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JM
Expedition Brunnengafſe 22.
Deutsches Reich.
_ Gerlin, 8. Juli. Die Reichstagswahlen be-
lcäftigten die geſammte hiesige Preſſe bereits leb-
haft und namentlich auch die offene Frage wegen
des Termins der Wahlen. Es handelt ſich dabei
darum, festzustellen, ob die dreijährige Dauer des
Reichstagsmandats von dem Tage der Wahlen oder
von dem Tage der Reichstagsberufung zu rechnen
iſte. Die Münchener Allgemeine Zeitung ſchreibt :
an, so wtirden die Neuwahlen erſt Ende November
anberaumt, erſt Ende Dezember stattfinden können
und der Zuſammentritt des neuen Reichstags würde
Hich in diesem Jahre überhaupt nicht mehr ermög-
Hâihen laſſen. Aber ſelbſt wenn das Mandat des
Hegenwärtigen Reichstags am 26. Oktober für er-
Hoſchen gelten ſollte + die letten allgemeinen Wahlen
fanden am 27. Oktober 1881 statt , müßten sich
die neuen Wahlen länger verzögern, als für die
vechtzeitige Erledigung der laufenden Budgetarbeiten
_ vaiünſchenswerth wäre. Zwar könnte der preußiſche
Landtag ſchon im Herbste zuſammentreten; aber ge
rade in dieſem Jahr erscheint es noch mehr als ſonſt
nothwendig, den Reichsetat vor dem Staatsetat feſt-
ſetzen, weil aller Wahrſcheinlichkzit nach in dem
Posten der Matricularbeiträge eine erhebliche Ver-
ſchiebung stattfinden wird. Da nun eine Neuwahl
ausgeschloſſen iſt, ſo lange das alte Mandat der
Volksvertretung Geltung hat, ſo bleibt nur der Aus-
Weg einer Auflöſung tibrig, deren Bedeutung eine
rein formale sein würde und die ausgeſprochen werden
könnte, ohne daß der Reichstag verſammelt wäre.
Der baldigen Entscheidung hiertiber ſteht nur die
Erwägung im Wege, daß sich doch die Notwendig-
, lit titer Herbstsession des Reichstages herausstellen
Ö nnte. :
| î_erlin, 9. Juli. Der „,Reichsanzeiger“ ver-
ÿöffentlicht einen Erlaß des Kaisers an den Sekretär
der Akademie der Wisſensſchaften, Profeſſor Auwers,
welcher demſelben für seine Verdienste bei der Ex-
pedition zur Beobachtung des Venusdurchgangs,
wobei die deutſche Wiſſenschaft in hohem Maße Er-
Nachdruck verboten.
Cine Bühnencarrière in Amerika.
Der Wirklichkeit nacherzählt von M. Romany.
_ Herr Ellers war Director eines der bedeutendsten
Theater in einer der größten Städte der amerika-
hiſchen Union. j
tt Ganz im Gegenſatze zu den vielen Speculanten,
Velche sich auf die eine oder andere Weiſe zum Im-
YPreſſario erheben und fich eine kurze Zeit lang in
kühnen Träumen goldener Einnahmen wiegen und
Alsbald all dieſer glänzenden Hoffnungen in einem
Fiasko enden sehen ~ und das große Reich der
derartigen gescheiterten Unternehmungen auf, mehr
als irgend ein anderes Land der Erde + erfreute
ſich Herr Ellers bei faſt allen seinen Arrangements
eines seltenen success; mochte er daheim Vorstellun-
_ Hen geben oder mit einer Geſellſchaft das Land be-
eiſen, mochte er Opern oder Schauſpiele zur Auf-
1 hrung bringen, stets war seine Speculation von
em beſten Erfolge gekrönt. .! '
f Man darf nicht glauben, was neidische Concur-
: zt vielfach behaupteten, daß Director Ellers das
Vlâck, welches ſeine Unternehmungen begleitete, zu-
nächst seinem Reichthum verdanke, der ihm Gcſtälte
Eelebritäten und Koryphaen für seine Zwecke zu ge-
vwinnen; auch iſt es unrichtig, zu sagen, daß ſein
d eater und seine Kunſtreiſen ein Modeartikel der
s E maligen Heit gewesen seien; die Urſache seines
Erfolges iſt in einem ganz anderen Punkte zu ſuchen ;
. and. Reginald Ellers war in den dürftigsten Ver-
_ Nimmt man den Tag der Berufung als maßgebend
ereinigten Staaten weiſt unzählige Beispiele von |
He iſt ſo einfach, natürlich, ſie liegt ſo nahe zur | -
Heidelberger Tageblatt
Heidelberger General-Anzeiger. tit
Verantwortlicher Redakteur Philipp Hilansuer.
