in dem Augenblick, als der von Heilbronn abge-
_ gangene Zug 218 heranbrauſte. Einigen der Insaſſen
des Wagens gelang es, noch rechtzeitig von dem-
ſelben herunterzukommen, der Führer des Gefährts
dagegen wurde getödtet und ein weiterer Insasse
leicht verletzt, während 3 Personen mit dem Schrecken
davon kamen. Auch eines der Pferde wurde getödtet.
Unvorsichtigkeit zum mindesten war es, zu einer Zeit
den Uebergang über das Geleise erzwingen zu wollen,
zu welcher ein Eiſenbahnzug denſelben paſsſiren mußte.
Den Bahnwiärter ſoll kein Verschulden treffen.
* Nekarau, 21. Jan. Gestern Nachmittag gegen
5 Uhr erſchoß sich auf der sog. Weidenplatte ‘ein
noch junger Mann, der ledige Georg Böhl von hier.
Beweggründe über seine That sind bis jettt unbekannt.
+ Konstanz, 22. Jan. Wir hatten dieser Tage
Gelegenheit ein Meisterwerk der Kleinſchrift zu be-
wundern, es iſt dies eine von Herrn Buchhalter
Helff in Salem geschriebene Poſtkarte, auf welcher
sich folgende Gedichte Schillers ohne jegliche Ab-
kürzung + befinden: 1) Das Lied von der Glocke ;
2) Der Kampf mit dem Drachen; 3) Der Gang
nach dem Eiſenhammer; 4) Der Taucher; 5) Der
Graf von Habsburg; 6) Die Bürgschaft; 7) Die
Kraniche des Ibykus; 8) Der Ring des Polykrates;
9) Der Handschuh; 10) Die Theilung der Erde;
11) Reiterlied; 12) Bauernſtändchen; 13) Die Worte
des Glaubens; 14) Die Worte des Wahns; 15)
Licht und Wärme; 16) Die zwei Tugendwege; 17)
Tugend des Weibes. Hierauf folgt eine mit dem
Pinsel in Tuſch ausgeführte wunderhübſche Ansicht
von Salem, welche den 224sten Theil der Fläche
einnimmt. Dies Alles befindet ſich auf der Rückseite
einer ganz gewöhnlichen Poſtkarte sehr sauber ge-
arbeitet und mit unbewaffnetem Auge lesbar. Diese
Arbeit vollendete Herr Helff in 45 Stunden ohne
Brille oder Lupe + ſogar bei Lampenſchein wurde
daran geschafft. Die Karte enthält im Ganzen
53,896 Buchſtaben, diejenige des Herrn Ortlieb
10,268 Buchſtaben, die Karte, welche im kultur-
hiſtoriſchen Kabinet in Ueberlingen aufbewahrt wird,
19,128 Buchstaben. und endlich die in Schorers
Familienblatt, Jahrgang 1883 Nr. 43, abgebildete
Karte des Herrn Apothekers Eugen Fischer in Leipzig
32,000 Buchstaben. Somit enthält die von Herrn
Helff geſchriebene Karte 2556 Buchſtaben mehr als
das fünffache der Ortlieb'ſchen Karte 2768 Buch-
ſtaben mehr als die in Ueberlingen aufbewahrte
Karte und diejenige des Herrn Fischer in Leipzig
zuſammengenommen. Diese Leiſtung dürfte kaum
übertroffen sein.
Vermiſchtes.
London, 17. Jan. Der jüngſt verſtorbene
berühmte Elektriker Sir William Siemens hat ein
Perſonalvermögen von nahezu 8,000,000 Mk. hinter-
laſſen, zu deſſen Univerſalerben die Brüder und
_ Schweſtern, Neffen und Nichten des Dahingeſchiedenen
eingeſeßt ſind. Seiner Wittwe hat Sir William
eine lebenslängliche Jahresrente von 80,000 Mark
und den Nicßbrauch seiner Beſitung in Sherwood
bei Tunbridge Wells bis zu ihrem Lebensende ver-
macht. Der Erblasser hat auch zahlreiche Wollthätig-
keitsanſtalten in London mit Hinterlaſsenſchaft be-
dacht, das deutſche Krankenhaus in Dalſton mit
40,000 Mk., die deutſche Wohlthätigkeits-Geſellſchaft
in London mit 20,000 Mk.
