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Heidelberger Tageblatt: unabhängige Zeitung für Nordbaden — 1884

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No. 204 - No. 228 (2. September - 30. September)
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https://doi.org/10.11588/diglit.44124#0880

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_ Straßen, welche der Kaiser während seines hiesige

Aufenthalts passiren wird, statt. Die Revisionen
ſind doppelter Art. Vorerst wird jedes Haus von
der Polizei abgeſucht; dann kommt die Gendarmerie,
welcher ein Genie-Offizier beigegeben iſt, und revi-
_ dirt nochmals. Boden und Keller werden unter po-
lizeilichen Verschluß genommen und von dort aus
etwa auf die Straßen gehende Fenster mit Brettern
vernagelt. Gestern Vormittags wurde plötlich y
e

katholische Kathedrale, welche an das königli
Schloß angebaut ist, von Soldaten umſtellt und di

ganze Kirche einer genauen Revision unterzogen.
alten Verbindungsgang,
ſiſchen Könige benütten,

um in die Kirche ; zu gehen. Dieser Gang wurde
ofort in Folge polizeilichen Auftrages zugemauert.

Hiebei fand man einen
welchen seinerzeit die ſäch

Zahlreiche Familien haben, um den immerwäh

î renden Plackereien der Polizei zu entgehen, ihre
Wohnungen abgesperrt und Warschau verlaſſen.
Seit Tagen ſollen die abgehenden Züge mit ſolchen
Flüchtlingen überfüllt sein. Die hiesige Kaufmann-
ſchaft beſchloß, da sie laut Polizeierlaß für die in

ihren Läden verkehrenden Kunden verantwortlich ge-
_ macht werden, während des Aufenthaltes des Kaisers
_ in Warschau die Verkaufsgewölbe nicht aufzusperren.

; Die Bewachung der Schlöſſer von Lazienki und
_ Stierniewice hat Graf Vielopolski übernommen.
HYVWie hermetisch dieselben abgeſchloſſen sind, beweiſt

; der Umstand, daß in den letzten Tagen ein aus
_ Petersburg hergeſchickter hoher Genieoffizier, welcher
_ den Auftrag hatte, die Schlöſſer zu untersuchen,
_ trot der perſönlichen Empfehlung des Generalgou-
î verneurs Gurko keinen Eintritt erhalten konnte,
weil Markgraf Wielopolski aus Warſchau abgereiſt

_ wac. Erst nach der vorgeſtern erfolgten Rückkehr
des Manrquis konnte der Offizier seine Untersuchung
vornehmen. Trot aller dieser Vorsicht ereignete sich
vorgeſtern folgender Fall: Eine der vielen Unter-

; ſuchungskommis;ſionen fand bei Begehung des Schloſſes
î Lazienki eine Wand mit friſchem Mörtel beworfen.
. - Bei der heute erfolgten Ankunft des Kaiserpaares
_ tanden auf beiden Seitcn der Straße, von zehn zu
zehn Schritten, Poliziſten und berittene Gendarmen.

Die Bevölkerung, deren Benehmen muſterhaft war,
begrüßte überall das Kaiſerpaar mit lauten Hurrahr-
î rufen. Das Kaiserpaar fuhr im offenen zweispän-
; uizen Wager i [harter rte "hz q.! quitt:
Uf beur Matctoer Uäie t§e §§tl. HT. cô’n

erſten waren die Grenadier-Regimenter Kaiser Franz

Joſeph und Kaiser Wilhelm aufgestellt. Im Ganzen
waren es gegen Hu Mann.

: talien.

Neapel, 10. Sept. Der König besuchte mit
Y oſta, Depretis, Mancini, dem Präfekten und Bür-
germeiſter die bedeutendsten Choleraſpitäler, sowie
das Hoſpiz, worin die Familien Erkrankter unter-
_ gebracht sind. Der König, welcher für sich die Des-
_ infektion abgelehnt haben soll, ging von Bett zu
Bett, selbſt zu den Sterbenden, ermuthigte, tröſtete

