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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 51 - No. 76 (1. März - 30. März)
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Heidelberger Tageblatt

Heidelberger General-Anzeiger.

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Expedition Brunnengaße 24.

Peraulworilicjer Redakteur Philipp slausner.



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Rabattbewilligung. :

Expedition Brunnengafſe 24.



Me 57.

Deutſches Reich.

Karlsruhe, 5. März. Mit 9 gegen 6 Stim-
men hat die Budgetkommiſsion definitiv beschlossen,
2,850,000 M. zu bewilligen, um eine große Irren-
anstalt in Emmendingen, zunächſt zur Aufnahme
von 400 Kranken errichten zu können. Demnach
kommen an der von der Regierung angesorderten
Summe 65,000 Mk. in Abſtrich. Mit Zustimmung
der Regierung wurde eine Wiesenfläche von 20
Morgen, zu ungefähr 30,000 Mk. taxirt, außer Be-
rechnung gelaſſen. Auch die Freiburger Irrenklinik
iſt beſchloſſen. Nur noch ein kleines Häkchen iſt zu
erledigen. Die Regierung hat rund 700,000 Mk.
angeforder. In Straßburg ist letttes Spätjahr
gleichfalls der Bau einer Irrenklinik begonnen wor-
den. Ein Mitglied der dortigen medizinischen Fa-
kultät hat nun in der letten Zeit versichert, dieselbe,
für mehr Kranke als die Freiburger berechnet,
komme auf etwa 400,000 Mk. zu stehen; von Sei-
ten der Regierung wurde behauptet, der Koſtenauf-
wand betrage 700,000 Mk. Es ſollen nur noch
offizielle Erkundigungen darüber eingezogen werden,
wie es sich in Wirklichkeit verhält. ;

Karlsruhe, 6. März. In der Zweiten Kam-
mer erklärte Turban auf Anfrage des Abg. Lender,
daß die Regierung mit Rücksicht auf die Dringlichkeit
und Wichtigkeit der noch zu erledigenden Ärbeiten
nicht die Absicht habe eine Vertagung der badischen
Stände, wegen der heute eröffneten Reichstagstagung
eintreten zu lassen.

Berlin, 6. März. Bei der Eröffnung des
Reichstags waren im Weißen Saale nicht viel über
hundert Abgeordnete, die meiſt der Rechten ange-
hörten, anwesend. Das Centrum und die Linke
waren ſpärlich vertreten, in der Hofloge befand ſich
niemand, in der Diplomatenloge Prinz Prisdang
von Siam und ſonst nur Attaches. Um 12 Uhr 10
Minuten trat der Bundesrath ein und ſtellte sich
links vom Kaiserthron, deſſen Seſſel mit Purpur-
ſammetdecke verhüllt war, auf. Faſt sämmtliche
Minister waren im Frack. Staatsminister v. Böt-
ticher verlas die Thronrede und erklärte dann. den
Reichstag für eröffnet. Präsident v. Levetzow brachte

_ Aus dem Stift.

_ Erzählung von E. Hartner.



3. Fortsetzung. |

„Ich bin der Frau Gräfin immer und überall
zu dienen bereit !“ :

Die Dame betrachtete sie einen Augenblick prüfend,
dann sagte sie: „Rücken Sie Ihren Stuhl näher
heran. so, ich danke Jhnen! D Ich möchte. leiſe
fru ur vas wh s lt z! ut t
daß ich außer Ihren beiden kleinen Zöglingen
noch einen erwachsenen Sohn habe !“

_ „Ich habe davon gehört!“ j

„Nun wohl. ~ Der Graf iſt nicht immer zu-
frieden mit ihm gewesen und ich muß gestehen, daß
Eberhard nicht ohne Schuld an dem jettt bestehen-

den Zerwürfniß iſt, wenn er auch klagt, daß sein

Vater ihn hart behandelt. Wie dem auch ſei, dies
LLC G GWG
Zorn von hier fort und iſt nicht wiedergekommen.
Da er sich in Paris, wo er dem Gesandten attachirt
iſt, gut zu halten schien, so ließ ihn sein Vater ge-
währen. Seit einiger Zeit“ — die Gräfin ſtockte
— „kamen minder günstige Nachrichten. Auf Wunſch
des Grafen iſt er auf unbestimmte Zeit beurlaubt
und soll seinen Aufenthalt zunächst hier nehmen.
Eine ziemlich große Summe Geldes iſt ihm ge-
ſchickt worden, damit er Paris ohne Hinterlaſſung
von Schulden verlaſſen kann. Heute ſchreibt er
mir, daß die Summe nicht ausreiche, daß er noch
mehrere tzufend Thaler bedürfe, um seine Schulden
zu tilgen!“ j ch

| Schweigen fort.