~ In Rheims hatte der Magnetiſeur Torcy
sich anheiſchig gemacht, inmitten eines Käfigs voll
wilder Thiere Experimente anzustellen. Die franzöſ.
Zeitungen geben nun folgende Schilderung der
Schauſtellung : Der Thierbändiger Pianet lieferte
einige Käfige seiner Thiere nach dem Saale Bernard,
welcher ſchon vor der feſtgeſeten Stunde von Zu-
ſchauern überfüllt war. In die Mitte wurde ein
großer leerer Käfig gebracht, in dem auf einem
Teppich 2 Stühle aufgestellt wurden. Darauf öffnete
man die große Thür, welche mit den anstoßenden
Käfigen in Verbindung stand, und eine Anzahl Löwen
ſtürzte geräuſchvoll in den Käfig. Die große Thür
ward hinter ihnen gesſchloſſen, während Pianet durch
die kleine Thür eintrat und mit der Peitſche und
durch ſeine Donnerſtimme die Löwen in die ent-
tt Ecke zuſammentrieb. Durch die kleine
U Fx Mu tate B t: tes
dasſelbe und versettte es in kataleptiſchen Schlaf.
Das Mädchen kniete unbeweglich, mit ausgestreckten
_ entblößten Armen, in der Mitte des Käfigs. Der
_ Hündiger reizte nun die Thiere. Die Löwen sprangen
WWüthend um das Medium, berührten dasselbe aber
nicht im mindesten. Das Mädchen blieb regungs-
los, ohne etwas zu gewahren, was in ſeiner Um-
ung vorging. Darauf legten Torcy und Pianet
| doch glaubt er die Zahl könne des
ſtarren Körper Lucia's gleich einem Balken über | der Gaſtwirthe bei Ausfüllung des R
die zwei Stühle. Die Löwen sprangen über den
Körper, wagten aber nicht, denselben zu berühren.
Nun ließ Pianet die Löwen einzeln herankommen,
r t NG u gu k dusk.
und regungslos bleibenden Mädchens in denselben.
Aber keiner der Löwen wagte einen Biß in die
ſtarren Körpertheile. Ein Löwe stieg hiebei auf den
Körper des Mädchens, ohne daß derſelbe auch nur
durch eine leiſe Zuckung oder Biegung Leben ver-
rieth. Die Zuschauer hielten den Athem an bei
dieſen gefährlichen Experimenten. Nachdem Pianet
ſeine Löwen etwas zurückgetrieben, weckte Torcyh sein
Medium. Das Mädchen ſprang sofort leicht und
munter auf, und Beide gingen ruhig aus dem Käfig.
Nun brach der lange verhaltene Beifallsſturm aus.
Die Szene muß jedenfalls einen schönen Anblick ge-
boten haben; allein warum ſollten dreſſirte Löwen,
vottts "uud rr. q; U :
reſpectiren?
f (Freiwillige Feuerwehrmädchen.) Die
jungen Damen, welche im Girton-Collegium ihre
Erziehung genießen, wurden vor einigen Wochen
durch einen blinden Feuerlärm in so gewaltigen
ts Gl E KC Ds t F
bilden. Die Directrice der Anstalt wandte ſich,
UK R K c stets
zimmer nennen, entschieden war, an Kapitän Shaw
um die Beschaffung eines Lehrers in der Feuerlöſch-
kunst, welches Erſuchen der ehrenwerthe Feuerwehr-
kommandant der Metropole jedoch höflich ablehnte.
Es wurde nun ohne Vermittelung Kapitän Shaw's
ein Lehrer aufgenommen, welcher die jungen Damen
in überraschend kurzer Zeit einexerzirte. Sie han-
tiren jeßt die Spritzen mit solchem Geschick, klettern
troß der Unterröcke so gewandt auf allen Leitern,
und führen das Kommando so präzise aus, daß
Kapitän Shaw bei einer Inspektion dieser Damen-
Feuerwehr gezwungen war, die Vortrefflichkeit des
ganzen Korps zuzugeſtehen uud daſſelbe zu dem er-
zielten Erfolge zu beglückwünschen.
~ [Prompte Expedition.] Der Prinzipal
wirft einen Kunden, mit dem er in Streit gerathen,
aus seinem Privatkomptoir, wo ihn der Buchhalter |
"ttt af O GE u OO
iſt, bricht er in die Worte aus : „Das sind Gro-
biane, aber das muß man ſagen, es herrſcht doch
eine prompte Ordnung in dem Hauſe!“‘
Lokales.