ihnen wendete, daß einer vierten Person die Be-
_ Htheiligung an der Unterhaltung ohne gewaltsame
_ Einmischung unmöglich gemacht wurde.
_ cöolmfeld hätte ein viel weniger ausgeprägtes
Hartgefühl beſiten müſſen, um diese Zurückſeßung
nicht als eine ſchwere und wohl berechnete Beleidi-
ung zu empfinden. Er war einen Augenblick
fr entſchloſſen, die Gesellſchaft unter irgend einem
Vorwande zu verlaſſen und morgen die beiden
Fremden zur Rede zu ſtellen ; aber wie zufällig bog
gerade jett der alte Herr von Brandenstein seinen
Kopf ein wenig vor, so daß ſein Gesicht von dem
Schimmer der Wachskerzen beleuchtet wurde; in
dem Blick, welchen er seinem Inspektor zuwarf,
glaubte dieser etwas Ermuthigendes zu lesen. Ein
weiterer Grund, der ihn zum Dableiben bestimmte
war das Benehmen Kurts gegen Elsbeth, die jetzt
an den Speiſsetisch herangetreten war und in ihrer
gewandten unbefangenen Weise den Thee servierte.
_ Zwar waren die Worte, welche der Baron an-
die junge Dame richtete, in einem ſo flüſternden
Tone gesprochen, daß Holmfeld nur ſehr wenig ver-
ſtand, aber Elsbeth's wiederholtes Erröthen und
ihre kurz abweiſenden Antworten ließen deutlich ge-
nug erkennen, welcher Art die Bemerkungen Kurt's
ein mochten. Einmal ſchien es sogar, als werfe
e einen Hilfe suchenden Blick auf ihren Verlobten
und der ſchon vorhin erregte Groll in der Bruſt
esſelben begann nur noch heißer aufzukochen. Dann
ber wollte es ihn bedtinken, als klängen ihre Er-
viderungen freundlicher und als lauſchte ſie mit
einer Art von Wohlgefallen den für ihn noch im-
ter unverständlichen aber augenscheinlich immer. ein-
licher werdenden Auseinandersegungen ihres












Truppen waren in zehn Treffen aufgesſtell. Im

und ordnete besondere Maßregeln an, um die Ver-
theuerung der Lebensmittel zu verhindern. Der Be-
ſuch des Monarchen macht auf die Bevölkerung
einen tiefen Eindruck. Der König wurde überall

n

ſuch des ärmeren Stadtviertels iſt beabsichtigt. Die
Anzahl der Spitäler und Aerzte iſt ungenügend;
im Spital Conochia sind ſelbſt die Treppenhäuser
belegt. In einer einzigen Straße kamen in einer
Stunde 39 Erkrankungen vor. Auch ein Polizei-
beamter der königlichen Eskorte wurde von der
Krankheit befallen. Zahlreiche Einwohner verlassen

die Stadt.
; Egypten.

Shanghai, 10. Sept. Die chinesischen Behör-
den haben bereits begonnen die Wuſung-Einfahrt
durch die Versenkung von mit Steinen gefüllten
Kähnen zu ſperren. “ss;hi

Kairo, 10. Sept. Northbrook wurde heute
Vormittag vom Khedive in Audienz empfangen. Er
überreichte ein Schreiben Granville's, welches die
Beglaubigung Northbrook's als Oberkommiſſar von
England enthält. Gleichzeitig wird die egyptiſche
Regierung um Unterſtüßung bei der Löſung der
wichtigen ſchwebenden Fragen, namentlich hinſichtlich
der Regelung der finanzielen Schwierigkeiten, erſucht.
Der Khedive empfing Northbrook herzlichst und sprach
nach der Audienz ſich sehr befriedigt über die Er-
klärrungen Northbrook's aus. Später besuchte der
Khedive Northbrook.

Aus Nah und Leru.

* Mannheim, 10. Sept. Vermißt wird seit
Montag Mittag der penfſionirte Hauptlehrer Ph.
Reiner. Derſelbe, einer unserer hervorragendsten
Lehrer der hiesigen Volksschule, der wiederholt als
Stellvertreter des Rektors fungirte, hatte wiederholt
Gehirnschläge gehabt und in Folge deſſen ſchwere
Krankheiten zu bestehen, die seine Pflege im allge-
meinen Krankenhauſe nothwendig machten aus wel-
chem er sich entfernt hat.

