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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 26 - No. 50 (1. Februar - 29. Februar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44124#0125

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Expedition Brunnengafſe 24.

F 30.

Heidelberger Tageblatt

Heidelberger General-Anzeiger. .

VYeraniworiliter Redakteur Philipp KHlausuer,
Mittwoch, den 6. Februar

Anz eigen: die 1-spaltige Petit-

oder deren Raum 5 Pfg.,

für auswärts 10 Pfg.
mehrmaligem Erſcheinen

Rabattbewilligung.

e
ei
Expedition Brunnengaſſe 24.



Die Staatsſprache in Oesterreich.

Nach dem Votum des öſterreichiſchen Abgeord-
netenhauſes über den bekannten Antrag des Grafen
Wurmbrand hat die cisleithaniſche Monarchie keine
officielle Staatsſprache. Der Staat ſpricht also
nicht mehr, er iſt ſtumm. So decretiren 186 gegen
155 Stimmen. Zieht man die fünf Abgeordneten-
Minister ab, die sich füglich der Abstimmung über
die Frage, ob ihnen eine Resolution übermittelt
werden ſoll, hätten enthalten dürfen, so bleiben 181,
alſo eine Majorität von 26 Stimmen, für die
Staatsſtummheit übrig. Die feſtgeſchloſſene ver-
einigte Linke zählt 142 Mitglieder; 13 Stimmen
hatten sich folglich von der coalirten Rechten los-
gebröckelt, und dieſe 13 bestanden aus Deutſch-Ultra-
montanen, Coroniniſchen Südländern und Ruthenen.
Immerhin hat demnach die Linke kein Loch er-
halten, wohl aber die Rechte sammt dem ihr zuge-
hörigen Ministerium. Noch 14 Deserteure mehr,
und die Minorität iſt Majorität geworden.
Vorläufig iſt der cisleithaniſche Staat stumm,
gerade wie die Herren Miniſter während der ganzen
heißen Debatte ſtumm blieben und sich nur zu einem
„Nein“ ermannten, als es galt, den Wurmbrand-
ſchen Antrag niederzuſtimmen, was freilich ein demon-
stratives und tumultuariſches Zurufen von Seiten
der Linken erzeugte. Der helle Zorn und die In-
dignation ließen sich nicht mehr zurückhalten, als
die Repräſentanten der Krone, die Leiter der Re-
gierung, die zur Sache nichts zu sagen gewußt
hatten, bei der Abstimmung in den Saal hinein

e rercirten und gegen das gesammte hisſtoriſche Her-

kommen, gegen die bisherige Baſis Deſterreichs ihre
Stimmen abgaben ! Diese Indignation, von der auch
die Galerieen nicht zurückzuhalten waren, zeigte deut-

lich, wie nahe der Becher am Ueberlaufen ist. Noch
ein Tropfen und die starke, feſt geeinte Minorität
entzieht sich dem tückischen Spiel. Der Abg. Hausner,
der immer ſchlechter ſpricht, eine je faulere Sache

er ſophiſtiſch zu vertheidigen ſqucht, würde sich dann
bald überzeugen, was der „Leichtſinn“und die „Unvor-
ſichtigkeit“ eines ſolchen Schrittes zu bedeuten hätten.
MRT TRE.

Der Antrag Wurmbrand, der lediglich den sta-
tus quo feſtnageln wollte, war ein wahrer Ver-
ſöhnungsantrag und nur insofern centraliſtiſch, als
er die Regierung aufforderte, ein Sprachengeset für
die einzelnen Reichstheile vorzulegen, welches Gesetz
alſo zur Competenz des Reichsrathes gehören würde.
Die da immer den Mund voll „Verſöhnung“ nehmen,
hätten mit beiden Händen zugreifen sollen; denn
das betreffende Geſez wäre ja ein Product der

jetzigen Majorität geworden. Aber blinder Eifer

hat noch immer geſchadet. Viele denkende Politiker
hatten auch den ganzen Antrag von vornherein für
inopportun und ſogar für bedenklich gehalten. Graf
Wurmbrand, der sogar Fühlung mit der todtge-
borenen „Volkspartei“ hatte, ging in seiner moti-
virenden Rede gar so weit, den Abgeordneten nicht-
deutscher Sprachgebiete den Gebrauch ihres Jdioms
im Parlament gestatten zu wollen, was ja ſofort
den Föderalismus mitten in den Reichsrath ver-
pflanzen und eine unendliche Dolmetſcherei nöthig
machen würde. Die Polen, Czechen und Slovenen
würden allgesammt plötlich gar kein Deutſch mehr
verstehen; die Polen nicht czechiſch, die Czechen nicht
polniſch, kurz, keiner des anderen Sprache mehr
unüberſeßt laſſen wollen. Wohin sollte das bei
den 17 „Königreichen und Ländern“ führen? Nach
Babel im stolzen neuen Parlamentspalaſt!

