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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 51 - No. 76 (1. März - 30. März)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44124#0307

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"U E C M E f C ME V . A C R \ E E V O C O P:
O Mf .. §

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für Heidelberg: monatlich 45 Pfg.
mit Trägerlohn, durch die Poſt
vierteli. 1 Mk. 40 Pfg.

bezogen



Yeraulworilicer Redakteur i Philipp Klausner.



H
der deren Raum 5 Pfg.
ür auswärts 10 Pfg. :
w
Rabattbewilligung.



N 72.



Deutſches Reich. |
Berlin, 23. März. Der ,„Poſt“ zufolge äußerte

_ ich der Kaiser bei dem geſtrigen Empfange der
_ Präſidenten des Reichstages und des Landtages

über das geringe Maß der Befriedigung, welches
ihm die Reichstagsverhandlungen über das Sozia-
liſtengeſes gewährt hätten. Der Kaiſer erinnerte
sehr nachdrücklich an die Vorgänge, welche den Er-
laß des Gesetzes veranlaßten und warnte davor,
daß die jetzige Ruhe als eine vollständige Sicherheit
angeſchen werde. ~ Die ,Poſt“ erfährt, General-
lieutenants Colomb und Barby sind zu Generalen
der Kavallerie, Generallieutenants Werder (Peters-
burg) und Dannenberg zu Generalen der Infanterie
ernannt worden. :

Berlin, 23. März. Der Kaiser konferirte Nach-
mittags 4 Uhr mit dem Fürsten Bismarck und nahm
dann mit der Kaiſerin an dem Familiendiner Theil,
das beim König von Sachsen im königlichen Schloſſe
stattfand. Nachmittags zwei Uhr war der Reichs-
kanzler von dem König von Sachsen in längerer

s Audienz empfangen worden.

Freiburg, 21. März. Der Präſident der Vereinig-
ten Staaten von Nordamerika hat den General Max
Weber zum Conſul in Nantes ernannt. Die älteren
ſüddeutſchen Leſer werden sich Webers aus der Zeit des
badiſchen Aufstandes her noch lebhaft erinnern. Sein
ſpäteres Leben in den Vereinigten Staaten machte
ihn bei eingebornen Amerikanern und Deutſchen ver-
dientermaßen zu einer populären Figur. Beim Aus-

bruche des Krieges zwischen Nord und Süd, war |-

er einer der erſten deutſchen Militärs, die mit einen
wichtigen Commando betraut wurden, und er hat
das Vertrauen seines Adoptivlandes glänzend ge-
rechtfertigt. Vorigen Sommer kehrte er nach Frei-
burg zurück, wo er noch lebt.

England.
London, 24. März. Die „Times“ sagt, es sei

Grund zu glauben, daß Gordon nicht verſucht habe,

den Ernst der Lage in Khartun oder die Nothwen-
digkeit der Absendung britischer Truppen zu ver-

heimlichen. Es sei unverſtändig eine Löſung des

§ | Problems zu hoffen, wenn England nicht energische
î Maßregeln ergreife, um die Stellung Gordon's zu

Wittwoch, den 26. März

stärken. ; .: 1144

Konſtantinopel, 22. März. Der Großvezier
verſprach dem öſterreiſchen Botschafter, wenn mög-
lich noch heute wegen der Vorschläge des Baron
Hirſch, betreffend den Bau der Eiſenbahnanſchlüsse
eine Entſcheidung mitzutheilen. ++ Lord Dufferin
hatte eine stürmische Unterredung mit Said Pascha
in Betreff der Schifffahrtsangelegenheit im Golf
von Smyrna, da die Türken zwar den Booten die
Fahrten erlaubt, aber polizeilich verhindert haben
sollen, daß dieselben Paſſagiere aufnehmen. + Mu-
ſurus wurde neuerdings inſtruirt, dahin zu wirken,
daß die Verhandlungen mit England (wegen Egyp-
tens?) sofort beginnen. ; j



Deutscher Reichstag.