O Schwetzingen, 11. Sept. Gestern Abend
veranstaltete die „Harmonie“ dem von hier ſcheiden-
den Herrn Oberanitsrichter Armbruſter ein Abſchieds-
ſtändchen mit solennem Fackelzug. Nach demselben
fand ein vom „Casino“ dem der allverehrte Schei-
dende angehört, gegebener Abschiedscommers im
„Ritter“ statt, deſſen Garten bald im ſchönſten ben-
galiſchen Farbenlicht erglänzte. Der Gesangverein
„Harmonie“ verherrlichte wesentlich den schönen Abend
durch seine vorzüglich, vorgetragenen Gesänge und
trug die ganze Feier den Charakter der Ehrenbe-
zeugung, einem Manne gegenüber den Alle hoch-
ſchäten lernten durch sein liebenswürdiges Benehmen
und seinem ſtreng rechtlichen Sinn, welche mit ihmJin
Berührung kamen. Der nach Bruchſal übersiedelnde
Scheidende war ein allgemein beliebter Beamter, wes-
halb der geſtrige Abend einerseits auch seine weh-
müthige Seite nicht verläugnen konnte. Das beſte
Andenken an Herrn Oberamtsrichter Armbruſter iſt

Nachbarn. Georg Holmfeld hatte bisher das bren-
nende, nagende Gefühl der Eiferſucht nicht gekannt
und auch jetzt war sein Vertrauen in Elsbeths Liebe
viel zu groß, als daß ſich eine Erbitterung gegen
dieſe ſelbſt seiner hätte bemächtigen sollen. Aber
ihn peinigte die wachsende Beſorgnis, daß sie in
ihrer Unerfahrenheit und Ahnungslosigkeit dem welt-
gewandten Lebemann mit seinen ſchmeichelnden ein-
nehmenden Manieren, unbewußt Freiheiten einräumen
möchte, welche dieser in einer unverſchämten Weise
auszunützen im Stande sei. Er wartete mit ängſt-
licher Spannung darauf, irgend ein Bruchſtück ihrer
Unterhaltung verstehen zn können, um ſich dann
unter allen Umſtänden an derselben zu betheiligen;
aber ſo leicht es ihm auch von der übrigen Gesell-
ſchaft, die ihn ja vollſtändig von ihrem Gespräch
ausgesſchloſſen hatte, gemacht wurde, so gründli

e



vereitelte doch Kurt's unversſtändliches Flüftern seinen
Zweck, und noch niemals war ihm eine halbe Stunde
in dem unheimlichen Theezimmer des alten Schlosses
ſo qualvoll und langsam vergangen, als an dem
heutigen Abend.

Mit secundenlangem Rasseln und Schnarren
holte die alte Standuhr, die sich in dem Dämmer-
dunkel, von welchem ſie umhüllt war, nur durch ihr
Geräuſch bemerklich machen konnte, zum Schlage
aus. Es ſchien, der alte Baron habe nur auf dieses
Signal gewartet, um eine Absicht, über die er ſchon
lange im Stillen gebrütet, zur Ausführung zu
bringen. Ohne eine Frage zu beantworten, die Rat-
feld eben an ihn gerichtet hatte, wendete er ſi

kus nach seinem Neffen und winkte diesen zu fich
eran. ;



mit begeiſtertem Zurufen empfangen. Auch der Be-

< | tung und Geistesgegenwart beſäße !“ dachte er. Odet

< | einer gezwungenen Höflichkeit verschwunden war.



