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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 177 - No. 203 (1. August - 31. August)
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_ des Schlachthauſes in den Neckar, konntetjedoch an
_ dem Vorhaben sich zu ertränken durch hänzugeeilte
Sandbahnarbeiter, welche fie aus dem Waſſer zogen,
. verhindert werden. Das unglückliche Geschöpf ſuchte den
_ Tod in den Wellen aus Verzweiflung darüber, daß
es ihr nicht gelingen konnte, eine Stelle zu finden.
_ Ein in den Schwetzingergärten ausgebrochener
_ Himmerbrand konnte alsbald wieder gelöſcht werden.
S Schwetzingen, 1. Aug. Ich theilte Ihnen
îléettthin mit, daß Stationsmeiſter Lutz, neben dem
lobenswerthen raſchen Handeln des Heitzers Joſeph
Hör, ebenfalls sein Möglichstes dazu beitrug einen
Reisenden aus Bruchsal vor dem Ueberfahrenwerden
zu retten. Luß wurde nun eine Belobung ertheilt
und Hör kann sich mit dem freudigen Bewußtsein
. tröſten, durch seine Geiſtesgegenwart ein Menſchen-
_ leben geschütt zu haben. '
. H Neckarau, 1. Aug. Letzten Sonntag Nacht
_ gerieth der 17 jährige Bursſche Valentin Ritter mit
_ inem andern Namens Roßnagel, einet geringfügigen
t Sache wegen in Streit, der damit endete, daß
_ letterer dem Ritter einen 6 Centimeter tiefen Meſſer-
_ tich in den Hals beibrachte, ſo daß es als ein
s wahres Wunder anzusehen sein wird, wenn der so
t Schwerverlette am Leben erhalten werden kann.




* Sinsheim, 30. Juli. Nächsten Sonntag den
3. Auguſt, Nachmittags 2 Uhr findet im Löwen
dahier eine landwirthſchaftliche Beſprechung statt,
in welcher Herr Landwirthſchaftslehrer Dr. v. Han-
stein von Müllheim den einleitenden Vortrag über
_ Geflügelzucht halten wird. Nach der Beſprechung
_ ft eine Gratisverlooſung von Zuchtgeflügel, Fach-
. ſhriften, Geräthen u, a. an die anwesenden Vereins-
_ mitglieder in Aussicht genommen.

t. * Offenburg, 29. Juli. Am Sonntag erkrankte
_ ein wegen Brandstiftung in Unterſuchungshaft be-
. findlicher Gefangener und wurde nach dem ſtädti-
_ chen Spitale gebracht. Daſelbſt erhängte sich heute
e: uzthh-tt er die Worte niedergeſchrieben : ich

n unſchuldig.
. Plurz(cim, 30. Juli. Gestern wurde dahier
_ durch die Kriminalpolizei ein Dienstmädchen verhaftet,
_ welches ihre Dienstherrſchaſt seit Mai 1882 bis
- Juli 1884 nach und nach um den Betrag von
_ 1650 Mek. (?) beſtohlen hat. 1425 Mk. fand man
_ bei Durchſuchung ihres Koffers in Gold baar vor.
:: Sie stahl jeweils Silbergeld und wechselte es dann
_ in Gold um, welches sie in ihrem Koffer anſammelte.
. * Aus Baden, 31. Juli. Der Hagelschaden auf
_ der Gemarkung Pfullendorf wird auf 70,000 Mk.
_ Hgeſchätt, in der Gemarkung Küß nach, Amts Walds-
hut auf 40,000 Mark. - Am 28. und 29. d. M.
brannten in Niedertegernau, Amts Schopf-
heim, die Deconomiegebäude des Johann Lais und
des Zimmermanns Stubenvoll ab. Ein Schwein
und elf Hühner des Johann Lais kamen in den.
Flammen um. Ebenso verbrannten deſſen Futter-
oorräthe. + Die Gemarkung A a ch, Amts Pfullen-
dorf, hat einen Hagelſchaden von 40,000 Mark zu
_ verzeichnen. + Der Taglöhner in Bruchsal, der
ſich, wie schon gemeldet, bei einer Taufe beim Freu-

