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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 1 - No. 25 (3. Januar - 31. Januar)
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dazu 300,000 Fres. bewilligt. Die Aufstellung er-
Folgt in dem neuen Stadttheile jenseits der Tiber,
auf der ſogenannten Schloßwieſe der Engelsburg,
und zwar auf dem Plate, der vor dem großen
Juſtizpalaſt entstehen wird, deſſen Bau in Kürze
in Angriff genommen werden ſoll. Es wird eine
Preisbewerbung unter den ital. Künſtlern ausge-
ſchrieben. Der Grundstein zu dem Dentmal joll
am 9. Jan. nächſten Jahres, d. h. am Todestage
_ HYViktor Emanuel's, vt ue!
. ußland.
Petersburg, 12. Jan. Kaiser Alexander wird
heute hier in Petersburg erwartet, woſelbſt er nebst
Her Familie das ruſsiſche Neujahr (13. Jan.) be-
gehen wird. Darauf werden, wie üblich, officieller

Empfang und einige Bälle abgehalten werden. Die

Rückkehr des Kaiſers nach Petersburg auf einige
heit wird dazu beitragen, die Gerüchte zu zerſtören,
welche n Sudejkins Ermordung in Beziehung
auf den Hof verbreitet waren.
c Egypten.
âz Kairo, 12. Jan. Eingeborene Truppen unter
. §chetr Paſcha ſchifften sich heute von Suez nach
z uakim ein, um die Garniſonen von Tokkar und
Sincat zu unterſtißen. Sobald diese Operation
beendigt ist, ſollen ſämmtliche Streitkräfte mit der
Expedition Baker Paſchah's nach Kairo zurückkehren.
_ airo, 12. Januar. Nach einer Meldung der
„Agence Havas“ iſt der Befehl ertheilt worden,
Khartum von den egyptiſchen Truppen zu räumen;
die Kanonen ſollen vernagelt, die Pulvervorräthe
ins Wasser geworfen werden. Wie verlautet, ſind
Halle Anstrengungen auf die Vertheidigung Maſſauahs
und Suatktims gerichtet.

. Aus Nah und Lern.
Karlsruhe, 12. Jan. Durch geſtriges Erkennt-
niß des Vorstandes der badiſchen Anwaltskaminer
wurde Rechtsanwalt Dr. Herz von der Anklage
Ü wegen Verletzung seiner Berufspflichten in Vertretung
des bekannten, in Mannheim abgeurtheilten Wucherers
_ Salomon Kaufmann freigesprochen. Sicherem Ver-
nehmen nach wird der großh. Oberstaatsanwalt, der
die Anklage gegen Dr. Herz vertrat, gegen dieſen
Spruch die Berufung an den Ehrengerichtshof in
HVLeipzig ausführen. ; :
erlsruhe, 12. Januar. (Badischer Landtag.)
Jyn der heutigen 17. Sitzung der zweiten Kammer



wurde eine von der Regierung vorgelegte Novelle zu
dem Gesetz über die Befugniſſe der Oberrechnungs-
Ut CHRS ESt;
mùſſen fue drei Mitglieder mitwirken.“ Zu
hemerken iſt hierzu, daß mit diesem Gesetz eine Ver-
einfachung eintritt, da das frühere Gesetz fünf Mit-
î glieder vorſchrieb. + Abg. Mays erstattet hierauf
.. Vecicht über die Erledigung der Poſitionen, die auf
dem vorigen Landtag der Regierung überwiesen
worden sind. + Abg. Strübe erstattet sodann Be-
richt über die Bitte und Beſchwerde der Stadt Hei-
delberg und den Gemeindebehörden, der übrigen,
unter der Städteordnung stehenden Städten, in Be-
. treff des den Gemeindebehörden nach § 102 des
_ Elementarunterrichtsgesezes gzuſtehenden Präſen-
tationsrechtes auf die Hauptlehrerſtellen an den er-
tr tt't t Eater:
.

Hauptlehrer an erweiterten Volksſchulen vorzuſchlagen
wünschen, während die Regierung ihnen nur den
dritten Theil zugesſteht. Regierungskommissär Joos
tfertigt in einer langen Rede die Stellung der
Regierung, Abg. Kiefer ſtellt den Antrag unter Zu-
stimmung der demokratiſchen Abgeordneten, man
möge noch auf dieſem Landtag legislativ vorgehen,
da es sich um wichtige Interesſſen der Lehrer, des
Staates und der Kommunen handle. Endlich wird
ein Schlußantrag angenommen.