Berlin, 24. März. Der Präsident übermittelt
den Dank des Kaisers für die ihm dargebrachten
Geburtstagsglückwünſche des Hauſes. Der Präſident
erklärt darauf, daß nach weiteren Ermittlungen in
der lettten Reichstagssitung niemand ohne Einlaß-
karte die Journaliſtentribüne betreten habe. Der
Vertrag mit der Schweiz wegen gegenseitiger Zu-
Zulassung von Medicinalpersſonen, sowie das Gesetz
über die Controle des Reichshaushalts werden in
dritter Leſung genehmigt. Bei Berathung der Actien-
geſetßnovelle ſprechen Horwit und Büring für die
Vorlage, finden aber einzelne Beſtimukungen zu hart
und von zu großem Mißtrauen dictirt. Reichens-
bergerger (Olpe) hält im Entwurf die strafrechtliche
Seite für zu wenig betont. Hartmann verlangt
ebenfalls strengere Beſtimmungen. Bamberger er-
klärt ſich im allgemeinen für die Vorlage. Staats-
setretär Schelling weiſt den Vorwurf zurück, daß
die Vorlage von Mißtrauen gegen den Handelsſstand
getragen sei. Occhelhäuſer ſpricht für Reviſion der
ganzen handelsgerichtlichen Geſeßgebung. Die Vor-
lage geht an eine 21gliedrige Commisſion. Nächste
Sitzung : Mittwoch. Tagesordnung : Jnitiativanträge.
: ESTE







_ | Gartenbauvereins ſtatt, bei welcher unsere aus-



Aus Nay und Feen.
+ Karlsruhe, 24. März. Der ledige Schrift..
ſeßzer Karl Oetinger ſchlief geſtern Abend au)
dem Abort seiner Wohnung in der Adlerſtraße ein,







kam in diesem Zuſtand der Flamme des mitgenmn.

menen Lichts zu nahe und verbrannte sich an de
Vorderseite derart, daß seine Ueberführung in das
städtische Krankenhaus nöthig wurde, woſelbſt dee
Bedauernswerthe heute früh an den Folgen de
erlittenen Brandwunden starb. ~ Geſtern Nacho
mittag erſchoß sich ganz in der Nähe der Staat
gegenüber dem Bahnwärterhäuschen am Rosſenhofe.Ö
ein 24 26 Jahre alter Unbekaunter. Verſchiedenee.
Anzeichen deuten darauf hin, daß der Unglückliche z:
ein reiſender Kaufmann war. Sein Köfferchen ſtand
univeit ver Leichn.. tu. ier

§ Schwetzingen, 23. März. Heute Mittag f
eine äußerſt zahlreiche Versammlung des hiesigen





wärtigen Mitglieder in erfreulicher Anzahl sich be-

theiligten. Als Vertreter zu der demnächst state.
findenden Ausschußverſammlung des Landesverein.

wurde Reallehrer Geilsdörfer ernannt. Sodaan
folgte ein anziehender Vortrag des Obſtbauleheree.
Bach aus Karlsruhe über Gartenanlagen und de.
Behandlung der Topfpflanzen. Zum Schluß fa.
die übliche Blumenverlvoſung ſtatt. .
]] Germersheiut, 23. März. Heute früh halb

10 Uhr erſchoß ſich der Lieutenant Löſch der s.
Comp. des 2. Fußartillerieregiments aus bis jekte.
unbekannten Gründen. Der Verſtorbene, in Nürnn
berg geboren, zählte 29 Jahre und war nahe dar
an Premierlieutenanl zu werden ..

Aus Baden, 24. März. In der Nacht vm I
22. d. beobachtete man in Lörrach eine Kälte vv(m
1 Gr. unter Null. — In Geisingen hat en
Kaufmann, nachdem er kurz zuvor mehrcre tauſen.
Mark Geld aufgenommmen hatte, heimlich ein.
Reiſe nach Amerika angetreten, seine Familie jedoeh,
in der Heimath zurückgelaſſen. - In das Gaſte..
haus zur Gemſe in Arlen wurde dieſer Tage
chr v ea Griff









Die heimliche Ehe. :

. Erline wahre Criminalgeſchichte.



2. Fortſctzung.

- „So kamen wir endlich auf dem Gute meiner

Eltern an. Mit Hülfe meines Stubenmädchens,

der ich mich entdeckt hatte, ſah ich meinen Gatten

ſthen liz.

_ nun täglich allein, bis die Stunde der Trennung

ſchlug.i . !

„Was ich litt, als ich den Mann mußte ſchei-
den sehen, den ich so unausſprechlich liebte, erlaſſen
Sie mir, es zu beschreiben; nur die Hoffnung des
Wiederſehens war es, die mich diese Zeit über-

„Seine Pflicht rief ihn von dannen; kehrte er

wieder, ſo wollten wir uns meinem Vater zu Füßen

'“ werfen, unser Vergehen ihm bekennen und nicht ab-

: ſeine Heftigkeit, er war im Stande, mich zu tödten,



lassen mit Bitten, bis wir seine Verzeihung er-

rst re; trügeriſche Hoffnung! wie oft täuſcheſt

. Du den Menſchen ~ ~ er kam nicht wieder.