Die Berufung auf die Schweiz iſt mit Recht
von Seiten der Linken zurückgewiesen worden und
politiſch wie linguistiſch hinfällig. Die drei Schwei-
zer Sprachen: Deutſch, Französisch, Italienisch, sind
eben Culturſprachen, was doch wahrlich von den
ézuitetun öſterreichiſchen Jdiomen nicht behauptet
werden kann. f ,

Jenseits der Leitha hat die erregte Debatte
sammt ihrem ſeltſamen Ausgange endlich die ſtarren
Rational-Magyarenaus ihrem ſelbſtgefälligen Schlum-
mer geweckt. Selbſt die Officiösen Koloman Tiſza's
krattten hinter den Ohren, daß Cisleithanien staats-
stumm sein soll. Himmel, denken sie, was soll dann
aus uns werden, die wir unsere Staatssſprache bis
jeßt so rückſichtslos durchgeführt haben.





Das weiße Schiff.

Ein See-Ro man von Adolph Nork.





geſtern noch gesund und rüſtig, dem Tode in einer
Nacht zum Opfer fielen. Ja, er wollte ſein Leben
daran wagen! - Aber Winfried hatte eine Schwester,
die er seit vierzig Jahren unterſtütte, die von

| seinem erübrigten Lohne lebte, und die jettt, nur

3. Fortsetzung.

„Endlich,“ ſchloß der Koch, „müßt Ihr Euch
darein fügen, mich oder den Herrn Steuermann
o lange in Eurer nächsten Gesellſchaft zu dulden,
bis wir alle andere Stellen haben und auf der
Reise in die Heimath sind. So, jetzt habt Ihr die
Wahl! ~ Wir laſsen Euch hier zehn Minuten
allein, Ihr mögt dann bedenken, was Ihr zu thun
habt. Nach dieser Friſt aber verlangen wir eine
bestimmte Antwort.“ Franz und der zweite Steuer-
mann verließen Winfried und gingen auf Deck.
Er blieb mit dem Ermordeten allein.
Jahre hatten sie die Oceane der Erde durchſchifft.
Zwanzig Jahre war Carlsen ihm nicht der strenge
Vorgesette, nein, ein lieber, treuer Freund gewesen,
und jeßt . ermordet von ruchloſen Händen, ſollte
er es ruhig mit ansehen, daß dieſe der gerechten
Strafe entgingen. Er kannte die Mörder und ſollte
den Freund ungerächt laſſen. Nein, das durfte
nimmer geſchehen! Aber was ſollte der Scchzigjährige,
in ſeinem harten Dienst Ergraute, gegen die Ueber-
macht seiner Peiniger machen? Mußte er sich nicht,
der Nothwendigkeit gehorchend, gefügig zeigen und
auf cinen glücklichen Zufall der Zukunft hoffen?
Sein Leben hätte er ja gern geopfert, wenn Carlſen
nur dadurch gerächt würde. j
Und fuhr es wie ein Gedankenblit durch sein Hirn,

ein Tod konnte den Freund rächen. Unmöglich hätten |
die Beſſern einen solchen Zufall geglaubt, daß beide,



Zwanzig |



wenige Jahre jünger wie er, auf dieſe Unterstützung
allein angewiesen war. Sie durfte er nicht darben
laſſen. ~ Er mußte ſchweigen. + Die zehn Minuten
waren vorüber. Franz und der Steuermann kehrten
zurüick, und Winfried ergab sich den Verruchten. —

Am andern Morgen machte er der Mannschaft
mit zitternder Stimme Meldung von dem Tode
ihres Vorgesetten. t

Carlsen hatte in einem Krampfanfall, an wel-
chem er in letter Zeit häufig litt, seinen Tod ge-

funden.

Seine Mörder bestätigten nach kurzer Leichen-
schau die Ursache des Todes; Carlsen wurde in ein
Segel genäht und ins Meer gesenkt, für immer
den Augen seiner Rächer entzgegen.

Kurze Zeit nach dieſem Akte meldete Otto „Land
in Sicht.“ und um drei Uhr nachmittags war die
Barre an der Mündung des Menam erreicht. Zum
leßtenmale wurde die Nationalflagge im Vortop
aufgehißt, zum Zeichen, daß man eines Lotsen be-
eslſcs und am andern Tage lag die „Martha

im Hafen von Bangkok.

î Der Tod Carlſens wurde notariell vom Kon-
ſulat bescheinigt; die Urſache des schnellen Begräb-
niſſes schien durch die Choleraepidemie gerechtfertigt,
Das Teſtament des Verſtorbenen wurde anerkannt,
und die. „Martha“ an Winfried übergeben.

