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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 177 - No. 203 (1. August - 31. August)
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Jpricht von 400 000 Rubel, die theils in Baargeld,
theils in Werthpapieren und Pretioſen, bei Frau
Puſchkina geraubt worden seien; dies iſt vielleicht
îbertrieben, aber gewiß iſt, daß die Raubmörder
ich ganz koloſaler Werthe bemächtigten. Frau
Puſchkina blutete, als man sie auffand, aus mehr
als 20 furchtbaren Stichwunden. Als man he
näher besichtigte, fand man in ihrem Munde einen
zuſammengerollten Zettel, auf welchem Folgendes
mit Bleiſtift geſchrieben stand: „Zuſammengestohlenes
Geld können wir beſſer verwenden. Jm Auftrage
des Exekutiv-Comitecs. ~ Nikolaschka Ryſchyj.“ ---
Der Name Ryſchyj iſt offenbar fingirt; von den
_ Mördern hat sich bisher keine Spur gefundeu.

_. Aus Nah und Lern.
_ * Karlsruhe, 21. Aug. Der ,badische Ver-
band ſelbstständiger Bäcker“ vertheilt sich auf folgende
rte. Freiburg und Mannheim haben Innungen
ach dem Getze vom 10. Juli 1881, die andern
eie Genoſſenſchaften; Ludwigshafen hospitirt im
adiſchen Verband, bis in der Pfalz ein selständiger
rband geschaffen wird. Baden 27 Mitglieder,
HVBruchſal 18, Buchen 7, Bühl 10, Durlach 21,
Eberbach 19, Ettlingen 12, Freiburg 32, Heidel-
berg 37, Kandel 2, Karlsruhe 65, Konstanz 25,
Krötigen 1, Lahr 32, Langenbrücken 1, Lichtenthal
6, Lörrach 44, Mannheim 60, Mosbach 11, Mühl-
burg 8, Neckarau 4, Östringen 1, Offenburg 16,
Pforzheim 33, Rastatt 2, Schönach 1, Seckenheim
H, Villingen 15, Triberg 1, Waldkirch 8, Wolfach
H, und Ludwigshafen 29 ; zusammen 570 Mitglieder.
_ * Mannhyeim, 22. Aug. (Verkehr:) In Betreff
des Verkehrs auf der Kettenbrücke läßt das Großh.
Bezirksamt Erhebungen machen und ergaben ſoiche
für den geſtrigen Tag folgendes Resultat : Es pas-
\irten die Brücke von Morgens 4 Uhr an bis Abends
.: o Personen, 1473 Fuhrwerke und
t Thiere. '
_ * Mannheim, 24. Aug. Aus dem benachbar-
ten Neckarau kommt soeben die Nachricht von einem
dort geſtern Abend gegen 10 Uhr verübten Vater-
mord. Der Taglöhner Philipp Ziegler bekam Streit
mit seinem, in einer hiesigen Gießerei beſchäftigten
Sohn, der bei ſeiner Nachhauſekunft das Nachtessen
nicht fertig fand, das sein Vater bereiten sollte und
arf der junge Ziegler seinen Vater zu Boden und
dtete ihn mittelſt Fußtritten auf Leib und Bruſt.
Der Mörder, welcher längere Zeit in Amerika war,
ſich dort verheirathete und deſſen Frau gegenwärtig
ur Beerdigung ihres in ihrem Heimathort in Heſſen
eſtorbenen Kindes abwesend iſt, gilt als ordentlicher
nd fleißiger Menſch, während sein Vater sich keines
uten Leumunds erfreute und dem Trunk ergeben
ar. Der Thäter verſuchte erſt in einem benach-
rten Wirthshaus den Tod ſeines Vaters mit einem
fta pu erklären, begab ſich jedoch hierauf nach dem
Bürgermeisteramt und bekannte seine That in vollem
Umfange. Durch die Gendarmerie wurde er noch
eſtern W nach dem Amtsgefängniß nach Schwetin-
en verbracht. s