die Nacht würde uns im köſtlichſten Schlummer ver-
gangen sein; so aber 0- möge man es den Um-
fäuten vergeben! entfalteten sich uns die barock-
_ sen Gedanken im Hirn; wir sahen Teufel, Ge-
penſter, Geiſter und glaubten endlich ſelber, durch
"er: Verwegenheit in einem Höllenneſte gefangen
u sein. ;
f ß Eine lange halbe Stunde, ohne daß sich etwas
_ Außerordentliches zugetragen hätte, ging so an uns
î vorüber, da wollte es uns scheinen, als ob es in
den Räumen des Hauſes lebendig geworden sei;
î wir hörten Geſtampfe, Thüren schlagen, Bewegungen
die Treppe auf und nieder, dann wieder Geflüſter
Fußtritte, ja, endlich klopfte es an bei uns, da wir
_ jedoch weder sprachen, noch öffneten, huſchte es weiter
_ an den Wänden vorüber; dann — wir hörten es
deutlich — öffnete sich langſam die Hausthür und
instinktmäßig reckten wir die Hälse, um aus dem
_ Fenster zu sehen: eins — zwei + drei —— ſechs
3,1 2::4568
Gärtchen auf und nieder, seufzend, Grimassen ſchnei-
dend, als seien die Laute, welche sie von ſich gaben
Klagerufe nach oben; eines derselben klopfte sogar
. an die Fensterscheibe, hinter der wir uns befanden,
_ Andere ſchlüpften durch die Gartenpforte und über-
ſchritten den Wieſenplan. ;
_ Vir standen wie gelähmt. Zu unserer Schande
î muß ich eingestehen, daß kaum Jemand von uns
wagte, zu athmen. Ein Glück, daß wir drei bei-
einander waren, denn ein einzelner hätte solchem
Treiben nicht in vollem Bewußtsein zugesehen.
. Allmählich gesellten sich von wo ie aufge-
aucht wären, weiß ich nicht zu sagen ~ auch graue














. IÑ

„|zutend gebeſſer. ~ Aus Nordoſtsteiermark

hieb, die, wild gemacht, gegen einen Steinhaufen



denſchießen an der Hand verletzte, mußte in's städtische
Spital verbracht werden und iſt darin gestorben.
- Ein Metzgermeiſter derselben Stadt ist von seinem
Bursſchen durch Unterſchlagung von Kundengeldern
um 45 Mark betrogen worden. Verwichenen
Sonntag ist zwischen Ueberlingen und Sipp- |
lingen von der Höhe des einige hundert Fuß faſt
senkrecht emporſteigenden St. Katharina-Felsens ein
Felsſtück von 36 Kubikmeter herabgeſtürzt. Glück-
licherweiſe war um die Zeit des Vorfalles die Land-
straße menschenleer – In Ortenberg, Amts
Offenburg, wurde ein Fremder festgenommen, der
in der Kirche den Opferſtock hatte plündern wollen.
Dem Virth Kleinschmidt zur „Rose“ in Schwetz-
ingen wurde eine Anzahl Hopfenstöcke abgeschnitten.
- — Im Kreis Kon ſtanz stehen die Hopfen augenblick-
lich sehr gut und lassen eine günstige Ernte erwarten,
ebenſo auch in Mauer und Bammenthal, wo man
bis vor Kurzem auf kein erträgliches Reſultat
rechnete. Weniger zufrieden sind die . Pflanzer in
Nußloch, die gerne eine volle Ernte haben möchten,
was aber bei dem gegenwärtigen Stand der Pflanze
Immerhin haben auch
hier die Aussichteu in den letzten Tagen ſsich be-

sich kaum erwarten läßt.

wird berichtet: Die nicht ſtark von Schwärze an-
gegriffenen Gärten haben sich in jüngster Zeit ſicht-
lich erholt, der Ertrag bleibt aber nur ',, da viele
Gärten nichts liefern. Nächste Woche beginnt die
Ernte theilweiſe im Kleinen; in Vorabſchtiſſen wur-
den einige Pöſtchen mit fl. 125 per 50 Kilo gemacht.

Vermijſchtes.

