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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 127 - No. 149 (1. Juni - 29. Juni)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44124#0552

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d ani 10. d. M. zuſammentreten en Zweiten Kame
mer ry? die diesmalige Tagung mit einer „Ge-
helyen tung“ eröffnet, in welcher man einer Er-




maählung des Großherzogs und beziehungsweise den
Rücktritt des Staatsminiſters Freiherrn v. Starck
entgegenſieht. Am Tage zuvor werden die Land-
tagsmitglieder der hesſiſchen Fortſchrittspartei eine
Versammlung behufs „vertraulicher Mittheilungen“
_ und desfallsiger vertu hier
: : ut ; nu an .
; London, 4. Juni. G)ſtecn Nachmittag entgleiſte,
_ wie bereits kurz gemeldet, auf der London and South-
_ Wöstern-Eiſenbahn, ein Eisenbahnzug in der Nähe
_ von Salisbury. Der ganze Zug, in welchem ſich
u über 100 Passagiere befanden, entgleiſte auf einer
_ Hrücke über den Avon; merkwäürdigerweisſe blieben
. aber die beiden Lokomotiven auf dem Geleise, so
_ daß der Zug mit einer Gewindigkeit von 60 Km.
in der Stunde längs einer langen Curve noch einige
hundert Meter weiter lief und dann einen 30 Meter
hohen Damm hinunterſtürzte. Ein Waggon fiel über
den anderen, so daß der ganze Zug zertrümmert
wurde. Ein Wagen versank in einem kleinen Teich.
i Unter solchen Umständen ist es geradezu wunderbar,
_ Hdaßnurvier Personen getödtet worden sind, während
; 60 Personen Verletzungen davontrugen. Als Grund
_ der Entgleiſung wird angegeben, daß die eiſerne
_ Kette zwiſchen dem Gepäckwagen und dem erſten
_ Personenwagen gebrochen sei.

Aus Nah und Fern.
* Mannheim, 5. Juni. Reſervekapitän Heinr.
_ Roos, der vergangenen Samſtag gelegentlich der
_ HVBootsfahrt des Turnlehrervereins beim Böllerſchießen
verunglückte, iſt im allgemeinen Krankenhaus hier
einen Verlezungen erlegen und fand die Beerdigung
. hut fu: Uhr flex hatt.. ein Haken werden
will, krümmt ſich bei Zeiten. So erzählt die Krchg.

Ztg., daß ein 12 jähriger Knabe aus Philippsburg,
_ der am 25. v. M. seinen Eltern entlaufen war, zu
einem hiesigen Bäcker kam, um als Lehrling einzu-
treten und auch angenommen, jedoch ſchon nach weni-
en Tagen, nachdem er seinem Lehrmeiſter 10 Pf.
eſtohlen und 50 Pf. unterſchlagen hatte, wieder
entlaſſen wurde. Hierauf begab sich das Bürſchchen
UL !tth mz > rte! tu ett
das Feld nahm. Von da entfernte sich der Knabe,
angeblich um ein Bedürfniß zu befriedigen, und ging
î raſch in den Stall seines Brodherrn, ſchwang ſich
auf deſſen Pferd im Werthe von 400 M. und ritt
im Galopp Bretten zu, wurde jedoch von den ihm
î nacheilenden Bauern eingefangen und der Polizei
Y hergeben. Lettere lieferte das ſaubere Früchtchen
in das hiesige Amtsgefängniß ab, woſclbſt es jetzt
î einer Beſtrafung. entgegenſieht.

_ F Neckarſteinach, 5. Juni. Die von vielen
Blättern und auch von Ihrem Blatte gebrachte Nach-
richt über einen von ſeiner Ehefrau erſchlagenen
Mann, zeigt sich als müßige Erfindung, da hier
îalbſolut nichts davon bekannt iſt.

_ * Blankenloch, 4. Juni. Vor einigen Tagen
Ut. tler unn Fler ien

Schüler in der dortigen Wirthſchaft sich erquickten,
î welche gedrängt voll war, wollte der 183 Jahre alte
Sohn des hiesigen Schreiners Seitz sich auf einen
tuhl seßen ; in demſelben Augenblick zog ein anderer
Knabe den Stuhl weg, der Knabe fiel heftig auf
Yen Boden und empfand sofort Schmerzen, welche
ich von Tag zu Tag mehrten und trotz aller an-
gewandten ärztlichen Hilfe wurden die Schmerzen
mmer größer, denen er auch erlag. Algemeine
‘heilnahme gab ſich über dieſen Unglücksfall kund.
chon öfter Hat ſolcher Muthwillen üble Folgen
s f Walldorf, 4. Juni. Vorgestern wurde ein
hier in Arbeit ſtehender Tünchergeſelle aus Hannover
_ wegen Vergehen gegen § 175 St. G. B. verhaftet
î und nach Wiesloch gebracht.

