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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 77 - No. 100 (1. April - 30. April)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44124#0395

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Expedition Brunuengafsſe 22e.

é 93.

Deutſches Reich.

Karlsruhe, 19. April. Der Geſsetentwurf über

die Erbauung einer Eisenbahn von Seckach über
Buchen nach Walldürn t., welcher zunächst der
Zweiten Kammer vorgelegt iſt, hat folgenden In-
halt : Art. 1. Unter der Bedingung, daß der Staats-
bahn-Verwaltung das für die Anlage der Bahn
sammt Zugehörden erforderliche Gelände durch die
Interesſenten unentgeltlich zu Eigenthum gestellt
wird, soll auf Staatskoſten eine Eiſenbahn von der
Odenwaldbahn-Station Seckach über Buchen nach
Walldürn gebaut werden. Art. 2. Die Bahn ſoll
einspurig und nach den für Eisenbahnen untergeord-
neter Bedeutung giltigen Normen mit einer Spur-
î weite von 1,435 m hergestellt werden. Art. 3. Mit
dem Bau der Bahn ſoll begonnen werden, sobald
die Erfüllung der in Art. 1 vorgesehenen Bedingung
ſeitens der Betheiligten sicher gestellt iſt und im
Eiſenbahnbau-Budget die Mittel zur Ausführung
bewilligt sein werden. Erfolgt eine Sicherſtellung
nicht vor Ablauf des Jahres 1885, so iſt die Wirk-
ſamkeit dieses Gesetzes erloschen.
î Berlin, 18. April. Dem Abgeordnetenhauſe ist
ſoeben ein Verzeichniß der noch unerledigten Vor-
lagen zugegangen. Unter den Regierungs-Vorlagen,
deren Endberathung noch ausſteht, find zunächst die
beiden Steuergesetze zu nennen, über welche in der
Kommission bisher nur die erſte Leſung ſtattgefun-
den hat. Das Resultat der zweiten Leſung läßt ſich
ſowohl was Zeitdauer, als auch materielles Ergebniß
betrifft, nicht abſehen. Man nimmt jedoch an, daß
es in dieſer Seſſion höchſtens zur Verabschiedung
des Gesetzes über die Kapitalrentenſteuer kommen
wird, während das Einkommenſteuergeſeß seiner
vielen techniſchen Schwierigkeiten wegen unerledigt
bleibt. Hingegen iſt das Kommunalsteuernothgesetz
in der Kommission zu Ende berathen worden und
dürfte im Plenum ohne wesentliche Diskussion ſan-
genommen werden.

Berlin, 19. April. Auf Anregung der Kaiserin
tritt am 21. d. M. im Kriegsminiſterium in Berlin
eine Konferenz von hervorragenden Männern der

Die Frankenburg.

Roman von Marie Romany.
v 0I1. Fortſchung.)

Die Dame schien von Stande, sie war auch gut
gekleidet; dazu gab ihr das Lorgnon, deſſen sie ſich
bei der Lektüre bediente, ein gewiſſes Aussehen von
Strenge. Die Kinder zögerten daher, ihren gewohn-
ten Bittgang zu der Fremden anzutreten; erſt ein
r eter Blick des alten Weibes gab ihnen den
Muth dazu. ;

“it Sou, liebe Dame + für die Wittwe und
die Waisen.

. Ueberraſcht von der Ungewöhnlichkeit einer sol-

chen Erscheinung stellte die Angeredete ihre Lektüre
ein; sie erhob den Kopf und betrachtete eine Weile
mit neugierigen Blicken das vor ihr stehende Paar.

Der Vater iſt ertrunken, die Mutter iſt todt und
die Großmutter ist eine alte Wittwe, fuhr Bella
ſeufzend fort; wir haben Beide ſchon seit gestern
nichts mehr gegessen. ;

Sie ſprach die letten Worte in einem Tone,
als wolle sie der Fremden heimlich ihr Leid anver-
trauen; dabei streckte ſie ihr Händchen aus, als

wäre ihr das Almosen, welches sie verlangte, gewiß. |

Die Dame aber betrachtete sie einige Minuten,
lächelt wohlgefällig und redete dann in gutmäthigem
Tone die Kinder an: ; |

Wer seid ihr?

j O, ich bin Bella, nahm diese das Wort, und
das da iſt Elſa; und da hinten iſt die Großmutter.
Die häßliche alte Frau mit dem großen Korb, fügte
ſie, der Dame einen verständnißvollen Blick zu-
îwierfend, hinzu. / ' |



ute e L uu
i. t-. . ; i w U ! . .








