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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 77 - No. 100 (1. April - 30. April)
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bezogen vierteli. 1 Ik. 40 Pfg.

Expedition Brunnengaſſe 24.

eidelberger Tage

Heidelberger General-Anzeiger.

VYerantworlliher Redakteur Philipp Klausner.



z eig en: die I-ſpaltige Petit-
zeile oder deren Raum 5 Pfg.,
für auswärts 10 Pfg.

Anze

Expedition Brunnengafſe 24.



Ne 97.

Bestellungen auf das „Heidel-

U ..rqer Tageblatt“ für die Monate
Mai und Juni

nehmen alle Poſtansſtalten und Landbriefträger

entgegen. zz. btt der Poſt gtettet. sf Pfg.,

Ut. qt lu g rut rt .

Eine deutſche Expedition nach Afrika.

In ganz Deutschland wird man mit besonderem
Intereſſe den Verlauf einer Expedition verfolgen,
welche in diesen Tagen ihren Anfang im Kieler
Hafen genommen hat. Am 165. April ist das kleine
Kanonenboot „Möve“, welches in Liſſabon die be-
rühmten Afrikareisenden Dr. Nachtigall, Dr. Buchner
und Möbius an Bord nehmen wird, nach der Weſt-
küſte von Afrika in See gegangen. An Bord be-
finden ſich auch die Neger, welche von dem Kriegs-
ſchiffe „Sophie“ als Geißeln vor kurzer Zeit nach
Berlin gebracht worden waren. Wenn anfänglich
von den Zeitungen behauptet worden war, diese
Neger seien Häuptlinge, ſo war die Angabe un-
richtig. Diese Neger sind Kaufleute. Es heißt, daß
Uu CNE gute wee
UG. t ul UU § rh
herumführen laſſen. Sie sprachen übrigens ganz
geläufig englisch, ein Umstand, der keineswegs auf-
fällig, wenn man weiß, daß in ihrer Heimath, Little
Popo, der englische Einfluß eine große Rolle spielt.
Die Reiſe der „Möve“, welche eine Besatzung von
120 Mann an Bord führt, geht zunächst über Ply-
mouth nach Liſſabon. Von dort aus wird ſie sich,
wenn die vorliegenden Angaben richtig sind, nach
verſchiedenen Punkten der afrikanischen Weſtküſte be-
geben und wahrscheinlich auch den Congo-Fluß eine
Strecke hinauffahren. Dr. Buchner wird die Ab-
sicht zugeschrieben, den Lauf des Niger zu verfolgen
und nach Timbuktu zu gehen.

Alle diese Mittheilungen sind jedoch nicht als
unbedingt richtig anzunehmen; sie beruhen zum
größten Theil auf mehr oder minder wahrschein-



Vamſtag, den 26. April

lichen Annahmen, denn gewiß hat weder der Be-
fehlshaber der „Möve“, noch die Admiralität, und
ebensowenig einer der unterwegs befindlichen Afrika-
reiſenden seine Reiſepläne den Berichterſtattern der
Zeitungen enthüllt. Hätten sie dies gethan, so läge
darin eine Unvorsichtigkeit, welche man so erfahrenen
und kundigen Männern nicht zumuthen darf. Afrika
iſt gegenwärtig auch im anderen Sinne, als im
klimatiſchen ein „heißer Boden“, denn dort begegnen
ſich die begehrlichen Wünſche aller Nationen des
Erdballs; kein Volk, die Amerikaner eingeschloſſen,
das nicht wünſcht, die fruchtbaren afrikanischen Land-
ſchaften für sich zu gewinnen und andere, soviel es
eben geht, davon auszuſchließen. Wäre nicht der
gewaltige, wenn auch vorsichtig und mild ausgeübte
Einfluß des Deutschen Reiches da, ſo würden Eng-
länder und Franzoſen sich wahrscheinlich bald in
die von Livingſtone, Stanley, Wißmann, Pogge und
de Brazza erſchloſſenen Landschaften theilen und der
übrigen Welt das Nachsehen lassen.