Heidelberg, 21. Jan. Das heute ausgegebene 4. Heft
der Lützow’ſchen Zeitſchrift für bildende Kunſt enthält die
erſte zie eines größeren illuſtrirten Aufsatzes über das
Heidelberger Schloß von Dr. Theodor Alt. Er behandelt
in dieſem Theile die „Meiſterfrage“ des Otto Heinrichs-
baues unter Heranziehung des Colin’ſchen Vertrages und
des Petaleges der verſchiedenen Skulpturen an genanntem
Baue. Diesſe Unterſuchung iſt ein neuer Beweis für das
geſteigerte Interesse, welches Künſtler und Kunſthiſtoriker
dem weltberühmten Baue entgegenbringen und ſind Ar-
beiten dieser rt nur mit Freuden zu " ef, nament-
lich wenn sie mit Liebe und Sachkenntniß, wie die vor-
liegende, behandelt werden. Möchten ſie doch auch von
der bestellten Baukommission für die Wiederherſtellung des
Schloſſes gebührend beachtet und in Erwägung gezogen
werden und möchten einſchlägige Untersuchungen in den
Kreis der Thätigkeit dieser hereingezogen werden, damit
ſich deren z que Vorarbeiten nicht in einer trockenen
Darstellung von geometriſchen Riſſen bewegen, die von
der tunstgeſchichtlihen und davon abhängigen Wiederher-
ſtellungsfrage nicht berührt ſind. Wir wünſchen sehr, daß
in dieser Richtung die tsthtgen tahnahmen.. etroffen ſind
und daß nicht später die ntſcheidungs fut q mit un-
vollſtändigem oder geistloſem Material überraſcht werde.
Bei allen Erforſchungen und Uuterſuchungen von bedeuten:
den Kunstdenkmälern hat man allerwärts für richtig er-
kannt, die Ergebnisse derselben von Zeit zu Zeit zu ver-
öffentlichen und waren die mit der Leitung derselben Be-
trauten stets des Dantes aller Kunſtverſtändigen und
Laien ſicher. Da man nicht alle Wisſſenden in eine Kom-
mission bringen kann, so erfuhren solche Veröffentlichungen
oft von Außenstehenden Glossirungen, welche die Leitenden
zu klaren und erſchöpfenden, allen Zweifel ausſchließenden
Darlegungen und Unterſuchungen wieder anspornten. Wie
übſch arbeitet in dieser Beziehung die Ulmer Müntter-
aukommission: mit wie ut ank und Freude werden
die kleinen, ſchön ausgestatteten Hefte derselben entgegen-
I.
schungen ‘durch das offizielle Material der staatlichen Unter-
ſuchungsergebnisse zeitig unterſlützt würden und sich so
H Q!tguu ſa Weite \tr det gleiche tet pt
* Lr loers 23. Jan. Ein Correſpondent der B. L.
hat sich die Mühe nicht verdrießen lassen, ä nlich wie in
andern Städten eine Zuſammenkftellung der itzahl
der hier eingetroffenen und übernachteten Fremden aufzu-
stellen. Als Grundlage bediente er fert. m:;:;;
alb auf eine
Zuverläsſigkeit keinen Anspruch machen, weil gar
tn
den damit gemacht
Ur yt. ttt. tuts vie ret: !!
werden, Wwus fn zu fg ral ift. ‘ s . M
Nach dieſer Aufstellung war die Fremden- requ
des abgelaufenen Jahres nach Monaten geordnet fol end
n Gaſthöfen trafen 1883 hier ein: im Januar 315, i
ebruar 4361, im März 1, im April 6026, im Mai
8993, im Juni 9987, im Juli 13,060, im Auguſt 14,276,
im September 10,646, im Oktober 6847, im November
4774, im Dezember 3767, total 91,706 Fremde. Aus dem
Steigen und Fallen der einzelnen Zahlen kann man genuu
die Höhe der Saison und bei den einzelnen Monaten
wiederum den Wechsel der Witterung und die damit et
verknüpfte Reiseluſt ersehen uud dürfte man nicht zu ho
{6616 rr. errut. hof wulh uthet
JV Hep t! .Ô.. hübſche Zahl die auf's Ekl
(t MU U
her tr 23. Jan. (Ein gemeiner Streich.) Am .
lezten Samſtag wurden einem ieſigen Dienstmädchen .