Verantworkliher Redakteur Philipp Klausner.
Dienſtag den 22. April

Wiſſenſchaft zuſammen, um über die Verwerthung
der neueſten auf dem Gebiet der Hygiene gesam-
melten Erfahrungen und erzielten Fortschritte ein-
gehende Berathungen zu halten. + Das Geschäfts-
haus des Armeekonſumvereins (Deutscher Offizier-
Verein) iſt mit diesem Monat eröffnet worden und
nunmehr vollkommen eingerichtet. Es befindet sich
in der Dorotheenſtraße Nr. 77. Die Räume im
Erdgeschoß dienen als Bureaux, während sich im
erſten Obergeſchoß die Verkaufsräumlichkeiten, Werk-
ſtätten u. s. w. befinden. Das Ganze iſt mit großem
Geschmack eingerichtet. Die Anzahl der Vereins-
mitglieder beläuft sich schon auf 16 000 und nimmt
täglich zu. Uniformen, Militäreffekten, Sattler-
waaren, Zivilbekleidung, Toilettengegenstände, Jagd-
utensilien u. s. w. werden dort zu „Konsumpreisen“
gekauft. Einige bedeutende Schneidermeiſter Berlins
ſind mit dem Offizierverein in Kartellverband ge-

treten, andere dagegen, welche von dem Verein

einen schädigenden Einfluß auf das Gewerbe er-
warten, haben sich entschieden geweigert, mit dem
Verein gemeinſchaftliche Sache zu machen.

— Herzog Paul Friedrich von Mecklenburg-
Schwerin ist, nachdem er auf jedes Anrecht an
die Thronfolge in Mecklenburg Verzicht geleistet hat,
nun auch aus dem preußischen und mecklenburgiſchen
Militärdienste ausgeschieden. Auf sein Anſuchen iſt
ihm vom Kaiser unter dem 29. März der Abschied
bewilligt worden. Herzog Paul hat während seiner
aktiven Militärdienstzeit mehrere Jahre dem Brand-
denburgiſchen Huſaren-Regiment (Zietenſche Huſaren)
No. 3 angehört, wurde im Jahre 1880 als Ritt-

meister zur Dienſtleiſtung bei dem General-Kom-

mando des 3. Armeekorps kommandirt, am 16. S-.p-
tember 1881 zum Major befördert und als solcher
zum Chef der 1. Eskadron des 2. Heſſiſchen Hu-
ſaren-Regiments No. 14 in Kaſsel ernannt, bei
welchem Regiment er bis jetzt & la snite geführt
wurde. Im metklenburgiſchen Kontingent stand er
à la suite des 1. Großherzoglich Mecklenburgischen
Dragoner-Regiments No. 17, deſſen Chef sein Bru-
det: het regierende Großherzog Friedrich Franz
II. iſt.



) Die Dame lachte. Und was macht ihr hier? |

fragte sie weiter. Wo wohnt ihr?

D, das iſt weit! Wir müssen immer einen langen
Weg machen, bis wir hier angekommen sind.

So? Und warum kommt ihr denn?

Bella stutte; auf diese Frage wußte sie keine
Antwort zu geben.

Nun? fragte die Dame von Neuem. Wer heißt
euch denn hierherkommen, wenn es so weit iſt ?

Großmutter, erwiderte jezt das Kind, und wir
müssen gehorchen, denn sonst . . . .

Nun? ;

O, machte das Kind zitternd, der große Stock!

So. Und was macht ihr denn hier?

Bella wandte das Köpfchen. Bald hatte sie ſich
die Gewißheit verschafft, daß Madeleine in gewohn-
ter Entfernung hinter ihnen sei, und alſo nahm sie
keinen Anstand, zu sagen : Wir betteln hier.

r bettelt ?

a

der euch ernährt?
Großmutter hat nie einen Mann gehabt, ſo
lange wir ſie kennen. “1.3 (
Und da seid ihr hungrig ? fragte die Dame wei-
ter. Habt ihr denn noch nicht zu Mittag gegesſſen ?
Wir bekommen niemals Mittageſſen, verſette
t F tt.1s Mittagessen?! Was bekommt ihr denn?
Abends Brod und Feigen, sonſt nichts..
Habt ihr denn da die Großmutter auch lieb?
Abermals wandte die Kleine ihr Köpfchen; wie-
der gewann sie die Ueberzeugung, daß die Alte fern
vom Plate sei.

u. wu. w umu U
. h j ; . sey ſ ; ;

Heidelberger General-Anzeiger.