Glücklicherweise brauchen wir Deutsche nicht mehr
zu fürchten, bei der Vertheilung des Gewinnes in
Afrika leer auszugehen und wenn unsere Reichsre-
gierung either noch keine öffentlich gewordenen
Schritte gethan hat, um Ansprüche geltend zu machen
~ oder wie man ſonſt unſere Wünſche ausdrücken
will + so hat das gewiß seine guten Gründe.
Der Apfel iſt noch nicht reif. Ein Schütteln am
Baum würde aber noch nichts nützen und nur die
Folge haben, daß die Begehrlichkeit der anderen
[Völker sich gegen uns allein richtete. Das würde
uns keinen Vortheil bringen. Wenn der Apfel reif
iſt, wird man ſchon dafür sorgen, daß wir zur
Erntezeit nicht leer ausgehen. Einstweilen können
wir in Deutſchland nichts Beſſeres thun, als ein
wachſames Auge auf Afrika zu haben, deutſche
Handels- und Schifffahrts-Unternehmungen dorthin
zu begünstigen und die wackeren Männer aus unserer
Mitte zu unterſtüteen, welche in Afrika weilen, um
dort dem Vaterlande zu dienen.

Deutjches Reich.
Karlsruhe, 24. April. Die Kammer beräth











Die Frankenburg.

Roman von Marie Romany.
(15. Fortſetzung.)

Graf Viktor, kurz entſchloſſen, schob den Heim-
rs § U C ft
Gelegenheit, sich in nächſter Nähe der Bühne nieder-
zulaſſen; und da diese Bühne sich in faſt gleicher
Höhe mit dem Zuſchauerraume befand, so war es
ihm möglich, sein Augenmerk feſt auf den Tiſch ge-
richtet zu halten, von welchem aus das Zaubersſpiel
seinen Anfang nahm.

Victor kannte alle diese Stückchen. Er hatte ja
in Italien, dem Heimathlande der Vagabunden und
Künstler, oft genug dies Alles gesehen, und wenn



er sich heute vornahm, den Beobachter zu ſpielen,

| fo war cs woll tediclick bie Butt anch Ubrkter

treib, die ihn so handeln ließ.
[ Die bezauberte Geige, das Taſchentuch der
fremden Dame. Der Kartenthermometer. Menſch
ohne Kopf. Eiermacher tc. 2c. bildeten die erſte
Abtheilung, dann trat eine Pauſe ein. Die zweite
Serie erſt brachte die Vorführung der Szenen,
deren grausige Bilder die Außenwand der Schau-
ude wies.

Endlich läutete die Glocke wiederum zum Beginn.
Der verhängnißvolle Mann in dem schwarzen Frack
trat wieder an die Rampe und meldete mit seiner
Grabesſtimme „den Feuerfreſſer“ ; gleichzeitig erschien
der Geprieſene auf der Bühne und führte unter
lautem Beifall das so oft wiederholte Experiment vor.

Jett kamen die „arabischen Clowns“ mit ihren
Produktionen, die viele der im Zuſchauerraum an-

wesenden Herren mit Grauen erfüllten, während
die nervös gewordenen Damen ihre Blicke abwandten

„] und freiwillig auf das Vergnügen solch „unerhörter“

Leiſtungen verzichteten.

Die Araber übertrafen nämlich alle andere Na-
tionen in der Hinsicht, als sie unaufhörlich, während
sie sich ſpringend in der Luft herumdrehten, mit
beiden Händen ihr ſcharf geschliffenen, krummen
Messer vor die Augen hielten; so nämlich, daß die
Spitzen der Messer die Augenlider faſt berührten,
und also die geringſte Unachtsamkeit unfehlbar die
Klinge in die Augenhöhle stieß. Es ist dies ein so
nervenerſchütterndes Schauſpiel, eine Erfindung von
so unmenſchlicher Grauſamkeit, das es unwillkürlich
mit Abſcheu erfüllen muß.

Endlich war auch dieſe Vorführung zu Ende
und die Schlußnummer begann: Das Meſserſpiel
des Chinesen, der den Siegeskranz um den Hals
seiner Tochter warf.

Zwei Personen, ein Mann von etwa vierzig
und ein kleines Mädchen von zehn bis zwölf
Jahren, traten auf die Bühne. Der Mann ergriff
eine Anzahl Messer, mit denen er ein wirres Spiel
in der Luft trieb, wie man es häufiger gesehen;
dann begann der eigentliche Glanzpunkt. Der Mann
ſollte dreißig blank geschliffene Meſſer nach Kopf,
Hals und Händen des eigenen Kindes werfen, ſo
nämlich, daß achtzehn Meſſer das Köpfchen einrahm-
ten, während je sechs der blanken Waffen eine Hand
umſchloſſen; in zehn Minuten mußte dieſes Meister-
ſtück ausgeführt sein. ;

Man führte die Kleine vor. Sie war nach der
Sitte der Chineſen mit bis zu den Füßen reichen-
den, weiten, gelben Seidenhoſen bekleidet und trug













