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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 77 - No. 100 (1. April - 30. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44124#0335

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Erſcheint täglich außer Montag.
Abonnemen ts preis
für Heidelberg : monatlich 45 Pfg.
mit Trägerlohn, durch die Poſt
bezogen viertelj. 1 Mk. 40 Pfg.

Expedition Brunnengaſſe 24.

NM 79.
Bestellungen auf das „Heidel-
erger Tageblatt“ für das

E I]. Quartal 1884

werden fortwährend noch von allen Poſtanſtalten
und Landbriefträgern entgegengenommen. Preis
viertelj. bei der Poſt abgeholt 1 Mk., durch die Poſt
frei in's Haus gebracht î Mk. 40 Pf., in Heidel-
berg koſtet dasſelbe monatlich 45 Pf.



General Gordons Niederlage.

General Gordon hat bei Khartum eine mili-

täriſche Schlappe erlitten, als er einen Ausfall gegen

die Aufständischen machte. Er selbſt iſt mit dem
Leben und einem Theil seiner Getreuen davon ge-
kommen. Daß aber die Niederlage dazu beitragen
könnte, sein Ansehen bei den rebelliſchen Sudaneſen
zu erhöhen, iſt kaum anzunehmen. Die verſchiedenen
aus Khartum eingetroffenen Depeſchen über Gor-
dons Niederlage, die unzweifelhaft iſt, laſſen sich
folgendermaßen zusammenfassen: General Gordon
verließ Khartum am 16. d. M. mit 3000 Mann
Infanterie, 2 Geschützen und einigen berittenen Baſchi-
boſchuks, um die Aufständischen zu zerſtreuen, welche
die Stadt bedrohten. In der Nähe von Halfiya
stieß Gordon auf den Feind, seine Baſchiboſchuks
wurden von etwa 60 (?) Reitern der Aufständischen
gut" Z rt tlz rohr. tie sert:

Flucht und wurde von den Reitern des Feindes
ts.» fr EU st h ! je
Gordon erklärt haben, „für Khartum ei durchaus
keine Gefahr." Zu den leicht verzweifelnden Leuten
gehört alſo Gordon nicht. Versichert wird zwar
von offiziöſer englischer Seite, daß Gordon's Ueber-
fall nur durch die Verrätherei zweier egyptiſcher
Offiziere herbeigeführt sei. Das mindert indeß nicht
den Ernst der Thatſache, daß die aufständischen
Sudanesen auch gegen Gordon zu kämpfen begonnen
haben, und daß ſomit die angebliche Freundschaft



elberger Tageblat

Heidelberger General-Anzeiger. : ;

VYerantworllicher Redakteur Philipp Klausner.
Donnerſtag, den 3. April

zwischen Gordon
ligen Füßen ſteht.

Für die
Sudan iſt

und dem Mahdi auf etwas wack-

Entwickelung der Besitz-Verhältnisse im
es bezeichnend, daß fortan in Suakin
ein englisches Kriegsschiff und eine Garnison egyp-
tſſist éTrutye unter englischem Kommando statio-
nirt sein wird.

Deutſches Reich.

Karlsruhe, 1. April. Der Bericht über die
Eisenbahnunfälle von 1882 und 1883 iſt soeben
erschienen mit dem Antrag, die Kammer erwarte
von der Eiſenbahnverwaltung eine sorgſame Ueber-
wachung des Dienstes und eine ſtrenge Handhabung
der bahnpolizeilichen Vorschriften, damit das Ver-
trauen auf die Sicherheit des Verkehrs wieder her-
gestellt werde. Nach dem Bericht sind 1882 ge-
tödtet 96, verlettt 482 Personen, 1883 getödtet 31,
verleßt 232 Personen. Die Zahl der Entgleiſungen
beträgt 214. Die Hauptursachen sind falſche Weichen-
ſtellung. Der Bericht bringt eine eingehende Erör-
terung des Heidelberger und des Hugſstetter Unglücks.
Die einmalige Enſchädigung im Heidelberger Falle
betrug 206,869 Mk., im Hugſtetter 389,618 Mk.

§ Karlsruhe, 1. April. Die Petition wegen



h | der Bodenſee-Gürtelbahn iſt der Regierung zur

Kenntnißnahme überwiesen worden. Die Regierung
erklärte sich wegen der zur Zeit bestehenden Ver-
träge mit Baiern und Württemberg gegen die Bahn

; < | und hatte deshalb Uebergang zur Tagesordnung
unter Zurücklaſſung der Geschütze gleichfalls auf die.

gewünſcht.