ihm bei den Schwetingern gesichert, das hat
der gestrige Abend auf's glänzendſte bewiesen,
Berwangen, 8. Sept. Heute Abend ihm
wurden dem hiesigen Pfarrer Karl Spies das M
von S. K. H dem Großherzog verliehene vom
kreuz erſter Klaſſe mit Eichenlaub des Ordens V' |
Zähringer Löwen durch den damit beau “e |
Amtsvorſtand Deitigsmann in Eppingen unter irth, |
ſtenz des Vorstandes der Diözeſe, Dekan Birth! |
feierlich überreicht. Die im Pfarrhauſe verfanitcW.
weltlichen und kirchlichen Ortsvorſtände, der Ha fich
lehrer und die Familie des Gefeierten freuten . |.
mit den Amtirenden, daß dem Hochverdienten chen |
überall und von Jedermann hochverehrten Geiſtl id [
der auf 84 Lebensjahre und 61 Dienstjahre zur 1
blickt und der seit 47 Jahren die Gemeinde ite |
.E.SSCClOo:
herzlicher Weiſe dankte der Dekorirte für die itt |
gewordene Auszeichnung. Möge der Herr as a.; J
Zeichen der Huld des Landesherrn noch recht 1 e.
im Kreise der Seinigen und in Mitten der Gem . |
deren Glieder er meiſt getauft, konfirmirt oder z! |
Ehe eingesegnet hat tragen ! is q
§ Von der Jaxt, 10. Sept. Wenn man 1- |
ſchlichten Landorten in herzlicher Weiſe das Gebu . [
feſt des Landesfürsten begeht, so ist das ein erft u .
licher Beweis von der Eintracht und Liebe zwiſcht! |
Badens Volk und Fürst. So wurde in Gom .
dorf dieser Tag begangen durch Beflaggung, Kirch
parade des Militärvereins und Banket im Gaſth ab- .
zum Engel. Patriotiſche Reden und Toaſte .
wechſelnd mit Mufik und Gesang, geſtalteten .
Feſtabend zu einer ganz würdigen Feier. Jn Kral! .
heim wurde der Tag ähnlich gefeiert. Das Ban
im Hirſch vereinigte auch die Honoratioren !
Städtchens. Der um den dortigen Verein hochv!
diente Vorstand, Hr. Reſervelieutenant Gärtner hie. .
eine von ächtem militärischen und patriotiſchenGei .
rr zo Kc ulery, 6. Sept. Ein feltſams.
Fund wurde heute in einer Dunggrube in der N i
des „Storchenthurmes“, die seit Fahr und Tag h! .
entleert worden war, gemacht. Es wurde in de
selben bei der heutigen Reinigung das G
eines erwachſenen Menſchen aufgefunden. Die
wurde der Polizei zur Anzeige gebracht.. n
* Aus Baden, 10. Sept. Profeſſor Dreikot!
vom Gymnasium in Mannheim hatte die Fer
zu einem Ansflug in das bayerische Hochgebirge
nuttt und beabsichtigte am 3. Sept. in Mannheit .
wieder einzutreffen. Dies geschah aber nicht ut! .
liegt bis jezt auch noch keine Nachricht von d _
Vermißten vor. Man vermuthet, daß Dreikorn all
der Tour nach Lindau verunglückte oder schwer
krankt iſt. Die bekümmerte Gattin hat ſich auf.
macht, ihren Gemahl zu suchen. ~ Gestern hat '
ein junger 21jähriger Mensch, Namens Riehl, at
Schwetzingen, welcher in der hiesigen Actiet
brauerei gearbeitet, erhängt, weil, wie man sa
seine Eltern ihn nicht mehr bei sich aufnehmt


















e

S











ich mit meinem Neffen einige Worte im besondere,
zu sprechen wünsche. Wir ſind vielleicht morgé,
verhindert, uns zu sehen, und es handelt sich u

eine Kleinigkeit, die wohl am beſten gleich abgema
wird.“ ;
Erbleichend und mit fichtlichem Widerſtrebe!
erhob sich Kurt von seinem Sitze, um der Einladut!
zu folgen; noch weniger bereitwillig ſah der RÜ 16
zug des Doktors von dem Sessel des alten Baro

nach dem Speiſetische hin aus. Diese Unterredun9
über deren Gegenstand er ja nicht im Zweifel fei!
konnte, kam ihm ſehr ungelegen. Er hatte die Vct
ſtimmung des Gutsherrn wohl gemerkt und ihn
durch Aufgebot all’ seiner Liebenswürdigkeit i"
beſſere Laune versetzen wollen. ß
„Wenn nur der furchtſame Bursche mehr Hal

wenn ich iſtr nuch ein paar Verhaltungsmaßregtl"
zuflüſtern könnte! — Aber ſo geht möglicherwei!!
alles an ſeiner ungeschickten Befangenheit zu Grunde.
Er unterließ es nicht, seinem Schüler eine!
raſchen ermuthigenden Blick zuzuſenden, und nahn!
dann das unterbrochene Gespräch mit dem ſchwer
hörigen Oberförster in einem so lauten und eifrige;
Ton wieder auf, daß die Gefahr, es möchte a ;
dem Gespräch der beiden Brandensteins mehr her
überdringen, als gut war, ausgeschlossen tvurde. s-
Diese Gefahr aber war an und für fich keine ii
wegs gering, denn der alte Baron dämpfte nich
ſeine Stimme, aus der jett auch der letzte Rel



„Die Herrschaften werden entschuldigen, wenn

(Fortsetzung folgt.)


 
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