> rs cen
„Ja, ich soll binnen kurzer Zeit Charles Frau
erden, deßhalb wünſche ich Dich bald wieder her-
eſtelt zu schen, damit Du meine Brautjungfer
erden kannſt; Alwynne hat versprochen, Braut-
hrer zu werden. Nun aber glaube ich für heute
genug gesprochen zu haben, Du mußt jett wieder
einige Zeit schlafen“, und Claras warme Lippen
küſſend, verließ sie eilig das Zimmer.
_ Lina's Worte wirkten wie ein Sonnenstrahl,















der in die Finſterniß gedrungen war, welche Clara

umgeben hatte. Wenigstens war Alwynne nicht
îLina's Verlobter. Es war ja möglich, daß er eine
ndere liebte, aber dann - dann -+ 'Clara's
. rt ftr tue Fett u t u tete
önne jemand eintreten und ihr Geheimniß entdecken.
war wunderbar, wie Clara’'s Appetit seit dieſem
age zunahm und, als Dr. Fairfax seinen Abend-
eſuch machte, fand er, daß der Puls seiner Pa-
entin viel kräftiger schlug. Er setzte sich neben
as Bett nnd verſucht mit seiner bisher ſo ſchweig-
amen Patientin eine Unterhaltung auzuknüpfen.

„„ un, Miß Clara, Sie werden bald von dem
wange. der Krankensſtube befreit werden und um-
herfliezen, wie ein entflogener Vogel; aber bevor
meine Herrſchaft über Sie aufgebe, müſſen Sie
ir verſprechen, meinen Vorschriften für ihre Ge-









und ich beabsichtige, Sie zu zwingen, mehr zu reiten
1 lachen und zu singen, als Sie bisher gethan.
ollen Sie verſprechenrn.
Das Mädchen ſah ihm ernsthaft ins Gesicht.
„Ich will weder versprechen, noch gehorchen,
enn Sie mir nicht eine Frage beantworten.“

undheit zu folgen. Sie lesen und denken zu viel

? Nußloch, 24. Aug. Obgleich schon 8 Tage
da und dort LV cr eitgelrag: worden, beginnt hier
die allgemeine Pfl ü ke erſt morgen, ſo daß nun
hunderte Hände den ganzen Tag über vollauf be-
ſchäftigt find. Nach allgemeiner Schätzung iſt eine
ſtar ke Mittelernte zu erwarten, was dagegen die

Qualität der Hopfen anbelangt, so wird dieselbe.

tadellos und vorzüglich sein und darf das
Erzeugniß zu den besten des Landes gerechnet wer-
den und diesen ebenbürtig zur Seite stehen; in Folge
deſſen werden hier auch durchschnittlich die höchſten Ta-
gespreisen bei einiger Ausdauer und persönlicher Con-
sequenz des Verkäufers erzielt und bezahlt. Käufe
wurden bis jetzt keine abgeſchloſſen, doch hört man

von 170-200 Mk. I. Qual. per Ctr. ~~. Der Obſt- -

verkauf ging in den letzten Tagen mit lebhafter
Concurrenz vor sich. Für Zwetſchgen und Früh-
birnen werden 8,50 0-9Mk. per Ctr. bezahlt. Die
meisten Zwetſchgen sollen nach England, Schweden
und Norwegen kommen. Eine Kölner Conſserven-
fabrik kauft hier Sommer-Eierbirnen sogen. ,„beſte
Birne‘“ 9 Mk. Hierbei sei bemerkt, daß das zu
frühe Abmachen des Obſtes den Bäumen ſehr schadet
und dürfte deshalb der jetzt bezahlte hohe Preis mit
9 Mk. per Ctr. durch den Schaden der an diesen
Bäumen verursacht wird, indem ein solcher Baum
erſt in 2 und 3 Jahre wieder tragfähig iſt, oft so-
gar anfängt zu kränkeln und vor der Zeit abſstirbt,

sehr vermindert werden; deßhalb sollten nur mit

Vorsicht frühreife Früchte abgemacht werden. ~
Eine rationelle Obſtbaumzucht und Obſstbaumpflege
wäre für unsere Gemeinde von größtem Werthe, würde
die jährlichen Einnahmen um viele Tauſende er-
höhen, da die Lage und Bodenbeschaffenheit für ver-
ſchiedene gute Obſtſorten eine sehr günstige ist, z. B.
die Erdbeerzucht in Staufenberg ein kleiner Ort

zwischen Baden und Gernsbach, trägt diesem alljähr-

lich 20-- 30000 Mk. ein. Wie viel könnte darum
unsere Gemeinde nebſt des Hopfen- und Weinbaues,
durch eine richtige Obſtbaumzucht und Pflege noch
erzielen; wenn nur der Wille und gewisse Ausdauer
vorhanden wäre. Nach etlichen Jahren würden zu
den Tauſenden für Hopfen und Tabak noch mehr

Tauſende zum Vorsſchein kommen; deßhalb Loſungs-

wort : Beſſere vermehrte Zucht und Pflege von Obſt-
bäumen!