§ Neuſtadt a. d. H., 31. März. Der gestern
hier abgehaltene Vertrauensmänner-Tag der Natio-
nalliberalen war zahlreich beschickt, indem an dem-
ſelben 110 Vertreter aus allen Kreisen theilnahmen.
Das Resultat der Verſammlung war einſtimmiger,
begeiſterter Beitritt zu dem Heidelberger Programm.

Berlin, 1. April. Zum heutigen Geburtstage
Bismartk's trafen aus allen Gegenden Deutschlands
und des Auslandes, sowie aus überseeischen Vereinen,
Korporationen und Privatperſonen sehr zahlreiche
Glückwunſch-Telegramme und Adreſſen ein. Die
Bundesfürſten, allen voran der König von Bayern,









Die heimliche Ehe.

Eine wahre Criminalgeschichte.



9. Fortsetzung.

„Er war nicht von Adel; dieser Umſtand –+
und daß er ein Franzoſe war, welche Nation und
deren Militär Herr von Lindau unbeschreiblich haßte,
— gab meinem Fräulein die gewisſe Ueberzeugung,
daß ihr Vater in eine Verbindung mit diesem Manne
niemals willigen würde. Wir alle kannten Herrn
von Lindaus Strenge, wir alle zitterten vor ihr,
und würden um keinen Preis der Welt, durch ir-
gend eine Handlung, uns seinen Unwillen zugezogen
haben. Herr Dupre bekam Befehl zu seiner Äbreiſe,
da beschwor er seine Geliebte, ihm, ohne den Willen
ihrer Eltern, ~ ihre Hand zu reichen. Sie er-
füllte seine Wünſche, ich wußte darum, und unter-
ſtützle Beide bei ihrem Vorhaben.

„Die Pflicht rief nun Herr Dupre von dannen,
er betheuerte ſeiner Gattin mit den heiligsten Eiden,
falls er am Leben bleibe, zurück zu kehren, und
vereint mit ihr, das Herz ihres Vaters durch Bitten
ſo lguge zu bestürmen, bis er sie endlich segnen
werde.

„Noch beim Abschiede mußte Madame Dupre
ihrem Manne geloben, das Geheimniß ihrer Liebe
tis z seiner Rückkehr im treuen Herzen zu be-
wahren.

„Wir hörten niemals wieder etwas von ſeinem
Leben, und zogen daraus den Schluß, daß er, wie
viele Tauſende gefallen we.

„Meine Theilnahme, meine Liebe war nun Ma-



dame Dupre doppelt nöthig, da sie sich Mutter
fühlte. Ich leistete ihr Hülfe, ihren Zuſtand zu
verbergen, bis die gefürchtete Stunde, -- weit früher
wie wir es erwarteten, ~ erschien.

„Unter unsäglicher Angst gebar meine Gebieterin
ſzes todten Sohn; unter Todesangst stand ich an
ihrer Seite.

„Was meine Vernunft und die der Madame
Dupre uns eingaben, wandten wir an, das Kind
zu beleben, es zu ermuntern, allein vergebens. Der
Schmerz, es nicht zu können, raubten der unglück-
lichen Mutter das Bewußtsein, ich benutzte dieſen
Zustand, wickelte den Leichnam in ein Tuch, schlich
in den Garten, öffnete die kleine Thüre, die auf
das Feld führt, grub, nur wenige Schritte davon
entfernt, mit einem Spaten, den ich im Garten
fand, ~ ein Grab, legte das todte Kind hinein,
verschüttete und bedeckte die Stelle mit Steinen, die
ich zuſammen suchte, dann eilte ich zu Madame

Dupre zurück. Ich fand sie aus ihrer Betäubung

erwacht, und sagte ihr, was ich gethan hatte.

„Ihr Schmerz war grenzenlos, ich beschwor ſie
bei allem was ihr theuer war, ihn zu bekämpfen,
da es bereits tagte, und wir uns vorbereiten muß-
ten, jeden Argwohn fernzuhalten. Es gelang uns
glücklich, alle Welt zu täuſchen. ; :

„Auch ich liebte einen franzöſiſchen Krieger, er
war jedoch längſt nach Rußland gezogen und ich
hatte keine Hoffnung, ihn jemals zu umarmen. Da
kam er plötlich unerwartet in unſere Gegend, und
beschwor mich, mit ihm nach Frankreich heimlich zu
entfliehen. §: ;

„Ich wagte nicht, Madame Dupre von meinem
Vorhaben zu unterrichten, aus gerechter Furcht, sie



Anzeigen: die I1-ſpaltige Petit-
zeile oder deren Raum 5 Pfg.,

Expedition Brunnengaſfe 24.