Offenburg, 11. Januar. (Verhaftet.) Der
aliener (angeblich des Namens Felicetti) welcher
am 9. d. M. Abends den Hofbauern Storz in
Reichenbach durch Meſſerſtiche lebensgefährlich ver-
wundet hat, iſt durch die Gendarmerie in der Nähe
von Wolfach heute verhaftet worden, und gehen so-
beide Ubelthäter ihrer Bestrafung nunmehr ent-
















; Vermiſchtes.

M Würzburg, 2. Jan. Eine gestern dahier
ftattgehabte Studenten-Paukerei hat, wie der „Korr.
v. u. f. D.“ meldet, für einen der Secundanten ein
ſcc<limmes Ende genommen, indem ihn die Spitze
des Schlägers des gegnerischen Paukanten an den
Kopf traf und das linke Augenlied derart wegriß,
daß das Auge ſelbſt als verloren zu erachten ift.



.. tr Bremen, 9. Jan. Ein eigenthümlicher

Fall beschäftigt gegenwärtig die hiesigen ärztlichen
Kreiſe lebhaft: Im Sommer des vorigen Jahres
erkrankten einige Arbeiter der Schiffs- und Ma-
schinenbauanſtalt der Aktiengeſellſchaft „Weser“ an
den Pocken. Infolge deſſen gab die Polizeidirektion
der Verwaltung an, das gesammte Perſonal des
Etablissements zur Ravaccination zu veranlassen,
und ungeimpfte Personen nicht zu beschäftigen. Auf
Grund dieſer Anordnung wurden am 13. August
vorigen Jahres alle Arbeiter, Beamten 2c. der
Aktiengesellſchaft + an Zahl ca. 1300 — der
Impfung unterworfen. Von den Geimpften sind
nun seit Oktober an 170 Perſonen von der —
Gelbſucht befallen worden + dagegen iſt an jener
Krankheit keiner von denjenigen Arbeitern erkrankt,
welche erſt nach der allgemeinen Impfung in die
Fabrik neu eintraten. Die Vermuthung liegt sehr
nahe und wird auf Grund der Thatsachen allge-
mein gehegt, daß die Impfung die unmittelbare
Ursache der zahlreichen Erkrankungen an der Gelb-
sucht sei, reſp. daß diese durch die Impfung über-
tragen wurde. Unterſuchungen auf andere Ent-
ſtehungsurſachen haben bislang nur negative Reſul-
tate gefördert, und auch das bestätigt die Wahr-
scheinlichkeit jener Vermuthung, daß auch solche Ar-
beiter gelbſüchtig geworden find, welche in der Fa-
brik der Impfung unterzogen wurden, aber ſeitdem
lange die Arbeit in der ktiengeſellſchaft niederge-
legt haben, resp. welche inzwischen zum Militär
eingezogen worden sind.

Paris, 10. Jan. Das neulich von einer Ver-

laſſenen die ihren treuen Liebhaber tödtete, gegebene h

Beispiel hat heute Vormittag eine tragiſche Nach-
ahmung gefunden. Zu dem B5jährigen Koch des
Gastwirths Lhomme in der Rue Cadet kam seine
18jährige bisherige Geliebte, Marie Feral, in die
Ktiche und machte ihm leidenschaftliche Vorwürfe da-
rüber, daß er sie zuerſt unter dem Versprechen der
Ehe verführt und nun, wo sie in andern Umſtänden
sey, verlaſſen habe, und beschwor ihn, das frühere
Verhältniß wieder aufzunehmen. Der Koch Cour-
tois antwortete höhniſch, er pflege nicht seine Mai-
treſſen zu heirathen, und hieß das Mädchen sich fort-
packen. Letzteres zog jedoch einen Revolver hervor
und schoß dem Treuloſen eine Kugel in die Seite,
die andere in den Hals. Der Wirth getraute sich
nicht, sie aufzuhalten, weil sie noch drei Schüſſe in
ihrer Waffe hatte; auf der Straße ließ ſie sich je-
doch von den ihr nacheilenden Polizisten willig ver-
haften und zu dem Viertelstommisſär Tomaſi führen,
der sie übrigens kannte, weil sie bei einem Freunde
von ihm gedient hatte. Sie leugnete die That nicht
und gab auch keine Reue über dieſelbe kund. Jules
Courtois wurde in einem hoffnungsloſen Zuſtande
nach dem Spital Lariboisiere verbracht.