~ Bei dem dieser Tage in Bonn abgehaltenen
Studentencommers zu Ehren des ſcheidenden
Profeſſors Maurenbrecher wurde ein launiges Lied
an die Germania des Tacitus, über welche der Ge-
feierte noch am Morgen des Tages in der Univer-
ſität geſprochen hatte, gesungen. Das Lied iſt unseres
Wissens nicht mehr ganz neu, sondern vor etwa
einem Jahrzehnt in dieser oder doch ähnlicher Form
entſtanden. Es ist aber so hübſch, daß wir es hier
Uzhet LO§t! : ucrabend im Schatten des heiligen Hains,
Da lagen die alten Germanen und tranken immer noch eins.
Da kam des Wegs von ferne ein römiſcher Mann zu Fuß,
Der sprach: „Guten Tag, meine Herren, ich heiße Tacitus.
§ ) 448 ihet SU h 1.:§ BNN
Da ſchwiegen die alten Germanen und reichten ihm einen
Er trank in kurzen Zügen, ſprach bald : „Jetzt hab iger
Da lachten die alten Germanen auf beiden Ufern des Rheins,
Und ließen ihn spinnen und trinken noch eins und immer
Und als er am andern Morgen ſich seinen
Da ſchrieb er voller Rache in seine Germania:
„Es wohnen die alten Germanen auf beiden hſern zes
Sie liegen auf Bärenhäuten und trinken immer noch eins."

~ [Napoleon 's I. Rom an.] Das italie-
niſche Blatt „Don Perlincino“ enthält folgende
romantiſche Historie : „Napoleon der Erste hat auch
in einer ſozuſagen morganatiſchen oder besſſer wohl



Geſpenſter zu der geiſterhaften Schaar; auch Flämm-
chen sahen wir sich auf und nieder bewegen, und
um den Hexrentanz voll und richtig zu machen, zeigte
ſich zum Sttuh sogar der Höllenfürſt mit Hinkefuß
und Steiß.

Ein Bäuerlein, das mit seinem Karren des Weges
daher über die Landſtraße kam, gerieth bei dem An-
blick ſo in Angst, daß es wie toll auf die Pferde

rannten und den Karren umwarfen, so daß das
Bäuerlein stürzte und. ſchwere Verleßungen an Kopf
und Schultern davontrug. Erſt viele Stunden später
nachdem bei Tagesanbruch Landleute das Männlein
gefunden und aufgenommen, wurde es wieder zur
Besinnung gebracht. -- :

Wir, die wir in der Böhmerhütte eingeschlossen
waren, bemerkten, wie er stürzte; wir hatten aber
nicht den Muth, durch die Schaar der Verwegenen
hindurch zu seiner Hilfe zu eilen; wir standen wie
gebannt und starrten, als ob es eine Vision wäre,
auf den Teufel und das Spiel seiner Geiſter, bis
der Mond am Horizont endlich niederging und die
Dämmerung anbrach, bis das Zwielicht des Morgens
unsere Blicke verwirrte und uns endlich überzeugte,
daß alles vor uns verschwunden, daß das, was wir
für Geiſter angesehen, nichts als eine myſteriöſe
Täuſchung des Mondlichts gewesen war.

Die Sonne stand hoch am Himmel, als wir am
andern Morgen aus dem Schlafe erwachten. Ge-
stärkt hatte uns die Ruhe wenig, es lag außer
Zweifel, die Traumgeſtalten hatten uns in übler
Weise mitgespiel. i

eines Bergmannes in Jdria, Napoleon zum ersten

fuss machte und das Mädchen war naiv genug,
von ihm eine wirkliche Ehe zu verlangen. Napoleon

| in der zweiten Instanz verliert, geſchie



Wir kleideten uns an, ordneten die Betten so,




„Scheinehe“ gelebt. Man hielt diese Ehe stets nur
für eine phantafiſche Legende, die unter dem Vol

in Salzburg entſtanden war. In Salzburg aber
findet fich ein Manuscript, das die Abenteuer der
ſchönen Emilia Victoria Baronin v. Wolfsberg er-
zählt. *" Im Jahre 1805 sah Emilie, die Tochter