_ * Aus Baden, 6. Juni. Das Wohnhaus des
Bürgermeisters Schmid in Kinzigthal (Halbmeil)

am Pfingstmontag abgebrannt. Eine Ziege,
ämmtliche Fahrniſſe und ein paar hundert Mark
ares Geld sind dabei zu Grunde gegangen. +























_ bahn bei Nußbach (A. Triberg) die Lokomotive
. d Schnellzugs entgleiſt. Gin besonderer Schaden
. ift tedvch nicht entſtanden und kamen die Reisenden
mit ent Schrecken davon. Der Zug erlitt zwei
Stunden Verspätung. -- Der wegen Wechſelfäl-
<ung in Unterſuchungshaft befindliche 57-jährige
olzhändler Josef Braun von Petersthal hat
fich im Amtsgefängniß zu Offenburg erhängt. ~

..

|



lätung der Regierung über die morganatische Ver-



Am Nittwoch :
ſtadt und St. Georgen auf der Bahnlinie die
Leiche des Eiſenbahnbremſers Tröſcher von Frei-
burg. Derselbe iſt das Opfer eines Unglücksfalles
geworden, desſen näheren Umstände bis jetzt noch
Zsl 15 Moros Gu ct su sti sss:

er von einem Kind. – In Nea mers-

frag

b ach ift das Oekonomiegebäude der Wittwe Salz-
mann abgebrannt.

Vermiſchtes. ;

— [Baden-Baden vor hundert Jahren.]
Der Jlluſtr. Badeztg. erzählen wir nach wie im Jahre
1765 ein amtlicher Bericht über die Verpflegung
lautete. Die Weltbadeſtadt von heute ist nicht daraus
zu erkennen. „Viele Personen, unzufrieden mit den
Wirthen, reiſen wieder ab; für honnete Gäſte bietet
außer dem Baldrich (Baldreit) nur nach Salmen
Hirſch und Drache ein anständiges Unterkommen.

quemen Zimmern, nöthigen Geräthen, tauglichen
Dienſtboten, wie an gehöriger Taxirung der Speisen
und Getränke. Die Bedienung iſt für gewöhnlich
eine ſchlechte, ja mangelt oft gänzlich. Ich bin selber,
ſo ſchreibt Hofkammerrath Dürrfeld, mit 16 sehr
vornehmen Personen an einer Tafel geseſſen, da
wir genöthigt waren, die Teller, die nicht einmal
genug daſtanden, eigenhändig vom Nebentiſche ab-
zulangen und zu wechseln. An friſchen Servietten iſt
immer Mangel, und wer täglich eine haben will,
muß eigenen Vorrath davon mitbringen. Außer-
dem herrſchen Uebelſtände, welche der Stadt zur
ſchlechten Ehre gereichen; denn einmal findet man
überall offene Miſthaufen und andere Unreinlichkeiten
in den Straßen, und alsdann kann kein Badegaſt
die Füße vor die Thüre ſetzen, ohne von einer Rotte
Bettler angefallen und umzingelt zu werden.“
Wie ganz anders sieht es heute in Baden aus!!
Paris, 3. Juni. Der frühere Vicekönig
von Egypten, Ismael Paſcha, wurde gestern im
Palais Royal von einem Individuum angefallen
und geprügelt. Ehe der Vicekönig seine Faſſung
wieder erlangte, war der Angreifer auch schon ver-
ſchwunden. Der Vicekönig vermuthet, derſelbe wäre
ein Italiener, einer ſeiner entlaſſenen Bedienten.
~ London, 4. Juni. Das Eaſtlondon- Aqua-
rium, enthaltend Wachsfiguren und eine Menagerie,
iſt heute gänzlich niedergebrannt. Die wilden Thiere,
worunter mehrere Bären, eine Löwin, sowie Schakale
und Affen sind, dem Fr. J. zufolge, größtentheils
umgekommen. :
[Weltausstellung in Antwerpen.]
Die belgiſche Regierung hat dieſer Tage alle aus-
wärtigen Regierungen eingeladen, sich an der am
2. Mai 1885 in Antwerpen zu eröffnenden Welt-
ausſtellung zu betheiligen. Die rieſenhaften Bauten
welche dieſen Hafen zu einem der wichtigsten und
beſteingerichteten der Welt machen, können alsbald
beendet und eröffnet werden. Dies hat Belgien
veranlaßt, an diesem Zeitpunkte zum erſten Male:
eine große Ausstellung der modernen Induſtrie zu
eröffnen. Schon jetzt langen zahlreiche, ſympatische
Zuſtimmungen aus allen Ländern Europas an.
Amerika, der äußerste Orient, die Colonien im All-
gemeinen, sogar Afrika werden in der großen Han-
delsmetropole im Jahre 1885 vertreten sein. In-
duſtrie und Handel aller Länder werden daſelbſt ein
Publikum finden, das ihre Erzeugniſſe zu schätzen
verſteht und Gelegenheit haben, neue und vortheil-
hafte Verbindungen anzuknüpfen. In England hat
ſich ein Consortorium gebildet unter dem Vorsitze des
Marquis von Hamilton, Kammerherren des Prinzen
von Wales, und zählt daſſelbe bereits unter seinen
Mitgliedern die Lord-Mayors von Londen, Mancheſter
York, Liverpool und Birmingham, sowie verschiedene
andere hervorragende Persönlichkeiten.
~ [Eiſenbahn-Un f all.] Von dem am
Dienstag von Salisbury nach Wimborne abgelassenen
Eiſenbahnzug stürzte ein Theil einen Damm hin-
unter, es haben dabei 7 Personen das Leben
eingebüßt 25 andere sind verlett, 6 bis 8 derselben
trugen Verwundungen davon. .
~ [Eine wunderſame Kur.] In Paris
wurde vor Kurzem ein ruſſiſcher Zwerg gezeigt,
der troß seines Alters von fünfzig Jahren nur die
Höhe von einem Meter hat, aus Rußland stammt
und der letgeborene von fünf Geschwistern ist, die