Freitag, den 11. Juli
igen: die I-ſpaltige Pe
zie oder deren Raum 5 r;
für auswärts 10 Pfg.
Rabattbewilligun..
Expedition Brunnengase 24. M ;
1884
England.
folg und Würdigung errungen, ingleichen allen
Mitwirkenden Anerkennung aussſpricht und für die
Hülfe und Gaſtlichkeit dankt, welche den Expeditio-
nen von den in der Ferne lebenden Stammesge-
noſſen und vielen Angehörigen anderer Nationen zu
Theil geworden iſt.
Konstanz, 9. Juli. Der Kaiser iſt Abends 7
Uhr eingetroffen und wurde von der großherzoglichen
Familie am Bahnhofe empfangen. Eine große
Volksmenge begrüßte den Kaiſer mit begeisterten
Hochrufen, die sich auf dem Weg vom Bahnhofe
nach dem Hafen unausgesetzt erneuerten. Der Kaiser
beſtieg den Salondampfer „Kaiser Wilhelm“,
welcher um 7'/, Uhr unter Salutſchtiſſen der Schiffe
und ausgesetzten Hochrufen der Volksmenge den
Hafen verließ.
München, 9. Juli. Die „Allgemeine Zeitung“
meldet: Der König enthob den Miniſterialrath von
Räsfeld auf sein Ansuchen von der Funktion eines
ſtellvertretenden Bevollmächtigten Bayerns zum
Bundesrath unter Verleihung des Comthurkreuzes
des Verdienſtordens des heiligen Michael und er-
nannte den Minisſterialrath von Stengel an dessen
Stelle zum ſtellvertretenden Bevollmächtigten zum
Bundesrath.
Frankreich.
Paris, 9. Juli. Die Kommission des Senats
für die Revision der Verfaſſung hat Dauphin zum
Vorsitzenden gewählt. Aus dieſer Wahl ergibt sich,
daß die Kommission den vorliegenden Entwurf nicht
ohne ernſte Garantien, daß die Revision eine be-
schränkte sein werde, annehwen wird.
Paris, 9. Juli. Nach Meldungen aus Toulon
ſprach sich Geheimrath Koch vor dem Komitee für
Geſundheitspflege dahin aus, daß die Cholera in
Toulon importirt sei und nicht durch Luft und
direkte Berührung mit den Cholerakranken sich über-
tragen, sondern durch die Excremente der Cholera-
kranken. Früchte, Waſſer und Getränke seien die
gefährlichſten Beförderungsmittel. Die auf den Bahn-
höfen getroffenen Desinfectionsmaßregeln seien werth-
los, vor allem sei die Desinfection der Kleider und
Waaren nothwendig.
London, 8. Juli. Das Oberhaus verwa
mit 205 gegen 146 Stimmen in zweiter Leſu
die Wahlreformbill. c
London, 8. Juli. Im Unterhauſe fragte geſte
Baron H. de Worms die Regierung, wie groß d
Gebiet sei, das Deutschland von Angra Peque
aus, unter seinen Schuß zu nehmen gedenke, alle
der Untersſtaatsſekretär des Aeußern, Lord E. F
maurice, lehnt es ab, die Frage während der
Deutschland obſchwebenden Verhandlungen zu bea!
worten. + Ein anderer Abgeordneter wollte wis
ob die Regierung sofort alle durch die Geſundheit
gesetze vorgeſchriebenen Maßregeln zur Durchführu
bringen werde, um die drohende Einschleppung u
Verbreiterung der Cholera zu verhindern.
Seiten der Regierung wurde darauf erklärt, es lie
[
haben, welche angeblich auf die Dynamitverſchw
rung Bezug hat. Seit geraumer Zeit wurde näm-
lich ein sehr verdächtiges, mehrfach abgeſtraftes In-
dividuum, Namens Joseph Gratton, polizeilich über-
wacht. Gratton bewohnte einen alten Eiſenbahn-
waggon in Norton-green bei Henley. Am Sonnabend
drang die Polizei bei ihm ein und nahm eine Har
untersuchung vor, wobei in einem Winkel verborgen
36 Packete Dynamit, Detonationskapſeln und mehrreen.
Ellen Zündsſchnur vorgefunden wurden. Gratton
wurde sofort verhaftet und gestern dem Polizeirichten.
