Tod Jhrer verſtorbenen Frau Schwe-
ster. Ein gewisser Dr. Gutherz sprach die An-
sicht bei mir aus, Frau Hanſen könne möglicher
Weise einer Arſenikvergiftung erlegen sein. Der
genannte Herr will an dem Sterbebette ihrer
Frau Schwester gewesen sein. Es wäre außeror-
dentlich angenehm, wenn sie mich baldmöglichst
davon in Kenntniß setzten, wie die Sache zusam-
14:9 dichaftlithem Gruß, immer der Ihre
Phyſikus Buchmann.“
Kaum hatte der Millionär den Brief zu Ende
leſen können. Niedergeschmettert, ſank er in einen
Sessel und bedeckte sein Gesicht mit den Händen.
Er bot in dieſem Augenblicke ein erſchütterndes
Bild der Verzweiflung. ;
Frau Emilie Hochheinkter hatte schon Toilette
gemacht, troß der durchſchwärmten Nacht. Die
ſchine Frau hatte eine beneidenswerthe Conſtitution,
keine Anstrengung des Körpers und Geistes ver-
mochte etwas tiber sie, immer friſch, immer lebendig,
immer zu neuer Luſt bereit. War sie am vorher-
gehenden Abend schön und entzückend durch ihre
188T.
îDeutſches Reich.
Berlin, 19. Januar. Die Juſtizkommiſsion des .
Abgeordnetenhauſes berieth des Abends den Windt-
horſt'ſchen Antrag, den Juſtizminiſter zu erſuchen.
das Regulativ vom 1. Mai 1883, betreffend den..
Zulaſſung zum höheren Juſtizdienſt, zurückzuziehen.
Der Juſtizminiſter erklärte, er habe zwar ungen.
doch nothgedrungen, durch ganz flagrante Fälle ve.
anlaßt, das Regulativ erlaſſen. Gegen eine een.
bitante Anwendung desselben habe er bereiis vo
Anregung im Abgeordnetenhauſe geeignete Schrite..
gethan. Die im Plenum von einem Abgeornmte.
erwähnte hypothekariſche Eintragung sei sofort rin.
gängig gemacht. Was die Beſchwerre an dm
Miniſter anlange, sei es als ſelbſtverſtändlich age.
sehen worden, daß dieselbe zulässig ſein ſole. De.
Kommission beschloß mit allen gegen eine Stimme,
mit Rückſicht auf die Erklärungen des Juſtizminiſteee.
dem Plenum den Uebergang zur Tagesorönnung an.
zuempfehlen. .
Berlin, 19. Jan. Gestern fand im Wine.
garten ein Kaiſerkommers deutscher Studenten sta.
an dem über 2000 Theilnehmer, darunter Molle.
viele andere höhere Offiziere, faſt sämmtliche Mit.. .
glieder der konservativen Partei und Univerſitäenn.
profeſſoren Theil nahmen.
Karlsruhe, 19. Jan. Pflüger begrünknt im
Landtage feine Interpellation betr. das gehime.
Wahlrecht zum Reichstage, indem er hinweit at.
die bekannte Rede Puttkammers zum Antrag See..
Es sei in die Oeffentlichkeit eine Kunde vn dee.
sonderbaren Abstimmung Badens im Bundesrah .
bezüglich des Maulkorbgesetzes, der Reichstagsa an.
löſung, der Einführung des Doppeletats gedrungen.
die er bezweifle.
ſich nicht schlüssig machen können. Kiefer ſpricht für
die geheime Wahl. Sie sei ein Gebot der Noth
bei den schroffen sozialen Gegenſäteen. Deutschland
dürfe nicht den umgekehrten Weg wie andere Kultur-
staaten machen. Baden sei liberal und die Regierung
werde gegen den eventuellen Antrag ſtimmen. Lender
nicht abfichtslos seinn Pub en.. ..,
„Herr Lieutenant von Rheinfeld bittet um die
Ehre, der gnädigen Frau seine Aufwartung machen
zy ttt q Frau Emilie ihre Einwilligung gege-
ben, hatte der genannte Herr ſchon die Zofe zur
Seite geſchoben und war in das Gemach getreten.
Die Frau ſchien einen schwachen Verſuch machen
zu wollen, dem Eindringling zu zürnen, aber es
gelang ihr ſchlecht genug, denn sie brachte es nur
ts zu einer lächelnden Drohung mit ihrer zarten
and. | |
„O, zürnen Sie nicht, schöne Frau!“ rief der
Eingetretene, auf Frau Emilie zueilend, aus. Bedenk
Sie die Sehnſucht meines unglücklichen, beklagen
werthen Herzens, und + üben Sie Barmherzigkeit
„Sie Ungeſtümer!“ drohte Frau Emilie lächeln
„Wie können Sie es wagen, zu dieſer Stunde hi
einzudringen? s
„O, gnädige Frau, Sie sind nicht so grauſar
Sie kennen mein Herz - Sie wiſſen, was hi
drinnen vorgeht und Sie werden Nachsicht übe
Ihr Bild verläßt mich nicht mehr, weder Tag
Racht, es umſchwebt mich zu jeder Stund
In der Wahlfrage miſſe mm
klar sehen. Miniſter Turban erklärt, ein Anrg
ſei nicht eingegangen, deshalb habe die Regierung