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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 26 - No. 50 (1. Februar - 29. Februar)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44124#0186

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ſchrieb darüber im Jahre 1880:
Soldaten machten fast jeden zweiten Tag einen Raub-
zug in die umliegenden Ortschaften um die Steuern
einzutreiben. Planen die Egypter einen Raubzug,
von dem das unglückliche Volt Wind bekommt und
finden die Soldaten die Einwohner des Dorfes mit
der wenigen Habe auf der Flucht, ſo brennen sie
die ganze Niederlassenſchaft zuſammen und nehmen
die erſten beſten Menſchen, die ihnen in die Hände
fallen, um sie als Sclaven zu verkaufen. Das
Geld nimmt die Regierung als Schadloshaltung
für den entgangenen Tribut. Jede dieſer Soldaten-
familien hatte ein oder zwei ſudanesiſche Kinder







vwreilig!



kann jeden, der die Verhältniſſe im Sudan kennt,

ihn auszurotten. Ein Augenzeuge, L. Reinisch,
Die egyptiſchen

nls Sclaven und sagten mir die Soldaten ganz

einfach, sie hätten die Kinder von der Regierung an
gGahlungsſtatt bekommen! Sie hofften, die Kinder
an beſten in Kairo los zu werden. Im Jahre
1878, zu welcher Zeit Gordon Paſcha noch all-
mächtiger Hokmudar im Sudan war, wurden durch

die Provinz Galabat 10,000 Sclaven transportirt.

Der Durchgangszoll per Kopf wurde von der Re-
ww ws
t Polizeibeane mit 10,000 multiplizirt, macht
115,000 Thaler, welche die genannten Herren als
_ Besoldung für die Regierung bekommen:

Khartum, 19. Febr. Der „Times“ wird ge-

meldet, daß General Gordon freudig von dem Volke
begrüßt worden sei; zu Tauſenden drängten ſich
die Leute an ihn heran, um seine Hände und Füße
zu küſſen und sie nannten ihn den „Sultan des
_ Sudan.“ JIn einer Rede verſprach Gordon, nicht
mit Waffen, ſondern mit der Gerechtigkeit zu kämpfen
und sie von den Baſchi -Bozuks zu befreien. Es
. herrſchen jest keine Befürchtigungen mehr wegen
. frhcſörnsen oder wegen der Sicherheit der
_ Garniſon.



Badischer Landtag.

_ Oearlsruhe, 19. Febr. In der heutigen zweiten
Kammer ſtand der Gesetzentwurf, die gewerbsmäßige
_ Alusäbuug des Hufbeſchlags betreffend zur Berathung.
Der Grundgedanke des Gesetzes iſt der, daß nur
olche Personen berechtigt ſind, einen Hufbeſchlag
auszuüben, die eine Prüfung erstanden. Seitens
der Vertreter der Landwirthſchaft wurde das Gesetz

zwar anerkannt, doch verschiedene Milderungen ge-

wuünſcht. Abg. Schneider-:Mannheim bekämpft das
Gesetz unter Hinweis auf die Gewerbefreiheit, die
Hier durchlöchert werde. Erkenne man einen ſolchen
_ Eingriff an, dann werde man bald von allen Seiten
den Wunſch nach Einſchränkungen der Gewerbe-
Hreiheit verlangen. Das Gesey wird, da eine Klar-
HHeit über die Frage kommenden Verhältnisse nicht
_ vorhanden war, an eine Kommisiou verwieſen. Bei

der hieranf folgenden Berathung der Ausgaben des

_ Miniſteriuns des Innern „Für Förderung der Ge-



: werbe“ entſtand eine große Zunftdebatte; die Abgg.
nicht wundern. Die Egypter haben dort den |
Sclavenhandel betrieben und unter dem Vorwande,

Kaſt, Junghanns, Lohr, Röttinger bekämpften die
Gewerbefreiheit und entwickelten mit mehr oder
weniger Geschick die Fechenbach'ſchen Ideen. Die
alten Klagen über Jahrmärkte, Hauſirhandel, Ge-
werbevereine, Stromerthum wurden laut und der
Ruf nach Einführung von Innungen erhoben. Wirk-
sam wurden dieſe Ausführungen durch die Abg.
Kiefer und von Feder bekämpft.



Aus Nah und Fern.

/\. Wieblingen, 20. Febr. Ein Correspondent
von hier theilte unlängst einen Vorfall an dieser
Stelle mit, der unbedingt einer Berichtigung bedarf
~- ich meine die Geschichte des Heinrich Häußler,
deſſen Meiſter nichts weniger als ihm mit dem
Hammer auf den Kopf geſchlagen. Die ganze Sache
beruht vielmehr auf leerem Weibergeſchwät.

(Wir müssen unſere Herren Correſpondenten
dringend bitten, uns nur objective Wahrheiten mit-
zutheilen. D. Red.) ;

[] Mannheim, 20. Febr. Die von vielen Be-
wohnern der Neckarvorſtadt gehegte Hoffnung, daß
durch eine zweite Brücke in der Nähe des Verbin-
dungskanals über den Neckar die gedrückten Preise
der dortigen Liegenschaften wieder etwas in die
Höhe gehen würden, dürfte sich als eine irrige er-
weisen, denn die Ursache der geringen Nachfrage
nach Liegenschaften in dem genannnten Stadttheil
iſt wesentlich dem Umſtande zuzuſchreiben, daß die
Düngerfabrik mit ihren Dünsten häufig die Luft
verpeſtet und dieſer aufdringliche Geruch nicht allein
die Leute veranlaßt, diesem Stadttheil fern zu blei-
ben, sondern auch die daſelbſt Wosnenden vielfach
zur Uebersſiedelung in einen andern Stadttheil nöthigt.
Den Gärtnern, welchen dieser Stadttheil zur Aus-
übung ihres Gewerbes die günstigste Lage bietet,
zerſtören häufig in einer Nacht die Säuredämpfe
ihre Bäume und Blumenanlagen. Diesem Umſtand
iſt es ausschließlich zuzuſchreiben, warum bei der
lezten Verſteigerung von zu Gärten geeigneten
Acckern kein annehmbares Gebot erfolgte. Warum
thut die gemeinnütige Geſellſchaft in der Neckar-
vorſtadt nichts dagegen ?! Dies würde ſicherlich mehr
nützen, wie ein Pferdebahnſchienengeleise.

§ Karlsruhe, 19. Febr. Am Faſtnachtsſonntag
will der Karlsruher Humor, der sich insbesondere
in der alten Geſellſchaft „die Fulder“ zeigt, einen
Beweis seiner Lebenskraft geben, und zwar durch
einen großen Maskenzug, der in der Festhalle seinen
Abschluß finden soll. Man glaubt, auf das Er-
scheinen des Großherzogs in der Festhalle rechnen
u dürfen.
tz! Aus Baden, 20. Febr. Der Sohn einer
Wittwe in Ilmſpan spielte mit einer geladenen Pi-
ſstole, dieselbe ging los und traf die Mutter des
Unvorsichtigen, welche ſchwer verwundet wurde. —
In Ketsch verbrühte ſich ein 4-jähriges Mädchen
mit dem Inhalt einer Kanne heißen Kaffees derart,

| daß es bald nach dem Unfall starb. + In Neckerau



| brannte die Werkstätte eines dortigen Zimmermeiſters



nieder. –- Der in Konſtanz beschäftigte Schneider
Stiegeler wurde dieser Tage, Abends 7"/. Uhr beim
Nachhauſegehen von Unbekannten mit Messerstichen
stark, aber nicht lebensgefährlich verlett.



Bermiſchtes.

t Ueber den Mord, welchen am 2. d. Mt.
der früher in Berlin, zulett in Reinickendorf an

| der Tegeler Chauſſee wohnhaft gewesene Arbeiter
| Böhme an seinem 2!/, Jahre alten Kinde verübte,

erfahren wir jezt noch folgendes Nähere : Böhme
hatte drei Kinder, von denen er das Jüngste am
2. d. M., als er Holz aus der Jungfernhaide zu
holen vorgab, mitnahm. Am Abend ſah eine Haus-
bewohnerin zufällig, wie er mit der Leiche zurück-
kehrte. Die Frau setzte sofort den Gensdarmen
Julian hievon in Kenntniß und dieser begab ſich
in die Böhme'ſche Wohnung, wo ihm von Böhme

die Leiche, nach anfänglichem Leugnen, in der Küche

in einem Korbe liegend, vorgezeigt wurde. Ueber
die Todesart befragt, gab Böhme an, er habe das
Kind mit in die Haide genommen, dasselbe habe
ſich auf die Erde gesetzt, sei von Krämpfen befallen
plötzlich gestorben. Bei der Besichtigung der
Leiche zeigte ſich der ganze Körper mit blutunter-
laufenen Striemen bedeckt und an vielen Stellen,
augenscheinlich von Hieben mit einem harten In-
strument dick angeſchwollen. Die Obduktion ergab
von einer Kopfwunde aus einen Bluterguß in's
Gehirn, ſo daß kein Zweifel bleibt, daß eine gleich-

zeitige Gehirnverlesung den Tod herbeigeführte. 4

Böhme wurde verhaftet und gegen ihn die Vorun-
tersuchung wegen Mords eingeleite. Zum Mitt-
woch wr sämmtliche Hausbewohner als Zeugen
vorgeladen.

qe! London, 19. Febr. Die ſechs Burschen,
welche vor einigen. Wochen sich das Vergnügen
machten, das Strafschulſchiff „Clarence“ in Brand
zu stecken, wurden vorgeſtern vor den Aſſiſen zu
Liverpool zu fünf Jahren Zwangsarbeit verurtheilt.

.. Deutſchenhetze in Frankreich. Man
lieſt in mehreren chauviniſtiſchen Blättern: „„Herr
Bouchette, Tapezier und Möbelfabrikant in Reims,
hat einen gewiſſen Hamburger, aus Lothringen ge-
bürtigt, der nach der Annexion nicht optirt hatte,

fortgejagt. + Bravo, Herr Bouchette! Mögen Die-

ejnigen, welche die Deutschen lieben, auch mit ihnen
in ihrem Lande leben!“ J
- [Mahnende Zahlen.] Ein Vater micht.

am Geburtstage ſeines Kindes eine Einlage von

10 Mark in eine Sparkasse. Ferner erspart er sich
an Cigarren per Tag 5 Pfg. und legt dies zu

obiger Einlage monatlich mit 1 Mk. 50 Pfg. an.

Das Guthaben des Kindes wird in 10 Jahrn mar
wachſen auf 235 Mk. 59 Pfg., in 20 Jahren macht.

das Guthaben 569 Mk. 46 Pfg., in 30 Jahren

macht das Guthaben aber 1063 Mk. 59 Pfg.,
währenddem der Vater blos eingelegt hat 500 Mk.

Es hat ſich das Vermögen, durch diese kleine Er- §
sparniß von 5 Pfg. täglich, stillſchweigend vermehrt.







. . Obwohl zerlumpt und ärmlich gekleidet,
ſchien er doch keiner der heute Schiffbrüchiggewor-
_ denen zu sein. Schwerlich hatte er alles das, was

er beseſſen, mit ans Land gebracht. Seine geflickte

_ Munxnttljacke bedeckte ſpärlich ein dunkelweißes Hemd,
_ an welches ſich ein Beinkleid von gleicher Farbe
j schloß, dasſelbe wurde durch einen Hanfstrick um

die Hüften gehalten. Sein Haupt bedeckte eine runde
Mütze. Unordentlich quoll unter dieſer langes graues

. Haar hervor, und ein gleicher ſtruppiger Bart um-

rahmte das sonnenverbrannte Gesicht Franz Mehnerts,

z das, von wilden Leidenschaften in den lekten Jahren
_ Yurchfurcht, abſtoßender als je zuvor geworden. '!

_ H inen Augenblick horchte er, noch auf der Prit-
ſche sizend, auf die verhallenden Schritte, dann

uichtete er ſich langſam auf : „Alſo war es doch

an Bord,“ begann er mit einem unangenehm roſtig

_ klingenden Organ, „doch, und ich ahnte es nicht;
na, vielleicht war es ſo beſſer, eine Sparkaſſe für
_ mich auf dem Grunde des Meeres ! Hahaha,“ lachte
er dann heiſer, „es war Zeit! - jett kann ich's
brauchen nnd diesmal ſoll's beſſere Früchte tragen.