„Ob er sein gegebenes Wort nicht halten wollte,
ob er es nicht konnte, ich weiß es nicht.

„Die Entdeckung, daß ich Mutter werden ſaollte,
brachte mich beinahe zur Verzweiflung. Ahnte mein
Vater meinen Zuſtand, mußte ich bekennen, daß ich
ohne seinen Willen über meine Hand verfügt hatte,
so war ich verloren. Ich kannte seine Strenge,

geſtand ich ihm, daß ich vermählt we.
„„Auch meiner Mutter durfte ich mich nicht ent-
decken. Konnte ich es wagen, bei ihrer zunehmen-

den Kränklichkeit, zu dem vielen Kummer, den ihr

mein Vater ohnehin verursachte, noch neuen hinzu-
zufügen ? Was alſo ſollte ich beginnen? Wohin in

_ | der Angst meines Herzens mich wenden? Mehr als

einmal dachte ich an Sie, mein väterlicher Freund,
doch die Ueberzeugung, Ihre so gut gemeinten Lehren
ſo wenig befolgt zu haben, und das dadurch erzeugte
Gefühl der Scham hielten mich zurück.

„Roſette + mein Stubenmädchen > liebte mich
zärtlich, sie war seit mehreren Jahren in unſerm
Hauſe, und hatte mir sſo manche Wolhlthaten zu
verdanken; sie half mir meinen Zuſtand vor den
Augen der Welt verbergen und bereitete Alles zu
meiner Niederkunft vor.

„Erſt in einem Monat erwartete ich meine Nie-

| derkunft; sie kam früher und überraſchte mich in

einer Nacht. :

' Jurtt hte einen todten Knaben zur Welt.
Länger als eine Stunde wandte Rosette alle Mittel
an, ihn zu beleben, allein vergebens. Ich sank nun
in eine Betäubung, die mich nicht hören ließ, was
um mich her vorginne. Z “tas

„Die Bemühungen Roſettens ermunterten mich
endlich, und sie geſtand mir, daß sie das Kind in
ein Tuch gewickelt und begraben habe. Wo? erfuhr
ich niemals; sie verbarg es mir aus Furcht, da|
ich künftig dieſe Stelle aufsuchen, dort verweilen

und dadurch Aufsehen erregen mngge.

„Der Tag dämmerte bereits, Roſette es bemer-
kend, beschwor mich unter heißen Thränen, daß ich

| mich sammeln möchte, damit kein Menſch ahne, was

sich begeben hatte. Was blieb mir auch anders





Hjrzt; eit: ich mein Unglück nicht noch ver-
größen.

„Durch Roſettens Beiſtand ward es mir mög- |



lich, die Welt zu täuſchen, nicht jedoch meinn

inneren Frieden herzuſtellen, und was ich lit, as
meine Mutter in mein Zimmer trat, weil sie von
Roſette vernommen hatte, ich befinde mich nicht whl.
. welch ein Schmerz mein Herz bewegte, als ich
mit dem Bewußtſein meiner Schuld dennoch keine
Aeußerung wagen durfte, die mich verrathen konnte,
— erlaſſen Sie mir die Beſchreibung alles deſſen..
Niemand war es auffallend, daß ich das Zimmer
hütete, da es ſeit einiger Zeit beinahe täglich ger
ſchah, damit ich meinen Zuſtand um ſo leichter ven.
bergen konnte. Mein Vater war lange ſchon über.
meine Verweichlichung ~Þ wie er mein Kränken
nannte, J entrüſtet, er bekümmerte sich alſo weng
um mich; und meine Mutter ſuchte ich durch Bitten
zu bewegen, daß sie keinen Arzt zu Rathe zog, mt
dem Vorgeben, oaß ich mich täglich wohler fühlte.
und auch ohne ſeinen Beiſtand zu geneſen hoffte.
Plötzlich verschwand Rosette aus unserem Hauſe,



ithne daß wir erfahren konnten, wo ſie geblie:. .
„[ ben war. -

„Ein Zettel, den sie auf meiner Toilette zurück-
ließ, ſagte mir blos, daß sie eile, wohin die.

ß | Liebe sie rufe, daß sie aber meiner nie vergeſſen .

werde.

„Warum ſoll ich es leugnen, daß ihre Ent-
weichung mir wenig Kummer machte, wußte ich
doch nun die einzige Mitwiſserin meines Geheim-
niſſes entfernt. Dieſe Ueberzeugung aber verlieh
mir eine Ruhe, die ich bis dahin entbehten.

„Lange hatte ich nichts von meinem Gatten ge-
hört, mein Schmerz darüber war grenzenlos; "
ſollte aber noch gesteigert werden, als die e





 
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