BSamſtag, den 8. März

dann das Hoch auf den Kaiser aus, worauf der
Schluß um 12 Uhr 25 Minuten erfolgte.

Berlin, 6. März. Die Einigung der Fortſchritts-
partei mit der Sezeſſion vollzog ſich geſtern Abend,
unter Widerſpruch oder Stimmenthaltung von 7
Sczeſſioniſten und einem Fortsſchrittler. Es handelt
ſich nicht um die Einigung der um Hänel ge-
ſchaarten Beſtandtheile des Fortschritts mit der
Szesſion, ſondern die Vereinigung der Letzteren hat
ſich mit der Richter'ſchen Fortſchrittspartei vollzogen.
Damit ist eingetreten, was seit der Trennung der HH.
Rickert, Bamberger, v. Forckenbeck u. Gen. von den Na-
tionalliberalen vorausgesagt worden ist. Der Zug nach
links hat den Zuſammenſchluß mit der Richter'ſchen
Fortschrittspartei herbeigeführt. j

Berlin, 6. März. Präſident v. Levetzow eröffnet

um 2 Uhr die Situng, beruft die proviſoriſchen
Schriftführer und theilt mit, daß das Unfallver-
sicherung; und das Gesetz über den Feingehalt der
Gold- und Silberwaaren eingegangen sei, ebenso
die Denkschrift über den Flottengründungsplan. Der
Namensaufruf ergibt die Anwesenheit von 235 Mit-
gliedern, alſo Beſchlußfähigkeit des Hauſes. Morgen
Präsidentenwahl.
_ Elberfeld, 6. März. Die „Elberfelder Ztg.“
meldet: Der unter Verdacht der Veranstaltung der
am 4. September 1888 im hiesigen Reſtaurant
Willemſsem ſtattgehabten Dynamit-Exploſion stehende
Weber Karl Bachmann aus Thäringen geſtand die
Verübung des Verbrechens. In Folge deſſen wurde
t. Heger Strtthtttt utid zwei hieſige Fabrikar-
eiter verhaftet.

Konitz, 6. März. Zeuge Beyer, von ſeinem
Gewissen gedrängt, theilt freiwillig mit, Bumke er-
zählte ihm, daß Buchholz dem Knechte Dobberſtein
in Neuſtettin zehn Thaler geboten habe, wenn er
die Synagoge anzünde.

; Oesterreich-Ungarn.

Wien, 6. März. Das Herrenhaus, hat nahezu
einstimmig den Beſchluß gefaßt, die Ausnahmever-
ordnungen für gerechtfertigt zu erklären.

Frankreich.
Paris, 4. März. Nach Mittheilungen aus

„Von dieſem Briefe und seinem Inhalt darf der
Graf nichts wisſſen,“ fuhr die Gräfin nach kurzem
„Glücklicherweiſe bin ich in der
Lage, ihm helfen zu können. Bei unserm Juſtiz-
rath in der Stadt habe ich ſeit vielen Jahren eine
Summe Geldes liegen, sie iſt mein freies Eigen-
thum, über das ich ganz nach Gutdünken verfügen
kann. Dieses Geld zu erheben und seine Verſen-
dung anzuordnen, iſt der eigentliche Zweck meiner
morgenden Stadtfahrt, dem Grafen gegenüber
müſſen Weihnachtseinkäufe als Vorwand dienen.
Da er mich nicht allein fahren . laſſen würde, so
thun Sie mir einen Gefallen, wenn Sie mich auf
diesem Gange begleiten wollen. Ich will nicht ver-
hehlen, daß er mir etwas sauer wird!“

Die Gräfin sagte die letzten Worte mit einem so
wehmüthigen, so trauigen Lächeln, daß Viktorine
ihr die Hand küßte und versicherte, sie bedaure



nur, ihr keinen größern und schwereren Dienſt leiſten
u können.
Ô Am nächſten Tage wurde die Fahrt gemacht.
Im eleganten wohl verſchloſſenen Wagen saß Vik-
torine neben der Gräfin, tief in Decken und Pelze
verhüllt. Sie ſah fremd auf die ſchmalen Straßen
und niedrigen Häuſer des Städtleins, die Grüße
der Vorübergehenden erwiederte ſie ohne das ver-
trauliche Lächeln alter Freundſchaft. „Möchten Sie
nicht wenigstens Ihr altes Haus, Ihre alte Wirthin
wieder aufsuchen?“ fragte die Gräfin, als sie an
den geschloſſenen Fenſterläden der Kalkulatorswoh-
nung vorüber fuhren. ;