-.~ Peſt, 10. Jan. Eine Schauerthat, wie sie
selten vorkommt, Mord und Doppelſselbſtmord zugleich,
die ſich heute Mittag hier ereignete, hält die Be-
völkerung in großer Aufregung. Der Fall erregt
auch sonſt Sensation, da seit ungefähr einer Woche
hier faſt kein Tag verstrichen iſt, ohne daß einzelne
junge den besten Familien angehörige Leute ihrem
Leben durch Selbſtmord ein Ende gemacht. Die
Selbstmordmanie hat so auffallend zugenommen, daß
ernste Leute dieſelbe zum Gegenstande eingehender Be-
trachtungen machen. Ueber den heutigen Fall ist
bisher folgendes festgestellt: Hermann Roſenthal,
Inhaber eines Geschäftes für militäriſche Ausrü-
ſtungsſtücke, erſtattete heute Morgen bei der Stadt-
hauptmannſchaft des 6. Bezirks die Anzeige, daß
sein Gehilfe Eomund Erös ihn bestohlen habe. Er
sei der Sache dadurch auf die Spur gekommen, daß

esſtern ein Dienstmann bei Moriz Tiller, dem In-
!:: eines ähnlichen Geschäftes, mit 60 fl. be-
wertete Goldborden zum Verkaufe angeboten habe.
Als der Dienstmann um die Provenienz der Gold-
borden befragt und mit der Polizei bedroht wurde,
gestand er, daß Erös ihm die Borden zum Zwecke
des Verkaufes übergeben habe. Tiller verſtändigte
seinen Collegen, welcher ſofort die Anzeige erstattete,
der Stadthaupimann entſendete sofort einen Civil-
commisſar in die Wohnung des Erös, der im
Simonyischen Hauſe, einem der weitläufigsten Ge-
bäude der Stadt, als Zimmerherr wohnte. Der
Commissar fand das Zimmer geſperrt und ließ das
Schloß sofort sprengen. Beim Eintritt in das
Zimmerchen wich das Organ der Polizei entsetzt
zurück vor dem grauenhaften Bilde, das die Stube
bot. Edmund Erös lag tod im Bette mit durch-
schoener Bruſt. Neben ihm lag, noch röchelnd und
gleichfalls mit durchſchoſſener Bruſt, seine Geliebte,

ein junges hübsches Mädchen. Auf dem nebenan

stehenden Divan aber saß todesſtarr ein junger Mann,
Heinrich Lauter mit Namen, ein guter Freund des
Erös. Auch dieser war durchs Herz geſchoſſen.
Zwei sofort herbeigeholte Aerzte stellten feſt, daß



Erös und Lauter bereits Leichen waren, das Mädchen.

aber noch lebe. Die Leichen wurden in die Todten-
kammer, das Mädchen aber ins Rochusſpital ge-
bracht. Dort kam die ſchwerverwundete für kurze
Zeit zur Besinnung und konnte dem Commisſar an-
geben, daß sie Marie Molacſek heiße und daß Erös
ihr Geliebter gewesen. Marie Polacſak iſt bald nach
Abgabe ihrer Aussagen um 3 Uhr Nachmittags im
Rochusspital gestorben.

Die Wiener Mordthateu.

Der Raubmord in der Wechslerſtube.

Zum Raubmorde am Wechsler Eisert liegen
noch folgende Daten vor. Der der Theilnahme am
Raubmorde verdächtige Joſeph Pongracz wurde erſt
am 5. d. aus der gerichtlichen Unterſuchungshaft
entlaſſen. Er war des Verbrechens der öffentlichen
Gewaltthätigkeit beschuldigt, die Untersuchung wurde
jedoch eingeſtell. Prongracz wurde nach Ungarn
abgeſchoben, kehrte aber sofort nach Wien zurück,
logirte sich unter dem Namen Emil Troitz in Maria-
hilf, Magdalenenſtraße, ein. Die Polizei ermittelte,
daß er vor einigen Tagen Kameraden zur Ausübung
eines größeren Verbrechens anwerben wollte. Mit
welchem Raffinement, mit welcher weitausholenden
Ueberlegung das Raubmord-Ättentat ausgeführt
wurde, geht aus folgender Thatſache hervor: Un-
mittelbar nachdem die Raubmörder die zugänglichen
Banknoten zu sich genommen hatten, ſuchten und
fanden sie das Kaſſabuch, aus welchem fie ein Blatt
erausriſſen und sofort verbrannten. Auf diesem
Blatt befand sich das Verzeichniß der Nummern der
im Besitze Eiſert's gewesenen Tauſender-, Hunder-
ter- und Fünfziger-Noten. Die Veranlassung zur
Vernichtung dieſes Blattes begreift sich von ſelbst,
die Behörde iſt in Folge deſſen außer Stande, die
Nummern der Oeffentlichkeit bekannt zu geben und
die Mörder können die großen Noten ſorgenlos
wechſeln.