* Wertheim, 22. Aug. In den Gemeinden
Gamburg und Freudenberg, woſelbſt ein vorzüglicher
Tabak gebaut wird, sind die Pflanzer dieses Jahr
sehr zufrieden. Auch in Hochhauſen an der Tauber
ſind die Aussichten sehr gut; die Mannheimer Händler
die diesen Tabak meist kaufen, werden dieses Jahr
sehr zufrieden ſein. Die Obsthändler haben, was
noch an Zwetſchgen zu haben war, dieſe Woche zu
6 Mk. bis 6 Mk. 80 Pfg. vollends gekauft. In
feinem Tafelobſt fanden Käufe für eine Leipziger
Firma dieser Tage statt. Dieselbe hat gebrochene
Waare, Mitte September lieferbar, zu 41/,6 Mk.

per Ctr. frei Bahnhof gekauft, ein Preis der ziemlich

hoch zu nennen iſ.
* Frankfurt, 23. Aug. Ein um die Ruderer

„Und was ist es?“

Clara zögerte einen Moment und sagte dann
ängstlich: „Wollen Sie mir sagen, ob ich einen
Herzfehler habe ?“ ;

„Ja, Sie haben eine kleine Herzkrankheit.“
„Werde ich eines plötzlichen Todes sterben ?“
„Werde ich wieder geſund werden?“

„Gewiß, wenn Sie meine Vorsſchriften befolgen.

Das Einzige, was in Ihrem Syſtem in Unordnung |.

iſt, ſind Ihre Nerven, hervorgerufen durch Verweich-
lichung und unrichtige Behandlung.“

„Sie sind sehr gütig,“ sagte ſie dankbar, ,ſich
so viel Mühe mit mir zu geben“. Es lag so viel
Trauer in ihrem Ton, daß man glauben mußte, es
wäre noch ein ſchmerzhafter Gedanke zurückgeblieben.

„Ich werde [Sie nächſtens andern Händen über-
geben,“ verſeßzte Dr. Fairfax lachend; „für jetzt
wünsche ich gute Nacht. Compton erwartet mich in
den Anlagen, um mit mir eine Cigarre zu rauchen
und meinen Rapport zu empfangen. Gute Nacht!“

Und er verließ sie und, wie er vorausgesett,
ſchlief sie ſo feſt und friedlich, wie seit lange nicht.

Achtes Kapitel. ;

„Clara lag auf einer Chaiſe longue im Boudoir,
wo sie ſonſt ſo viele traurige Stunden verlebt hatte.
–~ Sehr süß und ſchön sah sie aus in ihrem
weißen Morgenkleide; Lina deckte sie mit einer Decke
zu und schob ein Kiſſen unter ihren Kopf, dann
sette sie ſich zu ihr und begann vorzuleſen. Sie
bemerkte den ängſtlich ruheloſen Blick in des jungen
Mädchens Augen und das Zittern ihrer Hände,



sah, wie sie sich nach dem Moment sehnte und doch

| fürchtete, wenn er, der Spielgefährte ihrer Kind-

brach das Genick.





verdienter Frankfurter Sportsmann hat, wie der in
Berlin erſcheinende „Waſſerſport“ in seiner neueſten
Nummer berichtet. der Rudergesellſchaft „Germania“
1500 Mk. zur Verfügung gestellt, wenn sie Hen
Achilles Wild nächſtes Jahr zur Henley-Regatta neh
London schicken und ihn dort die deutsche Ruderwlt..
vertreten laſſen will. Wenn fich jdieſe Mittheillunn.
bewahrheiten sollte, ſo wird Herr Wild aller Vorn.
fd . 00
. . . L
eignete sich auf dem Judenmarkt ein höchſt bedauerne.
werthes Ungltick. Vor einem Hauſe entſtand en
großer Skandal, den zu ſchlichten, ein im 1. Stoke |
deſſelben wohnender Handwerker durch eine Waſern.
brauſe sich anschickkte. Mit aller Wucht ſchleudere ||
er das Wasser auf die Köpfe der Streitenden, be:. |
kam dabei das Uebergewicht stürzte herunter und |