Viktorine ſchüttelte den Kopf, ihr graute vor



den leeren Räumen und vor den neugierigeu Fragen
der alten, halbtauben Hausbeſsitzerin. C

Tonkin befinden sich in Bacnin 35 000 Mann, wovon
15 000 reguläre chineſiſche Soldaten, 10000 Schwarz-
flaggen und 10000 reguläre Anamiten, die von der :
Regierung in Hus abgefallen sind und ſich der Sache
Chinas angeſchloſſen haben. Man hält es für eine
Hauptaufgabe des Millot’ſchen Expeditionskorps, nicht
blos Bacnin zu nehmen, sondern auch den dort vero
einten chinesiſchen Streitkräften den Rückzug in der
Richtung auf Kuang-Si zu verlegen, da sonſt der
Krieg ins Endlose verlängert wtirde. .
Egypten. .
Kairo, 6. März. Ein engliſches Bataillon iſt
lest ſich bereit zu halten, um nach Oberegypten
abzugehen. E



Aus Nah und Fern. w
§ Mannheim, 5. März. Die Secundärbahn
Mannheim - Feudenheim wird voraussichtlich an
Ostern in Thätigkeit treten, da jetzt alle Hinderniſſen
überwunden sind und mit dem Legen der Schienn
begonnen worden ist. "
(:) Würzburg, 5. März. Gestern sprang en
Soldat des 9. Infanterie-Regiments, Franz Diruf
aus Wildensee bei Aschaffenburg, in den Main un
es konnte seine Leiche bis jetzt nicht aufgefunden
werden. Diruf stand im 3. Dienstjahr, war ein
zuverlässiger und tüchtiger Soldat, dem eine.
Woche Arrest wegen zu ſpäten Einpaſſirens zudiktint..
worden war, was ihn in den Tod getrieben habn
mag. — Aus den hiesigen Zeughausbeſtändſn
wurden 40,000 Stück aptirte Podewilshinterlader.
gewehre um den Preis von sage und schreibe: T89
Pf. per Stück an eine belgische Waffenfirma ver- .:
kauft. Die Umänderungskosten haben s. 3. etwa 20 .
Mal ſo viel betragen, als heute der Kaufpreis. s
+ Aus Baden, 6. März. Ein Viktualienhänne.
ler in Mannheim hat sich dieſer Tage mit eine
größeren Summe Geldes angeblich nach Worms
entfernt und ſoll heute noch tviederkommen. Kurze
Zeit nach ihm verschwand auch deſſen Dienstmädchen.
Die Frau des Verreisten sitzt nun zu Hauſe mit
5 Kindern, von denen das älteſte 12 Jahre zählte.
— In Sandhofen iſt das Reibel'ſche Wohnhauas









Im Löwen flog das beſte Gaſtzimmer auf, un
die Wirthin konnte nicht genug entschuldigen, daß
es ſo kalt und unheimiſch ſei, aber die gnäösizgen.
Herrſchaft habe sich ja auch nicht durch ein einigen
Wörtchen anmelden laſſen! Die gute Frau wendete.
ihre von vielen Knixen begleitete Rede an die. t
Gräfin ſelber, ſie schien Viktorine weder zu schen.
noch zu kennen. z

Die Gräfin beruhigte die Aufgeregte lächeln.
Sie habe viele Kommiſſionen zu machen und müſſee.
sofort damit beginnen. In zwei bis drei Stunden +
werde die Stube wohl erwärmt und ein einfache.
Mittageſſen fertig sein. Ihre Leute möge ſie nur “
vorher wie gewöhnlich verpflegen. Der Wirthn.
fiel ein Stein vom Herzen, und sie verſprach goldene.
Berge. i ..

. ging Viktorine neben ihrer Herrin auf
den schmalen Trottoirſteinen der Straßen dem
Hauſe am Markte zu, wo der Juſtizrath wohnte.
Die Uhr des alten Rathhauſes schlug gerade ele.
die Schuljugend strömte aus der Bürgerſchule.
| Die Knaben stießen einander an, die ziviliſirtenn.

tt. qhre hu. die kleinen Wilden starrten die
Du, das ist VU wt fete
beim Grafen Schulmamfell iſt ; hörte sie einen
halbwüchsigen Burschen zum andern sagen. Dre
Sohn des Pfarrers kam mit seinen Freunden, de
Knaben grüßten und machten den Damen höflieh
Platz. Viktorine hatte das Gesühl, daß sie den
Knaben anreden, nach seinen Eltern fragen unn .
ihren Beſuch in Aussicht stellen müsse, aber der












Gedanke, daß sich ſofort die halbe Schule um


 
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