TSS

den erſten Bericht über die landwirthschaftliche En-
quete. Abg. Junghanns (klerikal) tritt für land-
wirthſchaftliche Zölle ein. Abg. Buol will die Zölle
außer Spiel lassen, er wünscht eine Abänderung der
Gemeindesteuergeſeßgebung, welche die Landwirthe
drücke. Abg. Neubronn erhofft von einem Ein-
kommenſteuergeſeß Vortheil für die Landwirthschaft.
Abg. Kiefer bekämpft scharf die Getreidezölle. Der
Landwirth müſſe sein Augenmerk auf die Selbſt-
hilfe und den rationellen Betrieb richten. Abg..
Schneider (Mannheim) erklärt, die Noth der Bauern
sei nicht zu groß. Eine Kleingewerbe-Enquete werde
schlimmere Verhältnisse ergeben. Der Volksvertreter
dürfe nicht Interesſſenpolitik treiben, er müſſe das
Geſsammtintereſſe im Auge behalten. Abg. Friederi
bekämpft die Zollerhöhung und meint ebenfalls, da
die Enquete, betr. das Kleingewerbe, ſchli
Resultate zu Tage fördern werde, als die Bc
enquete. Abg v. Feder bestreitet die Hebung
Bauernstandes durch die Einkommenſteuer, die
weitere Belaſtung biete. Abg. Nopp tritt für d.
erhöhten Fruchtzoll und die gesetzliche Beſchränkun,
des Zwischenhandels ein. Staatsminiſter Turban
erhofft, die Enquete werde Beſchlüſſe hervorrufen zu
Gunsten der Landwirthschaft. ;
Karlsruye, 22. April. Oberbürgermeiſter Groß/
von Pforzheim hat sich mit mehreren Begleiten
nach Berlin begeben, um für die Intereſſen des
Pforzheimer Platzes bei Regelung des Geseßes über
den Feingehalt der Goldwaaren in den maßgenen.
den Kreiſen der Regierung und des Reichstages zu ©
wirken. Es handelt sich namentlich darum, den A
vielen Hunderten in ihrer Exiſtenz sich bedroht fü.
lenden Fabrikanten äußersten Falles ein weit gen.
griffenes Uebergangsstadium zu verschaffen. – Mit.
der tendenziöſen Klage über Entſittlichung, Vewile.
derung und Zunahme von Verbrechen ſteht erfreuen.
licherweiſe die amtliche Statistik des Gefangenen-
standes im direkten Widerspruch. In den Amts-. ::
gefängniſſen, wo der tägliche Gefangenenſtand vo §
einigen Jahren auf 2823 Köpfe gestiegen war, iſt. f
derſelbe um die bedeutende Zahl von 319 Köpenen.
gefallen. Ein ähnliches, aber doch nicht gleich gün- |
ebensolche Schuhe; den Leib umſchloß ein Miere.
von lila Velours. Auf dem Kopfe trug sie ene.
Art spiter Mütze mit Perlen verziert, die klein gen
nug war, um für einen Kopfput zu gelten, und di
nicht hindern konnte, daß eine Fülle langen, goldenen
Haares in dichten Wellen über Hals und Schul-
ter fiel. ;
lr: Dich an Deinen Platz, befahl der MaM.
Das Kind gehorchte, aber sein Gesicht hatte îſchlee.
mit Leichenbläſſe überzogen; o, wie ängstlih den.
kleine Körper zitterte und wie flehend es die luuen.
zum Himmel erhob! Thränen glänzten darin, silber- * f
klar und hell, durch die Furcht vor dem Schau ſpjene.
welches sich nun entfaltete, hervorgepreßt. ; ..
Laß Dich noch einmal bitten! wirf heute nicht!







rief ſie in herzergreifendem Tone.

Wer wird die Vorstellung stören! donnerte der
Mann. Also vorwärts, marſch! ,

Ich ertrage die Angst nicht . . . .

Aber schon hatte Jener das Meſſer nach dem
Haupte der Kleinen abgesandt. Der Wurf war ge-
lungen; die Schneide biß sich dicht über der Mütze
des Kindes in die Bretterwand ein.

_ Ein zweiter Wurf folgte — ein dritte, uw.
nicht lange währte es, so waren die Hände von ;
einem Meſserkranz eingefaßt; auch der Krone, welche
das Köpfchen umrahmen ſJollte, fehlten nur wenige
der blanken Steine mehr.

Die Unru“e des Kindes wuchs von Minute u
Minute; die kleine Bruſt flog, die Augen ſchloſen.
ſich konvulsiviſch bei jedem Wurfe, den jedes Mal
ein Angstſchrei von ihren Lippen begleitete. j

Doch der Mann achtete deſſen nicht; muthig, fast
achtlos warf er ein Messer dem andern nach, un


 
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