- | alle von normaler Größe ſind. Die Mutter, welche

sich ſehr über die Kleinheit und das zurübleibende
Wachsthum ihres Jüngsten grämte, versuchte allerlei
Hausmitteln, um die Entwicklung des Kindes zu
fördern desſen Natur aber merkwürdigerweise die
Ftlgereizten, ft; doch h z crvſſiſher:
|uzft überliant. Wallfahrten t 26 g reh n
und das Eintauchen in Wunderquellennicht anschlagen





fand man zwischen Sthall -

Aber auch in dieſen Gaſthäuſern fehlt es an be-





wollte, hüllte die kummervolle Mutter das Kind in
Brodteig und schob es in einen warmen Backofen,
ein Verfahren, das mehrmals wiederholt wurde. De
ebackene Zwerg ftellt sich auf seinen Kunſtreiſen.
edeutend beſſer, als seine Brüder und Schwestern
welche den Backofen in angegebener. Weiſe nicht
kennen lernten. :

.~ [Ein Götter-Bataillon.]. Der Dalai-
Lama von Tibet führt jett mit der Begum (Königin)
von Nepaul, die eine Verbündete der Engländer iſt,
Krieg, und werden die Truppen dieser Fürstin von
dem General Kuddem Jung, einem Sohne des ver-
ſtorbenen indischen Staatsmannes Bahadur Jung,
der seine militäriſchen Studien in einer engliſchen
Kriegsschule gemacht hat, befehligt. Der Dalai-Lama
ein Bürſchchen von zwölf Jahren, hat nun, wie
das indische Blatt „Rai Chobar““ berichtet, die Be-
gum brieflich davon verſtändigt, daß er den Krieg
diesmal mit allen Mitteln führen werde, und habe
er daher seine sämmtlichen vierhundert Götter zur
Theilnehmung an dem Kampfe aufgefordert. Da
jedoch die Nepaulesen mit Hinterladern und Krupp"-
schen Kanonen ausgertiſtet sind, während die tibe-
taniſchen Götter nur Pfeil und Bogen mit ſich füh-
ren, ſo werden Letztere schwerlich den Sieg davon-
tragen.