10 Mk. aus seinem Zimmer gestohlen, wie schwer <.
U. |U Ven es Dr fu
seiner Hände Arbeit sauer verdienen muß. Wünſchen wir s
deshalb, daß der Dieb entdeckt und das Geld gefunden
"rd ). Heidelberg, 33. Jan. (Prof. Eduard Zeller). ;
Die gelehrte Welt feiert heute den ſiebenzigſten Geburtzs.
tag §inth Hr bezguentſen Hsuxtér. des ier W u q
seller in Berlin. 'Vieſe Veutpte ‘Ur Wh Ut .
1814 in Schwaben geboren, ſtudirte ſpäter Theologie in .
Tübingen woſelbſt er sich im Jahre 1840 als Privat ozen.
habilitirte und bald als eines der ſchneidigſten Mitglieder
der sog. „Tübinger Schule“ galt. Die Tochter des Be.
gründers derselben Baur reichte dem iungen, raſch berül u.
ewordenen Gelehrten vor dem Altare die Hand und waltet i
heut noch an seiner Seite. 1848 kam der Jubilar als
G:; t§ testet Herr §cre cch Mätukötceſch h
auf Betrieb seiner Gegner statt in die t eologiſche, sogleict; /
V H:;
ſige Universität berufen und als figter t his r .
großem Erfolg 10 Jahre g Sfit 1872 uj!Ÿ er Lt .
ttt ezzige!e. n Fes u. rf. t !
ſeres Vaterlandes und über dessen Grenzen inaus an
den gefeierten Mann gelangen, was er der Wissenschaft.
durch sein Wirken geworden ist. Auch wir ſchliegßen uma
den Gratulanten von Herzen an und rufen mit: „lange .
noch bleibe dieſe Kraft der Wisſenſchaft erhalten.“ u
Neueste Nachrichten.
Berlin, 22. Jan. Der Volkswirthſchaftsrath
wurde heute durch den Miniſter v. Bötticher eröffnen.
Der Minister hieß die Herren in herzlicher Weiſen
Namens der Staatsregierung willkommen, dankte für .
das zahlreiche Erscheinen und hob hervor, wie sehr
die Staatsregierung bedauere, für die großen Opfer.
welche manche Mitglieder in materieller Beziehung :
zu bringen gezwungen ſeien, keine Entschädigung ge.
währen zu können. Je mehr die Staatsregier .
die Opfer an Zeit und Kraft würdige, deſto höher .
ſchätzt ſie die Bereitwilligkeit des Volkswirthſchaft.
rathes. Sie hoffe auch diesmal aus den Berathun.
zt s 1 163 GO
Nach Erledigung der geschäftlichen Sachen beschließt
die Verſammlungzunächst, auf eine Ausſchußberathung .
der Unfallvorlage zu verzichten und ſofort in di.
Generaldiskussion einzutreten. .
Dresden, 22. Jan. Die zweite Kammer leh
den Antrag auf Verſchmelzung des „Dresdener Jou
nals“, mit der „Leipziger Zeitung“, nachdem d
Minister des Innern sich dagegen erklärt, ab.
Ackermann betonte, daß, so lange man in diesem
Hauſe von Sozialdemokraten hören müſſe, wir stehen
auf dem Boden der Revolution, der Regierung jedes
Mittel gegeben werden müsſe, solche Tendenzen zu
bekämpfen.
Paris, 22. Jan. In Folge der gestern von
der Kammer votirten theilweiſen Uebernahme des
Budgets der Polizeipräfektur auf das Ministerium
des Innern macht sich unter den Konſtablern eine
gewiſſe Erregung geltend. Dieſelben proteſtiren ge
Puts is sé bisher zu teincm Ercisc sher git:
fall gekommen. Seitens des Ministeriums wird ein
anderweiter Entwurf vorbereitet, worin den Wü
ſchen der Konstabler Rechnung getragen werden so
Paris, 22. Jan. Ferry, welcher an den Ve
treter Tſeng's geschrieben hatte, um zn erfahren,
der in der „Deutschen Revue“ veröffentlichte [
Tseng's authentisch sei, empfing eine Antwor §
chineſiſchen Charge d'Affaires, worin es heißt, :
ließ infolge wiederholter Aufforderungen des Her
ebers der „Revue“ durch einen Sekretär den betr.
Vrief schreiben. Wenn auch Tseng die Verantwor
lichkeit für die in dem Briefe enthaltenen
übernehme, so sei er doch nicht verantwo: