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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 127 - No. 149 (1. Juni - 29. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44124#0532

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welche in dem Grundſteine des Baues Aufnahme
_ finden Jollen, verlauten bereits einige Einzelheiten :
_ Gunächft iſt zu nennen: Die Urkunde über die meſr

als zehnj&rige Vorgeschichte des Reichstagsbaues!

_ dann der Armeebefehl von 1871, worin der Kaiser
_ den deutschen Heeren seinen Dank für die während
_ des Krieges erwiesene Tapferkeit aussprach. Au
_ wird ein Gothaischer genealogischer Hofkalender für
_ 1884 darin Platz finden zur Erinnerung an die
tg t rw:
das Jahr 1884 das Gedächtniß erhalten an die
îYMitglieder des Bundesraths und des Reichstags,




ionen und deren Angehörige. Bekannt ist, daß be-
reits Pläne der Stadt Berlin und deren Umgebung
pf Ft zur Einlage in den Grundſtein vor-
bereitet ſind.
_ Berlin, 30. Mai. Kaiser Wilhelm begab ſich
heute Vormittag im besten Wohlsein mit dem mili-
tärischen Gefolge nach Podsdam und nahm daſelbſt
nach 11 Uhr die Parade über die Potsdamer Gar-
_ niſon im Luſtgarten ab. Von den Fenstern des
_ Stadtſschloſſes aus sahen die Großherzogin von Baden,
_ die Kronprinzeſſin mit Töchtern, die Prinzesſſin Wil-
_ helm mit Söhnen und die Erbprinzeſſin von Mei-
ningen dem militäriſchen Schauſpiele zu. Der Kron-
prinz führte das erſte Garderegiment zu Fuß vor-
Über, Prinz Wilhelm das erste Bataillon dieses
Regiments. Das Wetter war prachtvoll. – Die
Fürstin Bismarck und Graf Hebert Bismarck sind
nachmittags nach Friedrichsruh abgereist.
Berlin, 30. Mai. Am heutigen Tage werden
es 70 Jahre, daß Kaiser Wilhelm, und zwar in
Paris zum Major befördert wurde, und heute hat
der Kaiser seinen älteſten Enkel, den Erbgroßherzog
; rn auf der Potsdamer Parade zum Major
befördert. (
§ rs 28, Mai. Das heute ausgegebene
Regierungsblatt verkündet eine ganz neue Schiff-
fahrtspolizei- und Floßordnung für den Neckar.
Sie begreift 42 Paragraphen und 2 Anlagen, welche
die Formulare für das Schiffs Atteſt und die
Nebelhorn Signale für Berg- und Thalfahrt enthalten.
Die Ordnung, welche von den bisherigen Vorſchrif-
ten viefach abweicht, wird bereits mit dem 1. Juni
in Kraft treten, worauf die betroffenen Kreise beson-
ders hingewiesen sein mögen.
Us Frankreich.

Paris, 30. Mai. Die Kammerabtheilungen
wählten heute die Kommission zur Vorlage der Re-
viſions-Vorlage. Es wurden 5 Gegner der Vorlage
Und 17 Kommissionsmitglieder gewählt, welche, wie
die Regierung nur eine beſchränkte Verfassungsre-
vision wollen. — Der Pays widerlegt die Meldung,
E ELER SSE S ugsgis
.. 4 England.

. London, 29. Mai. Mir „Times“ schreibt : Die
Pfingstferien fallen mitten in die zur Zeit gefähr-
==§






















Victor machte mechaniſch eine Bewegung auf
die Stitr gt, daß ich für Niemanden, wer es auch
sein mag, zu sprechen bin.

Ganz recht, meinte der Mann; jener Herr aber
will durchaus nichts von Rückſichten wissen. Er
beſteht darauf, persönlich bis zu dem Herrn Grafen
zu dringen, wenn ich ihm keinen Einlaß gewähren
tri: tor lächelte vor sich hin. Die Herren der
Gesellſchaft treiben es mit ihrer Zudringlichkeit zu
weit; aber ich werde dennoch . . .

j m Vergebung, Herr Graf, meinte der Diener
r Fee aus der Geſsellſchaft scheint dieser nicht

Nicht, ſagſt Du? und weſſen Standes ist er?
_ In Unterthänigkeit; der Stand dieses Mannes
iſt nach meiner Ansicht gering. Doch scheint er mit
dem Herrn Grafen, nach dem, was er sagt, bekannt
jet it:: Graf wandte das Haupt; in diesem Augen-
blick erschien ein ihm wohlbekanntes Gesicht in der
Fo”tt .. alter Baldrian! Ihr ?

. LHalten zu Gnaden, Herr Graf, daß ich noch zu
so ſpäter Stunde in Ihrem Hauſe erſcheine, verſetzte
der Alte mit einem unterthänigen Bückling; aber
die Sache, welche mich hierherführt, iſt von dringen-
der Wichtigkeit. Wenn der Herr Graf mir erlauben ..
Baldrian warf verſtohlen einen Blick auf den
Diener, der neugierig horchend in der Thüre stand.

f. "t un. V ; befahl Victor Jenem ;

Euch nieder zu mir.

haft die Honeurs machen. Ueber die Gegenßände

< | gramm desselben Blattes aus Suakin wurden ge

owie an die Centralbehörden des Reichs, die Miſ- |

lichen Verhandlungen (über Egypten) und Frank-
reich mag die Regierung vor einem nicht wieder
gut zu machenden Versehen retten; es sei ſelbſt für
die treueſten Anhänger Gladſtone's unmöglich, die
thatsächlichen und noch zu erwartenden Reſultate
der miniſteriellen Politik in Egypten ohne ein Ge-
fühl der Scham zu betrachten. ~ Nach einem Tele-

ſtern am Oſtend der Stadt Schüsſe gewechselt, doch
wurde auf engliſcher Seite Niemand verlett und
der Feind zog ſich eilig zurück. Osman Digma hat
1000 Mann bei Tamai, das Gros befindet ſich bei

Tamanib. Die Leute sind tiber den Mangel an

Fechrungeußit'el unzufrieden. – Der Mudir von
ongola meldet, daß in Darfur ein zweiter Mahdi
aufgetreten iſt, welcher ſagt, daß Mahomed Ahmed
nur einer von seinen Derwiſchen sei. (Fr. Ztg.)

London, 29. Mai Der vormalige Gouverneur
go Bombay sowie des Kaplandes, Bartle Frere
iſt geſtoren. t

London, 29. Mai. Wie die Abendblätter aus
Dover melden, wurde bei der gestern erfolgten
Ankunft des Herzog von Cambridge ein verdächtig
ausſehender Menſch, welcher sich in auffälliger Weise
herandrängte, verhaftet. Es wurde bei ihm ein
Revolver gefunden,

Italien. |

Neapel, 30. Mai. Der Soldat Misdu, welcher
5 seiner Kameraden tödtete und 65 andere ſchwer
verwundete, wurde vom Militärgericht zum Tode
verurtheilt.

Egypten.

Kairo, 30. Mai. Nach einer Reutermeldung
bereitet Nubar Pascha ein Memorandum an die
Großmächte vor, welches nachzuweisen ſucht, Egypten
könne die dermalige Steuerlaſt nicht länger ertragen;
die Grundſteuer überſteige in vielen Fällen den
Bruttowerth der Ernte.

Badiſcher Landtag.

Karlsruhe, 29. Mai. Endlich iſt heute auch in
der Zweiten Kammer eine lange Zeit hindurch als
Agitationsmittel behandelte Frage, jene der Fluß-
und Dammbaubeiträge zur Erledigung gelangt. Jene
weitgehenden Anträge, welche eine Uebernahme beider
Leiſtungen auf die Staatskasse verlangten + Antrag
der Commissionsminderheit wurden mit 33 gegen 17
Stimmen abgelehnt. Das Gleiche geſchah mit dem
Antrag, daß dieſe Beiträge nicht von den Gemein-
den, sondern direkt mit den Staatsſteuern erhoben
werden sollten und mit dem ſpeciellen Antrag, daß
die Kinzigdämme bei Offenburg speziell auf Staats-
koſten hergeſtelltt werden sollten. Die weiteren maß-
volleren Wünſche der Petitionen wurden der Regie-
zur Kenntniß unterbreitet. Bei den Abstimmungen
zeigte sich ziemlich deutlich das Specialinteresse ein-
zelner Landesgegenden. Von der Regierungsbank
machte man kein Hehl daraus, dieser ganzen Agi-
tation endlich einmal durch klare Ablehnung uner-
füllbarer Anträge die Spitze abgebrochen zu sehen.
Außerdem genehmigte die Kammer ohne Diskusfion





Ihr bringt mir Neuigkeiten, ohne Zweifel von Eurer
amilie!

ß Nicht von meiner Familie direkt, erwiderte der

Alte, den Grafen mit den Augen fixirend ; ich

bringe eine traurige Votſchaft von ihr.

Viktor schwieg. Sein umflorter Blick ſuchte den
Boden, indeß ein schwerer Seufzer die Bruſt hob.

Dieſes Stillſchweigen, welchem er eine andere
Deutung unterlegte, verdroß in tiefster Seele den
alten Mann. Ich weiß und wir qwisſen es Alle
daß Euer Gnaden ſchon seit Wochen an dem Schick-
ſal des Kindes keinen Antheil mehr nehmen fuhr
er in seiner Beredtſamkeit fort; auch steht es Ihnen
frei, nach Belieben zu handeln. Doch aber haben
der Herr Graf Schuld an dem Unglück, welches das
arme Wesen in so ſchrecklicher Weiſe betroffen
ein Unglück, welches uns Allen das Herz aus der
Seele reißt. Rührt die Kunde Sie nicht, hoher
Herr, wenn ith Ihnen sage, daß das Kind seit gestern
von Sinnen iſt?

Wie von Furien getrieben sprang Viktor empor,
mit flammenden Augen sah er in das Antlitz des
Mannes, der hochroth vor Erregung vor ihm ſaß..

Was ist sie? rief er in zitterndem Tone; was
iſt mit ihr geſchehen? - - was ſagt Ihr da ?

Ich sagte, entgegnete Baldrian in traurigem
Ernste, daß Elsa seit diesem Tage von Sinnen ist.
ku zi ſie es iſt, Herr Graf Viktor, ist Ihre

uld.

“ute: hohe Gestalt des jungen Edelmannes warkte
und ſtrauchelte unsicheren Fußes hin und her, bei-
nahe wäre er zur Erde gesunken, doch Baldrian,



einen Nachtrag zum Budget mit jährlich 30,000 Mk.
für Unterstützung der Viehzucht, 9500 Mk. für ver-
ſchredene landwirthſchaftliche Betriebszweige, 6000
Mk. für weitere Unterſtütung der Gewerbe und im
außerordentlichen Budget 10,000 Mk. für eine klein-
gewerbliche Enquete. Durch diese Nachforderungen
will man lediglich Landwirthschaft und Gewerbe
s tet. Die nächſte Sitzung wird auf den
. Juni feſtgesett. '

Ans Nah und Fern.

§ Mannheim. Heute Samſtag, den 31. Mai,
wird hier die zweite oberrheiniſche Turnlehrerver-
ſammlung abgehalten, bei welcher außer den Uebungen
der Turnlehrer am Pferd 6 Klaſſen der hiesigen
Mittelſchulen und 1 Klasse der Volkschule vorge-
führt werden. Turnl:hrer Brehm von hier hält
einen Vortrag über die Geschichte der Entwickelung
des Turnweſens in Mannheim, und Turnlehrer
Nußhag von Straßburg einen ſolchen über die Be-
vorzugung der Turnspiele gegenüber den eigent-
lichen Turnübungen. Am Pfingstsonntag findet ein
Ausflug in die Pfalz statt. Man erwartet zu dieser
Versammlung einen starken Beſuch.

[ Mannheim, 30. April. Das Freiſchießen
der hieſigen Schütengeſellſchaft schloß mit folgenden
Resultaten: Auf Feld fielen 2 Preiſe nach Heidel-
berg, 3 nach Bruchsal, 2 nach Worms, 2 nach Lud-
wigshafen und 11 nach Mannheim. Auf Stand 1
nach Heidelberg, 1 nach Bruchſal, 2 nach Worms,
2 nach Ludwigshafen und 14 nach Mannheim. Auf
der Jagdſcheibe fielen ſämmtliche Preiſe nach Mann-
heim. Auf Wunsch des Vorstandes der Schützen-
gesellſchaft unterlasſen wir, wie bisher üblich, die
Namen der Preisträger zu veröffentlichen.

+ Bruchſal, 29. Mai. Heute Nachmittag halb
5 Uhr kam die Königin von Württemberg und um
51/, Uhr die Kaiserin von Rußland mit Sonder-
zügen im hieſigen Bahnhofe an und hatten eine bis
7 Uhr 25 Min. dauernde Zuſammenkunft. Beide
hohen Reiſenden wurden von den Spiten der hie-
sigen Militär- und Civilbehörden begrüßt. Der -,
Königin von Württemberg wurde von der Frau
Stadtdirector von Rüdt und der Kaiserin von dre
Frau Oberſt von Heiſter bei der Begrüßung ein
Blumenſtrauß überreicht. Die Kaiserin verließ den
Zug nicht. Nach der Verabschiedung reiſte die Kai-
ſerin nach Frankfurt weiter und die Königin nach
Stuttgart zurück.

Billigheim, 30. Mai. Gestern wurde der
hiesige Poſtexpeditor V. plötlich seines Dienstes ent-
hoben. Derſelbe soll der ihm anvertrauten Kaſſe
nicht unerhebliche Geldſummen entnommen und zu
Privatzwecken verwendet haben. - Die lettten Nächte
brachten nnserer Gegend zum Theil sehr kaltes
Wetter, so daß in manchen Punkten das Thermo-
meter zeitweiſe unter 0 herabging und Bohnen und
andere Gewächse erfroren.

Aßmanunshauſen, 30. Mai. König Albert und
Königin Carola von Sachsen trafen mit Gefolge
um 1 Uhr hier ein und unternahmen eine Fahrt

s V Es Tm T n nn

Nehmen Sie es nicht so ſchlimm auf, die Sache
mag vielleicht an sich so gefährlich nicht werden,
plapperte er fort; vielleicht wird es uns noch ge-
lingen, das arme Mädchen zu retten; es geschah
nur im Uebermaße des Zorns, daß ich zu Ihnen
kam. Sie nehmen wohl einem alten Manne diese
Mahnung nicht übel, denn Sie wiſſen, auch ich +
liebe Elſa von Herzen; da thut es mir wehe, ſie
von einem anderen Manne, ſelbſt wenn er ein Edel-
mann ist verlaſſen zu ſehen. | ;

Ihr urtheilt vielleicht in Unkenntniß der vor-



hergegangenen Dinge, versette der Graf nach einigen
Minuten peinlicher Verlegenheit. Victor v. Hohen-
heim würde Elsa niemals verlaſſen haben, aber das
thörichte Mädchen tibte an ihm, an seiner Liebe
Vert Herr ? fuhr Baldrian empor. Elſa, unsere
Elsa hätte Ihre Liebe verrathen? Und in wiefern
hätte fich das Mädchen dieſes Vergehens schuldig
benzg;? guter Freund, wie Ihr fragen könnt!

lachte Victor verbiſſen.

Stumm vor Erstaunen blickte der Alte ihn an.

So iſt es Euch unbekannt geblieben, begann
Herr von Hohenheim wieder, L ô Elsa mit einem
andern Edelmann ein Verhältniß unterhielt ?

Elſa ?! mit einem anderen Edelmann ein Ver-
hältniß?! - O, Herr Graf Hohenheim, diese An-
ſchuldigung iſt niedrig und kühn! So ist es aber
auch immer und ſtets im Leben gewesen, wenn ein
armes Mädchen den Vorſpiegelungen eines Großen
vertraut! —— BRerrathen, verlaſſen, verachtet dem



beruhigende Worte sprechend, bot ihm die Rechte
und führte ihn so zu seinem Sißge hin.

Spott ausgesetzt! Das iſt ihr Loos, und so ist der
Lauf der Welt! (Forsetßung folgt.)
 
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