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UU und was er mit demſelben zu thun bean.
ichtigte. .
Spanien. \ ss
Madrid, 6. Juli. Aus Gibraltar wird ge-
meldet, daß der Konflikt, der zwischen den ſpaniſchen
und engliſchen Behörden in der Nachbarſchaft der
spanischen Linien ausgebrochen iſt, einen ernſten
| häiltnissen geboren. ~ Sein Vater hatte einst in
London Jura studirt, dann, da er vermögenslos
war und nicht bald eine ausreichende Praxis fand,
| sein Glück in jenem gepriesenen Lande jenseits des
Meeres geſucht; aber auch hier wollte ihm Fortuna
nicht lächeln; er mußte sich begnügen, einem hervor-
ragenden Rechtsanwalt als Schreiber zu dienen;
vergebens hoffte er auf eine Gelegenheit, die ihn
hätte berühmt gemacht; er blieb, wie er gewesen,
arm und unbekannt.
Natürlicherweise konnte da die Jugend des Sohnes
nicht auf Rosen gebettet sein; doch die Dürftigkeit
in der er heranwuchs, trieb den reifenden Verstand
des Knaben zum Denken, zu Betrachtungen an;
frühzeitig trat er ins Leben; er fand Gelegenheit
Menſchenkenntniſse zu erwerben, die Sitten, die An-
schauungsweise aller Claſſen der Gesellſchaft kennen
zu lernen, die Eigenheiten der Nation bis in die
kleinſten Details zu studiren; mit einem Worte, er
wurde mit allen guten und ſchlechten Eigenschaften
mit allen Schwächen und Neigungen des Volkes,
unter welchem er lebte, bekannt und vertraut, und
aus diesem Studium der Nation, zu welchem die
Armuth den kaum herangewachſenen Knaben getrie-
ben, entſprang der Quell zu des Mannes ſpäterer
Wohlfahrt, ihm verdankte Director Elles das Glück
welches seinem Arrangement zur Seite stand, es war
die Ursache des Erfolges, welcher seine Unterneh-
U Ut t gh: e
Die nachfolgende Epiſode mag die Richtigkeit
dieser Behauptung beweisen. .
Director Ellers besaß, wie ſchon erwähnt, ein
Theater in eincr der bedeutendsten Städte des Reiches;
und auch dann war er nur die hauptſächlichſten
junger Mann ſich bei ihm einführen ließ.
eigentlich noch nicht + ich habe eine g änzend
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hier war das Feld seiner größten Thätigkeit; nur
hin und wieder pflegte er mit seiner Gesellschaft,
wenn diese nämlich gerade eine ausgezeichnete war,
oder wenn er eine besondere Berühmtheit engagirt
hatte, eine Tournée durch das Land zn machen;
Städte zu berühren gewohnt. .
Gelegentlich einer solchen Tournée war es, als
er eint ~ es mögen jetzt 20 Jahre her sein
§estn cus der Saison mit ſeiner Geſsellſchaft
nach C. kam. ; ;
Die sechs Vorstellungen, welche abgehalten waren
hatten bis auf den lettten Platz besetzte Häuſer er-
zielt, und eben saß der Director mit der Abrechnung
der Einnahmen beschäftigt, als ihm ein unbekannter
Jener war ungehalten, im Addiren seiner Zahlen
geſtört worden zu ſein, und blickte kaum über das
Papier weg, als der Fremde eintrat; den Kopf in
die Linke gestützt, das Auge auf die Ziffern geheftet
deutete er mit der Rechten auf einen nahe ſteheanen.
Sessel und ſagte etwas rauh: . .
„Ich bin sehr beſchäftigt, wie Sie sehen; wen
wünſchen Sie, mein Herr ?“ z:1
Dem jungen Mann trieb dieſe kurze, etwas un- .
höfliche Geſchäftsmäßigkeit, mit der er behandelt
ward, cine jähe Röthe auf die Wangen; er stotterte
ſtatt zu sprechen. ; s
„Ich bin ein junger Künstler -- nein, Künsiler
Baritonſtimme + mein Organ wurde vorzüglich
ausgebildet -. wenn der Herr Direkto “ . .
„Mich anhören wollten oder mich gebrauchen köniiten,