Hat eure Großmutter denn keinen Mann mehr, |







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Expedition Brunnengaſſe 24.

~ Der Reichstagsabgeordnete Kayser, welcher auf
Grund des § 22 des Sozialistengeseßzes aus Bres-
lau ausgewiesen iſt, hatte an den dortigen Regie.
rungspräsidenten das Gesuch gerichtet, zu den Oſtern..
feiertagen seine in Breslau wohnende Mutter ben.
ſuchen zu dürfen. Der Herr Regierungspräsiden

übersandt, und diese hat das Geſuch des Herr
Kayhſer abgeschlagen. Jm vorigen Jahre ist Herr
Kayser unbeanſtandet der Besuch seiner Mutter ge: -:
ſtattet worden und sein Beſuch in Breslau hat zu
Unzuträglichkeiten ~- im polizeilichen Sinne ge.
ſprochen - nicht geführt. u

Darmstadt, 18. April. Großfürſt Sergius it.
heute zum Besuche der Königin Olga nach Stutt
gart abgereiſt; er kehrt Sonntag hierher zurück. –
Die deutſche Kronprinzesſin trifft hier am 25. April
ein. . .
| Oesterreich-Ungarn.

Wien, 18. April. Der herzliche Empfang
Kronprinzen-Paares durch den Sultan macht
gemein den besten Eindru>. Der Sultan ve
dem Kronprinzen das Großkreuz des Osmaniordens
in Brillanten, der Kronprinzeſſin und der Gräfin
Sylva Tarouca, der Schwester Kalnoky's, das Groß-
kreuz des Schefkatordens. Die gesammte Suite
wurde dekorirt. — Die ungariſchen Reichstags-
Wahlen finden vom 15.--25. Juni statt. ~ Hugo
Schenk und Schloſſarek sollen am Mittwoch, den
23. April, hingerichtet werden. d

Frankreich.

Paris, 19. April. Zwei Bataillone Infanterie
mit Artillerie gehen nächsten Monat nach Hue ab,
um die dortige Citadelle dauernd zu beseten. –
Heute war feierlicher Empfang des neuen russiſchen
Botſchafters Baron Mohrenheim bei Grevy. Der
Botschafter wurde mit den hergebrachten Feierlich-
keiten nach dem Elyſse geleitet. Ein Bataillon In-
fanterie erwies die militärischen Ehren; die Musik
ſpielte die ruſsiſche Nationalhymne. Auch Jules
Ferry war anwesend. - Waddington iſt heute in
Paris eingetroffen.

Wir lieben sie eigentlich gar nicht, erwiederte sie
darauf flüſternd, aber wir müsſſen bei ihr bleiben,
seitdem sie uns zu sich genommen hat. Sehen Sie
nur ſelbſt, wie häßlich sie iſt, fügte sie geheimnißvoll
thuend hinzu; und noch viel häßlicher iſt sie, wenn
ſie raucht und uns zu Bette schickt. Und nichts hat
sie uns gegeben von all den Spielſachen und Kliee.
dern, die sie uns alle Tage versprochen hat; nicht”
einmal eine Puppe.

Die Dame lächelte, dann zog sie ihre Börse und
reichte den Kleinen ein Silberſtück. j

Da, ſchloß sie ihre Unterhaltung, nun geht und
kauft euch etwas zu eſſen, weil ihr hungrig seid

Kaum aber hatten die Kleinen den Rücken
wendet, so winkte sie in befehlender Weise die
Alte herzu. j / .

>> die Kinder Ihnen? fragte sie in herab-

laſſendem Tone.
Es sind die Kinder meines verſtorbenen Sohnes,

Eure Gnaden, ſtöhnte das Weib. j j

Wirklich? + Und was machen Sie denn hier
mit ihnen? Wohnen Sie in Toriano?

Nein, Eure Gnaden, jammerte die Alte mit ver-
tte sts Heimath liegt oben in der
land herüberholen j Uzée. tl: Zhen re gs qu:
Kurzem gestorben ist. (

So. Vie lange iſt das? |

Vier Wochen wird es sein. |

Vier Wochen! Und warum ſeid Ihr immer noch
hier? ~ — Die Kleine sagte mir, Ihr kämet täg-
lich auf die Promenade. / ;

Wir werden von hier aus einen weiten Weg
über Gebirge zu machen haben, jammerte das Weib,
 
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