~ Falsche Renommage. Mutter: „„Aber,
Oscar, Deine Zensur iſt ja wieder ganz miserabel !“
Oscar: „So!? und der Lehrer hat mir doch geſagt,
die sei viel zu gut für mich!“

~ [Ein famoſser Thee.] Lieutenant zu
seinem Burschen : „Blasius, ich habe für heute zwei
Kameraden zum Thee geladen. Du wirſt Alles be-
sorgen, was dazu nöthig iſt - Eier, Butter, Schinken
Sardinen, Käse — Thee habe ich gestern ſelbſt ein
Pfund gekauft - hier iſt er — um 6 Uhr foll
Alles parat sein, so daß dann der Thee gleich ſser-
virt werden kann ! Verſtanden?““ -- Blasius : „„Zu
Befehl, Herr Lieutenant !“ - Um 6 Uhr kehrt nun
der Herr mit seinen Gästen mordshungerig vom
Exerzieren heim. „„Alles in Ordnung?" ~ ,,Zu
Befehl, Herr Lieutenant !“ Die Kriegsmänner machen
es sich bequem. Der Tisch iſt bereits fein ſäuber-
lich gedeckt und hergerichtet. Da öffnete sich die
Stubenthüre und herein tritt Blaſius mit einer
großen dampfenden Schüſſel. „Wie ~ auch eine
Platte Braunkohl?“ ruft freudig überraſcht beim
Anblick des Gerüchts einer der Gäste aus ; er hatte

ja nur Thee mit Hindernisſſen gerechnet! Dem Haus-

herrn wird ahnungsvoll zu Muth, er wirft einen
prüfenden Blick auf die Platte, die wirklich nach
garnirtem Braunkohl aussieht. „„Was soll das? Ich
befahl doch nur Thee ?“ - ,,Das ist er ja!“ er-
widert triumphirend Blasius, auf die Schüſſel weisend.
Er hatte das Pfund Thee kunſtgerecht als Gemüſe
gekocht und mit Schinkenſchnitten, Spiegeleiern und
Sardinen zierlich garnirt!

Lokales.

* Heidelberg, 6. Juni. Der gestern geſtorbene be-
rühmte Rechtslehrer Profeſſor Dr. Achilles Rena u d, war
ein geborener Schweizer, der aber einer franzöſiſchen Emi-
Lüner t h.. RO TUR tr Rist tf
14. August 1820 geboren. Nach beendigter Gymnaſialzeit
in Bern begann er ebenda ſeine juriſtiſchen Studien, die
er in Heidelberg unter Thibaud und Mittermaier, in
Berlin unter Savigny fortsetzte. 1841 promovirte er in
Heidelberg und ging dann noch ein Jahr nach Paris.
Seine Professoren lc begann er in Bern als Privat-
docent, 1845 wurde er daſelbſt außerordentlicher rofesſor,
1848 folgte er einem Rufe als ordentlicher Professor der
Rechte nach Gießen, 1852 nach Heidelberg. 1867 wurde
er Geheimer Rath und nach Mittelmaier's Tode Ordina-
rius des Spruchkollegiums der Juristenfakultät. Lowsht ?
als Lehrer wie als juristischer Schriftsteller genoß er all-



gemein hohes Ansehen. Seine wichtigsten Schriften sind :
Ut; vr führ sches: tesiitkgalsis;t
1854. §ff uu und t „Lehrbuch des Luugele deutschen
rtiysig 1868) ur (Leipzig 1867), die ebenfals wiederholt
aufgzlegt rue 6. Juni. (Eingesſandt.) Wohl ſelten
hat der hieſige Kunſtverein eine so große Anzahl hervor-
L SUM NE:
wärtig der Fall iſt. Schon beim Eintritt "in den Samm-
lungsſaal begegnen wir zwei größeren Gemälden, wovon
das Eine „Hanſchens Eranicf. hot H; St. ryelhes
zu Ne V. y". ru werhet os “t utq vas ers. in ese
heim angekauft für bleibenden Besitz, dann ,Reifspiel“
t.Z:80 Vuze" !ctUit Lehe Geteilte vet
tz § NIE ZP, FUL M REz
des Schloſſes ihres Gemahls, welches ſie nach atiähriger
Ahyrſenhejt zun erſttt Msls. zi?tt. ketzüt z ie tief-
en Ehe der th Trapertleident hetenven Frau,
den wir bei längerer Betrachtung so recht den Schmerz
und das tiefe Leid der ſchwergeprüften Familie mitempfin-
den. Es iſt, als könnten wir die Gedanken eines jeden
im Geſsichte lesen. Gegenüber diesem Bilde sehen wir ein
Gemälde von Hefner, „Gänse“, welches mit zu den Besten


 
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