* Wiesbaden, 20. Aug. Vom 16. bis 19.0). M.
waren die Turner aus dem Nassauiſchen, aus Heſſen.
von Mosel, Saar, Nahe und Mittelrhein in unſeeer.
Bäderſtadt zum 15. mittelrheiniſchen Turnfeſte ver.
einigt. Während am Samſtag die Berathung des.
Kreisausſchusſſces sowie jene des mittelrheiniſheaen.
Turntages stattfanden, welche innere Vereinsannne..
legenheiten zur Erledigung brachten, gestalteten sich,
wie die Allgemeine Zeitung ſchreibt, die übrigen
Tagen zu Volksfesten im wahren Sinne. des Wortes,
welche die gen Wiesbaden gezogenen Turner wie
die einheimiſche Bevölkerung in gleicher Weiſe in.
Anspruch nahmen. Mit fliegenden Bannern, d'en.
Mehrzahl derselben in den ſchwarz-roth-goldenen |
Farben, hielten die nach Tauſenden zählenden Tune.
am Sonntag Vormittag ihren Einmarſch in d'en.
glänzend geschmückte Feſiſtadt, theils unter dem Von.
antritt eigens mitgebrachter Musikchöre, theils ge-
leitet von den nach den Bahnhöfen beorderten Wies-
badener Capellen. Um 12 Uhr Mittags ſetzte fich
der große Feſtzug durch die Stadt nach dem roman-
tisch gelegenen Festplaße „Unter den Eichen“ in
Bewegung. Es war ein farbenprächtiges Bild,
welches sich durch die ſsonnenbeſchienenen Straßen
der Stadt entrollte, und das durch die neben den
langen Reihen der Turner auftretenden coſtümirten
Gruppen einen ganz besonderen Reiz erhielt. Da
sah man Ritter und Reisige hoch zu Roß, Lands-
knechte und Schützen, vor allen aber die verſchiedfenen.
Gewerke in geſchloſſenen Aufzügen mit den geſchmack- .
voll arrangirten Emblemen ihres Handwerts. Dee.
Vorbeimarſch des nach Tauſenden zählenden Zuges.
der durch die vielen Musikcapellen in flottem Marſche.
tempo erhalten wurde, währte dreiviertel Stunnen.
Nachmittags nahm auf dem turneriſchen Feſtplaueen.
„Unter den Eichen“ das Preis- und Schautumen.
seinen Anfang, bei welchem sich namentlich die Offen.
bacher Turner auszeichneten. Am Montag fand des
Preisturnen seine Fortſeszung und endete erſt ſpät.
in der Nacht mit der Preisvertheilung an die glue.
lichen Siezer. Der Dienstag war den Uebungen.
der Fechtriegen des Mittelrheinkreiſes gewidmee. De.
Abende und Nachmittage der jedesmaligen Festtage.




















heit der Freund und der Beſchütßer ihrer Jugeen.
eintreten würde; aber Lina that, als ſähe ſie es
nicht. Bald kam ein leiſer Schritt den Korridor
entlang und es klopfte leiſe an die Thür. Lina
öffnete, li.ß den Einlaß Begehrenden ein und ver-
schwand dann selbst. ,
. p Clara, mein armer Liebling !“ --- „Alwynne,
lieber Alwynne!“ ur | "
Sie konnte den Ausruf nicht zurtickhalten, der
Ton seiner Stimme war ſo weich, sein Blick ſ0
ähnlich dem der früheren Tage, so liebevoll, daß
die Worte sich unwillkürlich über ihre Lippen drängten
Er neigte sich zu ihr hernieder und küßte ihre Wange.

Dann ſsettte er sich neben sie und ihre Hände in den

seinigen haltend, blickte er ihr tief in die Augen.
mit einem Ausdruck, den sie nicht mißverſtehen konten.
„Mein Liebling, wie hast Du gelitten!“ sagen.
ec, „aber Dank dem Himmel! Es iſt nun Als.
vorüber, Du bist mein von heute an bis in dm.
Tod. Bist Du nicht mein, Clara ?““ |
Nur einen unendlich glücklichen Augenblick ruhet?
ihr Kopf an seiner Bruſt, und ihre Augen faje!
ttt CE C BE R h
nigen Lächeln voll Glückseligkeit. “:
Dann zog eine Wolke tiber Clara's Gesicht
„Alwynne, lieber Alwynne, sei mir nicht böſe-
aber ich darf nicht, Du weißt es nichtvnn.
Er preßte sie an ſich, „was weiß ich nicht mein
Herzblatt? was darfſt Du nicht thun ? Darfst DU
nicht Allwynne, Deinen Freund Deiner Jugen?
den Pflegeſohn Deiner Eltern lieben ? Was habe
ich gethan um Deine Liebe zu verlieren. Claras
(Schluß folgt.) ;
 
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