eh. Befinden Eiſert's und seines Sohnes iſt
eiu verhältnißmäßig ſehr günstiges. Wie ſich daſ-
selbe aber in den nächsten Tagen geſtalten wird,
darüber vermögen die Aerzte heute noch nichts Be-
ſstimmtes zu ſagen. Eisert, welcher im Alter von

53 Jahren steht, hat im Ganzen sieben Verletzungen
erlitten, darunter eine gefährliche am Scheitelbenn.

höcker und eine am Naſenbein. Außerdem erlitt er
eine Zertrümmerung des rechten Oberkiefers und
einen Stich in das linke Schulterblatt. Der Sohn
Eisert's, Heinrich, iſt erſt zehn Jahre alt: er hat
am linken Hinterhaupte einen alle Weichtheile durch-
dringenden Splitterbruch, so daß die Gehirnsubſtanz
heraustritt, weiter eine die Schädeldecke durchdrin-
gende klaffende Wunde. Den ganzen Vormittag und
einen Theil des Nachmittages brachte Frau Eisert,
die während des Verbrechens nicht anwesend gewesen
war, im allgemeinen Krankenhaus zu, vom tödtlich
verivundeten Gatten zum tödtlich verwundeten Sohne,
von Diesem zu Jenem eilend. + Was die Person
des Pongracz betrifft, so iſt derſelbe ein uneheliches
Kind; er führt oft den Namen ſeines Vaters Troit.
Die Persſonalbeschreibung, die Eiſert von einem der
Mörder liefert, paßt vollkommen auf P. Die Kon-
frontation Pongracz’ mit Eisert iſt schon gemeldet.
Pongracz, der ſich auch bei seiner Verhaftung sehr
merkwürdig benahm, zitterte an allen Glieder.
~– Russi ches. Ein eigenthümlicher Vorfall
ereignete sich kürzlich auf dem Markt in Pridatſcha.
Ein Bauer, der mit einer Wagenladung Kartoffeln
zur Stadt gekommen war, war eben mit zwei Käufer-
innen über einen Handel einig geworden, als diese
fich, wie es schien plötzlich darauf beſannen, daß sie
ihr Geld zu Hauſe vergeſſen. Ein kleines Bündel,
welches sie mit sich führten, ließen sie dem Bauer
als Pfand zurück und machten sich nun auf den Weg,
um das fehlende Geld zu holen. Es verging ge-
raume Zeit, aber keine derselben zeigte ſich. Der
Bauer öffnete schließlich das Bündel und ersſchrak
nicht wenig, als er - ein neugebornes Kind in
Lappen gewickelt, vor sich ſah. Er rannte mit der

unliebſamen Bescheerung zum nächsten Schänkwirth.

um sich Rath zu holen, und war höchſt erfreut, als
man ihm rieth, das Bündel wieder einfach auf den

Wagen zu legen und sich selbſt in der Nähe zu ven.

bergen, es würden gewiß Leute des Weges kommen,
welche, ſeine Abwesenheit benutzend. das Bündel
stehlen würden. Er that, wie ihm geheißen, und

ſiehe da! die Voraussezung war richtig gewesen.

Schon nach wenigen Minuten fanden sich zwei

Spitzbuben ein, welche triumphirend mit dem gee

raubten Bündel sich aus dem Staube machten. Der
zögerte nun nicht länger, die Stadt, mit der gen

lungenen Liſt höchſt zufrieden, zu verlaſſen. Das ..

Kind wird übrigens von zwei getäuſchten Gaunern
kaum Gutes zu erwarten haben. . l




 
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