; Brauch nicht länger Perlen zu fiſchen und zu be-

G étigts; — He, Wirthſchaft!“ murmelte er dann

ie Stiege herabtrollend, „he, gebt mir Gottes Wort,
reinen Kornus, reines Gottes Wort!

t So redend erreichte er die untere Wirthsſtube,

I in der es lärmend zuging. + Ein Matrose ſpielte,

uf einem Tiſche sitend, die Ziehharmonika, die
Füße hatte er auf die unten stehende Bank gestütt,
und zu den Klängen tanzten mehrere seiner Kame-

raden mit chineſiſchen Mädchen oder ſangen wohl

î Hauch Yankee doodle.

— pfui, betrügen; wie gemein und lang- |



u. he, he,! grinſte Franz jetzt eintretend,
„immer luſtig Burſche!“ Er versuchte ſelbſt das
eine Bein zu einem Pas in die Höhe zu heben, gab
aber diesen Verſuch sogleich wieder auf und fiel
f; auf eine der Bänke nieder, die an der Wand
tanden.

„He, Wirthſchaft! Kornus !“

Der Wirth sah ſcheel auf den neuen Ankömm-
ling und that, als hörte er nicht. Dieser hätte
wohl auch kaum ſeinen Wunſch erfüllt gesehen, wenn
nicht ein übermäßig Luſtiger eine neue Runde für
alle bestellt hätte.

Nachdem diese angekommen, ließ man den Wohl-
thäter leben und begann einen neuen Vers von
Yankee doodle. h |

„Roth, weiß, blau,“ krächzte der Chor dazwiſchen,
und heidideldei, heidideldei, ſchrillten die verſtimmten
Töne der Ziehharmonika hinein.

Am andern morgen ging Jan zu dem Konſul.

Dieser hörte aufmerkſam die Erzählung desselben
an; seinen Kopf in die Hand geſtütt, saß er auf
einem amerikaniſchen Rollſtuhl, halb auf dem Balkon,
halb in dem Zimmer, in welchem Jan stand.

Nachdem dieser geendet, blieb er noch eine ge-
raume Weile sinnend in seiner vorigen Stellung;
endlich ließ er die Hand auf das nebenstehende
Tiſchchen gleiten und berührte hier eine Klingel,
auf deren Zeichen in der gegenüberliegenden Thür
sein Clerk erſchien.

„Das Register von 1868-69,“ wandte er ſich
an dieſen. ; f

„Sogleich. ; ;

Es wurde gebracht; + nach kurzem blättern
schien er das Gewünſchte gefanden zu haben.



„Richtig, wie ich's gedacht. Ja, ja ich erinnere,

mich jett! Hier steht es: am 18. Januar kaufte

das Haus Siemens & Comp. für Hamburger
Rechnung die siamesiſche Bark Lotus und ließ sie.
auf den . Namen Maury ins Regiſter tragen. Es
unterliegt keinem Zweifel, daß besagtes Schiff wenige
Jahre früher durch Ankanf in siamesſiſchen Beis
gegangen iſt, und sehr wohl jene Martha ſein kann.
Die vielfachen Veränderungen bei den verschiedenen _
Verkäufen können sie auch wohl dergeſtalt verändeet
haben, daß ſie ſelbſt einem alten Bekannten nickt
mehr vollſtändig erkennbar war. Der Erlaubnike--
dort nach einem muthmaßlichen Geldvermggen zu
tauchen, steht auch nichts im Wege, indesſen müßte
doch das Geld nach Ihrem Vorſchlage so lange hie
deponirt bleiben, bis ſie ſich als Erbe des damaligen .
Besitzers legitimirt haben. Das Vorhandenſein ds
Vermögens und der dabei befindlichen Urkunde l
laſſen mich dann nicht mehr die Identität der Ltus
mit der Martha bezweifeln. - Mein Clerk sol

Ihnen die Vollmacht zum Tauchen ausstellen..
Viel Glück !“ /
Jan verabschiedete sich und ging leichten Herzen
zum Scemannsheim zurück. _
Seine Ungeduld, das nahe Whampoa nnd den

dort wohnenden Taucher Ho-Shing-Lum zu erreichen,
mußte er vor der Hand noch zügeln. In normalen
Zeiten exiſtirte allerdings zwischen diesem Hafen

und Hongkong täglich ein zweimaliger Verkehr mittels
amerikaniſcher Raddampfer. .

(Fortsetzung folgt).








 
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