Male + sie war ſchön und noch nicht 20 Jahre
alt — als Napoleon ihr eine förmliche Liebeser-

willigte in diesen Wunsch ein und unterzog sich mit
guter Mine einer ſimulirten religiösen Ceremonie,
der der Marquis von Montholon, sicherlich der Graf
v. Eouthelon, sein Flügeladjutant und Gefährte im
Exil, als Zeuge beiwohnte. Wenige Tage nach
dieser ſehr morganatiſchen Ehe mußte N. nach München
reiſen, um der Hochzeit Eugen Beauharnais mit einer
bayeriſchen Prinzessin beizuwohnen. Emilie begleitete
ihn heimlich dahin — denn die Kaiserin Joſephine,
die nach Frankreich gekommen war, tiberwachte ihren
Mann mit eiferſüchtiger Unruhe, die leider nur zu
gerechtfertigt war. Emilie folgte N. im folgenden
Jahre nach Paris -- doch stets vor den indiscreten
Augen der Höflinge versteckt gehalten ; als der große
Capitän sein Schlachtenroß wieder bestieg, begleitete
ihn die Kaiserin bis zur Grenze. Von dort aber
nahm die Gattin linker Hand ihre Rechte wieder
auf ; sie schnitt ihre ſchönen blonden Haare ab, zog
Mänrmnerkleider an, um an der Seite des Geliebten
bleiben zu können. Die Schlacht bei Jena, der glor-

reiche Einzug in Berlin, der Marſch nach Warſchae.

die Siege bei Eylau und Friedland, alle jene sien.
reichen und blutigen Episoden der napolioniſchen get.
warfen ihren Glanz und Schatten auf das Daſen.
der Bergmannstochter. Im Jahre 1807. kehte.
Napoleon nach Paris zurück, und Emilie been _
auf's Neue ihr klöſterliches Leben bis zur Zeit des.
ſpaniſchen Krieges; sie folgte ihm wieder un wie.. _
finden fie wieder auf allen Wanderungen des franen.
zösiſchen Kriegsphantoms. Als R. Marie Luiſen.
heirathete, erhielt Emilie ein elegantes Haus, des.
nur von dem vertrauten Kammerdiener Conſtantun.
dem Mameluken Rouſtan gekannt war. Kaum hatte..
die ruſſiſche Campage begonnen, so war Emilie wieeer.
an der Seite des Kriegers und folgte Schritt un
Schritt den ſchrecklichen Stationen des wilden Marſche.
In Smolensk in Moskau, in den eiſigen Regione,
in den Niederlagen, die die große Armee vernichteen.
behauptete sie mit heroiſcher Treue ihren Plaz. Dieſen._
seltſame Verbindung, die zwischen zwei Siegen begeen.
nen und in den Schlachten sich enger knüpfte.
brach erst in Fontainebleau. Bevor N. jene hiſtoriſchen
Abschiedsworte an seine Soldaten richtete, nehm e
von Emilien Abschied. Er hatte sie zur Baroim.
gemacht und ihre Existenz gesichert, indem er eine
Million Francs in der Bank von England für ſe.
deponirte. Die Documente, in diesem Gegenſean.
betreffen, wurden ihrem Vormund (Curator) über-
geben einem Kriegsrath und Ritter der Ehrenlegen.
Während N. in Elba mit dem Tode rang, hen.

wie wir sie am vergangenen Abenv gefunden, un J
öffneten dann die Thür, um in's Freie zu gehn.
Es sprach Niemand ein einziges Wort. Ob sich
einer vor dem Andern genierte, ob wir uns de
verzerrten Traumgebilde schämten, mag dahingeſtel.
sein. Wir verließen das Haus — unheimlich daf
ich es ſchon nennen - und wendeten uns, da win.
keine Luſt zu einem zweiten Beſuch in Y. verſpürten.
nach der entgegengesettten Seite, in welcher Richtuun.
uns die Landstraße nach einem dreiſtündigen Marſchſen
in ein kleineres Städtchen brachte, wo man uns

einen simplen, doch immerhin anständigen GaſthFfFe.
wies. Hier verbrachten wir den Rest des Tages

und die daraufkommende Nacht. Ich will nicht

sagen, daß die Begebenheit uns mißlaunig gemacht.
hatte; aber die Stimmung unter uns war nieder.
geschlagen, wie sie nach einem ungemüthlichn Er-.
“U Ualtce"1t. L cru? ts ve rſet
über den Verlauf des Tages die Böhmerhäütte nicht.

(Schluß folgt.)





— Juriſtiſche s. Unsere Richter fügen ihren
Urtheilsſprüchen bei : „Von Rechtswegen“. Wenn
man den Prozeß in der erſten Instanz . v.
„Von. Rechtswegen“. Da find die türkischen Rich.
ter beſcheidener: fie ſchreiben nämlich an das Ende
ihrer Urtheil: „Gott weiß es beſſer.". -


 
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