Am nächſten Tage fuhr der Koch, Winfried der
Obhut des Steuermannes üÜberlaſſend, nach Pack-





18SSI. .

Deunutjſches Reich.

_ Karlsruhe, 2. Febr. Eine wichtige Vorlage

iſt geſtern noch von dem Staatsminiſter Tuvlan.
der Zweiten Kammer gemacht worden über en.
Ausbau des Landstraßennetßes. Baden steht bekaate.
lich in der Beziehung unter den deutschen Staaten.
und damit unter den Staaten Europas, in ale.
erſter Reihe. Die vierzehn Jahre, welche im Go.
setz von 1870 für den Ausbau des Landſtrakeen.
netzes vorgeſehen waren, sind nun um, und die ue.
gabe in der That schon gelöst, und zwar mit einem
Aufwand von etwa 7 Millionen. In weitern drei .
Budgetperioden wird nun der Ausbau mit éenm
Aufwand von rund einer Million für den Staat
vollendet werden und zwei Kategorieen von Strralen.
umfassen, nämlich 1) solche wirkliche Landſtrekeen.
deren Herſtellung sich noch als im JInteresſe d'en.
Verkehrs 'nothwendig gezeigt hat und 2) Strrélen.
von minderer Bedeutung als Kreis- und Gemeine.
wege, zu welchen der Staat einen erheblicha zu
schuß leiſtet. Mit dem Abschluß dieser Organiſation §
wird das Budget eine wesentliche Entlaſtuun en.
fahren. + Von der Ersten Kammer iſt der Geset-
entwurf über die Regelung der Verwaltungsrechtse.
pflege einstimmig angenommen worden, wohh de.
beſte Beweis dafür, daß die Weigerung dr Re.
gierung, der sogenannten elausula generalis zuuu.
stimmen, keine wesentliche politiſche Bedeutung hatten.
Daß ihr eine besondere praktiſche Bedeutung nete.
zukam, hatte der Bericht des Geheimerathh Schuzzen.
unumwunden anerkannt. Bekanntlich drehte sich.
die Frage darum, ob neben der im Entwurf zuge- .
standenen bedeutenden Erweiterung der Zuſtändiggäet.
des Verwaltungsgerichtshofs demſelben noeh dase.
Recht gegeben werden sollte, jede Klage anzunehmen.
welche überhaupt auf die Unrechtmäßigkeit ene.
Verwaltungsverfügung gerichtet war. 1e8

Straßburg, 3. Febr. Abbe Gruß, Redakeere.

des dahier allwöchentlich erſcheinenden katholiſchſen.
Volksblattes, wurde gestern wegen Beleidigung ds.
deutschen Kronprinzen, begangen durch einn den.
spanische Reise des Kronprinzen besprechennſen Az

nam und kehrte bald mit dem ihm bekannten Un-
terhändler zurück. . F
Man wurde bald über den Preis einig, den.
„Martha“ ging in siamesiſchen Beſiß über, um ſo.
erhielten sämtliche Matrosen, da das Schiff dien.
Flagge gewechselt, das Recht, ihre Entlaſuunu zu
fordern, und alle, außer der chineſiſchen Beſalun.
machten von demſelben Gebrauch. ; i
Die Kaufsumme wurde an Winfried, den nun
„mehrigen Besſiter des Schiffes, ausgezahlt un
dann von Franz, der mit dem zweiten Steuermmn
den Löwenantheil erhielt die doppelte Löhnungg dien.
Chinesen und Otto ihre verdiente Hen.
Wenige Tage nachher hatten alle neue Stellungen .
gz infried fand Stellung als Steuermann auf
der Hamburger Bark Pluto, die heimwärts beſtimnt.
war, durfte aber nicht eher ſeinen Dienst antrten.
bevor alle andern auf hoher See waren.
Paul war der lette. .
Nur Franz und Winfried blieben auf der
„Martha“ zurück und geleiteten sie jeßgt in ds.
Dock, wo sie nach dem Geschmack ihres siameſiſchean.
Besitzers eingerichtet werden follte. -
Vierundzwanzig Stunden nach der Abreiſe Pals.
verkündete der Koch Winfried, daß er am Abenn
dieses Tages frei werden ſollte. s
Kaum deckte die erſte Dämmerung die Fluten
des Menam, und ſchon klarte Winfried die Gig
froh, endlich der lästigen Gegenwart des Kochs

enthoben zu werden. .
ſie sich gegenüber, Winfried .








Schweigend ſaßen
regierte das Steuer, Franz führte die Ruder.
(Fortsetzung folgt.)




 
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