1884.
E E
gratulirten telegraphisch oder durch Vertreter. Um
10 Uhr brachte das Musikcorps des Kaiser-Alexander-
Garderegiments eine Morgenmusſik dar. Von vielen
Seiten waren Blumenspenden und Geschenke einge-
gangen. ~ Das Befinden der Fürſtin Bismarck hat
ſich wesentlich gebessert. .
Berlin, 1. April. Der hiesige Magiſtrat ven.
öffentlicht heute in seinem Amtsblatt die Zahlen
über die Bevölkerung Berlins für die Zeit von
1850 bis Ende 1883. Danach wurde im erſten
Jahre die Bevölkerung auf 419,720 Einwohner
(davon 17,547 Militär), im letzteren auf 1,226,3292
(30,587 Militär) geschätzt, da in beiden angeführ-
ten Jahren wirkliche Zählungen nicht stattgefunden
haben. Jetzt erfolgen dieſelben bekanntlich ale 5
Jahre und die letzte iſt im ganzen Deutſchen Reiche
am 1. Dezember 1880 vorgenommen worden. Nach-
der Schätzung iſt die Bevölkerung von Ende 1882
bis Ende 1888 um 34,319 Einwohner geſtiegen. .
Einen Anhaltspunkt für diese Schätzungen dürften.
zu hte alljährlichen Aufnahmen ftr die Klaſſenn.
teuer bieten. t
Frankfurt, 31. März. Am Samſtag hielt die.
deutſch-freiſinnige Partei in den Lokalitäten des-
zoologischen Gartens eine Vertrauensmännerver-
ſammlung ab, an welches ſich ein Banket ſchloß,
das von ungefähr 500 Personen troß der hohe
Eintrittspreiſe beſucht war. Es wurde beſchloſſen
Anfang Mai eine allgemeine Landesverſammlung in
Offenbach abzuhalten. t:
Kaiserslautern, 31. März. Heute Nachmittag
3 Uhr fand im großen Saale der Löwenburg dahiee
der erſte pfälz iſche Parteitag der deutſcho
freiſinnigen Partei unter Anwesenheit von 5-
— 600 Personen statt. Dr. Jakob, praktische
Arzt in Kaiserslautern, bewillkommnete die Verſanme
lung mit einigen einleitenden Worten. Als Redner
waren erſchienen die Reichstagsabgeordneten Hänel,
Rückert und Richter, welche beim Betreten ds
Saales und der Rednerbühne lebhaft begrüßt wurden.
Abgeordneter Hänel nennt die Vereinigung der
beiden Parteien die dirckte Folge dreijähriger treuer
Waffenbrüderſchaft. .

werde ſich diesem unbesonnenen Schritte widersſezen,
ging also in dunkler Nacht davon. .
„Mein Geliebter hielt Wort, ich bin seit lange
seine Frau. Eine unvermuthliche Erbſchaft meins
Mannes settte ihn in den Stand, meine Wünsche zu
erfüllen, mit mir eine Reise in mein Vaterland zu
unternehmen. In dieser Gegend angelangt, freeze.
ich nach der Familie Lindau, und erfahre, was ch.
begeben hat. Mit einer Eile, wie ich sie nur mög-
lich machen konnte, legte ich den Weg zurück, auf
dem mein Mann, von einer Unpäßlichkeit abgehal-
ten, mir nicht folgen konnte, und erſt in einigen
Tagen eintrifft. ; .
„Gottlob! es iſt noch nicht zu ſpät! u
die Unglückliche noch retten! wäre es nicht, ich müßte.
verzweifeln.“ Mit diesen Worten ſchloß Rosette ihre _
Aussage.











Diese ihre Aussage wurde mit dem Brief ven.
glichen, den meine Agnes an ihren Vater geschrie-
ben, in dem ſie ihm Alles, wie es sich wirklich ver-
halten, geschrieben hatte, um wenigstens nicht in
seinem Gedächtniß als eine Mördert



Ehe, wörtlich alles ſo erzählt habe, wie ſie es nun
aussagte. Was aber als das wichtigſte Zeugniß
von Agnesens Unschuld erkannt und angenommen
ward, war die gerichtliche, eidliche Aussage eines
französischen Geistlichen, dem Roſette, bald nach ihrer
Ankunft in Frankreich in der Beichte den eben er-
zählten Sachverhalt mitgetheilt hatte.

(Schluß folgt.)
 
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